19 W (pat) 8/17  - 19. Senat (Techn.Beschw.)
Karar Dilini Çevir:

BPatG 154
05.11

BUNDESPATENTGERICHT



19 W (pat) 8/17
_______________
(Aktenzeichen)



Verkündet am
9. August 2017





B E S C H L U S S

In der Beschwerdesache



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betreffend das Patent 10 2005 028 057

hat der 19. Senat (Technischer Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf
die mündliche Verhandlung vom 9. August 2017 unter Mitwirkung des
Vorsitzenden Richters Dipl.-Ing. Kleinschmidt, der Richterin Kirschneck sowie der
Richter Dipl.-Ing. J. Müller und Dr.-Ing. Kapels

beschlossen:

1. Auf die Beschwerden der Einsprechenden I und II wird der Be-
schluss der Patentabteilung 1.23 des Deutschen Patent- und
Markenamts vom 2. August 2012 aufgehoben und das Patent
10 2005 028 057 widerrufen.

2. Die Anschlussbeschwerde der Patentinhaberin wird zurückge-
wiesen.

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G r ü n d e

I.

Auf die am 16. Juni 2005 beim Deutschen Patent- und Markenamt eingegangene
Patentanmeldung ist die Erteilung des nachgesuchten Patents mit der Nummer
10 2005 028 057 am 2. April 2009 veröffentlicht worden. Es trägt die Bezeichnung

„Antrieb zum Betätigen eines beweglichen Flügels, insbesondere einer Tür“.

Gegen das Patent hat die Einsprechende I am 24. Juni 2009 beim Deutschen
Patent- und Markenamt Einspruch erhoben, mit der Begründung, der Gegenstand
des angegriffenen Patents beruhe nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.

Außerdem hat die Einsprechende II gegen das Patent am 2. Juli 2009 beim Deut-
schen Patent- und Markenamt Einspruch erhoben, mit der Begründung, der Ge-
genstand des angegriffenen Patents sei nicht patentfähig. Außerdem sei der Ge-
genstand des Patents gegenüber den ursprünglich eingereichten Unterlagen in
unzulässiger Weise erweitert und zudem nicht so deutlich und vollständig offen-
bart, dass ein Fachmann diesen ausführen könne.

Die Einsprechenden haben ihren Vortrag bezüglich der fehlenden Patentfähigkeit
unter anderem auf folgende Unterlagen gestützt:

D1/E1 DE 10 2004 013 601 A1
D4/E2 DE 29 23 025 A1

Durch einen am Ende einer Anhörung vor der Patentabteilung 1.23 des Deutschen
Patent- und Markenamtes am 2. August 2012 verkündeten Beschluss ist das Pa-
tent beschränkt aufrechterhalten worden.

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Gegen diesen Beschluss hat die Einsprechende I mit Schreiben vom 30. Okto-
ber 2012 und die Einsprechende II mit Schreiben vom 13. November 2012
Beschwerde eingelegt.

Sie beantragen übereinstimmend,

den Beschluss der Patentabteilung 1.23 des Deutschen Patent-
und Markenamts vom 2. August 2012 aufzuheben und das Patent
10 2005 028 057 in vollem Umfang zu widerrufen.

Die Patentinhaberin hat mit Schreiben vom 13. Juli 2017 Anschlussbeschwerde
eingelegt.

Sie beantragt,

im Wege der Anschlussbeschwerde den Beschluss der Patentab-
teilung 1.23 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 2. Au-
gust 2012 aufzuheben und das Patent 10 2005 028 057 mit
folgenden Unterlagen beschränkt aufrecht zu erhalten:

Patentanspruch 1 gemäß Hauptantrag, überreicht in der mündli-
chen Verhandlung am 9. August 2017,
Beschreibung und
Figuren 1 bis 12 gemäß Patentschrift,

sowie die weitergehenden Beschwerden der Einsprechenden
zurückzuweisen.

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Der geltende Patentanspruch 1 vom 9. August 2017 lautet:

Antrieb zum Betätigen eines beweglichen Flügels, insbesondere
einer Tür,
mit einem Elektromotor, dessen Abtriebsglied über eine Kraftüber-
tragungseinrichtung mit dem Flügel in Wirkverbindung steht, so
dass eine Bewegung des Abtriebsglieds eine Bewegung des Flü-
gels bewirkt, sowie
mit einer Bremseinrichtung, durch welche die Bewegung des Flü-
gels bremsbar ist, indem der Elektromotor als Generator betreib-
bar ist,
wobei die Ausgangsspannung des generatorisch betriebenen
Elektromotors an eine in einem Bremsstromkreis angeordnete,
elektrische Widerstandseinrichtung angelegt wird,
wobei die Bremskraft der Bremseinrichtung veränderbar ist, indem
der elektrische Widerstand der Widerstandseinrichtung variierbar
ist,
dadurch gekennzeichnet,
dass
die Widerstandseinrichtung mindestens zwei in Reihenschal-
tung angeordnete Dioden (D1, D2, D3) aufweist, wobei mindes-
tens eine der Dioden (D1, D2, D3) durch eine Schaltereinrich-
tung (S2, S3) überbrückbar ist.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.


II.

Die statthaften und auch sonst zulässigen Beschwerden der beiden Einsprechen-
den haben Erfolg, da der Gegenstand des Patentanspruchs 1 nach dem zuletzt
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gestellten Antrag nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht (§ 21 Abs. 1 Nr. 1
i. V. m. § 4 PatG.

Die nach Ablauf der Beschwerdefrist von der Patentinhaberin eingelegte unselb-
ständige Anschlussbeschwerde ist zwar entsprechend § 567 Abs. 3 ZPO i. V. m.
§ 99 Abs. 1 PatG statthaft und auch sonst zulässig, in der Sache bleibt sie jedoch
ohne Erfolg.

1. Der Senat legt seiner Entscheidung als Fachmann einen Diplomingenieur
(FH) der Fachrichtung Elektrotechnik mit Berufserfahrung in der Entwicklung von
Bremsschaltungen für Elektromotoren, der mit einem Fachmann für Türöff-
ner/-schließer zusammenarbeitet, zu Grunde.

2. Hintergrund der Erfindung sind laut Beschreibungseinleitung elektrische An-
triebe zum Betätigen eines beweglichen Schwenkflügels einer Tür. Der Elektromo-
tor werde in der Rückwärtsbewegung generatorisch betrieben, wobei die dadurch
erzeugte elektrische Spannung an einem ohmschen Widerstand anliege. Der
Widerstandswert sei dabei üblicherweise konstant, so dass keine Einstellung der
Bremskraft möglich sei. Die Bremsstärke lasse sich also nicht an den konkreten
Anwendungsfall, an die Parameter des angeschlossenen Flügels, beispielsweise
an das Gewicht des Flügels oder die gewünschte Schließgeschwindigkeit, sowie
an die augenblickliche Stellung des Flügels anpassen (Absatz 0003 der Streitpa-
tentschrift).

Die Aufgabe der Erfindung bestehe deshalb darin, einen derartigen Antrieb so wei-
terzuentwickeln, dass er eine an die Parameter des angeschlossenen Flügels an-
passbare Bremseinrichtung aufweise (Patentschrift, Absatz 0004).

2.1 Gemäß geltendem Patentanspruch 1 werde diese Aufgabe mit folgenden
Mitteln gelöst (Gliederung hinzugefügt):

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Antrieb zum Betätigen eines beweglichen Flügels, insbeson-
dere einer Tür, mit

A einem Elektromotor, dessen Abtriebsglied über eine Kraft-
übertragungseinrichtung mit dem Flügel in Wirkverbindung
steht, so dass eine Bewegung des Abtriebsglieds eine Bewe-
gung des Flügels bewirkt, sowie
B einer Bremseinrichtung, durch welche die Bewegung des
Flügels bremsbar ist, indem der Elektromotor als Generator
betreibbar ist, wobei
a die Ausgangsspannung des generatorisch betriebenen
Elektromotors an eine in einem Bremsstromkreis ange-
ordnete, elektrische Widerstandseinrichtung angelegt
wird, und wobei
b die Bremskraft der Bremseinrichtung veränderbar ist,
indem der elektrische Widerstand der Widerstandsein-
richtung variierbar ist,
dadurch gekennzeichnet, dass
c die Widerstandseinrichtung mindestens zwei in Reihen-
schaltung angeordnete Dioden (D1, D2, D3) aufweist,
wobei
d mindestens eine der Dioden (D1, D2, D3) durch eine
Schaltereinrichtung (S2, S3) überbrückbar ist.

2.2 Mit den Worten des Anspruchs 1 ausgedrückt, ist hinsichtlich der Erfindung
aus der Druckschrift DE 10 2004 013 601 A1 (D1/E1) – vgl. insbesondere Fi-
gur 4 – folgendes bekannt: ein

Antrieb zum Betätigen eines beweglichen Flügels, insbesondere
einer Tür (Absatz 0002: vertikal bewegbare Feuertüren bzw.
Brandschutztore), mit
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A einem Elektromotor 20, dessen Abtriebsglied über eine Kraft-
übertragungseinrichtung 21 mit dem Flügel 10 in Wirkverbin-
dung steht, so dass eine Bewegung des Abtriebsglieds eine
Bewegung des Flügels bewirkt (Absatz 0026), sowie
B mit einer Bremseinrichtung, durch welche die Bewegung des
Flügels bremsbar ist, indem der Elektromotor als Generator
betreibbar ist, wobei (Absätze 0037, 0051)
a die Ausgangsspannung des generatorisch betriebenen
Elektromotors an eine in einem Bremsstromkreis ange-
ordnete elektrische Widerstandseinrichtung angelegt
wird (Zusammenfassung),
b die Bremskraft der Bremseinrichtung veränderbar ist,
indem der elektrische Widerstand der Widerstandsein-
richtung variierbar ist (Figur 4 i. V. m. Absatz 0026,
0037).

Gemäß Druckschrift D1/E1 wird bereits darauf hingewiesen, dass verschiedene
parallele oder serielle Kombinationen von elektrischen Ersatzlasten verwendet
werden können (Absatz 0037, letzter Satz), wobei die Ersatzlasten gemäß Druck-
schrift D1/E1 der Widerstandseinrichtung gemäß Streitpatent entsprechen. In der
Praxis ergibt sich für den Fachmann von selbst die Notwendigkeit, die in der
Druckschrift D1/E1 explizit beschriebenen Widerstandselemente an den jeweils
konkreten Anwendungsfall anzupassen. Folglich ist der Fachmann veranlasst,
zum Erzielen der konkret gewünschten Wirkung der Widerstandselemente auch
weitere Schaltungskonfigurationen für die Widerstandseinrichtung auf ihre Brauch-
barkeit hin zu untersuchen. Hierbei berücksichtigt er bekannte Widerstandseinrich-
tungen zum generatorischen Bremsen von Elektromotoren, insbesondere auch die
Druckschrift DE 29 23 025 A1 (D4/E2). Aus dieser ist eine Bremsvorrichtung für
einen elektrischen Antrieb 1 bekannt (Figur 1), wobei die Bremseinrichtung

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c eine Widerstandseinrichtung mit mindestens zwei in Reihen-
schaltung angeordnete Dioden (4.1, 4.2, 4.3, 4.4, 4.5, 4.6,
4.7) aufweist (vgl. Figur 3), wobei
d mindestens eine der Dioden (4.1, 4.2, 4.3, 4.4, 4.5, 4.6, 4.7)
durch eine Schaltereinrichtung (5, 6, 7) überbrückbar ist.

Der Fachmann erkennt ohne weiteres, dass sich diese konkrete Realisierungsform
der Widerstandseinrichtung für bestimmte Anwendungsfälle als zweckmäßig und
vorteilhaft erweist.

Ausgehend von der Lehre der Druckschrift D1/E1 gelangt der Fachmann unter
Beachtung der Lehre der Druckschrift D4/E2 insoweit in naheliegender Weise zum
Gegenstand des geltenden und allein verteidigten Patentanspruchs 1.

2.3 Der Auslegung der Patentinhaberin, dass gemäß der Druckschrift D4/E2
allein der in Figur 1 dargestellte ohmsche Widerstand 3 als streitpatentgemäße
Widerstandseinrichtung anzusehen sei, konnte sich der Senat nicht anschließen,
da sowohl im dortigen Patentanspruch 1 die Dioden als nichtlinearer Widerstand
bezeichnet sind, als auch in der Beschreibung (Seite 3, zweiter Absatz) hervorge-
hoben ist, dass durch die Anzahl der zugeschalteten nichtlinearen Widerstände,
also der Dioden, die Bremskraft eingestellt werden kann.

Somit war den Beschwerden der Einsprechenden stattzugeben und das Patent zu
widerrufen sowie die Anschlussbeschwerde der Patentinhaberin zurückzuweisen.

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Rechtsmittelbelehrung

Gegen diesen Beschluss steht den an dem Beschwerdeverfahren Beteiligten das Rechts-
mittel der Rechtsbeschwerde zu (§ 99 Abs. 2, § 100 Abs. 1, § 101 Abs. 1 PatG).

Nachdem der Beschwerdesenat in dem Beschluss die Einlegung der Rechtsbeschwerde
nicht zugelassen hat, ist die Rechtsbeschwerde nur statthaft, wenn einer der nachfolgen-
den Verfahrensmängel durch substanziierten Vortrag gerügt wird (§ 100 Abs. 3 PatG):

1. Das beschließende Gericht war nicht vorschriftsmäßig besetzt.
2. Bei dem Beschluss hat ein Richter mitgewirkt, der von der Ausübung des
Richteramtes kraft Gesetzes ausgeschlossen oder wegen Besorgnis der
Befangenheit mit Erfolg abgelehnt war.
3. Einem Beteiligten war das rechtliche Gehör versagt.
4. Ein Beteiligter war im Verfahren nicht nach Vorschrift des Gesetzes ver-
treten, sofern er nicht der Führung des Verfahrens ausdrücklich oder still-
schweigend zugestimmt hat.
5. Der Beschluss ist aufgrund einer mündlichen Verhandlung ergangen, bei
der die Vorschriften über die Öffentlichkeit des Verfahrens verletzt worden
sind.
6. Der Beschluss ist nicht mit Gründen versehen.

Die Rechtsbeschwerde ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlusses beim
Bundesgerichtshof, Herrenstraße 45a, 76133 Karlsruhe, schriftlich einzulegen (§ 102
Abs. 1 PatG).

Die Rechtsbeschwerde kann auch als elektronisches Dokument, das mit einer qualifizier-
ten oder fortgeschrittenen elektronischen Signatur zu versehen ist, durch Übertragung in
die elektronische Poststelle des Bundesgerichtshofes eingelegt werden (§ 125a Abs. 3
Nr. 1 PatG i. V. m. § 1, § 2 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2, Abs. 2a, Anlage (zu § 1) Nr. 6 der Ver-
ordnung über den elektronischen Rechtsverkehr beim Bundesgerichtshof und Bundespa-
tentgericht (BGH/BPatGERVV)). Die elektronische Poststelle ist über die auf der Internet-
seite des Bundesgerichtshofes www.bundesgerichtshof.de/erv.html bezeichneten Kom-
munikationswege erreichbar (§ 2 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 BGH/BPatGERVV). Dort sind auch
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die Einzelheiten zu den Betriebsvoraussetzungen bekanntgegeben (§ 3 BGH/
BPatGERVV).

Die Rechtsbeschwerde muss durch einen beim Bundesgerichtshof zugelassenen Rechts-
anwalt als Bevollmächtigten des Rechtsbeschwerdeführers eingelegt werden (§ 102
Abs. 5 Satz 1 PatG).


Kleinschmidt Kirschneck J. Müller RiBPatG Dr. Kapels ist
wegen Urlaubs gehindert,
seine Unterschrift beizufügen

Kleinschmidt


Fa


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