1. Senat - Anspruch auf Durchführung einer Betriebsvereinbarung
Karar Dilini Çevir:
1. Senat - Anspruch auf Durchführung einer Betriebsvereinbarung
- 2 - BUNDESARBEITSGERICHT 1 ABR 6/09 3 TaBV 11/08 Sächsisches Landesarbeitsgericht Im Namen des Volkes! Verkündet am 18. Mai 2010 BESCHLUSS Metze, Urkundsbeamter der Geschäftsstelle In dem Beschlussverfahren mit den Beteiligten 1. Antragsteller, Beschwerdeführer und Rechtsbeschwerdeführer, 2. hat der Erste Senat des Bundesarbeitsgerichts aufgrund der Anhörung vom 18. Mai 2010 durch die Präsidentin des Bundesarbeitsgerichts Schmidt, die Richter am Bundesarbeitsgericht Dr. Linck und Dr. Koch sowie die ehrenamt-lichen Richter Dr. Federlin und Platow für Recht erkannt: - 2 - 1 ABR 6/09 - 3 - Die Rechtsbeschwerde des Betriebsrats gegen den Be-schluss des Sächsischen Landesarbeitsgerichts vom 24. November 2008 - 3 TaBV 11/08 - wird zurück-gewiesen. Von Rechts wegen! Gründe A. Die Beteiligten streiten über einen Anspruch des Betriebsrats auf Durchführung eines Konzernsozialplans. Die Arbeitgeberin betreibt eine Geschäftsbank mit einem bundesweiten Filialnetz. Antragsteller ist der in der Filiale L gebildete Betriebsrat. Als Folge konzernweiter Umstrukturierungen vereinbarte die Arbeit-geberin mit dem bei ihr gebildeten Konzernbetriebsrat am 18. Oktober 2006 einen Sozialplan. Darin ist ua. bestimmt, dass die Arbeitgeberin Änderungs-kündigungen auf zumutbare Arbeitsplätze aussprechen kann, ohne zur Leistung einer Abfindung verpflichtet zu sein. Die wirtschaftliche Zumutbarkeit ist nach den Regelungen des Sozialplans gegeben, wenn der Arbeitgeber den Arbeit-nehmern schriftlich zusagt, ihnen zu ihrem neuen Tarifgehalt eine Zulage in Höhe der Differenz zwischen den bisherigen Bezügen und der Vergütung in der neuen Tarifgruppe zu zahlen. Der Betriebsrat hat geltend gemacht, der Begriff „bisherige Bezüge“ er-fasse sämtliche Vergütungsbestandteile und daher auch befristete Ausgleichs-zulagen, welche die Arbeitgeberin einzelnen Mitarbeitern aufgrund eines im Jahre 2002 vereinbarten Sozialplans zu zahlen habe. Die Arbeitgeberin habe den Konzernsozialplan mit diesem Inhalt durchzuführen. Der Betriebsrat hat in der Rechtsbeschwerde beantragt festzustellen, dass der Begriff der „bisherigen Bezüge“ iSv. § 3 Abs. 2 lit. b des Sozialplans zu den Auswirkungen des Projekts „Retail Kreditgeschäft“ vom 18. Oktober 2006 12345 - 3 - 1 ABR 6/09 - 4 - iVm. § 8 Abs. 2 des Rationalisierungsschutzabkommens die sog. befristete dynamische Ausgleichszulage erfasst, die dem betroffenen Arbeitnehmer zum Zeitpunkt der beabsichtigten Versetzungsmaßnahme gewährt wird. Die Arbeitgeberin hat beantragt, den Antrag abzuweisen. Die Vorinstanzen haben den Antrag abgewiesen. Mit der vom Landes-arbeitsgericht zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt der Betriebsrat seinen Antrag weiter. B. Die Rechtsbeschwerde ist unbegründet. Der Betriebsrat hat gegen die Arbeitgeberin keinen Anspruch auf Durchführung des zwischen ihr und dem Konzernbetriebsrat abgeschlossenen Sozialplans. I. An dem Beschlussverfahren ist gem. § 83 Abs. 3 ArbGG neben dem Betriebsrat nur die Arbeitgeberin beteiligt. Der Konzernbetriebsrat und die weiteren örtlichen Betriebsräte waren nicht anzuhören. Der Betriebsrat hat bereits im ersten Rechtszug und in der Anhörung vor dem Senat klargestellt, dass er die beantragte Feststellung aus eigenem Recht zur Durchsetzung eines von ihm geltend gemachten eigenen betriebsverfassungsrechtlichen Durch-führungsanspruchs verlange. Die Rechtsstellung anderer Organe der Betriebs-verfassung hat er dabei nicht in Frage gestellt. II. Der Antrag ist zulässig. 1. Der Antrag genügt den Erfordernissen des § 256 Abs. 1 ZPO. a) Gegenstand des Antrags ist die Feststellung eines Rechtsverhältnisses iSd. § 256 Abs. 1 ZPO. Die vom Betriebsrat aufgeworfene Frage, mit welchem Inhalt der Konzernsozialplan durchzuführen ist, betrifft nach seinen Dar-legungen eine Verpflichtung aus dem zwischen der Arbeitgeberin und ihm bestehenden Rechtsverhältnis, für dessen Inhalt die Auslegung des Konzern-sozialplans lediglich eine Vorfrage darstellt. Daraus resultierende Meinungsver-schiedenheiten können die Betriebsparteien grundsätzlich im Wege eines Feststellungsantrags im Beschlussverfahren klären lassen (vgl. BAG 20. Januar 6789101112 - 4 - 1 ABR 6/09 - 5 - 2009 - 1 ABR 78/07 - Rn. 29, AP BetrVG 1972 § 77 Betriebsvereinbarung Nr. 44 = EzA ZPO 2002 § 547 Nr. 2). b) Der Betriebsrat hat das nach § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche rechtliche Interesse an der begehrten gerichtlichen Feststellung. Die Arbeitgeberin wendet den Konzernsozialplan weiterhin in anderer als der vom Betriebsrat für richtig gehaltenen Auslegung an. 2. Der Betriebsrat ist antragsbefugt. Er hat geltend gemacht, selbst Träger des streitbefangenen Rechts zu sein. Nach seinem Vorbringen verfolgt er nicht die Individualinteressen einzelner Arbeitnehmer, sondern begehrt die Fest-stellung zur Durchsetzung eines von ihm geltend gemachten eigenen betriebs-verfassungsrechtlichen Durchführungsanspruchs. III. Der Antrag ist unbegründet. Der Betriebsrat hat gegen die Arbeitgeberin keinen Anspruch auf Durchführung des Konzernsozialplans. 1. Nach § 77 Abs. 1 Satz 1 BetrVG führt der Arbeitgeber Vereinbarungen zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber, auch soweit sie auf einem Spruch der Einigungsstelle beruhen, durch. Diese Vorschrift grenzt nicht nur die Kompe-tenzen der Betriebspartner zueinander ab, indem sie dem Arbeitgeber die alleinige Führung des Betriebs überlässt und einseitige Eingriffe des Betriebs-rats in die Betriebsführung verbietet, sondern sie verpflichtet auch den Arbeit-geber gegenüber dem Betriebsrat, solche Vereinbarungen ihrem Inhalt ent-sprechend im Betrieb anzuwenden (BAG 24. Februar 1987 - 1 ABR 18/85 - zu B II 1 a der Gründe, BAGE 54, 191). Der Betriebsrat kann daher vom Arbeit-geber aus der betreffenden Betriebsvereinbarung iVm. § 77 Abs. 1 Satz 1 BetrVG auch deren Durchführung im Betrieb verlangen (BAG 24. Januar 2006 - 1 ABR 60/04 - Rn. 30 mwN, AP BetrVG 1972 § 80 Nr. 65 = EzA BetrVG 2001 § 80 Nr. 5; Fitting 25. Aufl. § 77 Rn. 7; Kreutz GK-BetrVG 9. Aufl. § 77 Rn. 24; ausf. Goebel Der betriebsverfassungsrechtliche Durchführungsanspruch gem. § 77 Abs. 1 S. 1 BetrVG, 2005, S. 17 ff.). Dies gilt gemäß § 112 Abs. 1 Satz 3 BetrVG gleichermaßen für Sozialpläne. 13141516 - 5 - 1 ABR 6/09 - 6 - 2. Der Anspruch auf Durchführung einer Betriebsvereinbarung aus eige-nem Recht steht grundsätzlich dem Betriebsrat zu, der selbst Partei der Be-triebsvereinbarung ist. Dieser hat gemeinsam mit dem Arbeitgeber in der Betriebsvereinbarung Regelungen geschaffen, die gem. § 77 Abs. 4 Satz 1 BetrVG für die betroffenen Arbeitnehmer unmittelbar und zwingend gelten. Die mit dem Arbeitgeber erzielte Einigung über den Inhalt der Betriebsvereinbarung iVm. § 77 Abs. 1 Satz 1 BetrVG gestaltet das Rechtsverhältnis der Betriebs-parteien und verleiht dem Betriebsrat damit das Recht, von diesem die Durch-führung gemeinsam vereinbarter Normen verlangen zu können. 3. Schließt der Gesamt- oder Konzernbetriebsrat in originärer Zuständig-keit (§ 50 Abs. 1, § 58 Abs. 1 BetrVG) mit dem Arbeitgeber Gesamt- oder Konzernbetriebsvereinbarungen, hat der nicht beteiligte örtliche Betriebsrat aus eigenem Recht grundsätzlich keinen Anspruch auf Durchführung der Gesamt- oder Konzernbetriebsvereinbarung. Dieser besitzt in Bezug auf solche Be-triebsvereinbarungen nicht die durch die Einigung auf einen bestimmten Norm-inhalt vermittelte Rechtsposition, die dazu berechtigt, vom Arbeitgeber als gemeinsamen Normgeber die Durchführung der vereinbarten Regelungen verlangen zu können. Etwas anderes gilt, wenn die Betriebsvereinbarung einem nicht an deren Abschluss beteiligten Betriebsrat ausdrücklich eigene Rechte einräumt. Insoweit kann auch der durch eine Betriebsvereinbarung begünstigte Betriebs-rat die Durchführung der entsprechenden Regelungen verlangen. Ent-sprechendes gilt bei einer Delegation der Regelungsbefugnis. Im Falle der Beauftragung des Gesamtbetriebsrats nach § 50 Abs. 2 BetrVG wird dieser rechtlich als Vertreter der beauftragenden Einzelbetriebsräte tätig und schließt für diese Einzelbetriebsvereinbarungen (vgl. Fitting § 50 Rn. 7). Demzufolge steht in den Fällen der Beauftragung nach § 50 Abs. 2 BetrVG auch der Durch-führungsanspruch den beauftragenden örtlichen Betriebsräten zu (Goebel S. 167 f.). Wird der Konzernbetriebsrat gem. § 58 Abs. 2 BetrVG kraft Beauf-tragung tätig, handelt er als Vertreter des beauftragenden Gesamtbetriebsrats (Kreutz/Franzen § 58 Rn. 49). Mit der Beauftragung erhält der Konzernbetriebs-171819 - 6 - 1 ABR 6/09 - 7 - rat lediglich die Befugnis, anstelle des Gesamtbetriebsrats tätig zu werden. Der Durchführungsanspruch steht daher diesem zu. Das gilt ebenso im Falle einer Delegation durch den Betriebsrat nach § 50 Abs. 2 iVm. § 54 Abs. 2 BetrVG. 4. Fehlt es an einer Normsetzung unter Beteiligung des örtlichen Betriebs-rats ist es auch nicht geboten, ihm zur Vermeidung einer Schutzlücke einen Durchführungsanspruch aus eigenem Recht zuzuerkennen. Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats gestalten Gesamt- oder Konzernbetriebsverein-barungen die kollektive Ordnung der betreffenden Betriebe wie Einzelbetriebs-vereinbarungen (18. September 2002 - 1 ABR 54/01 - zu B III 2 b bb der Gründe, BAGE 102, 356). Führt der Arbeitgeber eine vom Gesamt- oder Kon-zernbetriebsrat in originärer Zuständigkeit abgeschlossene Gesamt- oder Konzernbetriebsvereinbarung nicht durch, steht diesen Betriebsverfassungs-organen ein Durchführungsanspruch zu. Daneben kann der örtliche Betriebsrat die Einhaltung der durch diese Vereinbarungen gestalteten betriebs-verfassungsrechtlichen Ordnung nach § 23 Abs. 3 BetrVG erzwingen. Diese Vorschrift begründet in Fällen, in denen der Arbeitgeber seine Verpflichtungen aus dem Betriebsverfassungsgesetz grob verletzt, die Antragsbefugnis des Betriebsrats unabhängig von dessen materiellrechtlichen Positionen. Es besteht insoweit eine gesetzliche Prozessstandschaft des Betriebsrats. § 23 Abs. 3 Satz 1 BetrVG dient dazu, ein gesetzmäßiges Verhalten des Arbeitgebers im Rahmen der betriebsverfassungsrechtlichen Ordnung sicherzustellen (BAG 16. November 2004 - 1 ABR 53/03 - zu B I 2 a der Gründe, BAGE 112, 341). 5. Ein Durchführungsanspruch des Betriebsrats aus eigenem Recht ergibt sich entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts auch nicht aus § 80 Abs. 1 BetrVG. Nach dieser Bestimmung kann der Betriebsrat den Arbeitgeber zur Einhaltung der zugunsten der Arbeitnehmer geltenden Schutzvorschriften auffordern. Das Überwachungsrecht des Betriebsrats ist darauf beschränkt, eine Nichtbeachtung oder fehlerhafte Durchführung der Vorschriften beim Arbeitgeber zu beanstanden und auf Abhilfe zu drängen (BAG 28. Mai 2002 - 1 ABR 40/01 - zu B III der Gründe mwN, AP BetrVG 1972 § 87 Arbeitszeit Nr. 96 = EzA BetrVG 1972 § 87 Arbeitszeit Nr. 65). Aus der Aufgabe des 2021 - 7 - 1 ABR 6/09 - 8 - Betriebsrats, die Einhaltung von Schutzvorschriften zugunsten der Arbeit-nehmer zu überwachen, folgen indes keine eigenen Durchführungsansprüche (BAG 20. Mai 2008 - 1 ABR 19/07 - Rn. 15, AP BetrVG 1972 § 81 Nr. 4 = EzA ArbGG 1979 § 81 Nr. 19). 6. Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde kann aus dem durch die Bildung des Betriebsrats kraft Gesetzes zustande gekommenen „Betriebs-verhältnis“ und den sich aus § 2 Abs. 1 BetrVG ergebenden wechselseitigen Rücksichtspflichten kein Anspruch auf Durchführung einer Betriebsverein-barung hergeleitet werden, die der Betriebsrat nicht selbst abgeschlossen hat. a) Die Rechtsbeziehungen zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat werden durch die Rechte und Pflichten bestimmt, die in den einzelnen Mitwirkungstat-beständen normiert sind, sowie durch wechselseitige Rücksichtspflichten, die sich aus § 2 BetrVG ergeben. Bei der Wertung der im Gesetz vorgesehenen Rechte kann daher aus dem allgemeinen Gebot der vertrauensvollen Zu-sammenarbeit als Nebenpflicht grundsätzlich auch das Gebot abgeleitet werden, alles zu unterlassen, was der Wahrnehmung des konkreten Mit-bestimmungsrechts entgegensteht (BAG 3. Mai 1994 - 1 ABR 24/93 - zu B III 1 der Gründe, BAGE 76, 364). b) Zur Wahrnehmung und Durchsetzung der betrieblichen Mitbestimmung ist es nicht erforderlich, einem nicht am Abschluss einer Gesamt- oder Kon-zernbetriebsvereinbarung iSd. § 50 Abs. 1, § 58 Abs. 1 BetrVG beteiligten Betriebsrat eines Unternehmens oder Konzerns einen Durchführungsanspruch aus eigenem Recht einzuräumen. Dem steht bereits entgegen, dass der örtliche Betriebsrat in den Fällen der originären Zuständigkeit des Gesamt- oder Kon-zernbetriebsrats nicht selbst Träger des Mitbestimmungsrechts ist. Die Mit-bestimmungsrechte werden in diesen Fällen durch die dem jeweiligen Gesamt- oder Konzernbetriebsrat zustehenden Durchführungsansprüche gesichert, die betriebsverfassungsrechtliche Ordnung wird durch § 23 Abs. 3 BetrVG gewahrt. 7. In Anwendung dieser Rechtsgrundsätze besteht kein Anspruch des Betriebsrats L auf Durchführung des Konzernsozialplans. Er war an dessen 22232425 - 8 - 1 ABR 6/09 Zustandekommen nicht beteiligt. Ein Anspruch aus § 23 Abs. 3 BetrVG kommt ebenfalls nicht in Betracht. Der Betriebsrat hat sich weder auf ein grob betriebs-verfassungsrechtliches Verhalten der Arbeitgeberin berufen noch sind Anhalts-punkte hierfür vorgetragen. Schmidt Koch Linck Federlin Platow

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