1. Senat - Betriebsvereinbarung - Betriebsratsbeschluss
Karar Dilini Çevir:
1. Senat - Betriebsvereinbarung - Betriebsratsbeschluss
Bundesarbeitsgericht Beschluss vom 9. Dezember 2014 Erster Senat - 1 ABR 19/13 - I. Arbeitsgericht Darmstadt Beschluss vom 6. Juli 2011 - 5 BV 1/11 - II. Hessisches Landesarbeitsgericht Beschluss vom 22. Oktober 2012 - 16 TaBV 205/11 - Für die Amtliche Sammlung: Ja Entscheidungsstichworte: Betriebsvereinbarung - Betriebsratsbeschluss Bestimmungen: BetrVG § 77 Abs. 6 , § 26 Abs. 1 , § 33 Abs. 1 ; ZPO § 256 Abs. 1 Leitsatz: Der wirksame Abschluss einer Betriebsvereinbarung setzt einen darauf bezogenen Betriebsratsbeschluss voraus. - 2 - BUNDESARBEITSGERICHT 1 ABR 19/13 16 TaBV 205/11 Hessisches Landesarbeitsgericht Im Namen des Volkes! Verkündet am 9. Dezember 2014 BESCHLUSS Metze , Urkundsbeamter der Geschäftsstelle In dem Beschlussverfahren mit den Beteiligten 1. Antragstellerin, Nichtzulassungsbe schwerdeführerin u nd Rechtsbeschwerdeführerin, 2. Antragstellerin, Nichtzulassungsbeschwerdeführerin und Rechtsbeschwerdeführerin, 3. Beschwerdeführer, - 2 - 1 ABR 19/13 - 3 - hat der Erste Senat des Bundesarbeitsgerichts aufgrund der Anhörung vom 9. Dezember 2014 durch die Präsidentin des Bundesarbeitsgerichts Schmidt, den Richter am Bundesarbeitsgericht Prof. Dr. Koch, die Richterin am Bunde s- arbeitsgericht K. Schmidt sowie den ehrenamtlichen Richter Dr. Benrath und die ehrenamtliche Richterin Spoo für Recht erkannt: Die Rechtsbeschwerde der Arbeitgeberinnen gegen den Beschluss des Hessischen Landesarbeitsgerichts vom 22. Oktober 2012 - 16 TaBV 205/11 - wird zurückgewi e- sen. Von Rechts wegen! Gründe A. Die Beteiligten streiten über die Nachwirkung einer Betriebsvereinb a- rung. Die antragstellenden Arbeitgeberinnen betreiben am Standort W ein Distributionscenter zum Vertrieb von Kosmetika und Parfums in der Form eines Gemeinschaftsbetriebs. In diesem ist der zu 3. beteiligte Betriebsrat im Februar 2010 gewählt worden (Betriebsrat) . Zuvor war ein von Mitarbeitern der Stando r- te D und W gewählte r Betriebsrat (Betriebsrat W e ) für den Gemeinschaftsb e- trieb zuständig. Durch Tarifvertrag wurde dessen Ü bergangsmandat bis zum 28. Februar 2010 verlängert. Der stellvertretende Vorsitzende des Betriebsrats W e unterzeichnete unter dem 17. Januar 2010 eine für den Standort W bezogene Betriebsverei n- barung über die Überwachung und Aufzeichnung durch optische, a kustische und elektronische Geräte (BV Überwachung) . Diese konnte erstmals mit einer Frist von drei Monaten zum 1. Oktober 2012 gekündigt werden. Bei einer Kü n- digung sollte die Betriebsvereinbarung bis zum Abschluss einer neuen Verei n- barung nachwirken (Nr. 7 BV Überwachung) . 1 2 3 - 3 - 1 ABR 19/13 - 4 - Der Betriebsrat kündigte die BV Überwachung mit Schreiben vom 13. Dezember 2010 fristlos mit sofortiger Wirkung, hilfsweise mit gesetzlicher Frist sowie hilfsweise zum nächstmöglichen Termin. Die A rbeitgeberinnen haben beantragt festzustellen, dass die Betriebsvereinbarung über die Überwachung und Aufzeichnung durch optische, akust i- sche und elektronische Geräte im Distribution Center der W e GmbH, Standort W, vom 17. Januar 2010 durch die Kündigung des Betriebsrats vom 13. Dezember 2010 nicht vor dem 1. Oktober 2012 aufgelöst worden ist. Der Betriebsrat hat die Abweisung des Antrags beantragt und behau p- tet, der Betriebsrat W e habe dem Abschluss der BV Überwachung nicht zug e- stimmt. Das Arbeitsgericht hat dem Antrag der Arbeitgeberinnen entsprochen. Dagegen hat der Betriebsrat Beschwerde eingelegt und im Wege des Widera n- trags die Feststellung beantragt, dass die Betriebsvereinbarung über die Übe r- wachung und Aufzeichnung durch optische, akustische und elektronische Ger ä- te im Distributionscenter der W GmbH, Standort W, vom 17. Januar 2010 keine Rechtswirkungen entfaltet. Die Arbeitgeberinnen haben die Abweisung des W i- derantrags beantragt. Das Landesarbeitsgericht hat der Beschwerde des B e- triebsrats entsprochen und unter Abwe isung des Antrags der Arbeitgeberinnen nach dem Widerantrag erkannt. Mit der vom Senat zugelassenen Rechtsb e- schwerde verfolgen die Arbeitgeberinnen ihre zuletzt gestellten Anträge weiter. B. Die Rechtsbeschwerde der Arbeitgeberinnen ist unzulässig, soweit sich diese gegen die Abweisung ihres Sachantrags durch das Landesarbeitsgericht wenden. Im zulässigen Umfang ist sie unbegründet. I. Soweit sich die Arbeitgeberinnen gegen die Abweisung ihres Sacha n- trags wenden, ist ihre Rechtsbeschwerde unzulässig. Die Begründung der Rechtsbeschwerde genügt nicht den Anforderungen des § 94 Abs. 2 Satz 2 ArbGG. Das Landesarbeitsgericht hat den Antrag der Arbeitgeberinnen mit der Begründung abgewiesen, zum Zeitpunkt der Entscheidung des Beschwerdeg e- richts, dem 22. Oktober 2012, habe für den Feststellungsantrag das nach § 256 4 5 6 7 8 9 - 4 - 1 ABR 19/13 - 5 - Abs. 1 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse gefehlt, weil Gegenstand des Antrags der Bestand der BV Überwachung bis zum Ablauf des 30. September 2012 gewesen sei. Mit dieser Begründung setzt sich di e Rechtsbeschwerde der Arbeitgeberinnen nicht auseinander. II. Im Übrigen ist die Rechtsbeschwerde der Arbeitgeberinnen unbegrü n- det. Das Landesarbeitsgericht hat dem Widerantrag des Betriebsrats zu Recht entsprochen. Die BV Überwachung ist unwirksam. 1. Der Widerantrag des Betriebsrats ist zulässig. a) Mit seinem Antrag begehrt der Betriebsrat die Feststellung, dass die BV Überwachung gegenwärtig im Gemeinschaftsbetrieb nicht kraft Nachwi r- kung (§ 77 Abs. 6 BetrVG) anzuwenden ist. Die Geltung einer Betrie bsvereinb a- rung kraft Nachwirkung betrifft ein betriebsverfassungsrechtliches Rechtsve r- hältnis, wenn sie die Rechtsbeziehungen der Betriebsparteien in Bezug auf eine dem Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats unterliegende Maßnahme des A r- beitgebers ausgestalt et. Diese Voraussetzungen liegen vor. Bei einem wirks a- men Abschluss der BV Überwachung hätte der Betriebsrat sein Beteiligung s- recht aus § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG in Bezug auf die in der BV Überwachung geregelten Maßnahmen der Arbeitgeberinnen ausgeübt. Hier an wäre er bis zum Abschluss einer anderen, die Nachwirkung beendenden Abmachung g e- bunden. b) Für den so verstandenen Antrag besteht das nach § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse. Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die BV Überwachu ng nach deren Kündigung durch den Betriebsrat über den 30. September 2012 im Gemeinschaftsbetrieb weiter anzuwenden ist. An der Klärung dieser Frage hat der Betriebsrat ein rechtliches Interesse. Eine die BV Überwachung ersetzende andere Abmachung, die ein e etwaige Nachwi r- kung gemäß § 77 Abs. 6 BetrVG beenden würde, haben die Betriebsparteien bislang nicht getroffen. 2. Der Widerantrag des Betriebsrats ist begründet. Die BV Überwachung ist nicht wirksam zwischen den Arbeitgeberin nen und dem Betriebsrat ver ei n- 10 11 12 13 14 - 5 - 1 ABR 19/13 - 6 - bart worden. Es fehlt an dem für ihren Abschluss erforderlichen Betriebsratsb e- schluss. Die fehlende normative Geltung der BV Überwachung hindert auch den Eintritt ihrer Nachwirkung. a) Nach der Konzeption des Betriebsverfassungsgesetzes handelt der Betriebsrat als Kollegialorgan. Er bildet seinen gemeinsamen Willen durch B e- schluss (§ 33 Abs. 1 BetrVG) . Dieser ist beachtlich, wenn er ordnungsgemäß zustande gekommen ist. Dazu muss der Betriebsrat beschlussfähig iSd. § 33 BetrVG sein und sich auf einer Betriebsratssitzung aufgrund einer mit den Vo r- schriften des BetrVG in Einklang stehenden Ladung mit dem jeweiligen Sac h- verhalt befasst und durch Abstimmung eine einheitliche Willensbildung herbe i- geführt haben (BAG 15. April 2014 - 1 ABR 2/13 [ B ] - Rn. 20) . Eine nicht von einem Betriebsratsbeschluss umfasste Erklärung seines Vorsitzenden ist u n- wirksam und entfaltet keine Rechtswirkungen . Nach § 26 Abs. 2 Satz 1 BetrVG vertritt der Vorsitzende den Betriebsrat nur im Rahmen der von ihm gefassten Beschlüsse. A llerdings können ohne einen wirksamen Betriebsratsbeschluss abgeschlossen e Vereinbarungen vom Betriebsrat durch eine spätere or d- nungsgemäße Beschlussfassung nach § 184 Abs. 1 BGB genehmigt werden (BAG 17. November 2010 - 7 ABR 120/09 - Rn. 37) . b) Nach de n von den Arbeitgeberinnen nicht mit Verfahrensrügen ang e- griffenen und den Senat bindenden (§ 559 Abs. 1 ZPO) Feststellungen des Landesarbeitsgerichts hat der Betriebsrat W vor der Unterzeichnung der BV Überwachung durch seinen stellvertretenden Betriebsra tsvorsitzenden ke i- nen entsprechenden Zustimmungsbeschluss gefasst. Weder er noch der a n- tragstellende Betriebsrat als sein Funktionsnachfolger haben eine solche B e- schlussfassung nachgeholt und dadurch das Handeln d es damaligen stellve r- tr e tenden Vorsitzenden genehmigt . Danach fehlt es an dem für einen wirks a- men Abschluss der BV Überwachung erforderlichen Betriebsratsbeschluss. Dieser Mangel steht nicht nur ihrer normativen Geltung, sondern auch ihrer A n- wendung kraft Nachwirkung entgegen. Die Rechtswirkungen d es § 77 Abs. 6 BetrVG setzen die Geltung der beendeten Betriebsvereinbarung voraus. 15 16 - 6 - 1 ABR 19/13 c) Die fehlende Beschlussfassung des Betriebsrats W ist nicht deswegen unbeachtlich, weil die Arbeitgeberinnen von einer ordnungsgemäßen Bevol l- mächtigung des stellvertret enden Betriebsratsvorsitzenden ausgehen durften. Es kann dahinstehen, ob und ggf. unter welchen Voraussetzungen eine wide r- legbare Vermutung besteht, wonach die vom Betriebsratsvorsitzenden abgeg e- benen Erklärungen auf einem entsprechenden Beschluss des Grem iums ber u- hen (dafür BAG 19. März 2003 - 7 ABR 15/02 - zu II 2 b der Gründe, BAGE 105, 311; 24. Februar 2000 - 8 AZR 180/99 - zu II 3 b der Gründe; 17. Februar 1981 - 1 AZR 290/78 - zu II 1 a aa der Gründe, BAGE 35, 80; de m- gegenüber zweifelnd BAG 19. Januar 2005 - 7 ABR 24/04 - zu B I 3 der Grü n- de) . Nach den tatsächlichen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts wäre eine solche Vermutung als widerlegt anzusehen. Der Betriebsrat hat schon ke i- nen Zustimmungsbeschluss gefasst. Schmidt K. Schmidt Koch Benrath Sibylle Spoo 17

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