1 Ni 3/17 (EP) - 1. Senat (Nichtigkeit)
Karar Dilini Çevir:

ECLI:DE:BPatG:2017:260917U1Ni3.17EP.0


BUNDESPATENTGERICHT
IM NAMEN DES VOLKES

1 Ni 3/17 (EP)
(Aktenzeichen)

URTEIL


Verkündet am
26. September 2017





In der Patentnichtigkeitssache



- 2 -
betreffend das europäische Patent 1 171 336
(DE 500 07 909)

hat der 1. Senat (Nichtigkeitssenat) des Bundespatentgerichts aufgrund der
mündlichen Verhandlung vom 26. September 2017 durch die Präsidentin Schmidt,
die Richter Dipl.-Ing. Sandkämper und Dr.-Ing. Baumgart sowie die Richterin
Grote-Bittner und den Richter Dipl.-Phys. Univ. Dr.-Ing. Geier

für Recht erkannt:

I. Das europäische Patent 1 171 336 wird mit Wirkung für das
Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland für nichtig
erklärt.

II. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.

III. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des
zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.


T a t b e s t a n d

Mit ihrer Klage begehrt die Klägerin, die vor ihrer Umfirmierung am
29. Januar 2016 als V… S.A. firmierte, die Nichtigerklärung des euro-
päischen Patents 1 171 336 mit Wirkung für das Gebiet der Bundesrepublik
Deutschland. Die Beklagte ist Inhaberin des u. a. für die Bundesrepublik
Deutschland erteilten europäischen Patents 1 171 336 mit der Bezeichnung
„Schienenfahrzeug“. Die Beklagte, die vor ihrer Umfirmierung B…
GmbH hieß, ist ausweislich des Handelsgerichtsauszugs W… durch
Übernahme des Vermögens Gesamtrechtsnachfolgerin der im Register des Euro-
päischen Patentamts als Patentinhaberin geführten B…
GmbH & Co. KG. Das europäische Patent mit dem Veröffentlichungstag
- 3 -
22. September 2004 ist aus der internationalen Anmeldung PCT/AT2000/000103
(internationale Veröffentlichungsnummer WO 2000/064721) hervorgegangen, die
am 25. April 2000 unter Inanspruchnahme der Priorität AT 71699 vom 22. April
1999 angemeldet worden ist. Es wird beim Deutschen Patent- und Markenamt
unter dem Aktenzeichen 500 07 909 geführt und umfasst zwei Ansprüche, die
sämtlich von der Klage angegriffen sind.

Das Streitpatent umfasst in seiner erteilten Fassung zwei Ansprüche, die wie folgt
lauten:

1. „Schienenfahrzeug in Niederflurbauart wobei die Unterschiede im Niveau
des Bodens im Bereich oberhalb der Fahrwerke (1) und dem Niveau im
Bereich der Einstiege (18) durch in Fahrzeuglängsrichtung verlaufende Ram-
pen (19, 19´) ausgeglichen sind, dadurch gekennzeichnet, daß
a) die Fahrwerke (1), eingeschlossen die angetriebenen Fahrwerke, mit
durchgehenden Radsatzwellen (11) und kleinrädrig, mit Raddurch-
messer von etwa 470 bis 560 mm, ausgebildet sind,
b) ausgehend von den Türöffnungen (18) gegebenenfalls Rampen (20)
angeordnet sind, die gegen die Fahrzeuglängsachse (29) ansteigen,
bevorzugt vor der Fahrzeuglängsachse (29) endend, ausgeführt sind.“

2. „Schienenfahrzeug nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, daß
a) der Boden des Fahrzeugkastens oberhalb jedes Fahrzeuges (1) und
bevorzugt im Bereich zwischen den Radsatzwellen (11) des jeweiligen
Fahrwerkes (1) eine Ebene mit einer Höhe über Schienenoberkante (2)
von ca. 450 mm bzw. von 100 mm über der Standardfußbodenhöhe
bildet,
b) an die quer zur Fahrzeuglängsachse (29) verlaufende Ränder der
Ebene (22) je eine Rampe (19) mit einem Gefälle von ca. 6 % an-
schließt,
c) eine der vom Rand der Ebene (22) ausgehenden Rampe (19) sich bis
zum Boden (26) eines zwei benachbarte Wagenkasten (23, 24) verbin-
- 4 -
denden Gelenkteiles (25) erstreckt, der an die Rampe (19) anschließend
bevorzugt einen horizontalen Bodenteil (26) mit kreisförmiger Beran-
dung (27) aufweist, und
d) an die kreisförmige Berandung (27) des Gelenkteiles (25) eine weitere,
sich bevorzugt über die Breite des Wagenkastens erstreckende und die
kreisbogenförmige Berandung (23) des Gelenkteiles (25) tangierenden
Rampe (19´) mit einem Gefälle in Fahrzeuglängsrichtung von etwa 6 %
anschließt und diese Rampe (19´) sich bis in den Bereich jener Ram-
pe (20) erstreckt, die von der Türöffnung (18) ausgehend, gegen die
Fahrzeuglängsachse ansteigend ausgebildet ist.“

Die Beklagte verteidigt das Streitpatent in geänderter Fassung gemäß einem in
der mündlichen Verhandlung gestellten Hauptantrag mit einem gegenüber der
erteilten Fassung durch folgende Merkmalsangabe im Kennzeichenteil ergänzten
Anspruch 1

„…, wobei
b) zwischen zwei auf Fahrwerken (1) abgestützten Wagenkästen (23) ein fahr-
werksloser Wagenkasten (24) vorgesehen ist, b) “

und einem sich hieran anschließenden, gegenüber der erteilten Fassung unver-
änderten Anspruch 2, als Textfassung übergeben in der mündlichen Verhandlung.

Die Ansprüche 1 unterscheiden sich in ihren weiter hilfsweise verteidigten Fassun-
gen gemäß den in der mündlichen Verhandlung gestellten Hilfsanträgen 1 bis 6 (s.
Anlage zum Protokoll GA Bl. 575ff)von dem erteilten Anspruch 1 wie folgt:

Ergänzung des Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 1:

„…, wobei
b) der Boden des Fahrzeugkastens oberhalb jedes Fahrwerkes (1) eine Ebene
bildet,
- 5 -
c) an die quer zur Fahrzeuglängsachse (29) verlaufenden Ränder der Ebe-
ne (22) je eine Rampe (19) anschließt und
d) eine der vom Rand der Ebene (22) ausgehenden Rampen (19) sich bis zum
Boden (26) eines zwei benachbarte Wagenkasten (23, 24) verbindenden Ge-
lenkteiles (25) erstreckt, b) “

Ergänzung des Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 2:

„…, wobei
b) zwischen zwei auf Fahrwerken (1) abgestützten Wagenkästen (23) ein fahr-
werkloser Wagenkasten (24) vorgesehen ist.“

und weiteren zusätzlichen Merkmalen wie beim Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 1
mit angepassten, lexikografisch aufsteigenden Aufzählungszeichen.

Ergänzung des Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 3:

„…, wobei
b) der Boden des Fahrzeugkastens oberhalb jedes Fahrwerkers (1) eine Ebene
bildet, die eine Höhe über Schienenoberkante (2) von ca. 450 mm und/oder von
100 mm über der Standardfußbodenhöhe aufweist,
c) an die quer zur Fahrzeuglängsachse (29) verlaufenden Ränder der Ebe-
ne (22) je eine Rampe (19) anschließt und
d) eine der vom Rand der Ebene (22) ausgehenden Rampen (19) sich bis zum
Boden (26) eines zwei benachbarten Wagenkasten (23, 24) verbindenden
Gelenkteiles (25) erstreckt, b) “

Ergänzung des Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 4:

Die zusätzlichen Angaben nach Anspruch 1 gemäß Hauptantrag und gemäß Hilfs-
antrag 3 zusammenfassend mit angepassten, lexikografisch aufsteigenden Auf-
zählungszeichen.
- 6 -
Ergänzung des Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 5:

„…, wobei
b) der Boden des Fahrzeugkastens oberhalb jedes Fahrwerkers (1) eine
Ebene bildet, die eine Höhe über Schienenoberkante (2) von ca. 450 mm
und/oder von 100 mm über der Standardfußbodenhöhe aufweist,
c) an die quer zur Fahrzeuglängsachse (29) verlaufenden Ränder der
Ebene (22) je eine Rampe (19) anschließt,
d) eine der vom Rand der Ebene (22) ausgehenden Rampen (19) sich bis
zum Boden (26) eines zwei benachbarten Wagenkasten (23, 24) verbin-
denden Gelenkteiles (25) erstreckt,
e) der Gelenkteil (25) an die Rampe (19) anschließend einen horizontalen
Bodenteil (26) mit kreisförmiger Berandung (27) aufweist, und
f) an die kreisförmige Berandung (27) des Gelenkteils (25) eine weitere, die
kreisbögenförmige Berandung (23) des Gelenkteiles (25) tangierenden
Rampe (19´) anschließt, ausgehend von den Türöffnungen Rampen (20)
angeordnet sind, die gegen die Fahrzeuglängsachse (29) ansteigend,
bevorzugt vor der Fahrzeuglängsachse (29) endend, ausgeführt sind.“

Ergänzung des Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 6:

Die zusätzlichen Angaben nach Anspruch 1 gemäß Hauptantrag und gemäß Hilfs-
antrag 5 zusammenfassend mit angepassten, lexikografisch aufsteigenden Auf-
zählungszeichen.

Der Anspruch 1 in der Fassung vom 11. November 2015 (GA Bl. 221) gemäß dem
in der mündlichen Verhandlung gestellten Hilfsantrag 7 hat folgenden Wortlaut:

1. „Schienenfahrzeug in Niederflurbauart, wobei die Unterschiede im Niveau
des Bodens im Bereich oberhalb der Fahrwerke (1) und dem Niveau im
Bereich der Einstiege (18) durch in Fahrzeuglängsrichtung verlaufende Ram-
pen (19, 19´) ausgeglichen sind, dadurch gekennzeichnet, daß
- 7 -
a) die Fahrwerke (1), eingeschlossen die angetriebenen Fahrwerke, mit
durchgehenden Radsatzwellen (11) und kleinrädrig, mit Raddurchmesser
von etwa 470 bis 560 mm, ausgebildet sind,
b) der Boden des Fahrzeugkastens oberhalb jedes Fahrwerkers (1) eine
Ebene mit einer Höhe über Schienenoberkante (2) von ca. 450 mm bzw.
von 100 mm über der Standardfußbodenhöhe bildet,
c) an die quer zur Fahrzeuglängsachse (29) verlaufenden Ränder der
Ebene (22) je eine Rampe (19) mit einem Gefälle von 6 % anschließt,
d) eine der vom Rand der Ebene (22) ausgehenden Rampen (19) sich bis
zum Boden (26) eines zwei benachbarten Wagenkasten (23, 24) verbinden-
den Gelenkteiles (25) erstreckt,
e) der Gelenkteil (25) an die Rampe (19) anschließend einen horizontalen
Bodenteil (26) mit kreisförmiger Berandung (27) aufweist, und
f) an die kreisförmige Berandung (27) des Gelenkteils (25) eine weitere, die
kreisbögenförmige Berandung (23) des Gelenkteiles (25) tangierende
Rampe (19´) mit einem Gefälle in Fahrzeuglängsrichtung von etwa 6 % an-
schließt und diese Rampe (19´) sich bis in den Bereich einer Rampe (20)
erstreckt, die von der Türöffnung (18) ausgehend, gegen die Fahrzeug-
längsachse ansteigend ausgebildet ist.“

Wegen des Wortlauts der geänderten Fassungen des Anspruchs 2 nach den Hilfs-
anträgen 2 bis 6 wird auf die in der mündlichen Verhandlung vom 26. Septem-
ber 2017 überreichten Textfassungen (GA Bl. 575ff) bzw. die mit Schriftsatz vom
11. November 2015 eingereichte Fassung für den Hilfsantrag 7 (GA Bl. 221)
Bezug genommen.

Die Klägerin, die Verspätung der von der Beklagten in der mündlichen Verhand-
lung eingereichten Haupt- und Hilfsanträge rügt, greift das erteilte Streitpatent und
alle von der Beklagten eingereichten geänderten Fassungen in vollem Umfang an
und macht die Nichtigkeitsgründe der fehlenden Patentfähigkeit (Art. II § 6 Abs. 1
Nr. 1 IntPatÜbkG) und der unzureichenden Offenbarung (Art. II § 6 Abs. 1 Nr. 2
IntPatÜbkG) geltend. Dabei meint sie, wie von ihr in der mündlichen Verhandlung
- 8 -
ausgeführt, dass die Beklagte wegen des zusätzlichen Merkmals in Anspruch 1
der Fassung des Streitpatents nach Hauptantrag und nach Hilfsanträgen 2, 4 und
6, demnach beim beanspruchten Schienenfahrzeug zwischen zwei auf Fahrwer-
ken abgestützten Wagenkästen ein fahrwerkloser Wagenkasten vorgesehen sein
soll, die Priorität der österreichischen Voranmeldung vom 22. April 1999 nicht be-
anspruchen könne.

Zur Stützung ihres Vorbringens der fehlenden Patentfähigkeit verweist die Klä-
gerin auf folgende Entgegenhaltungen:

NK4 Anton Schiruk, Bombardier-Wien, Niederflurfahrzeuge in Wien in
„nahverkehrs-praxis“ Nr. 1/1993, S. 5ff
NK5 Dipl.- Ing. Peter Lehotzky, Wien, Niederflur-U-Bahn-Wagen für Wien in
„DER NAHVERKEHR“ 3/91, S. 32ff
NK6 Offenlegungsschrift DE 37 04 127 A1
NK7 US 1 189 120
NK8 UIC Code 510-2 OR „Wheels and wheelsets“ der International Union of
Railways (UIC), 2. Ausgabe, Januar 1978
NK9 Prospekt Straßenbahnwagen Rostock Niederflur-Gelenktriebwagen 6N
GTW DE mit Drehstrom-Antriebstechnik, ABB Daimler Benz Transportation,
DETRA/LRV/10.96/0001-MA
NK10 Dipl.- Ing. Karl-Heinz Holub, Darmstadt, Dipl.- Ing. Johannes Auerbacher,
Salzgitter, Dipl.- Ing. Frank Gartner, Mannheim, Neuer Niederflur-Straßen-
bahnwagen ST13 für Darmstadt in „DER NAHVERKEHR“ 7-8/98, S. 41ff
NK11 Barrierefreies Bauen, Teil 2 Öffentlich zugängliche Gebäude und Arbeits-
stätten, Planungsgrundlagen, Leitfaden für Architekten, Fachingenieure,
Bauherrn zur DIN 18 024 Teil 2, Ausgabe November 1996
NK12 Offenlegungsschrift WO 00/64721 A2
NK13 EP 0 533 028 A1

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NK14 Artikel „Combino, die modulierbare Niederflurstraßenbahn der Siemens
Verkehrstechnik“, Zeitschrift „Verkehr und Technik“, Heft 9 aus 1996,
S. 387ff
NK15 Eisenbahnrechtliche Genehmigung des österreichischen Bundesmini-
steriums für Wirtschaft und Verkehr vom 11. Januar 1999, GZ 396.105/1-
II/C/151/99, zum Zweirichtungsgelenktriebwagen der Type „T“ mit den
Nummern 2669 bis 2678.

Die Klägerin vertritt die Auffassung, dass das Streitpatent in der Fassung des
neuen Hauptantrags von der Beklagten nicht erfolgreich verteidigt werden könne,
weil die Lehre des geänderten Anspruchs 1 unzureichend offenbart sei und weil
dessen Gegenstand hinsichtlich des gegenüber der erteilten Fassung ergänzten
Merkmals über den Inhalt der ursprünglichen Anmeldung hinausgehe, denn ein
fahrwerkloser Wagenkasten sei in der Streitpatentschrift als nicht zur Erfindung
gehörend offenbart. Der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß neuem Hauptantrag
sei auch nicht patentfähig, wobei dies auch dann gelte, wenn das zusätzlich auf-
genommene Merkmal bei der Prüfung der Patentfähigkeit nicht herangezogen
werde. Das Schienenfahrzeug nach Anspruch 1 sei ausweislich der Entgegenhal-
tungen NK4 und NK5 nicht neu. Es beruhe jedenfalls im Hinblick auf die Zusam-
menschau der Druckschriften NK6, NK7 und NK8 sowie der Dokumente NK13 und
NK14 nicht auf erfinderischer Tätigkeit.

Auch der Gegenstand des Streitpatents nach den Ansprüchen 1 in deren Fassun-
gen nach den Hilfsanträgen 1 bis 7 sei unzureichend offenbart, unzulässig erwei-
tert und nicht patentfähig, insbesondere nicht erfinderisch. Das beanspruchte
Schienenfahrzeug sei auch in seiner Ausbildung gemäß Anspruch 2 in der Fas-
sung nach Hauptantrag und Hilfsanträgen nicht patentfähig.

Der Senat hat den Parteien einen qualifizierten Hinweis gemäß § 83 PatG vom
9. Februar 2017 mit einer Frist zur Stellungnahme binnen zwei Monaten und einer
abschließenden Stellungnahme binnen eines weiteren Monats erteilt. Die Beklagte
hat hierauf in ihrem Schriftsatz vom 12. April 2017, Seite 3, angekündigt, eine in
- 10 -
ihren seinerzeit für einen Haupt- und weitere Hilfsanträge eingereichten Textfas-
sungen für die Ansprüche 1 gestrichene Merkmalgruppe wieder in den Anspruch 1
aufzunehmen, sofern der Senat bei seiner vorläufigen Auffassung bleiben sollte,
dass das Entfallen dieser Merkmalsgruppe eine unzulässige Erweiterung gegen-
über der Anmeldung bzw. eine Schutzbereichserweiterung gegenüber dem Streit-
patent in seiner erteilten Fassung bedinge.

Die Klägerin beantragt,

das europäische Patent 1 171 336 mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der
Bundesrepublik Deutschland in vollem Umfang für nichtig zu erklären.

Die Beklagte beantragt,

die Klage mit der Maßgabe abzuweisen, dass das Streitpatent die Fas-
sung des Hauptantrags, eingereicht in der mündlichen Verhandlung,
hilfsweise die Fassung eines der Hilfsanträge 1-6, ebenfalls eingereicht in
der mündlichen Verhandlung,
weiter hilfsweise die Fassung des Hilfsantrags 7, eingereicht mit Schrift-
satz vom 11. November 2015, erhält.

Sie tritt den Ausführungen der Klägerin in allen Punkten entgegen. Alle neuge-
fassten Ansprüche seien zulässig und deren Gegenstände zudem patentfähig.
Entgegen der Auffassung der Klägerin sei in der Streitpatentschrift ausweislich der
Figur 7 und dem Bezugszeichen 24 ein fahrwerkloser Wagenkasten als zur Erfin-
dung gehörend offenbart. Der Gegenstand des Streitpatents in der Fassung nach
Hauptantrag sei außerdem neu – wobei die Priorität der österreichischen Voran-
meldung vom 22. April 1999 beansprucht werden könne – und beruhe auch auf
einer erfinderischen Tätigkeit. Dies gelte ebenso für den Gegenstand des Streit-
patents in der Fassung der Hilfsanträge. Denn keiner der Entgegenhaltungen sei
zu entnehmen, dass der Mittelwagen ein fahrwerkloser Wagenkasten sein könne
(Hauptantrag, Hilfsanträge 2, 4 und 6). Vielmehr basierten diese, insbesondere die
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Schienenfahrzeuge gemäß den Entgegenhaltung NK4, NK5, auf einem fun-
damental anderen Fahrzeugkonzept, bei dem der Mittelwagen über seine beiden
Fahrwerke entscheidend zur Abstützung der beiden Endwagen beitrage. Im Übri-
gen sei den klägerseits vorgelegten Dokumenten kein Hinweis darauf zu entneh-
men, dass zu beiden Seiten der Ebenen oberhalb der Drehgestelle eine Rampe
vorgesehen sein sollte (u. a. Hilfsantrag 1) und sich eine dieser Rampen bis zum
Boden eines der Gelenkteile erstrecken könnte. So gebe beispielsweise die Ent-
gegenhaltung NK7 keinen konkreten Hinweis, in welcher Weise die Niveauunter-
schiede des Fußbodens zwischen dem zentralen Einstieg und dem Bereich ober-
halb der Fahrwerke ausgeglichen werden.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf die zwi-
schen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen und den weiteren
Inhalt der Akte Bezug genommen.


E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

Die Klage, mit der die Nichtigkeitsgründe der fehlenden Patentfähigkeit und der
unzureichenden Offenbarung nach Artikel II § 6 Absatz 1 Nr. 1, Nr. 2 IntPatÜG,
Artikel 138 Absatz 1 lit. a), b) EPÜ i. V. m. Artikel 54 Absatz 1, 2 und Artikel 56
EPÜ geltend gemacht werden, ist zulässig.

Die Klage erweist sich insoweit bereits als begründet, als das Streitpatent, nach-
dem es jedenfalls auch in einer zulässigerweise eingeschränkten Fassung vertei-
digt wird, in dem Umfang, in dem es nicht mehr verteidigt wird, ohne weitere
Sachprüfung für nichtig zu erklären ist (st. Rspr., vgl. etwa BGH GRUR 2007, 404,
Rdn. 15 – Carvedilol II). Aber auch im Übrigen ist das Streitpatent sowohl in der
nach Hauptantrag und Hilfsanträgen verteidigten Fassung als auch zudem in der
erteilten Fassung jedenfalls wegen mangelnder Patentfähigkeit für nichtig zu erklä-
ren.

- 12 -
I.

Die in der mündlichen Verhandlung eingereichten neuen Haupt- und Hilfsanträge
waren entgegen der Auffassung der Klägerin nicht als verspätet zurückzuweisen.

Zwar fällt die Verteidigung mit einer geänderten Fassung des Patents ausdrücklich
unter die Präklusionsvorschrift des § 83 Abs. 4 Satz 1 PatG, wenn sie von der
Beklagten erst nach Ablauf der nach § 83 Abs. 2 Satz 1 PatG gesetzten Frist vor-
gebracht wird, wobei die Beklagte hier geänderte Anträge konkreten Inhalts inner-
halb der gesetzten Frist angekündigt, wenn auch nicht in Anspruchssätzen formu-
liert vorgelegt hatte. Eine Zurückweisung als verspätet kommt hier jedenfalls nicht
in Betracht, weil die geänderten Anträge der Beklagten ohne weiteres in die
mündliche Verhandlung einbezogen werden konnten und eine Vertagung damit
nicht in Betracht kam.


II.

1. Gegenstand des mit der Nichtigkeitsklage vollumfänglich angegriffenen
Streitpatents mit der Bezeichnung „Schienenfahrzeug“ ist ein Schienenfahrzeug in
Niederflurbauart, dessen Fahrwerke – eingeschlossen die angetriebenen Fahr-
werke – mit durchgehenden Radsatzwellen ausgebildet sind.

Ein bekannter technischer Lösungsansatz für Schienenfahrzeuge in Niederflur-
bauart, auf den in der Beschreibungseinleitung abgestellt ist, beruht auf der An-
wendung von Fahrwerken mit Losrädern – insoweit ohne durchgehende Radsatz-
wellen, die bei konventionell ausgeführten Fahrwerken die beiden Räder gemein-
sam tragen und hierdurch entsprechend dem Radius der Räder und der Radsatz-
welle die notwendige Höhe des Fußbodens, der oberhalb der Radsatzwelle mit
ausreichendem Abstand angeordnet sein muss, zwangsläufig vorgegeben ist (vgl.
Abs. [0003]).

- 13 -
Obwohl die Losradtechnik großrädrige Fahrwerke ermöglicht und dennoch sehr
niedere Fußbodenhöhen bei 100%iger Niederflurausführung erzielt werden kön-
nen, sollen diese im Dauerbetrieb schlechtere Eigenschaften aufweisen als Dreh-
gestelle konventioneller Bauweise (vgl. Abs. [0004] und [0005] i. V. m.
Abs. [0001]).

In der Patentschrift (Abs. [0006]) ist als Ziel der Erfindung angegeben, eine techni-
sche Lösung zu finden, die trotz der Anforderung von 100 % Niederflur die Ver-
wendung von konventionellen Radsatzfahrwerken erlaubt. Diese Fahrwerke müs-
sen aber auch angetrieben werden, um durchgehende Niederflurigkeit für alle ge-
wünschten Fahrzeugkonfigurationen von ca. 18 – 50 m Länge zu erfüllen. Erreicht
werden soll dies bei einem Schienenfahrzeug in Niederflurbauart mit den Merk-
malen des Anspruchs 1.

2. Der Senat geht von folgender Merkmalsgliederung der erteilten Ansprüche 1
und 2 aus:

Anspruch 1

M1 Schienenfahrzeug in Niederflurbauart,
M2 wobei die Unterschiede im Niveau des Bodens im Bereich oberhalb der
Fahrwerke (1) und dem Niveau im Bereich der Einstiege (18) durch
Rampen (19, 19‘) ausgeglichen sind,
M2.1 die Rampen (19,19‘) verlaufen in Fahrzeuglängsrichtung,

dadurch gekennzeichnet, dass

M3 die Fahrwerke (1), eingeschlossen die angetriebenen Fahrwerke, sind
mit durchgehenden Radsatzwellen (11) ausgebildet,
M3.1 die Fahrwerke sind kleinrädrig ausgebildet, mit einem Raddurchmesser
von etwa 470 bis 560 mm,

- 14 -
M4 ausgehend von den Türöffnungen (18) sind gegebenenfalls Ram-
pen (20) angeordnet,
M4.1 die Rampen (20) sind gegen die Fahrzeuglängsachse (29) ansteigend
ausgeführt,
M4.2 die Rampen (20) enden bevorzugt vor der Fahrzeuglängsachse (29).

Anspruch 2

Schienenfahrzeug nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet dass

M5 der Boden des Fahrzeugkastens oberhalb jedes Fahrwerks (1) bildet
eine Ebene
M5.1 – bevorzugt im Bereich zwischen den Radsatzwellen (11) des jeweili-
gen Fahrwerks (1) –
M5.2 (eine Ebene) mit einer Höhe über Schienenoberkante (2) von ca.
450 mm bzw. von 100 mm über der Standardfußbodenhöhe,
M6 an die quer zur Fahrzeuglängsachse (29) verlaufenden Ränder der
Ebene (22) schließt je eine Rampe (19) an,
M6.1 die (sich anschließende) Rampe (19) hat ein Gefälle von ca. 6 %,
M6.2 eine der vom Rand der Ebene (22) ausgehenden Rampen erstreckt
sich bis zum Boden (26) eines zwei benachbarte Wagenkasten (23, 24)
verbindenden Gelenkteils (25),
M7 der an die Rampe (19) anschließende Gelenkteil weist bevorzugt einen
horizontalen Bodenteil (26) mit kreisförmiger Berandung (27) auf, und
M8 an die kreisförmige Berandung (27) des Gelenkteils (25) schließt sich
eine weitere, die kreisbogenförmige Berandung (23) des Gelenk-
teils (25) tangierende Rampe (19‘) an
M8.1 die (tangierende und sich anschließende) Rampe (19‘) hat ein Gefälle
in Fahrzeuglängsrichtung von etwa 6 %
M8.2 die (tangierende und sich anschließende) Rampe (19‘) erstreckt sich
bevorzugt über die Breite des Wagenkastens

- 15 -
M8.3 diese Rampe (19‘) erstreckt sich bis in den Bereich jener Rampe (20),
die von der Türöffnung (18) ausgehend, gegen die Fahrzeuglängs-
achse ansteigend ausgebildet ist.

2a. In der jeweiligen Fassung des Anspruchs 1 gemäß Haupt- und Hilfsanträgen
sind Merkmale der Gegenstände der erteilten Ansprüche 1 und 2 in unterschiedli-
cher Kombination enthalten.

Im Anspruch 1 nach Hauptantrag sowie den Hilfsanträgen 2, 4 und 6 sind jeweils
noch folgende Teilmerkmale einer ergänzten Merkmalsgruppe (M1.1) angeführt:

M1.1a zwischen zwei auf Fahrwerken (1) abgestützten Wagenkästen (23) ist
ein Wagenkasten (24) vorgesehen;
M1.1b der (weitere) Wagenkasten (24) ist fahrwerklos.

Bei der Textfassung des Anspruchs 1 nach Hilfsantrag 3 ist im umfassten Merk-
mal M5.2 die Konjunktion „bzw.“ durch die Wortfolge „und/oder“ ersetzt.

Bei der Textfassung des Anspruchs 1 nach Hilfsantrag 5 ist im umfassten Merk-
mal M4 das Wort „gegebenenfalls“ gestrichen, im Merkmal M5.2 die Konjunktion
„bzw.“ durch die Wortfolge „und/oder“ ersetzt und im Merkmal M7 das Wort
„bevorzugt“ entfallen.

3. Als Fachmann beschäftigte sich auf dem Gebiet des Streitpatents zum
Anmeldezeitpunkt ein Maschinenbauingenieur mit mehrjähriger Erfahrung in der
Entwicklung und Konstruktion von Schienenfahrzeugen, speziell zur Personenbe-
förderung.

4. Die Patentansprüche sind unter Heranziehung der Beschreibung und der
Zeichnung auszulegen. Aufgrund der nach Art. 69 Abs. 1 EPÜ maßgeblich am
technischen Sinn- und Gesamtzusammenhang der Patentschrift zu orientierenden

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Betrachtung und Auslegung der Patentansprüche durch den angesprochenen
Fachmann entsprechend der Bedeutung der Merkmale in der beanspruchten
Kombination im Hinblick auf das Leistungsergebnis der Erfindung legt der Senat
der Lehre nach dem erteilten Anspruch 1 bzw. der Weiterbildung nach Anspruch 2
gemäß Streitpatent folgendes Verständnis zugrunde:

Mit dem Merkmal M1 ist das Schienenfahrzeug und die Bauart i. V. mit den übri-
gen Merkmalen dahingehend näher definiert, dass es sich um ein mit einem An-
trieb ausgestattetes Fahrzeug zur Personenbeförderung („Niederflur“, „Einstiege“,
“Türöffnungen“) handelt, wobei auch im Zusammenhang mit Merkmal M2 ein
Wagenkasten als Bestandteil des Schienenfahrzeugs mitzulesen ist.

Die „Niederflurbauart“ (Merkmal M1) zielt daher nicht nur auf eine – im Anspruch 1
allerdings nicht quantitativ definierte – begrenzte Höhe im Bereich des Ganges für
die Passagiere oberhalb der Fahrwerke und zudem eine demgegenüber gerin-
gere, ebenfalls nicht absolut definierte Höhe im Bereich der Einstiege ab, sondern
auch auf eine Überbrückung der Höhenunterschiede ausschließlich durch Ram-
pen – deren Neigung ebenso wenig beziffert ist – und Ebenen bis zum Niveau der
Ebene oberhalb der Fahrwerke. Denn der Fachmann wird der Zusammenstellung
von längsverlaufenden Rampen „gegebenenfalls“ mit quer verlaufenden Rampen
(M4.1) – eine seitliche Anordnung der Türöffnungen mitlesend – den Zweck unter-
stellen, dass diese „zumindest subjektiv als 100% niederflurig und eben gewertet
wird“, mithin Stufen ausgeschlossen sind, vgl. Absatz [0012] i. V. m. Absatz
[0006].

- 17 -

Figur 4 aus Streitpatent Ausschnitt Figur 7 aus Streitpatent
(Gangniveau über Schienenoberkante mit ergänzten Pfeilen verdeutlicht)

Offensichtlich hängt die Notwendigkeit einer zusätzlichen Anordnung quer verlau-
fender Rampen nicht nur von deren Neigung, sondern auch der zur Verfügung
stehenden Distanz zwischen der (niedrigen) Einstiegskante und dem Rand der
(höchstgelegenen) Ebene oberhalb des in Längsrichtung nächstgelegenen Fahr-
werks ab, je nach relativer Lage der Türöffnungen gegenüber den Fahrwerken.
Bei einer größeren zum Ausgleich durch Rampen zur Verfügung stehenden
Erstreckung des Gangs in Längsrichtung (längerer Wagenkasten mit wenigen
Türöffnungen) können die Rampen gemäß Merkmal M2.1 ausreichen, bei kurzen
Wegen kann der Niveauausgleich gemäß Merkmal M4 durch zusätzliche Rampen
in Querrichtung gemäß Merkmal M4.1 erzielt werden, wobei der Fachmann einen
Übergang zwischen den Rampen mitliest bzw. der Figur 7 unmittelbar entnimmt.
Die Merkmale M4.1 und M4.2 betreffen in Verbindung mit der das Wort „gegebe-
nenfalls“ enthaltenden Fassung des Merkmals 4 insoweit fakultative Maßnahmen.
Durch den Anspruch 1 ist allerdings die durch Rampen und Ebenen zu über-
brückende Entfernung zwischen einer Türöffnung und dem Fahrwerk weder
quantitativ noch qualitativ definiert, zudem muss der benannte Einstieg bzw. eine
bestimmte Zusammenstellung von Rampen nicht zwingend dem nächstgelegenen
Fahrwerk im selben Wagenkasten zugeordnet sein. So betreffen die Merkmale M6
bis M8 die Anordnung von Rampen bei Wagenkästen, die über ein Gelenkteil ver-
bunden sind.
- 18 -
Merkmal M3 fordert für das gesamte Schienenfahrzeug, d. h. für jedes daran an-
geordnete Fahrwerk – ob als Lauffahrwerk oder angetrieben ausgeführt – nicht nur
die gemeinsame Anordnung gegenüberliegender Räder jeweils auf einer durchge-
henden Radsatzwelle, sondern i. V. m. Merkmal M3.1 auch gleiche Raddurch-
messer für sämtliche Fahrwerke. Soweit ein Schienenfahrzeug aus mehreren,
über Gelenkteile verbundenen Wagenkästen besteht – vgl. Abs. [0013], Zeilen 47
bis 50 bzw. Merkmal M6.2 -, soll demnach für die Gesamtheit der für ein aus ver-
bundenen Wagenkästen, d. h. Wagenteilen bestehendes Schienenfahrzeug die
gleichartige Ausbildung von Fahrwerken hinsichtlich der Merkmale M3 und M3.1
vorgeschrieben sein. Über die relative Lage eines jeden Fahrwerks oder die An-
zahl der Fahrwerke bzw. Radsatzwellen in Bezug auf die Längsachse eines Wa-
genkastens, d. h. über die Verteilung der Fahrgestelle in Bezug auf ein oder die
darauf ruhenden Wagenteile bzw. des in seiner Zusammenstellung nicht näher
definierten Schienenfahrzeug ist in den Ansprüchen nichts ausgesagt.

Die Merkmalsgruppe M5 betrifft die ebene Ausbildung des Bodens eines Ganges
zwischen den Rädern, dessen Höhe über der Schienenoberkante primär vom hal-
ben Raddurchmesser plus dem – im Anspruch nicht definierten – halben Wellen-
durchmesser abhängt, wobei der Fachmann darüber hinaus beiläufig unterstellt,
dass die Forderung einer Flurhöhe von max. 450 mm (Merkmal M5.2) unter
zusätzlicher Berücksichtigung aller möglichen Relativbewegungen der Wel-
len/Fahrwerke, notwendige Freiräume für Wellenkomponenten und Toleranzen
und der Dicke des Bodens über die allein spezifizierte Größe der Räder hinaus
aufgestellt ist, weil der Gangboden insoweit mit ausreichendem Abstand gegen-
über den Radsatzwellen angeordnet sein muss.

Der zur Erzielung dieser Vorgabe notwendige Aufbau der angetriebenen und nicht
angetriebenen Fahrwerke ist über den vorgegebenen Raddurchmesserbereich
hinaus nicht näher definiert, vielmehr überlässt das Patent die Festlegung des
Durchmessers der Radsatzwellen, den Aufbau des Fahrwerks mit den notwendi-
gen Antriebskomponenten bzw. dessen strukturelle Verbindung mit dem Wagen-
kasten und die Ausbildung des Bodens im Bereich der Fahrwerke dem konstrukti-
- 19 -
ven Ermessen des Fachmanns, vgl. Absätze [0017] bis [0019]. Die Figuren 2 bis 6
zeigen zumindest entsprechend „kleinrädrig“ ausgeführte Fahrwerke mit den we-
sentlichen Komponenten und „mit entsprechender Antriebstechnik“ (vgl.
Abs. [0010]), denen das Patent die Erfüllung der Kriterien „Sicherstellung der
Antreibbarkeit“ – d. h. der Übertragung der Antriebskräfte auf die Schiene im
Adhäsionsbetrieb – und Sicherheit gegen Bauteilversagen (Auslegung auf „Achs-
last bis 10t“) und eine Nacharbeitbarkeit verschlissener Räder mit üblichen Vor-
richtungen („Überdrehbarkeit auf Unterflur-Drehbänken“) zuschreibt, vgl. Ab-
satz [0008].

Jedenfalls unterstellt das Patent bei Anwendung solch „kleinrädriger“ Radsatz-
Fahrwerke und einer Anordnung der „Rampen in der beschriebenen Weise“ die
Realisierbarkeit einer Höhe von 450 mm im Fußbodenbereich oberhalb der Fahr-
werke, 350 mm Fußbodenhöhe „in einem Ausmaß von 70% der Gesamtfläche“
und 290 mm an der Einstiegskante der Türöffnung, jeweils über der Schienen-
oberkante, vgl. Abs. [0010]. In Anbetracht der Aussagen in den Absätzen [0004]
(Einstiegshöhe unter 290 mm „zu nieder“), [0002] („70% Niederflur“) und [0001]
(„Einzelstufenhöhe von 350 mm an der Einstiegskante“) wird die Angabe zur ge-
forderten absoluten Höhe der Ebene im Bereich der Fahrwerke nach der Beziffe-
rung im Merkmal M5.2 durch eine insoweit gleichbedeutende relative Angabe
(„100 mm über der Standardfußbodenhöhe“) lediglich ergänzt. Dieses Verständnis
unterlegt der Fachmann den Konjunktionen „bzw.“ sowie „und“ in den vorliegend
zu betrachtenden Fassungen des Merkmals M5.2 im Kontext unterschiedslos.

Die Bezeichnung „kleinrädrig“ findet ihre Definition im Merkmal 3.1 selbst, wobei
der das Patent studierende Fachmann die Bereichsangabe auf den minimalen,
nach eventueller Nachbearbeitung einer verschlissenen Laufradfläche noch nutz-
baren Durchmesser bezieht, die Angabe zum maximalen Durchmesser dagegen
auf den unverschlissenen Neuzustand liest, u. a. aufgrund der Aussage im Ab-
satz [0008], wonach sich „bei Berücksichtigung des üblichen Verschleißmaßes
von 40 mm im Radius ein Durchmesser von 550 mm für das Neurad ergibt“. Denn
nur für ein Neurad mit einem Durchmesser 550 mm unterstellt das Patent die Er-
- 20 -
zielbarkeit einer Flurhöhe von 450 mm oberhalb der Fahrwerke (Abs. [0009]) und
mit weiteren Rampen geringer Neigung eine Fußbodenhöhe von 290 mm an der
Einstiegskante über der Schienenoberkante (Abs. [0010]). Im Merkmal M3.1 ist
zwar der hiervon abweichende Wert von 560 mm angegeben, im Absatz [0017] ist
dieser Wert jedoch eindeutig und übereinstimmend dem „neuwertigen“ Rad zuge-
ordnet. Genau diese unabhängig vom Verschleiß- bzw. Nachbearbeitungszustand
der Räder zu realisierende geringste (Einstiegs-) Höhe von 290 mm ist indes
maßgeblich für ein Schienenfahrzeug in „Niederflurbauart“ im Sinne des Merk-
mals M1 nach den Angaben im Absatz [0004], das trotz Rampen „zumindest
subjektiv als 100% niederflurig und eben gewertet wird“ (vgl. Absatz [0012]), was
mit (noch) größeren Neurädern – soweit hier der oberen Bereichsangabe nach
dem Vortrag der Beklagten ebenfalls die Bedeutung eines verschlissenen Rades
beigemessen werden würde – nicht erzielbar sein soll.

Soweit die Beklagte die Bereichsangabe allein auf den verschlissenen Zustand,
also den Mindestraddurchmesser bei maximaler Verschleißgrenze bezogen ver-
standen wissen will – demnach bei Berücksichtigung eines Verschleißmaßes von
40 mm im Radius Räder mit einem Durchmesser von max. 640 mm im Neuzu-
stand als „kleinrädrig“ i. S. des Merkmals M3.1 gelten sollen, weil diese kleiner als
„Normalräder“ mit einem Mindestraddurchmesser von 840 mm sind, widerspricht
diese Auffassung dem durch das Patent vermittelten Sinngehalt.

Erst die Angaben zur weiteren Ausgestaltung gemäß Anspruch 2 in der erteilten
Fassung weisen das „Schienenfahrzeug“ (Merkmal M1) als eines mit zwei be-
nachbarten Wagenkästen aus, die über ein Gelenkteil 25 verbunden sein sollen,
wobei dann die Türöffnung (M8.1) dem benachbarten Wagenkasten zugeordnet
ist. Diese Ausgestaltungen nach den Merkmalen M5 bis M8.1 betreffen insoweit
zwar Maßnahmen wie bei dem in den Figuren 7 und 8 gezeigten Ausführungsbei-
spiel, bei dem mindestens drei Wagenkästen miteinander gekuppelt sind und alle-
samt durch einen Mittelgang verbundene Türöffnungen mit demselben niedrigen
Einstiegsniveau aufweisen. Mithin betreffen diese Merkmale jedoch nur die An-
ordnung von Rampen und Ebenen für einen Teilabschnitt eines Schienenfahr-
- 21 -
zeugs zwischen einer dem Gelenkteil nächstgelegenen Türöffnung in einem Wa-
genkasten und dem sich in Längsrichtung am anderen Wagenkasten dem Ge-
lenkteil abgewandt angeordneten Fahrgestell. Die Anordnung möglicher weiterer
Fahrgestelle und Türöffnungen nach Anzahl und Lage in den sich anschließenden
Abschnitten der Wagenkästen einschließlich des mit dem Gelenkteil verbundenen
Wagenkastens bleibt unbestimmt.

Die explizit bzw. implizit vorgegebenen Höhen im Bereich der Fahrwerke bzw.
Einstiege (s. o.) und die angegebenen Gefälle (Merkmale M6.1 und M8.1) lassen
im Übrigen keine eindeutigen Folgerungen hinsichtlich der Abstände in Längs-
richtung zu, u. a. weil die Längserstreckung des Bodens oberhalb des Fahrwerks
nicht begrenzt ist.

Mithin erschöpft sich die Lehre nach dem Anspruch 1 ohne die Merkmale M4.1
und M4.2 in dem Vorschlag, den trotz „kleinrädriger“ Ausführung des Fahrwerks
noch bestehenden Höhenunterschied zwischen dem höher gelegenen Boden über
dem Fahrwerk und einem niedrig gelegenen Einstieg durch längsverlaufende
Rampen auszugleichen, mit dem hierbei allein aus der verringerten maximalen
Höhe im Gangbereich folgenden und der Fahrwerksausführung zuzuschreiben-
dem Erfolg einer „subjektiv als 100% niederflurig“ zu wertenden „Niederflurigkeit“,
vgl. Abs. [0006] i. V. m. Abs. [0012].

Die Merkmale des Anspruchs 2 sind auf einen Anwendungsfall hin konzipiert, bei
dem ein Höhenunterschied zwischen dem höher gelegenen Boden über einem
Fahrwerk und einem niedrig gelegenen Einstieg in einem weiteren Wagenkasten
eines mehrere Wagenkästen umfassenden Schienenfahrzeugs über ein Gelenkteil
hinweg im Bereich des Verbindungsgangs auszugleichen ist.

4a. Zum Anspruch 1 in der Fassung gemäß Hauptantrag, Hilfsantrag 2, 4 und 6
mit der jeweils ergänzten Merkmalsgruppe M1.1

- 22 -
Das Teilmerkmal M1.1a definiert das Schienenfahrzeug (Merkmal M1) dahinge-
hend näher, dass es in einer Zusammenstellung zumindest 3 Wagenkästen um-
fassen soll. Ein derartiges Schienenfahrzeug ist in den bereits in den ursprüngli-
chen Unterlagen – veröffentlicht in Gestalt der NK12 – enthaltenen Figuren 7 und
8 in einer Fahrzeugkonfiguration gezeigt, bei der allerdings ein Gelenkteil mit sei-
nem horizontalen Bodenteil entsprechend Merkmal M6.2 einen Durchgang zwi-
schen den Wagenkästen ermöglicht, wie beispielhaft zudem im Absatz [0022] des
Streitpatents – gleichlautend in der NK12 – beschrieben. Dieser Beschreibungsteil
bezieht sich von daher wie der erteilte – unstreitig ursprünglich offenbarte – An-
spruch 2 mit den dort gemeinsam angeführten Merkmalen lediglich auf ergän-
zende Maßnahmen zur Erzielung einer „zumindest subjektiv empfundenen“ (vgl.
a. a. O.) Niederflurigkeit in einem Teilabschnitt eines Schienenfahrzeugs zwischen
einem Fahrwerk in dem einen und einer Türöffnung in dem anderen Wagenkasten
unter Einbeziehung eines Gelenkteils zwischen zwei Wagenkästen – insoweit der
Zielsetzung gemäß Abs. [0006] des Streitpatents (dto. NK12) entsprechend, „eine
durchgehende Niederflurigkeit für alle gewünschten Fahrzeugkonfigurationen“ zu
erzielen.

Ausführungen zu einem „fahrwerklosen“ Wagenkasten laut dem Negativmerk-
mal M1.1b – dieses Wort ist in den ursprünglichen Beschreibungsunterlagen nicht
enthalten – oder zu Maßnahmen, die mit einem solchermaßen ausgeführten
Wagenkasten auch nur irgendwie in Zusammenhang stehen könnten, sind der
ursprünglichen Beschreibung nicht zu entnehmen. Auch kommt dem allein durch
das Merkmal M3.1 definierten Fahrwerk oder dem durch die Rampen einschließ-
lich eines Gelenkteils definierten Teilabschnitt (s. o.) bzw. den hierfür angegebe-
nen Merkmale keine andere oder besondere Bedeutung aufgrund der ergänzten
Merkmalsgruppe M1.1 zu.

Vielmehr vermittelt die ursprüngliche Anmeldung dem Fachmann eine universell
und unabhängig von der Verteilung der Fahrwerke auf einzelne Wagenkästen an-
wendbare Lehre ohne erkennbare Relevanz einer „fahrwerklosen“ Ausführung.
- 23 -
Eine Relevanz folgt insoweit auch nicht aus der Figur 8, obwohl der Fachmann
dieser Darstellung einer Fahrzeugkonfiguration, die links- und rechtsseitig des mit-
tigen Wagenkasten eine gespiegelte und ansonsten identische Anordnung von
längs- und querverlaufenden Rampen in einer Zusammenstellung mit Ebenen im
Bereich eines Fahrwerks, eines Gelenkteils und einer (mittigen) Tür entsprechend
den Merkmalen M5 bis einschließlich M8.1 der einen Teilabschnitt des Schienen-
fahrzeugs betreffenden Weiterbildung nach dem erteilten Anspruch 2 zeigt, das
Fehlen eines Fahrwerks am mittleren Wagenkasten unterstellt.

Jedoch bestimmt sich aus der in der Anmeldung allein beschriebenen möglichen
Ausbildung dieses Teilabschnitts, die für den sich anschließenden (weiteren) Wa-
genkasten einen Ausgleich des Höhenunterschieds zwischen dem Einstieg und
dem Gelenkteil durch Rampen vorschreibt, nicht zwangsläufig der Aufbau des
Wagenkastens im Anschluss daran.


III.

1. Zum Hauptantrag

Der Anspruch 1 gemäß Hauptantrag umfasst die Merkmale M1 bis M4.2 ein-
schließlich der Merkmalsgruppe M1.1.

Bereits das Teilmerkmal M1.1a ist in den ursprünglichen Anmeldungsunterlagen
– vorliegend veröffentlicht in Gestalt der NK12 – entgegen der Forderung des
Art. 83 EPÜ nicht ausreichend deutlich als zur Erfindung gehörend offenbart.

Da der Anspruch 1 gemäß Hauptantrag keinen Durchgang vorschreibt, hat das
Merkmal M1.1a keine Bedeutung für den durch die übrigen Merkmale definierten
Gegenstand des Anspruchs 1, der auf die vorliegend problematisierte Realisierung
einer Niederflurigkeit bei Wagenkästen konzipiert ist, bei denen die Fahrwerke
einen Niveauausgleich bereits in dem betroffenen Wagenkasten erfordern. Diese
- 24 -
Anordnung mag eine mögliche Ausgestaltung eines Schienenfahrzeugs in einer
nicht näher bestimmten Konfiguration mit einem zweiten Wagenkasten betreffen,
die jedoch weder für sich noch zusammen mit den weiteren Merkmalen den ange-
strebten Erfolg der Erzielung einer „subjektiv“ gewerteten Niederflurigkeit (vgl.
Seite 3, Zeile 8 in der NK12) im Höhenausgleichsbereich zwischen dem niedrigen
Einstieg und dem hohen Boden über den Fahrwerken in einem ersten Wagen-
kasten auch nur irgendwie fördert. Insoweit wird auch auf die vorstehenden Aus-
führungen im Abschnitt II.4a verwiesen. Mithin ermangelt es diesem Teilmerkmal
der deutlichen Offenbarung – aus den ursprünglichen Unterlagen war nicht er-
kennbar, dass der Anmelder für einen Gegenstand mit den Merkmalen des An-
spruchs 1 gemäß Hauptantrag Schutz begehrte.

Auch das Teilmerkmal M1.1b ist den ursprünglichen Unterlagen entgegen der
Forderung des Art 83 EPÜ nicht ausreichend deutlich als zur Erfindung gehörend
offenbart, da diesem ebenfalls keine Bedeutung für den Gegenstand nach An-
spruch 1 beizumessen ist, weil ein Wagen ohne Fahrwerk keinen Niveauausgleich
gegenüber dem Boden oberhalb eines Fahrwerks erforderlich macht.

Mithin geht der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag aufgrund der
ergänzten Merkmalsgruppe M1.1 über den Inhalt der ursprünglichen Anmeldung
hinaus und beruht somit auf einer unzulässigen Erweiterung. Allerdings bedingt
diese Merkmalsergänzung eine Beschränkung, weil das gemäß Merkmal M1 be-
anspruchte Schienenfahrzeug in Niederflurbauart nunmehr als ein solches defi-
niert ist, dass zwingend zumindest zwei mit Fahrwerken versehene Wagenkästen
mit einem Wagenkasten ohne Fahrwerk dazwischen aufweisen muss.

Im Fall der unzulässigen Beschränkung und Nichtverteidigung des Streitpatents in
seiner erteilten Fassung ist bisher die strittige Frage, ob bei der weiteren Prüfung
das Patent in seiner erteilten Fassung zugrunde zu legen ist (vgl. zum Meinungs-
stand: Busse, PatG, 8. Aufl., § 82, Rdn. 82ff, wobei diese Frage stets die Fälle
betraf, in denen das Streitpatent ausschließlich durch unzulässige Beschränkun-
gen enthaltende Haupt- und Hilfsanträge verteidigt wurde), vom Bundesgerichts-
- 25 -
hof noch nicht entschieden worden [im Urteil vom 16.12.2008, Az.: X ZR 47/04,
äußerte sich der BGH nur beiläufig („auf den… zurückzugreifen sein könnte…“)].

Ungeachtet der Frage der Zulässigkeit der Änderung der Patentansprüche des
Streitpatents gemäß Hauptantrag und der Frage der Rechtsfolge bei einer Vertei-
digung des Streitpatents mit unzulässig geänderten Patentansprüchen ist das
Streitpatent sowohl in der nach Hauptantrag verteidigten Fassung wie der erteilten
Fassung auch mangels Patentfähigkeit für nichtig zu erklären.

1a. Der Gegenstand nach dem Anspruch 1 gemäß Hauptantrag mag auch ohne
Berücksichtigung der gegenüber der erteilten Fassung ergänzten Merkmalsgruppe
M1.1 neu im Sinne des § 3 PatG bzw. Art. 54 EPÜ gegenüber dem Stand der
Technik nach den zu dessen Dokumentation vorgelegten Dokumenten sein. Ein
entsprechend diesem Teil des Merkmals M4 „Türöffnungen“ aufweisendes Schie-
nenfahrzeug in einer zusätzlich noch die Merkmale M1, M2, M2.1, M3 und M3.1
aufweisenden Ausführung beruht jedoch nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit im
Sinne des Art. 56 EPÜ.

In der Druckschrift NK5 sind für eine Straßenbahn konzeptionelle und konstruktive
Maßnahmen zur Erzielung eines „Niederflurfahrzeugs“ angegeben, jedenfalls wer-
den diese dort „als bedeutender Schritt in Richtung einer 100%-Niederflurlösung“
angesehen, vgl. Seite 36, linke Spalte, dritter Absatz von unten sowie Seite 46,
Abschnitt „Schlußbemerkung“ im Hinblick auf das für sich bereits aus der NK5
hervorgehende Merkmal M1.

So sind für dieses Schienenfahrzeug Fahrwerke mit durchgehenden Radsatzwel-
len vorgeschlagen und gezeigt (vgl. Seite 39, Abschnitt „Drehgestelle“ i. V. m.
Abb. 9 und „Einzelachs-Fahrwerk“ Abb. 10), die trotz der insoweit „klassischen
Lösung der Laufwerksausbildung“ (vgl. „Schlußbemerkung“ a. a. O.) bei einem
Raddurchmesser von 590mm im Neuzustand gegenüber 530 mm im abgenützten
Zustand (vgl. Seite 36, Abschnitt „Hauptdaten des Fahrzeugs“) eine Bodenhöhe
im Bereich der angetriebenen Fahrwerke von 525 mm ermöglichen, vgl. Seite 37,
- 26 -
mittlere Spalte, zweiter Absatz). Mithin sind diese Fahrwerke jedenfalls entspre-
chend Merkmal M3 ausgebildet.

Aufgrund der Darstellung in Abb. 6, die deutlich die der Beschreibung entnehm-
bare Anordnung der Triebdrehgestelle gegenüber dem zugeordneten Einstiegsbe-
reich in den Wagenkästen am Kopf bzw. Ende des aus mehreren Wagenkästen
bestehenden Schienenfahrzeugs zeigt, und der zugehörigen Aussage Seite 37,
mittlere Spalte oben, demnach die Fußbodenhöhe „über eine kaum merkbare An-
rampung“ vom Einstieg bis zum Bereich der Fahrgestelle ansteigt, schließt der
Fachmann unmittelbar, dass zur Realisierung eines „Niederflurkonzepts“ wie
a. a. O. angesprochen auch dort das Niveau ausgehend von den Türöffnungen
(Teil des Merkmals M4) ausgleichende und in Längsrichtung verlaufende Rampen
entsprechend den Merkmalen M2 und M2.1 vorgesehen sind und die der Fach-
mann aufgrund dieses Hinweises auch der ausreichend deutlichen Abb. 6 ent-
nimmt.

Der Definition des Streitpatents folgend wird der Fachmann Räder mit dem in NK5
angegebenen Durchmesser aufgrund der teilweisen Überschneidung mit dem im
Merkmal M3.1 angegebenen Bereich bereits als „kleinrädrig“ gegenüber „Normal-
rädern“ ansehen, die nach den Aussagen in der NK5 keine Laufwerksprobleme
bedingen („Laufwerksproblematik“, vgl. Seite 36, linke Spalte, dritter Absatz von
unten), während laut der die technischen Daten eines ähnlichen Schienenfahr-
zeugs ausweisenden Druckschrift NK10 Laufräder mit einem deutlich kleineren
Durchmesser von 410 mm im Neuzustand als „kleinrädrig“ gegenüber Triebrädern
mit einem Durchmesser von 590 mm angesprochen sind, vgl. Seite 42, rechte
Spalte, Zeile 9 i. V. m. der Tabelle „Technische Daten“ Seite 44.

Der in NK5 aufgezeigten Entwicklung in Richtung auf eine 100% Niederflurlösung
(vgl. Seite 46, „Schlußbemerkung“) folgend, war der Fachmann bestrebt, die dort
bereits mit kleinen Rädern erzielte geringe mittlere Fußbodenhöhe weiter zu ver-
ringern.
- 27 -
Tatsächlich stand dem Fachmann ein weiter Durchmesserbereich mit größeren
oder noch kleineren Rädern zur Anwendung innerhalb der technischen
Anwendungsgrenzen wie der zulässigen Beanspruchung zur Verfügung,
insbesondere bestand auch kein Vorurteil gegen die Verwendung „kleinrädriger“
Fahrwerke, weil diese gemäß dem UIC-Merkblatt („Union internationale des
chemins de fer“, UIC-Kodex zu zugelassenen Fahrzeugkomponenten) NK8 selbst
mit noch kleinerem Durchmesser als durch Merkmal M3.1 nach unten beschränkt
als praktisch tauglich für einen allgemeinen Gebrauch für Schienenfahrzeuge
– somit auch für Antriebszwecke i. V. m. angetriebenen Fahrwerken – herausge-
stellt sind, vgl. Abschnitt 1.1 i. V. m. der Tabelle Seite 7, je nach Achslast (vgl.
Tabelle Seite 12).

Mit der unmittelbaren Erkenntnis aufgrund des Hinweises zu „kleinrädrigen“ Fahr-
werken im Stand der Technik, dass bei gleichen Fahrwerken die realisierbare
Bodenhöhe über den Radsatzwellen primär vom Raddurchmesser abhängt, hatte
der Fachmann ausreichende Erfolgserwartung, mit einem noch kleineren maxima-
len Durchmesser – vorliegend 15 mm im Radius bezogen auf die maßgebliche
obere Bereichsgrenze beim Vergleich des Merkmals M3.1 mit der Bezifferung in
NK5 – im Ergebnis auch eine geringere Bodenhöhe zu erzielen.

Die Beschreitung dieses sich aufdrängenden Weges lag auch deshalb nahe, weil
technische Grenzen wie die offensichtlich aus der notwendigen Anordnung der
Antriebseinheiten folgenden Einschränkungen, die den Fachmann an angetriebe-
nen Fahrwerken größere Räder anwenden lassen, während dieser bei reinen
Laufradfahrgestellen kleinere Räder vorsehen kann, vgl. hierzu NK10 a. a. O., mit
dem Aufkommen von Fahrgestellkonzeptionen, wie sie aus der Druckschrift NK6
hervorgehen, zum Anmeldezeitpunkt nicht mehr bestanden.

So ist in dem Patentdokument NK6 der insgesamt niedrige Aufbau von angetrie-
benen Fahrwerken mit durchgehenden Radsatzwellen vor dem ausdrücklich ge-
nannten Hintergrund beschrieben, dass es bei – mehrgliedrigen – Schienenfahr-
zeugen wünschenswert ist, „die Einstiege nur geringfügig über dem Straßenniveau
- 28 -
zu haben und das ganze Fahrzeug ohne Stufen durchschreiten zu können“, vgl.
die Zusammenfassung Feldnummer 54 i. V. m. Anspruch 1 und Spalte 3, Zei-
len 32 bis 36. Der eine niedrige Ganghöhe oberhalb der Fahrwerke zur Erzielung
einer Niederflurigkeit anstrebende Fachmann war somit auch veranlasst, kleine
Räder in Kombination mit deren Einsatz ermöglichenden Triebfahrgestellen anzu-
wenden, denn der gewünschte Erfolg resultiert vorhersehbar aus der Addition der
für sich bekannten Wirkung von kleinen Rädern und niedrige Ganghöhen ermög-
lichenden Fahrwerken.

Mithin konnte der Fachmann die Konzeption eines Schienenfahrzeugs mit den
Merkmalen des Anspruchs 1 ohne erfinderische Tätigkeit vorschlagen, somit ist
der Gegenstand des Patents im Umfang des erteilten Anspruchs 1 nicht patent-
fähig.

1b. Auch wenn die zusätzliche Merkmalsgruppe M1.1 bei der Beantwortung der
Frage der Patentfähigkeit des Gegenstands des Streitpatents in seiner Fassung
nach Hauptantrag herangezogen werden würde, führt dies zu keinem anderen
Ergebnis.

Während die sich für eine Anwendung kleinrädriger Fahrwerke entsprechend
Merkmal M3.1 aufdrängende NK6 deren Aufbau im Hinblick auf eine ohne weite-
res übertragbare Fahrzeugkonfiguration hin beschreibt, bei der „jeder Wagenkas-
ten 1 durch ein Triebdrehgestell 3 getragen wird, welches mittig unter dem Wa-
genkasten 1 angeordnet ist“, bietet die Druckschrift NK14 betreffend den modula-
ren Aufbau einer „Niederflurstraßenbahn“ ein Vorbild für ein – vergleichbar mit der
Bereichsangabe des Merkmals M3.1 – ähnlich der NK5 mit „kleinrädrig“ ausge-
führten, angetriebenen Fahrgestellen mit einem maximalen Raddurchmesser von
600 mm im Neuzustand, die bei einer Anordnung jeweils unter dem Wagenkasten
der „Kopfmodule“ zwischengekoppelte „Mittelmodule“ ohne Fahrwerk mittragen,
vgl. hierzu die Überschrift Seite 387 i. V. m. Bild 6, Seite 392 und den technischen
Daten Seite 393. Mag die NK14 auch die vorteilhafte Anwendung von Triebfahr-
werken ohne durchgehende Radsatzwellen in solcherart tatsächlich realisierten
- 29 -
Straßenbahnen mit extrem geringer Fußbodenhöhe über der Schienenoberkante
im Bereich der Fahrwerke herausstellen, vgl. hierzu die Bilder 11 bis 13 Seite 395
i. V. m. den technischen Daten Seite 393, ist die modulare Zusammenstellung
eines Schienenfahrzeug mit einem fahrwerklosen Wagenkasten zwischen zwei
notwendigerweise mit Fahrgestellen versehenen Wagenkästen hiervon unabhän-
gig. Nach dem Vorbild dieses Dokuments wird der Fachmann im praktischen
Bedarfsfall diese „gewünschte“ (vgl. Abs. 0006 in der Streitpatentschrift) und ihm
mit der NK14 präsente Fahrzeugkonfiguration unter Abwägung der ihm bekannten
Vor- und Nachteile auch für eine Ausrüstung mit Fahrwerken entsprechend dem
Merkmal M3 in einfacher konstruktiver Abwandlung im Hinblick auf das Merkmal
M3.1 hin (s. o.) vorschlagen, hierbei in Kauf nehmend, dass anders als bei Trieb-
fahrgestellen ohne durchgehende Radsatzwellen nur eine „subjektiv empfundene“
Niederflurigkeit (vgl. Streitpatent a. a. O.) über Rampen nach dem Vorbild der NK5
erzielbar ist.

Da sich der Gegenstand dieses Anspruchs 1 somit in keinem Fall als patentfähig
erweist, bedurfte es letztlich keines Eingehens auf die hinsichtlich der geltenden
Anspruchsfassung noch aufgebrachte Frage ausreichender Offenbarung für eine
Ausführung der beanspruchten Lehre durch den Fachmann im Sinne des Art. 2
§ 6 Abs. 1 Nr. 2 IntPatÜG.

2. Zum Hilfsantrag 1

Der Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 1 umfasst die Merkmale M1 bis M4.2 ohne die
Merkmalsgruppe M1.1, zudem noch die Merkmale M5, M6 und M6.2.

Die in der NK5 Seite 37, mittlere Spalte oben angesprochene „Anrampung“ betrifft
ausweislich der insoweit ausreichend deutlichen Abb. 6 Seite 36 eine zu einer
Ebene oberhalb des angetriebenen Fahrwerks reichende Rampe entsprechend
den Merkmalen M5 und M6, wobei der Fachmann insoweit eine quer verlaufenden
Übergang (zwischen zwei ebenen, abknickenden Flächen) beiläufig unterstellt.
Aufgrund der dort gezeigten Fahrzeugkonfiguration mit ausreichend langen Wa-
- 30 -
genkästen enden die Rampen jeweils vor den Ebenen im Bereich der Einstiege
desselben Wagenkastens. Ähnliches einschließlich eines horizontalen Bodens im
Bereich des Gelenkteils zeigt die NK9 noch deutlicher in der Seitenansicht unten
auf der dritten Seite des Anlagenkonvoluts, die ebenfalls Rampen zum Ausgleich
des Höhenunterschieds zwischen der höchsten Ebene oberhalb des Fahrwerks
und dem jeweils über einen Gang erreichbaren, zugehörigen Einstiegsbereich bei
einer Fahrzeugkonfiguration mit Gelenkteilen außerhalb des Bereichs zwischen
dem angetriebenen Fahrwerk und dem zugehörigen Einstieg vorsieht.

Der Fachmann wird diese ohne Stufen auskommende Konzeption in Erfolgser-
wartung auch umzusetzen suchen bei Zusammenstellungen von Wagenkästen mit
einem zwischen dem Fahrgestell in dem einen und dem zugehörigen Einstieg in
dem angrenzenden Wagenkasten liegenden, zwangsläufig einen horizontalen
Boden ausbildenden Gelenkteil.

Ein Vorbild für eine entsprechende Fahrzeugkonfiguration bietet die Druckschrift
NK14 mit den dort in den Bildern 6 und 7 dargestellten Kombinationen von Wä-
gen, bei denen der Fachmann Böden aufweisende Gelenkteile unterstellt wie bei
der ähnlichen Fahrzeugkonfiguration gemäß der Darstellung einer dahingehend
ähnlichen Fahrzeugkonfiguration Seite 44 in der Druckschrift NK10, in der eben-
falls der Aufbau eines „Niederflur-Straßenbahnwagens“ beschrieben ist, für den
sich die – naheliegende, s. o. – Anwendung kleinrädriger Triebfahrgestelle mit
durchgehenden Radsatzwellen anbietet. Für den in diesem Fall notwendigen
Höhenausgleich durch die naheliegende Anwendung einer Rampe kann sich diese
maximal bis zum Boden des (horizontalen) Gelenkteils erstrecken; je nach Kon-
zeption des Schienenfahrzeugs hinsichtlich der – im Anspruch hier nicht spezifi-
zierten – Abstände zwischen den Fahrwerken und den benachbarten Einstiegen
bzw. den Gelenkteilen wird der Fachmann den zur Überbrückung zur Verfügung
stehenden Raum im Rahmen einer einfachen konstruktiven Anpassung an den
praktischen Bedarfsfall auch ausnutzen und eine Erstreckung der bis zum Boden
des (horizontalen) Gelenkteils entsprechend Merkmal M6.2 vorgeben.
- 31 -
Mithin bedurfte es keines erfinderischen Zutuns, um bei einer Fahrzeug-
konfiguration wie aus NK14 bekannt, Rampen entsprechend den Merkmalen M5,
M6 und M6.2 nach dem Vorbild der NK5 vorzusehen. Somit kann das Patent im
Umfang des Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 1 keinen Rechtsbestand haben, weil
sein Gegenstand nicht patentfähig ist.

3. Zum Hilfsantrag 2

Der Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 2 umfasst die Merkmale M1 bis M4.2 ein-
schließlich der Merkmalsgruppe M1.1, zudem noch die Merkmale M5, M6 und
M6.2 wie der Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 1.

Insoweit gelten die vorstehenden Ausführungen zum Hilfsantrag 1 hinsichtlich
einer Kombination der Merkmale M1 bis M4.2 und der Merkmale M5. M6 und M6.2
gleichermaßen, ebenso die obigen Ausführungen zum Anspruch 1 gemäß Haupt-
antrag hinsichtlich der fehlenden Relevanz der Merkmalsgruppe M1.1 für eine
Patentfähigkeit selbst bei deren etwaiger Berücksichtigung sinngemäß, weil die
Merkmalsgruppe M1.1 entgegen der Forderung des Art. 83 EPÜ ursprünglich nicht
ausreichend deutlich als zur Erfindung gehörend offenbart ist.

Wenngleich das vorliegend gegenüber dem Anspruch 1 nach Hauptantrag er-
gänzte Merkmal M6.2 einen Durchgang zwischen den Wagenkästen impliziert, der
insoweit am Höhenausgleich zwischen dem höchstgelegenen Boden über dem
Fahrwerk in dem einen Wagenkasten und dem Niederflurniveau im fahrwerklosen
Wagenkasten Anteil hat, dient jedenfalls das Teilmerkmal M1.1b auch in dieser
Kombination nicht der Erzielung des Erfolgs einer „durchgehenden Niederflurig-
keit“ trotz Anwendung konventioneller Radsatzwellen, der schon in der ursprüngli-
chen Anmeldung benannt worden ist – die vorgeblich dieser Merkmalskombination
gemeinsam zur Erzielung des Erfolgs eingesetzten Mittel stimmen nicht überein.
Für diese Sicht spricht auch, dass in der Anmeldung die Ausbildung eines Teilab-
schnitts unabhängig von der allein der Figur 8 zu entnehmenden symmetrischen
Ausbildung des mittigen Wagens beschrieben ist und zur Anwendung „für alle ge-
- 32 -
wünschten Fahrzeugkonfigurationen“ vorgeschlagen ist (vgl. Abs. 0006), insoweit
unabhängig von einer bestimmten Fahrzeugkonfiguration, vgl. obige Ausführun-
gen im Abschnitt II.4a.

Die Merkmalsgruppe M1.1 betrifft somit insgesamt kein Mittel, dass mit seinen
Wirkungen mit einem in den ursprünglichen Unterlagen als zur Erfindung gehö-
rend offenbarten Mitteln vergleichbar ist. Insbesondere stellt sich diese Merkmals-
gruppe auch bei einem mehrere Wagenkästen aufweisenden Schienenfahrzeug
nicht als eine Konkretisierung eines bereits ursprünglich als zur Erfindung gehö-
rend offenbarten Mittels dar.

Mithin kann das Patent auch im Umfang des Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 2
jedenfalls mangels einer dessen Gegenstand zugrunde liegenden erfinderischen
Tätigkeit nicht rechtsbeständig sein.

4. Zum Hilfsantrag 3

Der Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 3 umfasst die Merkmale M1 bis M4.2 ohne die
Merkmalsgruppe M1.1, zudem noch die Merkmale M5, M5.2, M6 und M6.2.

Im Hinblick auf die gleichermaßen in Kombination beanspruchten Merkmale wird
zur Vermeidung von Wiederholungen auf vorstehende Ausführungen zum Hilfsan-
trag 1 verwiesen.

Das demgegenüber ergänzte Merkmal M5.2 schreibt eine gegenüber der in der
NK5 mit Rädern ähnlichen Durchmessers (max. 590 mm im Neuzustand, vgl.
a. a. O., gegenüber max. 560 mm gemäß Merkmal M3.1) um 75 mm geringere,
dort mit 525 mm bezifferte Höhe des Bodens im Bereich der Fahrwerke vor. Von
dieser Differenz sind insoweit 15 mm durch den Unterschied im Radius der Räder
bedingt. Wie im Abschnitt I zur Auslegung der Merkmale ausgeführt, schweigt sich
das Patent über konstruktive Maßnahmen im Bereich des Fahrwerks und des
Bodens oberhalb der Radsatzwellen mit vorliegend unbestimmtem Durchmesser
- 33 -
im Einzelnen aus, mit denen eine weitere Absenkung um 60 mm erzielbar sein
soll, um der mit dem Merkmal M5.2 aufgestellten Forderung zu genügen.

Mit dem Fachwissen, das das Patent zur technischen Ausführung selbst voraus-
setzt und das vorliegend durch die Druckschrift NK6 (vgl. a. a. O.) dokumentiert
ist, liegt eine entsprechende konstruktive Ausführung zur Erzielung einer weiteren
Absenkung um dieses Maß – jedenfalls auf Basis eines Schienenfahrzeugs nach
Art der NK5 mangels näherer Definition im Anspruch 1 – im fachmännischen Kön-
nen, wenn der Fachmann ein Fahrwerk nach den Vorschlägen der NK6 mit außen
liegenden Antriebseinheiten und offensichtlich ohne mittige Bremse ähnlich den in
den Figuren des Streitpatents gezeigten Ausführungen wie vorliegend nahegelegt
anwendet. In der NK5 in Abbildung 9 Seite 39 sind dagegen noch Fahrwerke mit
im Gangbereich mittig angeordneten Antriebsmotor/Getriebeeinheiten und Brem-
sen an den Radsatzwellen gezeigt. Ohne den durch die radiale Erstreckung
bedingten senkrechten Überstand über den Umfang der Radsatzwellen hinaus
und somit durch vorgezeichnete konstruktive Maßnahmen ist die implizit bezifferte
Absenkung ohne weiteres erzielbar.

Somit kann das Patent im Umfang des Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 3 keinen
Rechtsbestand haben, weil ein Schienenfahrzeug mit den umfassten Merkmalen
nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht.

5. Zum Hilfsantrag 4

Der Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 4 umfasst die Merkmale M1 bis M4.2 ein-
schließlich der Merkmalsgruppe M1.1, zudem noch die Merkmale M5, M5.2, M6
und M6.2 wie der Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 3.

Im Hinblick auf die gleichermaßen in Kombination beanspruchten Merkmale wird
zur Vermeidung von Wiederholungen auf vorstehende Ausführungen zu den Hilfs-
anträgen 2 und 3 verwiesen.
- 34 -
Das ergänzte Merkmal M5.2 bedingt keine andere Betrachtung der entgegen der
Forderung des Art. 83 EPÜ ursprünglich nicht ausreichend deutlich als zur Erfin-
dung gehörend offenbarten Merkmalsgruppe M1.1 als beim Anspruch 1 gemäß
Hilfsantrag 2.

Mithin kann das Patent auch im Umfang des Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 2
jedenfalls mangels einer dessen Gegenstand zugrunde liegenden erfinderischen
Tätigkeit nicht rechtsbeständig sein.

6. Zum Hilfsantrag 5

Der Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 5 umfasst die Merkmale M1 bis M4.2 ohne die
Merkmalsgruppe M1.1, zudem noch die Merkmale M5, M5.2, M6, M6.2 und noch
M7 mit M8.

Im Hinblick auf die gleichermaßen in Kombination beanspruchten Merkmale wird
zur Vermeidung von Wiederholungen auf vorstehende Ausführungen zum Hilfsan-
trag 3 verwiesen.

Bei einer Fahrzeugkonfiguration, bei der der Fachmann den Teilbereich zwischen
der höchstgelegenen Ebene oberhalb des Fahrwerks in dem einen Wagenkasten
über ein Gelenkteil hinweg zum niedrig gelegenen Einstiegsbereich in dem ande-
ren Wagenteil bereits in naheliegender Weise durch eine Zusammenstellung von
Rampen und Ebenen unter Vermeidung von Stufen in Abhängigkeit von den
Erfordernissen des konkreten Anwendungsfalls wie der hierfür zur Verfügung ste-
henden Länge und der möglichen Neigung auszugleichen versucht – insoweit wird
auf vorstehende Ausführungen zu den Merkmalen M5, M6 und M6.2 beim Gegen-
stand nach Hilfsantrag 1 verwiesen –, wird er den Bodenteil im Bereich des Ge-
lenks zwangsläufig allseitig horizontal ausrichten und um den Drehpunkt herum
auch kreisförmig gestalten, weil nur so in einer Zusammenstellung mit einer
kreisförmigen Berandung eine Verschwenkung und ein stufenfreier Übergang in
jeder Schwenkstellung aus Gründen der Geometrie erzielbar ist. Nichts anderes
- 35 -
unterstellt der Fachmann beiläufig der deutlich dargestellten kreisförmigen Beran-
dung im Bereich der Gelenkteile laut der den Grundriss eines entsprechenden
Schienenfahrzeugs zeigenden Abbildungen in der NK9 (dritte Seite des Konvoluts)
oder in der NK10, vgl. Seite 44, und nichts anderes wird der Fachmann bei einer
Fahrzeugkombination wie aus NK14 bekannt unmittelbar in Erwägung ziehen, die
ebenfalls ein Gelenkteil erforderlich macht. Soweit bei einem einseitigen Ausgleich
eine Rampe nur in einem der beiden verbundenen Wagenteile für einen Höhen-
ausgleich noch nicht ausreicht, wird der Fachmann analog und mit Erfolgserwar-
tung noch eine weitere, in Längsrichtung verlaufende Rampe vorsehen, und diese
insbesondere bei einem nur kleinen in Längsrichtung zur Verfügung stehenden
Abstand die kreisförmige Berandung des Gelenkteils auch „tangieren“ lassen.

Mithin wird der Fachmann, auch den ergänzten Merkmalen M7 und M8 folgend,
eine Zusammenstellung von Rampen und Ebenen einschließlich eines kreisförmig
berandeten Bodenteils aufgrund einfacher konstruktiver Erwägungen zur Über-
brückung eines den Gelenkteil einschließenden Teilbereichs zwischen zwei Wa-
genkästen vorsehen.

Somit kann das Patent im Umfang des Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 5 keinen
Rechtsbestand haben, weil ein Schienenfahrzeug mit den umfassten Merkmalen
nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht.

7. Zum Hilfsantrag 6

Der Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 6 umfasst die Merkmale M1 bis M4.2 ein-
schließlich der Merkmalsgruppe M1.1, zudem noch die Merkmale M5, M5.2, M6,
M6.2 und noch M7 mit M8 wie der Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 5.

Im Hinblick auf die gleichermaßen in Kombination beanspruchten Merkmale wird
zur Vermeidung von Wiederholungen auf vorstehende Ausführungen zu den Hilfs-
anträgen 4 und 5 verwiesen.

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Die ergänzten Merkmale M7 und M8 bedingen keine andere Betrachtung der ent-
gegen der Forderung des Art 83 EPÜ ursprünglich nicht ausreichend deutlich als
zur Erfindung gehörend offenbarten Merkmalsgruppe M1.1.

Mithin kann das Patent auch im Umfang des Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 6
jedenfalls mangels einer dessen Gegenstand zugrunde liegenden erfinderischen
Tätigkeit nicht rechtsbeständig sein.

8. Zum Hilfsantrag 7

Der Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 7 umfasst die Merkmale M1 bis M3.1 ohne die
Merkmalsgruppe M1.1, zudem noch die Merkmale M5, M5.2, M6, M6.2 einschließ-
lich M6.1 und noch die Merkmale M7 mit M8 wie der Anspruch 1 gemäß Hilfsan-
trag 5, ergänzend darüber hinaus die Merkmale M8.1, M8.2 und M8.3, nicht
jedoch die Merkmale M4 bis M4.2.

Die durch die entfallene Merkmalsgruppe M4 definierte quer zur Fahrzeuglängs-
richtung verlaufende Rampe 20 ist durch den Wortlaut des Merkmals M8.3 impli-
ziert.

Mit den ergänzten Merkmalen M6.1 und M8.1 wird für die beidseitig des Gelenk-
teils angeordneten, in Längsrichtung verlaufenden Rampen eine bestimmte Nei-
gung vorgegeben.

Im Hinblick auf die gleichermaßen in Kombination beanspruchten Merkmale wird
zur Vermeidung von Wiederholungen auf vorstehende Ausführungen zum Hilfsan-
trag 5 verwiesen.

Wie eingangs im Abschnitt II.4 zur Auslegung begründet, definieren die dem
erteilten Anspruch 2 entnommenen Merkmale M5, M5.2, M6, M6.1, M6.2, M7, M8
mit den weiteren Gruppenmerkmalen M8.1 bis M8.3 einen aus Rampen und Ebe-
nen einschließlich des Bodens eines Gelenkteils bestehenden Teilbereich eines
- 37 -
Schienenfahrzeugs zwischen der gewollt niedrigen Einstiegskante in einem Wa-
genkasten und dem zwangsläufig höchsten Gangbereich oberhalb des Fahrwerks
im anderen Wagenkasten.

Lt. der Beschreibung der NK9 sollen die Türeinstiege auf 300 mm über der Schie-
nenoberkante „abgeschrägt“ sein, vgl. die mittlere Spalte des Textes auf der drit-
ten Seite des Konvoluts. Weil für dieses Schienenfahrzeug eine Fußbodenhöhe
von 560 mm über dem Triebfahrgestell und eine mittlere Niederflurhöhe von 350
mm beziffert ist (vgl. Tabelle auf der vierten Seite des Konvoluts), schließt der
Fachmann aufgrund der dort in der Seitenansicht deutlich dargestellten, in Längs-
richtung verlaufenden Rampen auf quer verlaufende Rampen im Einstiegsbereich,
die den Boden in diesem Bereich „abschrägen“.

Mithin stand dem Fachmann auch die konstruktive Maßnahme der Anordnung
einer quer verlaufenden, von der Einstiegskante ausgehenden Rampe entspre-
chend der Implikation des Merkmals M8.3 zum stufenlosen Ausgleich von Höhen-
unterschieden zur Verfügung, die er bei Bedarf mit längsverlaufenden Rampen
auch in Kombination mit ebenen Böden von Gelenkteilen gemeinsam anwenden
wird.

Aus der Gegenüberstellung der Seitenansicht und des Grundrisses in der NK9
schließt der Fachmann auch aufgrund der deutlichen Darstellung unmittelbar eine
über die gesamte Einstiegsbreite reichende Querrampe im Bereich der Einstiege.
Insoweit wird der Fachmann bei Bedarf je nach Breite des Wagenkastens und
vorgegebener Gangbreite auch für die längs verlaufende, das Bodenteil mit der
kreisförmigen Berandung tangierende Rampe eine bevorzugt über die Breite des
Wagenkastens reichende Erstreckung entsprechend Merkmal M8.2 vorschreiben.

Wenngleich aus der Aussage in der NK5 Seite 37 mittlere Spalte oben zu einem
Höhenausgleich von 85 mm (525 mm – 440 mm) über eine „kaum merkbare
Anrampung“ nur qualitativ ist, wird der nach hergebrachten Regeln des Ingenieur-
wesens handelnde Fachmann diesen Hinweis – aufgrund der üblichen Vorschrif-
- 38 -
ten für die Auslegung der Steigung von Rampen wie mit dem Dokument NK11 im
Verfahren dokumentiert – den Grenzwert von 6% entsprechend Merkmal M8.1
zwangsläufig beachten, vgl. Abschnitt 7.4 / Seite 34 in NK11.

Mithin bedurfte es keines erfinderischen Zutuns, um bei einer vom Fachmann will-
kürlich, d. h. gemäß Kundenwunsch („gewünschte“, vgl. Abs. [0006] im Streitpa-
tent) ausgewählten Fahrzeugkonfiguration nach dem Vorbild der NK14 zum Aus-
gleich einer primär durch ein Fahrwerk mit durchgehenden Radsatzwellen – trotz
kleinrädriger Ausführung – bedingten Höhendifferenz über ein Gelenkteil hinweg
bis zur zugeordneten Türöffnung nicht nur längsverlaufende Rampen, sondern
auch quer verlaufende Rampen in Kombination zur Einhaltung eines bestimmten
Gefälles und somit zur Erzielung einer „subjektiv empfundenen“ Niederflurigkeit
ausgehend von einer bestimmten Einstiegshöhe aus anzuwenden, wenn die zum
Ausgleich zur Verfügung stehende Längserstreckung allein ansonsten hierfür nicht
ausreicht.

9. Mit den vorliegenden Anträgen bestand keine Veranlassung zu Ausführun-
gen über der Gegenstände der abhängigen Ansprüche, zumal der Beklagtenver-
treter mit der Antragstellung von einer weiteren isolierten Verteidigung einzelner
Patentansprüche auf den insoweit nachrangigen Hilfsantrag 7 abgesehen hat.

Nach alldem ist die Klage begründet.


IV.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 Abs. 2 PatG i. V. m. § 91 Abs. 1 ZPO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 99 Abs. 1 PatG
i. V. m. § 709 Satz 1 und 2 ZPO.

- 39 -
V.

Rechtsmittelbelehrung

Gegen dieses Urteil ist das Rechtsmittel der Berufung gegeben.

Die Berufung ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des in vollständiger Form
abgefassten Urteils, spätestens nach Ablauf von fünf Monaten nach Verkündung,
durch einen beim Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt oder
Patentanwalt als Bevollmächtigen schriftlich oder in elektronischer Form beim
Bundesgerichtshof, Herrenstr. 45 a, 76133 Karlsruhe, einzulegen.


Schmidt Sandkämper Dr. Baumgart Grote-Bittner Dr. Geier

Ko



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