1. Senat - Fehlende Tariffähigkeit der CGZP - Aussetzung von Lohnzahlungsverfahren
Karar Dilini Çevir:
1. Senat - Fehlende Tariffähigkeit der CGZP - Aussetzung von Lohnzahlungsverfahren
08:05 - 2 - BUNDESARBEITSGERICHT 1 AZB 58/11 1 Ta 500/11 Landesarbeitsgericht Hamm BESCHLUSS In Sachen Kläger, Beschwerdeführer und Rechtsbeschwerdeführer, pp. Beklagte, Beschwerdegegnerin und Rechtsbeschwerdegegnerin, hat der Erste Senat des Bundesarbeitsgerichts am 23. Mai 2012 beschlossen: 1. Auf die Beschwerde des Klägers wird der Beschluss des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 28. September 2011 - 1 Ta 500/11 - aufgehoben. Der Beschluss des Arbeitsgerichts Detmold - 3 Ca 1698/10 - vom 14. Juli 2011 wird abgeändert. - 2 - 1 AZB 58/11 08:05 - 3 - Das Verfahren wird fortgeführt. 2. Die Kosten der Rechtsbeschwerde und der Beschwer-de hat die Beklagte zu tragen. Gründe I. Der Kläger war bei der Beklagten vom 7. Mai 2008 bis zum 19. Dezem-ber 2008 als Leiharbeitnehmer beschäftigt. Im Arbeitsvertrag war die Anwen-dung der mit der Tarifgemeinschaft Christlicher Gewerkschaften für Zeitarbeit und Personalserviceagenturen (CGZP) abgeschlossenen Haustarifverträge in der jeweils letzten Fassung vereinbart. Mit seiner Klage macht der Kläger Differenzlohnansprüche gemäß § 9 Nr. 2 AÜG geltend. Das Arbeitsgericht hat das Verfahren nach § 97 Abs. 5 ArbGG bis zur Klärung der Tariffähigkeit der CGZP am 13. Oktober 2003, 24. Mai 2005 sowie am 12. Dezember 2006, den Tagen der Abschlüsse der seiner Auffassung nach entscheidungserheblichen „Tarifverträge“, ausgesetzt. Das Landesarbeitsge-richt hat die sofortige Beschwerde des Klägers zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich dessen Rechtsbeschwerde. II. Die Rechtsbeschwerde ist begründet. Ein Grund für die Aussetzung des Verfahrens bis zu einer Entscheidung über die Tariffähigkeit der CGZP am 13. Oktober 2003, 24. Mai 2005 sowie am 12. Dezember 2006 besteht nicht mehr. Zwar liegt für die im Aussetzungsbeschluss konkret aufgeführten Zeit-punkte eine ausdrückliche Entscheidung über die Tariffähigkeit der CGZP nicht vor. Einer solchen bedarf es jedoch nicht. Das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg hat durch Beschluss vom 9. Januar 2012 (- 24 TaBV 1285/11 ua. - DB 2012, 693) die fehlende Tariffähigkeit der CGZP im zeitlichen Gel-tungsbereich ihrer Satzungen vom 11. Dezember 2002 und vom 5. Dezember 2005 festgestellt. Die hiergegen gerichtete Nichtzulassungsbeschwerde hat der Senat mit Beschluss vom 22. Mai 2012 (- 1 ABN 27/12 -) zurückgewiesen. Aufgrund der Rechtskraft der Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Berlin- 1 2 3 - 3 - 1 AZB 58/11 08:05 - 4 - Brandenburg steht die fehlende Tariffähigkeit der CGZP auch für die vom Arbeitsgericht Detmold in seinem Aussetzungsbeschluss als entscheidungser-heblich angesehenen Zeitpunkte fest. 1. Nach § 97 Abs. 5 Satz 1 ArbGG hat ein Gericht das Verfahren bis zur Erledigung eines Beschlussverfahrens nach § 2a Abs. 1 Nr. 4 ArbGG auszuset-zen, wenn die Entscheidung eines Rechtsstreits davon abhängt, ob eine Ver-einigung tariffähig oder ob die Tarifzuständigkeit der Vereinigung gegeben ist. Einer solchen Aussetzung bedarf es indes nicht, wenn über die Tariffähigkeit oder die Tarifzuständigkeit einer Arbeitnehmerkoalition bereits rechtskräftig entschieden ist. In einem solchen Fall ist die Einleitung eines erneuten Be-schlussverfahrens durch die Parteien des ausgesetzten Verfahrens nach §§ 322, 325 Abs. 1 ZPO unzulässig (zu den Voraussetzungen für die Durchbre-chung der Rechtskraft BAG 6. Juni 2000 - 1 ABR 21/99 - BAGE 95, 47). 2. Ein Grund für die Aussetzung des Rechtsstreits nach § 97 Abs. 5 Satz 1 ArbGG zur Einleitung eines Beschlussverfahrens über die Tariffähigkeit der CGZP am 13. Oktober 2003, 24. Mai 2005 sowie am 12. Dezember 2006 liegt danach nicht mehr vor. Für die vom Arbeitsgericht Detmold als entscheidungs-erheblich angesehenen Zeitpunkte ist die fehlende Tariffähigkeit der CGZP bereits rechtskräftig festgestellt. a) Nach dem auch im arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren anwendba-ren § 322 Abs. 1 ZPO sind Beschlüsse der Rechtskraft fähig, soweit über den durch den Antrag erhobenen Anspruch entschieden ist (BAG 6. Juni 2000 - 1 ABR 21/99 - zu B II 1 der Gründe, BAGE 95, 47). Der Begriff des Anspruchs in § 322 Abs. 1 ZPO bezeichnet den prozessualen Anspruch im Sinne der Streitgegenstandslehre. Die objektiven Grenzen der Rechtskraft des Entschei-dungsgegenstandes werden durch den Streitgegenstand des vorangehenden Verfahrens bestimmt (BAG 20. März 1996 - 7 ABR 41/95 - zu B II 2 der Gründe, BAGE 82, 291). Dieser richtet sich nach dem zur Entscheidung gestellten Antrag (Klageziel) und dem zugehörigen Lebenssachverhalt (Klagegrund), aus dem die begehrte Rechtsfolge hergeleitet wird (BAG 1. Februar 1983 - 1 ABR 33/78 - zu B II 1 der Gründe, BAGE 41, 316). Zur Bestimmung der Rechtskraft- 4 5 6 - 4 - 1 AZB 58/11 08:05 - 5 - wirkung sind neben der Urteilsformel auch Tatbestand und Entscheidungsgrün-de sowie erforderlichenfalls das Parteivorbringen ergänzend heranzuziehen (BAG 19. Januar 2010 - 1 ABR 55/08 - Rn. 15, BAGE 133, 75). b) Rechtsfolge einer rechtskräftigen Entscheidung nach § 97 ArbGG ist die Unzulässigkeit eines erneuten Antrags mit identischem Streitgegenstand. Eine Identität der Streitgegenstände, die zur Unzulässigkeit eines erneuten Verfahrens führt, ist nicht nur dann anzunehmen, wenn im zweiten Verfahren der nämliche Streitgegenstand nochmals rechtshängig gemacht wird, sondern auch dann, wenn dort das mit dem Rechtsausspruch im ersten Verfahren unvereinbare „kontradiktorische Gegenteil“ begehrt wird (BGH 26. Juni 2003 - I ZR 269/00 - zu II 1 a der Gründe, NJW 2003, 3058). In subjektiver Hinsicht erfasst die Rechtskraft der Entscheidung über die Tariffähigkeit oder die Tarif-zuständigkeit nicht nur die Personen und Stellen, die im jeweiligen Verfahren nach § 97 Abs. 2 iVm. § 83 Abs. 3 ArbGG angehört worden sind, sondern entfaltet Wirkung gegenüber jedermann (BAG 28. März 2006 - 1 ABR 58/04 - Rn. 31, BAGE 117, 308; 6. Juni 2000 - 1 ABR 10/99 - zu B I 1 der Gründe, BAGE 95, 36). Dies folgt aus den vom Gesetzgeber als besondere Beschluss-verfahren vorgesehenen Verfahren nach § 2a Abs. 1 Nr. 4 ArbGG. In diesen soll über die für die Ordnung des Arbeitslebens bedeutsame Eigenschaft der Tariffähigkeit oder Tarifzuständigkeit einer Vereinigung einheitlich entschieden werden. Eine solche Konzentrationswirkung der Verfahren nach § 97 ArbGG setzt aber voraus, dass ihre Rechtskraftwirkungen nicht auf die jeweiligen Verfahrensbeteiligten beschränkt bleiben, sondern die getroffene Entscheidung eine umfassende Geltung im Arbeitsleben erlangt. Aus diesem Grund sind alle Gerichte an einen in einem Verfahren nach § 97 ArbGG ergangenen Ausspruch über die Tariffähigkeit oder die Tarifzuständigkeit einer Vereinigung gebunden, wenn diese Eigenschaften als Vorfrage in einem späteren Verfahren zu beurtei-len sind, sofern nicht aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen die Rechts-kraft endet (BAG 6. Juni 2000 - 1 ABR 21/99 - zu B II 4 a der Gründe, BAGE 95, 47), was im Aussetzungsbeschluss näher zu begründen ist. 7 - 5 - 1 AZB 58/11 08:05 - 6 - c) Der Streitgegenstand eines nach § 97 Abs. 5 Satz 2 ArbGG eingeleite-ten Verfahrens über die Tariffähigkeit oder die Tarifzuständigkeit einer Vereini-gung erfasst neben dem im Beschlusstenor bezeichneten Zeitpunkt weitere Zeiträume, wenn die in § 2a Abs. 1 Nr. 4 ArbGG genannten Eigenschaften in diesen nur einheitlich beurteilt werden können. aa) Die Antragsbefugnis von Personen oder Stellen, die nach § 97 Abs. 5 Satz 2 ArbGG eine Entscheidung über die Tariffähigkeit einer Arbeitnehmer- oder Arbeitgeberkoalition herbeiführen können, beschränkt sich zwar auf die Vorfrage, wegen derer das Gericht sein Verfahren ausgesetzt hat (BAG 29. Juni 2004 - 1 ABR 14/03 - zu B I 2 a der Gründe, BAGE 111, 164). Der Ausset-zungsbeschluss nach § 97 Abs. 5 Satz 1 ArbGG eröffnet daher nur eine ver-gangenheitsbezogene Feststellung über die Tariffähigkeit der jeweiligen Arbeit-nehmer- oder Arbeitgeberkoalition, deren Tariffähigkeit zwischen den Parteien des Ausgangsverfahrens im Streit steht. Diese betrifft den Zeitpunkt, in dem der Tarifvertrag abgeschlossen worden ist, der für den prozessualen Anspruch der klagenden Partei entscheidungserheblich ist. Dennoch geht die Rechtskraftwir-kung über das im Beschlusstenor genannte Datum hinaus. Der Klagegrund wird durch die vom Antragsteller zur Begründung seines Antrags angeführten Grün-de, aus denen sich das Vorliegen oder das Nichtvorliegen der in § 2a Abs. 1 Nr. 4 ArbGG bezeichneten Eigenschaften ergeben soll, mit bestimmt. bb) Ist die Tariffähigkeit oder Tarifzuständigkeit einer Vereinigung vom Antragsteller aus Rechtsgründen in Frage gestellt worden, richtet sich der Streitgegenstand danach, ob die geltend gemachten Rechtsmängel zu dem im Antrag genannten Zeitpunkt diesen Eigenschaften entgegenstehen. Wird in einem Verfahren nach § 97 Abs. 5 ArbGG rechtkräftig entschieden, dass eine Vereinigung aufgrund von Satzungsmängeln zu einem bestimmten Zeitpunkt nicht tariffähig oder tarifzuständig war, steht deshalb diese Feststellung weite-ren Verfahren entgegen, in denen sich diese Eigenschaften der Vereinigung zu einem anderen Zeitpunkt ebenso nach dieser Satzung bestimmen. In diesem Fall kann die Beurteilung der in § 2a Abs. 1 Nr. 4 ArbGG genannten Eigen-schaften nur einheitlich auf der Grundlage der maßgeblichen Satzung erfolgen. 8 9 10 - 6 - 1 AZB 58/11 08:05 - 7 - Die gerichtliche Feststellung des Vorliegens oder Nichtvorliegens der Tariffä-higkeit oder Tarifzuständigkeit einer Vereinigung entfaltet dann eine Bindungs-wirkung für nachfolgende Verfahren, in denen im Geltungsbereich der nämli-chen Satzung diese Eigenschaften entweder streitgegenständlich oder nur als Vorfrage für den erhobenen prozessualen Anspruch zu beurteilen sind. Wird in einem Verfahren nach § 97 Abs. 5 ArbGG festgestellt, dass eine Arbeitnehmer-koalition bei Abschluss eines bestimmten Tarifvertrags aus tatsächlichen Gründen nicht über die erforderliche soziale Mächtigkeit verfügt hat, ist von deren Fehlen nicht nur für den festgestellten Zeitpunkt, sondern auch für die Folgezeit auszugehen. Die materielle Rechtskraft der im Verfahren nach § 97 Abs. 5 ArbGG getroffenen Entscheidung wirkt in beiden Fällen bis zu einer wesentlichen Änderung der entscheidungserheblichen tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse (BAG 6. Juni 2000 - 1 ABR 21/99 - zu B II 4 a der Gründe, BAGE 95, 47). d) Danach erweist sich die Rechtsbeschwerde als begründet. Das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg hat in seinem Beschluss vom 9. Januar 2012 (- 24 TaBV 1285/11 ua. - DB 2012, 693) festgestellt, dass die CGZP weder nach § 2 Abs. 1 TVG als Gewerkschaft noch als Spitzenorga-nisation nach § 2 Abs. 3 TVG tariffähig ist (Seite 33 und 35 des amtlichen Umdrucks). Diese Entscheidung hat mit der Zurückweisung der dagegen gerichteten Nichtzulassungsbeschwerde durch den Senatsbeschluss vom 22. Mai 2012 (- 1 ABN 27/12 -) Rechtskraft erlangt. Der vom Landesarbeitsge-richt entschiedene Streitgegenstand geht über die drei konkreten Zeitpunkte hinaus, für die es das Fehlen der Tariffähigkeit der CGZP festgestellt hat. Streitgegenständlich war die Satzung der CGZP in ihren vor dem 8. Oktober 2009 geltenden Fassungen vom 11. Dezember 2002 und vom 5. Dezember 2005. Die Rechtskraft der Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg vom 9. Januar 2012 erstreckt sich danach vom Zeitpunkt der Gründung der CGZP am 11. Dezember 2002 bis zum 7. Oktober 2009. Sie umfasst damit auch die vom Arbeitsgericht als entscheidungserheblich angese-henen Zeitpunkte (13. Oktober 2003, 24. Mai 2005 sowie 12. Dezember 2006). 11 12 - 7 - 1 AZB 58/11 08:05 Dies steht einer erneuten Durchführung eines Beschlussverfahrens nach § 97 Abs. 5 ArbGG entgegen und führt zur Aufhebung und Abänderung der Ent-scheidungen der Vorinstanzen. Schmidt Linck Koch

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