1. Senat - Berichtigung eines Einigungsstellenspruchs
Karar Dilini Çevir:
1. Senat - Berichtigung eines Einigungsstellenspruchs
Bundesarbeitsgericht 1 . Senat Beschluss vom 10. Dezember 2013 - 1 ABR 45/12 - I. Arbeitsgericht Frankfurt (Oder) Beschluss vom 8. Dezember 2011 8 BV 39/11 - II. Landesarbeitsgericht Berlin - Brandenburg Beschluss vom 8. März 2012 - 5 TaBV 141/12 - F ür die Amtliche Sammlung: Ja Entscheidungsstichwort: Berichtigung eines Einigungsstellenspruchs Gesetz e : BetrVG § 76 Abs. 3; ZPO §§ 319, 1058 Leit satz : Der Vorsitzende einer Einigungsstelle kann die Formunwirksamkeit eines Einigungsstellenspruchs nicht durch eine § 76 Abs. 3 Satz 4 BetrVG en t- sprechende Zuleitung der von ihm inhaltlich korrigierten Spruchfassung beseitigen. - 2 - BUNDESARBEITSGERICHT 1 ABR 45/12 5 TaBV 141/12 Landesarbeitsgericht Berlin - Brandenburg Im Namen des Volkes! Verkündet am 10. Dezember 2013 BESCHLUSS Metze , Urkundsbeamter der Geschäftsstelle In dem Beschlussverfahren mit den Beteiligten 1. Antragstellerin und Beschwerdeführerin , 2. Rechtsbeschwerdeführer, hat der Erste Senat des Bundesarbeitsgerichts aufgrund der Anhörung vom 10. Dezember 2013 durch die Präsidentin des Bundesarbeitsgerichts Schmidt, die Richter am Bundesarbeitsgericht Dr. Linck und Prof. Dr. Koch sowie den ehrenamtlichen Richter Schäferkord und die ehrenamtliche Richterin Schwitzer für Recht erkannt: - 2 - 1 ABR 45/12 - 3 - Die Rechtsbeschwerde des Betriebsrats gegen den B e- schluss des Landesarbeitsgerichts Berlin - Brandenburg vom 8. März 2012 - 5 TaBV 141/12 - wird zurückgewi e- sen. Von Rechts wegen! Gründe A. Die Beteiligten streiten über die Wirksamkeit eines Einigungsstelle n- spruchs. Die Arbeitgeberin ist ein Unternehmen des Maschinen - und Industriea n- lagen baus . A us Anlass einer Betriebsänderung beschloss eine bei ihr gebildete Einigungsstelle am 3 0. Mai 2011 einen Sozialplan. Der Einigungsstellenvorsi t- zende leitete den von ihm unterzeichnete n Spruch der Arbeitgeber in mit dem Protokoll der letzten Einigungsstellensitzung am 2. Juni 2011 als pdf - Datei im Anhang einer E - Mail zu. Am 28. Juni 2011 rügte der Verf ahrensbevollmächtigte des Betriebsrats gegenüber dem Einigungsstellenvorsitzenden einen Fehler in der Niederschrift des zugeleiteten Spruchs . Die Einigungsstelle habe als Entgeltausgleich für eine Vergütungsdifferenz in einem neuen Arbeitsverhältnis nicht - wie in der Niederschrift enthalten - den 12 - fachen, sondern den 15 - fachen monatlichen Unterschiedsbetrag beschlossen. Nach ein em umfangreichen Schriftwechsel, in dem die Arbeitgeberin eine derartige Beschlussfassung bestritten hatte, änderte der Einigu ngsstelle n- vorsitzende am 21. August 2011 die Niederschrift des Einigungsstellenb e- schlusses vom 30. Mai 2011 ab und leitete einen von ihm im Original unte r- zeichneten Einigungsstellenspruch , der die vom Betriebsrat g e- forderte Änderung enthielt, der Arbeitgeberin zu . 1 2 3 4 - 3 - 1 ABR 45/12 - 4 - Die se hat die Auffassung vertreten, der Einigungsstellenvorsitzende habe den Spruch vom 30. Mai 2011 nach Zu stellung an die Betriebsparteien nicht mehr ändern können. Die Arbeitgeberin hat zuletzt beantragt fest zustellen, dass der korrigierte Einigungsstellenspruch vom 21. August 2011 unwirksam ist. Der Betriebsrat hat Antragsabweisung beantragt. Das Arbeitsgericht hat den Antrag der Arbeitgeberin abgewiesen, das Landesarbeitsgericht hat ihm entsprochen. Mit seiner Rechtsbeschwerde b e- gehrt der Betriebsrat die Wiederherstellung de r erstinstanzlichen Entscheidung . B. Die Rechtsbeschwerde ist unbegründet. August 2011 ist unwirksam. I. Das Einigungsstellenve rfahren war mit der Zuleitung des Spruchs vom 30. Mai 2011 abgeschlossen. 1. Nach § 76 Abs. 3 Satz 4 BetrVG sind die Beschlüsse der Einigungsste l- le schriftlich niederzulegen, vom Vorsitzenden zu unterschreiben und Arbeitg e- ber und Betriebsrat zuzuleiten. a) D a s gesetzliche Formerfordernis des § 76 Abs. 3 Satz 4 BetrVG dient in erster Linie der Rechtssicherheit. Die Unterschrift des Vorsitzenden beurkundet und dokumentiert den Willen der Einigungsstellenmitglieder. Für die Betrieb s- parteien und für die im Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer wird damit rechtss i- cher bestätigt, dass das vom Vorsitzenden unterzeichnete Schriftstück das von der Einigungsstelle beschlossene Regelwerk enthält. Die Beurkundung und D o- kumentation ist erforderlich, weil der Einigungss tellenspruch die fehlende Ein i- gung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat ersetzt und ihm erst dann die gle i- che normative Wirkung ( § 77 Abs. 4 Satz 1 BetrVG ) zukommt wie einer von den Betriebsparteien geschlossenen Betriebsvereinbarung . Die Einhaltung der g e- setzlichen Schriftform ist daher Wirksamkeitsvoraussetzung eines Einigung s- stellenspruchs. Fehlt es hieran, ist der von der Einigun gsstelle zuvor beschlo s- 5 6 7 8 9 10 11 12 - 4 - 1 ABR 45/12 - 5 - sene Spruch wirkungslos (BAG 5. Oktober 2010 - 1 ABR 31/09 - Rn. 1 9 , BAGE 135, 377) . b) Die Unterzeichnung des Einigungsstellenspruchs durch den Vorsitze n- den kann nach dem Rechts ge danken des § 126 Abs. 3 BGB nicht durch die elektr onische Form ( § 126a BGB ) und auch nicht durch die Textform ( § 126b BGB ) ersetzt werden. § 76 Abs. 3 Satz 4 BetrVG ist eine auf dem Normchara k- ter des Einigungsstellenspruch s beruhende Sonderregelung. Ein in Form einer pdf - Datei übermittelter Einigungsstellenspruch genügt diesen Anforderungen deshalb auch dann nicht, wenn sich die Unterschrift des Einigungsstellenvorsi t- zenden darin in eingescannter Form befindet (BAG 13. März 2012 - 1 ABR 78/10 - Rn. 18 - 20, BAGE 141, 42) . c ) Maßgeblich für die Beurteilung der Formwirksamkeit ist der Zeitpunkt, in dem der Einigungsstellenvorsitzende den Betriebsparteien den Spruch mit der Absicht der Zuleitung iSd. § 76 Abs. 3 Satz 4 BetrVG übermittelt (BAG 5. Oktober 2010 - 1 ABR 31/09 - Rn. 1 8 f. , BAGE 135, 377) . Mit dem Zugang des mit Zuleitungswillen den Betriebsparteien übermittelten Einigungsstelle n- spruchs ist das Einigungsstellenverfahren grundsätzlich abgeschl ossen. Nur bei einer durch das Arbeitsgericht festgestellten Unwirksamkeit des Spruchs ist das Einigungsstellenverfahren fortzusetzen. 2. Nach diesen Grundsätzen war das Einigungsstellenverfahren mit der Zuleitung des formunwirksamen Spruchs vom 30. Mai 2 011 durch E - Mail des Vorsitzenden vom 2. Juni 2011 zunächst abgeschlossen. Hierin heißt es , er über sende in der Anlage das Protokoll der Einigungsstellensitzung und leite gleichzeitig den Spruch der Einigungsstelle zu. Abschließend bedankte sich der Vorsit aus Sicht des Vorsitzenden das Einigungsstellenverfahren abgeschlossen war und er den Beteiligten den Spru ch der Einigungsstelle mit dem Willen der Zule i- tung nach § 76 Abs. 3 Satz 4 BetrVG übermitteln wollte. Dies wird von den Ve r- fahrensb eteiligten auch nicht in Frage gestellt. 13 14 15 - 5 - 1 ABR 45/12 - 6 - II. Der Vorsitzende der Einigungsstelle konnte die Formunwirksamkeit des Einigungsstellenspruch s nicht durch eine § 76 Abs. 3 Satz 4 BetrVG entspr e- chende Zuleitung der von ihm inhaltlich korrigierten Spruchfassung vom 21. August 2011 beseitigen. 1. Eine nachträgliche, rückwirkende Heilung der Verletzung der Formvo r- schriften d es § 76 Abs. 3 Satz 4 BetrVG ist nicht möglich. Dagegen spricht b e- reits die unmittelbare und zwingende Wirkung des Einigungsstellenspruchs, der vom Arbeitgeber ungeachtet einer Anfechtung durchzuführen ist und damit s o- wohl das betriebsverfassungsrechtlich e Rechtsverhältnis der Betriebsparteien gestaltet als auch Rechte und Pflichten der normunterworfenen Arbeitnehmer unmittelbar bestimmt. Diese normative Wirkung erfordert aus Gründen der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit grundsätzlich einen von Anfang an for m- wirksamen Beschluss der Einigungsstelle (BAG 5. Oktober 2010 - 1 ABR 31/09 - Rn. 20 , BAGE 135, 377) . 2. Der Einigungsstellenvorsitzende konnte den formunwirksam zugeleit e- ten Einigungsstellenspruch vom 30. Mai 2011 auch nicht durch eine inhaltlich von ihm veränderte Spruchfassung ersetzen . Dabei kann offenbleiben, ob d er für die Berichtigung von Schiedssprüchen in schiedsrichterlichen Verfahren ge l- tende § 1058 ZPO analog angewendet werden kann . Auch wenn man hiervon ausginge, wäre der Vorsitzende der E inigungsstelle nicht allein befugt, einen zugeleiteten Spruch zu berichtigen , da n ach § 1058 Abs. 3 ZPO über einen B e- richtigungsantrag das Schiedsgericht entscheidet. Bei einer entsprechenden Anwendung des § 1058 ZPO hätte daher über den Berichtigungsantra g die E i- nigungsstelle und nicht deren Vorsitzender alleine entscheiden müssen. En t- sprechendes gilt für die von der Rechtsbeschwerde geforderte analoge Anwe n- dung des § 319 ZPO. Auch hier entscheidet nicht der Vorsitzende allein , so n- dern derselbe Spruchkörpe r, der das Urteil gefällt hat. Dem steht nicht entg e- gen, dass im arbeitsgerichtlichen Verfahren erster und zweiter Instanz die U r- teilsberichtigung durch den Vorsitzenden allein erfolgt. Dies beruht auf der b e- sonderen Verfahrensvorschrift des § 53 Abs. 1 Sa tz 1 ArbGG, die nach § 64 Abs. 7 ArbGG auch im Berufungsverfahren gilt. Die Rechtsstellung des Ka m- 16 17 18 - 6 - 1 ABR 45/12 mervorsitzenden und der ehrenamtlichen Richter einerseits und die des Vorsi t- zenden einer Einigungsstelle und deren B eisitzer andererseits sind jedoch nicht ve rgleichbar. Im Übrigen wäre auch bei einer entsprechenden Anwendung des § 319 ZPO die erfolgte Berichtigung des Beschlusses vom 30. Mai 2011 nicht zulässig gewesen, da der zugeleitete Beschluss nicht offenkundig unrichtig war. Weder aus dem Spruch noch aus dem Protokoll der Einigungsstellensitzung ergibt sich die vom Vorsitzenden behauptete Unrichtigkeit. Schmidt Koch Linck Schäferkord Schwitzer

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