1. Senat - Betriebliche Lohngestaltung - vereinbarte Arbeitsvergütung
Karar Dilini Çevir:
1. Senat - Betriebliche Lohngestaltung - vereinbarte Arbeitsvergütung
Bundesarbeitsgericht Beschluss vom 18. November 2014 Erster Senat - - I. Arbeitsgericht Mönchengladbach Beschluss vom 13. September 2012 - 3 BV 27/12 - II. Landesarbeitsgericht Düsseldorf Beschluss vom 30. Januar 2013 - 12 TaBV 107/12 - Für die Amtliche Sammlung: Nein Entscheidungsstichworte: Betriebliche Lohngestaltung - vereinbarte Arbeitsvergütung Bestimmungen: BetrVG § 87 Abs. 1 Nr. 10, § § 88 , 77 ; ZPO § 256 Abs. 1 - 2 - BUNDESARBEITSGERICHT 1 ABR 18/13 12 TaBV 107/12 Landesarbeitsgericht Düsseldorf Im Namen des Volkes! Verkündet am 18. November 2014 BESCHLUSS Metze , Urkundsbeamter der Geschäftsstelle In dem Beschlussverfahren mit den Beteiligten 1. Antragsteller, Beschwerdeführer und Rechtsbeschwerdeführer, 2. hat der Erste Senat des Bundesarbeitsgerichts aufgrund der Anhörung vom 18. November 2014 durch die Präsidentin des Bundesarbeitsgerichts Schmidt, den Richter am Bundesarbeitsgericht Prof. Dr. Koch, d ie Richterin am Bunde s- arbeitsgericht K. Schmidt sowie den ehrenamtlichen Richter Wisskirchen und die ehrenamtliche Richterin S chw itzer für Recht erkannt: - 2 - 1 ABR 18/13 - 3 - Die Rechtsbeschwerde des Gesamtbetriebsrats gegen den Beschluss des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 30. Januar 2013 - 12 TaBV 107/12 - wird zurückgewiesen. Von Rechts wegen! Gründe A. Die Beteiligten streiten über den Inhalt einer Gesamtbetriebsvereinb a- rung. Die nicht tarifgebundene Arbeitgeberin bietet Finanzdienstleistungen an. Sie beschäftigt ca. 3.600 Arbeitnehmer. Antragsteller ist der bei ihr gebildete Gesamtbetriebsrat. Am 29. Juni 2009 beschloss - Betriebsvereinbarung ü (GBV Gehalt) . In deren Anlagen ist eine betriebliche Vergütungsgruppenordnung g e- regelt und die Abstände zwischen den ausgebrachten 14 Vergütungsgruppen bestimmt. Nach § 9 Abs. 1 GBV Gehalt darf der Abstand zwis chen den Verg ü- tungsgruppen nur mit Zustimmung des Gesamtbetriebsrats geändert werden. § 1 zur Gesamt - bezeichneten Vereinbarung vom 17. November/9. Dezember 2010 (VE Nach - trag) lautet: § 3 Zusätzliche Zulage (1) Der Arbeitgeber kann Mitarbeitern nach eigenem E r- messen - ausgehend von der Vergütungsgruppe, in die der jeweilige Mitarbeiter nach dem Vergütung s- system eingruppiert ist - eine Zulage in Höhe von bis zu zwei Vergütungsgruppen zahlen. (2) Der Gesamtbetriebsrat ist über die Namen der B e- troffenen und die Höhe der Zahlungen zu informieren. Einer weiteren Beteiligung des Gesamtbetriebsrates und/oder des jeweils zuständigen ört lichen Betrieb s- 1 2 3 - 3 - 1 ABR 18/13 - 4 - Die VE Nachtrag ist auf Arbeitnehmerseite vom Gesamtbetriebsrat und dem örtlichen Betriebsrat der Hauptverwaltung unterzeichnet worden. Die Arbeitgeberin beschäftigte ab dem 8. Januar 2011 im Bereich Legal & Comp r g ü- tung iHv. 6.500,00 Euro . Der Betriebsrat der Hauptverwaltung verweigerte der von der Arbeitgeberin beabsichtigten Eingruppierung in die Vergütung s gru p- pe 12 der betrieblichen Entgeltordnun g mit Schreiben vom 21. Dezember 2010 seine Zustimmung. In dem Schreiben heißt es: soll als Referent im Level IV, was der VG 12 en t- spricht, eingesetzt werden. Selbst wenn die Bank von der Möglichkeit, Herrn G zwei Vergütungsgruppen h ö her ei n- zugruppieren, Gebrauch gemacht hätte, würde er in der VG 14 ein Anfangsgehalt in Höhe von 6.161,60 (incl. 1.6% Erhöhung zum 01.01.2011) erhalten. Bezahlt we r den soll er jedoch mit 6.500, - e- haltssystem oder das System muss angepasst werden. Daraufhin beteiligte die Arbeitgeberin den Betriebsrat mit Schreiben vom 2. Februar 2011 erneut zur Eingruppierung und gab an, dass Herr G nach Vergütungsgruppe 14 (seinerzeit: 6.033,00 Euro) mit einer Sonderzulage a u- ßerhalb des Vergütungssystems in Höhe von 467,00 Euro monatlich vergütet werden solle. Der Betriebsrat verweigerte am 7. Februar 2011 auch dieser Ei n- gruppierung zunächst seine Zustimmung. Ein daraufhin von ihm eingeleitetes Beschl ussverfahren endete durch den Abschluss eines gerichtlichen Ve r- gleichs. In diesem stimmte der Betriebsrat der Eingruppierung von Herrn G in die Vergütungsgruppe 12 zu. Der Gesamtbetriebsrat hat geltend gemacht, die Zahlung von 6.500,00 Euro an Herrn G sei mit der GBV Gehalt iVm. § 3 Abs. 1 VE Nach - trag nicht vereinbar. Der Gesamtbetriebsrat hat - soweit für die Rechtsbeschwerde von B e- deutung - beantragt, 4 5 6 7 8 - 4 - 1 ABR 18/13 - 5 - 1. der Arbeitgeberin zu untersagen, dem Mitarbeiter G über das Grundge halt des Level IV (Referent) Verg ü- tungsgruppe 12 in Höhe von derzeit 4.562,00 Euro hinaus monatliche Zulagen von mehr als 1.471,00 Euro, insgesamt mehr als 6.033,00 Euro monatlich zu zahlen; 2. hilfsweise festzustellen, dass die Arbeitgeberin nach § 3 der Gesamtbetriebsvereinbarung vom 29. Juni 2009 nicht dazu berechtigt ist, eine Zulage zu zahlen, die dazu führt, dass das Grundgehalt des Mitarbe i- ters G um mehr als zwei Vergütung s gruppen übe r- stiegen wird; 3. für den Fall, dass die Arbeit geberin entgegen einer rechtskräftigen gerichtlichen Entscheidung die pe r- sonelle Maßnahme nicht aufhebt, gegen die Arbei t- geberin zur Aufhebung der Maßnahme ein Zwang s- geld in Höhe von 500,00 Euro für jeden Tag der Z u- widerhandlung anzuordnen. Die Arbeitge berin hat beantragt, die Anträge abzuweisen. Das Arbeitsgericht hat die Anträge abgewiesen. Das Landesarbeitsg e- richt hat die dagegen gerichtete Beschwerde des Gesamtbetriebsrats zurüc k- gewiesen. In der Anhörung vor dem Senat hat der Gesamtbetriebsrat seine Rechtsbeschwerde auf den zu 2 . erhobenen Feststellungsantrag beschränkt. B. Die Rechtsbeschwerde ist in dem noch rechtshängigen Umfang unb e- gründet. Der Gesamtbetriebsrat hat keinen Anspruch auf die begehrte Festste l- lung. I. Der Antrag ist zulässig. 1. Er ist nach seinem Wortlaut nur auf die Feststellung gerichtet, dass die Arbeitgeberin nicht berechtigt ist, an den Arbeitnehmer G unabhängig von der mit diesem getroffenen Vereinbarung eine monatliche Vergütung auszuza h len, die das Grundgehalt der Ver gütungsgruppe 12 GBV Gehalt zuzüglich einer m o- natlichen Zulage in Höhe der Vergütungsdifferenz zwischen dieser Verg ü tung s- gruppe und der Vergütungsgruppe 14 GBV Gehalt übersteigt. Entspr e chend dem im Antrag angeführten Anlassfall geht es dem Gesamtbetriebsr at jedoch 9 10 11 12 13 - 5 - 1 ABR 18/13 - 6 - um die abstrakte Feststellung, dass die Arbeitgeberin nicht berechtigt ist, eine mit Arbeitnehmern vereinbarte Vergütung auszuzahlen, soweit die in § 3 Abs. 1 VE Nachtrag für die Gewährung einer Zulage bestimmte Obergrenze übe r- schri t ten wird. 2. Das nach § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse liegt vor. Die Beteiligten streiten über den Inhalt eines bestehenden feststellungsf ä- higen Rechtsverhältnisses. Zwischen ihnen bestehen Meinungsverschiedenhe i- ten über die Auslegung von § 3 Abs . 1 VE Nachtrag. II. Der Antrag ist unbegründet. § 3 Abs. 1 VE Nac htrag untersagt der A r- beitgeberin nicht die Auszahlung von vertraglich vereinbarten Vergütungsb e- standteilen . Dies folgt aus der Auslegung der VE Nachtrag. 1. Betriebsvereinbarungen sind we gen ihres normativen Charakters wie Tarifverträge oder Gesetze auszulegen. Auszugehen ist danach vom Wortlaut der Bestimmung und dem durch ihn vermittelten Wortsinn. Bei unbestimmtem Wortsinn sind der wirkliche Wille der Betriebsparteien und der von ihnen ve r- folgte Zweck zu berücksichtigen, sofern und soweit sie im Text ihren Niede r- schlag gefunden haben. Abzustellen ist ferner auf den Gesamtzusammenhang und die Systematik der Regelungen sowie die von den Betriebsparteien prakt i- zierte Handhabung der Betriebs vereinbarung. Im Zweifel gebührt derjenigen Auslegung der Vorzug, die zu einem sachgerechten, zweckorientierten, pra k- tisch brauchbaren und gesetzeskonformen Verständnis der Regelung führt (vgl. BAG 15. Oktober 2013 - 1 AZR 544/12 - Rn. 12) . 2. Die Arbeitg eberin ist nach § 3 Abs. 1 VE Nachtrag nicht gehindert , die mit ein em Arbeitnehmer getroffene Ver gütungsabrede zu erfüllen , selbst wenn die vereinbarte Vergütung die dort festgelegte Obergrenze übersteigt . a) Schon der Wortlaut von § 3 Abs. 1 VE Nachtrag spricht gegen ein so l- ches Ver bot . Danach kann die Arbeitgeber in nach eigenem Ermessen eine Z u- lage von bis zu zwei Vergütungsgruppen zahlen. Damit ist weder die höchs t- mögliche Zulagenhöhe bestimmt noch die Rechtsfolgen bei einem etwaigen 14 15 16 17 18 - 6 - 1 ABR 18/13 - 7 - Überschreiten der Differenz von zwei Vergütungsgruppen. Der Arbeitgeberin wird es auch nicht untersagt, eine günstigere Vergütungsabrede mit einem A r- beitnehmer abzuschließen und zu erfüllen. b) Der Gesamtzusammenhang ergibt keine Anhaltspunkte für die Ausl e- gung von § 3 Abs . 1 VE Nachtrag. Lediglich in § 9 Abs. 1 GBV Gehalt, die durch die VE Nachtrag ergänzt wird, wird ausdrücklich bestimmt, dass die dort angeführten Abweichungen der Zustimmung des Gesamtbetriebsrats bedürfen. Eine vergleichbare Regelung haben die Beteiligte n in § 3 Abs. 1 VE Nachtrag über die Erfüllung vertraglicher Abreden nicht getroffen. c) Der Normzweck der betrieblichen Vergütungsregelungen spricht gegen die Annahme, die Arbeitgeberin sei durch § 3 Abs. 1 VE Nachtrag an der Erfü l- lung einer vertragliche n Abrede gehindert. Dabei kann dahinstehen, ob es sich - wie vom Landesarbeitsgericht angenommen - bei der VE Nachtrag um die Ausübung des Mitbestimmungsrechts aus § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG ha n- delt oder die Beteiligten eine freiwillige (Gesamt - ) Betriebsver einbarung nach § 88 BetrVG abgeschlossen haben. aa) Sofern die Arbeitgeberin und der Gesamtbetriebsrat mit der VE Nac h- trag ein dem Gesamtbetriebsrat ausnahmsweise (BAG 23. März 2010 - 1 ABR 82/08 - Rn. 14 ff., BAGE 133, 373) zustehendes Mitbestimmungsrech t aus § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG ausgeübt haben sollten, hätten diese die Befugnis der Arbeitgeberin zur Auszahlung der vereinbarten Vergütung nicht beschränken können. Das Mitbestimmungsrecht aus § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG erstreckt sich nicht auf die arbei tsvertraglich vereinbarten Entgelte der Arbeitnehmer. Solche Abreden betreffen die Entgelthöhe und sind daher der Regelungsmacht der B e- triebsparteien entzogen. Eine Betriebsvereinbarung , nach der die Vereinbarung oder die Auszahlung eines einzelvertraglich vereinbarten Gehaltsbestandteils von der Zustimmung des Betriebsrats abhängt, ist nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG nicht zulässig (BAG 30. Oktober 2012 - 1 ABR 61/11 - Rn. 26) . bb) Es bedarf vorliegend keine r Entscheidung, ob und ggf. unter welchen Voraussetzungen sich der Arbeitgeber in einer freiwilligen Betriebsvereinbarung 19 20 21 22 - 7 - 1 ABR 18/13 (§ 88 BetrVG) verpflichten kann, mit Arbeitnehmern getroffene und gegenüber der betrieblichen Regelung günstigere vertragliche Verpflic htungen nicht (mehr) zu erfüllen. Eine solche, in ihrer rechtlichen Wirksamkeit zumindest zweifelhafte und in der Praxis ungewöhnliche Verpflichtung muss in der getroffenen betrie b- lichen Regelung deutlich zum Ausdruck kommen, woran es vorliegend gerade feh lt. Schmidt K. Schmidt Koch Wisskirchen Schwitzer

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