19 W (pat) 7/17  - 19. Senat (Techn.Beschw.)
Karar Dilini Çevir:

BPatG 154
05.11

BUNDESPATENTGERICHT



19 W (pat) 7/17
_______________
(Aktenzeichen)



Verkündet am
19. April 2017





B E S C H L U S S

In der Beschwerdesache



- 2 -
betreffend das Patent 10 2006 053 730

hat der 19. Senat (Technischer Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf
die mündliche Verhandlung vom 19. April 2017 unter Mitwirkung des Vorsitzenden
Richters Dipl.-Ing. Kleinschmidt, der Richterin Kirschneck sowie der Richter
Dipl.-Ing. Matter und Dipl.-Phys. Dr. Haupt

beschlossen:

Auf die Beschwerde der Einsprechenden wird der Beschluss der
Patentabteilung 1.23 des Deutschen Patent- und Markenamts vom
26. September 2012 aufgehoben und das Patent 10 2006 053 730
in vollem Umfang widerrufen.


G r ü n d e

I.

Auf die am 15. November 2006 eingereichte Anmeldung ist mit Beschluss vom
8. Dezember 2009 das Patent 10 2006 053 730 mit der Bezeichnung „Antriebs-
einrichtung“ erteilt worden. Die Veröffentlichung der Patenterteilung ist am
6. Mai 2010 erfolgt.

Gegen das Patent hat die Einsprechende mit Schriftsatz vom 6. August 2010, ein-
gegangen beim Deutschen Patent- und Markenamt am gleichen Tag, Einspruch
erhoben und beantragt, das Patent in vollem Umfang zu widerrufen.

Die Einsprechende hat geltend gemacht, der Gegenstand des Streitpatents sei
nicht patentfähig (§ 21 Abs. 1 Nr. 1 i. V. m. §§ 3 und 4 PatG) und unzulässig
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erweitert, da er über den Inhalt der ursprünglichen Anmeldung hinausgehe (§ 21
Abs. 1 Nr. 4 PatG).

Zum Stand der Technik hat die Einsprechende auf folgende Druckschriften verwie-
sen:

D1 DE 29 24 457 C2
D2 DE 20 2005 003 466 U1
D3 DE 297 19 801 U1
D4 DE 10 2005 030 052 A1
D5 aumüller aumatic gmbh: Prospekt „Spindelhub-Linearantrieb PLA
xxx-yyy“, Augsburg, Druckvermerk „52-50-0-1.06 AK 11.05“,
Seiten 1 – 4
D5.1 aumüller aumatic gmbh: Beschreibung „Gleichlaufregelung
MRMGi ab HW Rev. 6, SW V2.1“, Augsburg, Druckvermerk
„EEW/PS, 28.2.2005“, Seiten 1 – 3
D5.2 aumüller aumatic gmbh: Prospektblatt „Gleichlaufregelung für
2 Antriebe xxx S4 (mit Impulsgeber)“, Augsburg, Druckvermerk
„118-14-0-1-0.0 AK 09.04“
D5.3 aumüller: Anschlussbild „MRMGi, Gleichlaufregelung mit Geber
(Stromsignal)“, Zeichnungsnummer „EB1055-01-05-061“,
19.5.03, Blatt 1 von 1
D5.4 aumüller: Schaltbild „MRMGi, Gleichlaufregelung mit Geber
(Stromsignal)“, Zeichnungsnummer „EB1055-01.01.020“,
19.5.03, Blatt 1 von 1
D6 BUSCH, Rudolf: Elektrotechnik und Elektronik für Maschinen-
bauer und Verfahrenstechniker. 2., überarb. Aufl., Stuttgart:
B. G. Teubner, 1996, Seiten 29 – 32, 307 – 315, 355 – 359,
370 – 382 und 389 – 393. ISBN 3-519-16346-2
- 4 -
D7 FISCHER, Rolf: Elektrische Maschinen, 13., aktual. Aufl.,
München, Wien: Carl Hanser Verlag, 05.10.2006, Seiten 11, 12,
13, 17, 18, 78 und 389 – 394. ISBN 3-446-40613-1
D8 DE 195 23 241 A1
D9 DE 195 47 965 A1,

wobei die Druckschriften D1 und D2 bereits im Prüfungsverfahren in Betracht ge-
zogen worden sind und für die Vorveröffentlichung der Druckschriften D5 bis D5.4
von der Einsprechenden ein Zeuge benannt, diese aber von der Patentinhaberin
nicht angezweifelt wurde.

Mit dem am Ende der Anhörung am 26. September 2012 verkündeten Beschluss
hat die Patentabteilung 1.23 des Deutschen Patent- und Markenamts das Patent
gemäß Hauptantrag der Patentinhaberin mit

den Patentansprüchen 1 bis 4, eingereicht in der Anhörung am
26. September 2012,
den Patentansprüchen 5 bis 24, eingereicht mit Schriftsatz vom
12. Juli 2012,
der Beschreibung gemäß Patentschrift mit Einschub 1 vom
11. Februar 2011 zwischen den Absätzen 0003 und 0004, sowie
mit handschriftlichen Änderungen auf Seite 2/8, eingereicht in der
Anhörung am 26. September 2012 und
den Zeichnungen, Figuren 1 bis 3 gemäß Patentschrift

beschränkt aufrechterhalten.

Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde der Einsprechenden vom
30. Oktober 2012, eingegangen beim Deutschen Patent- und Markenamt am
31. Oktober 2012.

- 5 -
Die Einsprechende beantragt,

den Beschluss der Patentabteilung 23 des Deutschen Patent- und
Markenamts vom 26. September 2012 aufzuheben und das Patent
zu widerrufen.

Die Patentinhaberin ist wie angekündigt zur mündlichen Verhandlung nicht
erschienen und hat zuletzt mit Schriftsatz vom 4. April 2017 beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen und das Patent unverändert auf-
rechtzuerhalten.

Der Patentanspruch 1 in der von der Patentabteilung beschränkt aufrechterhalte-
nen Fassung lautet:

Antriebseinrichtung für eine Klappe eines Fahrzeugs, mit einem
mit einem feststehenden Bauteil oder einem bewegbaren Bauteil
verbindbaren ersten Befestigungselement und mit einem an dem
dem ersten Befestigungselement entgegengesetzten Ende axial
relativ dazu bewegbaren Gehäuserohr, das an seinem dem ersten
Befestigungselement entgegengesetzten Ende ein mit dem be-
wegbaren Bauteil oder dem feststehenden Bauteil befestigbares
zweites Befestigungselement aufweist, mit einem eine Gewinde-
spindel und eine auf der Gewindespindel angeordneten Spindel-
mutter aufweisenden Spindeltrieb, durch den das erste Befesti-
gungselement und das Gehäuserohr axial relativ zueinander be-
wegbar antreibbar sind, wobei die Antriebseinrichtung einen
Gleichstrommotor umfaßt, durch den der Spindeltrieb drehbar an-
treibbar ist, durch dessen Motorwelle die Gewindespindel oder ein
Kupplungsbauteil einer Kupplung drehbar antreibbar ist, dadurch
gekennzeichnet, daß der Spindeltrieb bei axialer Auseinanderbe-
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wegung des ersten Befestigungselements und des Gehäuseroh-
res (1) mit einem sich über den Bewegungsweg reduzierendem
Drehmoment drehbar antreibbar ist, wobei der Gleichstrommotor
(21) zu Beginn der axialen Auseinanderbewegung von erstem
Befestigungselement und Gehäuserohr (1) in einem über seiner
Nennlast liegenden Lastbereich des Gleichstrommotors (21) be-
trieben wird, wobei in der Zuleitung von einer Spannungsquelle
zum Gleichstrommotor (21) ein Energiespeicher angeordnet ist,
durch den der Anlaufstrom des Gleichstrommotors (21) vorgespei-
chert wird.

Zum Wortlaut der sonstigen Ansprüche und wegen weiterer Einzelheiten wird auf
den Akteninhalt verwiesen.


II.

1. Die statthafte und auch sonst zulässige Beschwerde der Einsprechenden
hat in der Sache Erfolg und führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses
und zum Widerruf des Patents.

2. Gegenstand des Beschwerdeverfahrens ist das Patent in der von der Pa-
tentabteilung beschränkt aufrechterhaltenen Fassung. Der insoweit unklare Antrag
der Patentinhaberin, die Beschwerde der Einsprechenden zurückzuweisen und
das Patent unverändert aufrechtzuerhalten, ist entsprechend § 133 BGB unter
Berücksichtigung des nach der Rechtsordnung und der Interessenslage der Pa-
tentinhaberin Vernünftigen sowie der Umstände des Falles dahin auszulegen (vgl.
Schulte, PatG, 9. Aufl. 2014, Einleitung Rdn. 120 ff. mit Nachweisen aus der
Rechtsprechung), dass die Zurückweisung der Beschwerde der Einsprechenden
und die Aufrechterhaltung des Patents in der beschränkten Fassung, wie von der
Patentabteilung entschieden, beantragt wird. Dass eine Aufrechterhaltung des
- 7 -
Patents in der erteilten Fassung von der Patentinhaberin begehrt werden könnte,
ist nicht anzunehmen. Nachdem sie selbst keine Beschwerde gegen den Be-
schluss der Patentabteilung eingelegt hat und auch keine Anhaltspunkte ersicht-
lich sind, dass eine Anschlussbeschwerde erhoben werden sollte, wäre ein auf die
Rückkehr zur erteilten Fassung des Patents gerichteter Antrag unzulässig, da die
damit begehrte Entscheidung gegen das Verbot der Reformatio in Peius versto-
ßen würde. Eine unzulässige Antragstellung aber kann von der Patentinhaberin
vernünftigerweise nicht gewollt sein. Auch der Umstand, dass sie bereits in dem
Verfahren vor der Patentabteilung nach Hauptantrag nur noch die Aufrechterhal-
tung des Patents in der dem Beschluss der Patentabteilung zugrundeliegenden
beschränkten Fassung verfolgt hat, spricht dafür, dass sie auch im Beschwerde-
verfahren an der Aufrechterhaltung des Patents in dieser Fassung festhalten und
nicht wieder auf die erteilte Fassung zurückgreifen möchte.

3. Das Streitpatent betrifft eine Antriebseinrichtung für eine Klappe eines Fahr-
zeugs. Die Antriebseinrichtung besteht aus einem mit einem feststehenden oder
einem bewegbaren Bauteil verbindbaren ersten Befestigungselement und mit ei-
nem an dem dem ersten Befestigungselement entgegengesetzten Ende axial re-
lativ dazu bewegbaren Gehäuserohr, das an seinem dem ersten Befestigungs-
element entgegengesetzten Ende ein mit dem bewegbaren oder dem feststehen-
den Bauteil befestigbares zweites Befestigungselement aufweist und einem Spin-
deltrieb, durch den das erste Befestigungselement und das Gehäuserohr axial
relativ zueinander bewegbar antreibbar sind, wobei die Antriebseinrichtung einen
Elektromotor umfasst, durch den der Spindeltrieb drehbar antreibbar ist (Ab-
satz 0001 des Streitpatents).

Bei derartigen Antriebseinrichtungen müsse der Elektromotor so ausgelegt sein,
dass er unter allen üblichen Betriebsbedingungen sicher eine Bewegung des zu
bewegenden Bauteils durchführen kann. Dies erfordere beim Stand der Technik
einen entsprechend starken und großvolumigen Elektromotor und damit einen
großen Einbauraum für die Antriebseinrichtungen (Absätze 0002 und 0003).
- 8 -
Da der Einbauraum, insbesondere in Fahrzeugen beschränkt sei, stelle sich die
Aufgabe, eine Antriebseinrichtung mit möglichst geringer Baugröße, insbesondere
mit geringem Durchmesser zu schaffen (Absatz 0004).

Die gestellte Aufgabe soll durch den Gegenstand des Patentanspruchs 1 gelöst
werden, der sich in der von der Patentabteilung beschränkt aufrechterhaltenen
Fassung wie folgt gliedern lässt:

1.1 Antriebseinrichtung für eine Klappe eines Fahrzeugs,
1.2 mit einem mit einem feststehenden Bauteil oder einem beweg-
baren Bauteil verbindbaren ersten Befestigungselement und
1.3 mit einem an dem dem ersten Befestigungselement entgegenge-
setzten Ende axial relativ dazu bewegbaren Gehäuserohr,
1.4 das an seinem dem ersten Befestigungselement entgegenge-
setzten Ende ein mit dem bewegbaren Bauteil oder dem fest-
stehenden Bauteil befestigbares zweites Befestigungselement
aufweist,
1.5 mit einem eine Gewindespindel und eine auf der Gewindespindel
angeordneten Spindelmutter aufweisenden Spindeltrieb, durch
den das erste Befestigungselement und das Gehäuserohr axial
relativ zueinander bewegbar antreibbar sind,
1.6 wobei die Antriebseinrichtung einen Gleichstrommotor umfasst,
durch den der Spindeltrieb drehbar antreibbar ist, durch dessen
Motorwelle die Gewindespindel oder ein Kupplungsbauteil einer
Kupplung drehbar antreibbar ist,
dadurch gekennzeichnet, dass
1.7 der Spindeltrieb bei axialer Auseinanderbewegung des ersten
Befestigungselements und des Gehäuserohres (1) mit einem
sich über den Bewegungsweg reduzierendem [sic!] Drehmoment
drehbar antreibbar ist,
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1.8 wobei der Gleichstrommotor (21) zu Beginn der axialen Aus-
einanderbewegung von erstem Befestigungselement und Ge-
häuserohr (1) in einem über seiner Nennlast liegenden Lastbe-
reich des Gleichstrommotors (21) betrieben wird,
1.9 wobei in der Zuleitung von einer Spannungsquelle zum Gleich-
strommotor (21) ein Energiespeicher angeordnet ist, durch den
der Anlaufstrom des Gleichstrommotors (21) vorgespeichert wird.

4. Vor diesem Hintergrund legt der Senat seiner Entscheidung als Fachmann
einen seit mehreren Jahren berufstätigen Elektrotechnikingenieur mit Kenntnissen
auf dem Gebiet der Antriebstechnik zu Grunde.

5. Einzelne Angaben im Patentanspruch 1 in der von der Patentabteilung be-
schränkt aufrechterhaltenen Fassung bedürfen der Erläuterung:

a) Der Gleichstrommotor treibt den Spindeltrieb an, wodurch dieser das erste
Befestigungselement und das Gehäuserohr axial auseinander bewegt. Die Anga-
be, dass der Spindeltrieb dabei „mit einem sich über den Bewegungsweg reduzie-
rendem [sic!] Drehmoment drehbar antreibbar ist“ (Merkmal 1.7), bedeutet in die-
sem Zusammenhang, dass der Spindeltrieb an einem Punkt x0 des Bewegungs-
weges mit dem Drehmoment N0 angetrieben wird, das einen höheren Wert auf-
weist als das Drehmoment N1 an einem folgenden Punkt x1 des Bewegungswe-
ges, an dem das erste Befestigungselement und das Gehäuserohr weiter aus-
einandergezogen sind. Es gilt: N0(x0) > N1(x1) mit x1 > x0.

Dieses Verhalten der Antriebseinrichtung kann verschiedene Ursachen haben:

1. Die Kraft die durch den Spindeltrieb axial auf das bewegbare Bau-
teil, hier die Fahrzeugklappe, wirken muss, um es zu bewegen,
nimmt von einem bestimmten Wert an ab. Beispielsweise ist die
zu überwindende Gewichtskraft, um eine Kofferraumklappe aus
- 10 -
der Horizontalen zu bewegen, größer als in einer Stellung, in der
sich die Klappe schon fast in der Vertikalen befindet. Diese Kraft
ist bei geeigneter Geometrie von Spindeltrieb und Klappe zumin-
dest bereichsweise proportional zum Drehmoment, mit dem der
Spindeltrieb angetrieben werden muss.

2. Gesetzt den Fall, dass die externe Kraft konstant ist, kann durch
eine nichtkonstante Steigung bzw. Ganghöhe des Gewindes der
Gewindespindel, hier zuerst eine größere, dann an einem weiteren
Punkt des Bewegungsweges eine kleinere Steigung, ebenfalls
eine Reduktion des vom Gleichstrommotor aufzubringenden Dreh-
moments erreicht werden, vgl. dazu beispielsweise in der Druck-
schrift D1 die Figur 1 und darin die Bezugszeichen M, L und R.

3. Selbst bei konstanter externer Kraft auf den Spindeltrieb und
konstanter Gewindesteigung der Gewindespindel ist, wie der
Fachmann weiß, die Haftreibung grundsätzlich größer als die
Gleitreibung und daher beim Anlaufen der Gewindespindel (Ab-
satz 0006 der Streitpatentschrift: „zu Beginn des Bewegungswe-
ges bei axialer Auseinanderbewegung“) eine größere Kraft und
damit ein höheres Drehmoment des Gleichstrommotors vonnöten,
als später auf dem Bewegungsweg bei konstanter Geschwindig-
keit.

Dem Fachmann ist insoweit ohne Weiteres klar, dass bei Antriebseinrichtungen
nach dem Streitpatent immer erst ein höheres und danach ein niedrigeres Dreh-
moment aufgebracht werden muss, sofern nicht besondere Maßnahmen getroffen
werden, dem entgegen zu wirken.

- 11 -
b) Unter dem Begriff „Nennlast“ (Merkmal 1.8) versteht der Fachmann die
höchste Belastung, mit der der Gleichstrommotor im Dauerbetrieb betrieben wer-
den kann, ohne Schaden, beispielsweise durch Überhitzung, zu nehmen.

c) Die Formulierung „ein Energiespeicher … durch den der Anlaufstrom …
vorgespeichert wird“ (Merkmal 1.9) wird vom Fachmann wie folgt verstanden:

In einem Energiespeicher kann kein Strom, sondern nur Energie oder damit asso-
ziiert eine Ladungsmenge gespeichert werden. Im einzigen Ausführungsbeispiel
des Streitpatents ist der Energie- bzw. Ladungsspeicher durch einen Kondensator
realisiert.

Unter einem Anlaufstrom versteht der Fachmann den elektrischen Strom, der im
Stromkreis des Gleichstrommotors fließt, wenn dieser sich in einem Zustand der
Beschleunigung zwischen Ruhe und konstanter Nenndrehzahl befindet. Der An-
laufstrom ist größer als der Strom, welcher fließt, wenn der Spindeltrieb und die
mit ihm verbundene Klappe sich in Bewegung befinden. Ursache dafür sind das
anfänglich höhere Drehmoment (siehe hierzu Merkmal 1.7 zusammen mit obiger
Erläuterung unter a), die daraus resultierende höhere Last für den Gleichstrom-
motor und zusätzlich die für einen Fachmann selbstverständliche Charakteristik
von Elektromotoren allgemein, die darin begründet liegt, dass für das Beschleuni-
gen der Masse der rotierenden Teile eines Motors auf konstante Drehzahl mehr
Leistung und damit mehr Strom als für das Konstanthalten der Drehzahl nötig ist.
Ein erhöhter Strom fließt somit bis zum Erreichen der stationären Drehzahl. Die
elektrische Energie, die nötig ist, den erhöhten Anlaufstrom zu liefern, wird im ge-
nannten Energiespeicher zumindest teilweise gespeichert.

6. Es kann sowohl dahin gestellt bleiben, ob der Fachmann alle Merkmale, die
über die ursprüngliche Fassung der Patentansprüche hinaus in den Patentansprü-
chen der beschränkten Fassung genannt sind, den ursprünglichen Unterlagen
unmittelbar und eindeutig als zur Erfindung gehörend entnimmt (§ 21 Abs. 1 Nr. 4
- 12 -
PatG), als auch, ob die Erfindung so deutlich und vollständig offenbart ist, dass ein
Fachmann sie ausführen kann (§ 21 Abs. 1 Nr. 2 PatG), da wegen mangelnder
Patentfähigkeit ihrer Gegenstände auch eine beschränkte Aufrechterhaltung des
Patents nicht in Betracht kommt (§ 21 Abs. 1 Nr. 1 PatG i. V. m. § 1 Abs. 1 PatG
und § 4 PatG).

6.1 Den Ausgangspunkt für die Bemühungen des Fachmanns um eine Fortent-
wicklung und Verbesserung bildet zur Überzeugung des Senats der unstrittig zum
Stand der Technik zählende Prospekt „Spindelhub-Linearantrieb PLA xxx-yyy“
(Druckschrift D5).

6.2 Der Gegenstand des verteidigten Patentanspruchs 1 ist nicht patentfähig.
Er mag zwar als neu gelten, beruht jedoch nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.

6.3 Die Druckschrift D5 offenbart eine Antriebseinrichtung für eine Klappe
(Seite 1, Technische Beschreibung, Punkte 1 und 2: „Spindelhub-Linearantrieb
…“, „Geeignet für Kipp-, Klapp-, … Schwingflügel, … Klappen … und sonstige Ab-
schlussöffnungen …“; Merkmal 1.1). Diese weist ein erstes Befestigungselement
auf (vgl. beispielweise Seite 3, Figur zum Montageschritt 3a: „einstellbare Augen-
schraube …“), das je nach Aufhängung mit einem feststehenden oder einem be-
wegbaren Bauteil (das in den Figuren auf Seite 4 in der unteren Bildhälfte ge-
zeichnete Rohr mit dem größeren Durchmesser) verbindbar ist (Merkmal 1.2). An
dem dem ersten Befestigungselement entgegengesetzten Ende weist die An-
triebseinrichtung ein axial relativ dazu bewegbares Gehäuserohr mit einem zwei-
ten Befestigungselement auf, das (wiederum je nach Aufhängung) an dem ande-
ren der beiden Bauteile, d. h. an dem bewegbaren oder dem feststehenden Bau-
teil, befestigbar ist (vgl. Seite 1, Technische Beschreibung, Punkt 4: „Schubstange
mit Auge aus Edelstahl“; Seite 4, linke Figur: Rohr mit dem angegebenen Durch-
messer: „Ø 18“; rechte Figur: „Lagerbuchse“ und „Optionale Augenschraube“;
Merkmale 1.3, 1.4).

- 13 -
Weiterhin umfasst die Antriebseinrichtung nach Druckschrift D5 einen Spindeltrieb,
mit einer, wie der Fachmann als selbstverständlich mitliest, Gewindespindel und
einer auf der Gewindespindel angeordneten Spindelmutter, durch den das erste
Befestigungselement und das Gehäuserohr axial relativ zueinander bewegbar an-
treibbar sind (siehe hierzu beispielsweise den Titel des Prospekts: „Spindelhub-
Linearantrieb“ i. V. m. der auf Seite 4 im „Maßbild“ in zwei verschiedenen Hub-
stellungen gezeichneten Antriebseinrichtung; Merkmal 1.5).

Schließlich enthält die Antriebseinrichtung nach Druckschrift D5 auch einen
Gleichstrommotor (vgl. Seite 1, Abschnitt „Betriebsparameter“, erster Punkt: „Be-
triebsspannung: 24 V DC“, und Hinweis: „Motorgetriebeeinheit“ sowie Seite 3, Fi-
gur zum Montageschritt 3b: „Motorfuß“). Durch diesen Motor ist der Spindeltrieb
drehbar antreibbar und durch dessen Motorwelle, für den Fachmann aus der Ge-
samtoffenbarung der Druckschrift D5 offensichtlich, die Gewindespindel drehbar
antreibbar (Merkmal 1.6).

Ausgehend von einem fachgemäßen Verständnis der Bewegungsabläufe des of-
fenbarten Spindelhub-Linearantriebs versteht der Fachmann ohne Weiteres, dass
der Spindeltrieb bei axialer Auseinanderbewegung des ersten Befestigungsele-
ments und des Gehäuserohres mit einem sich über den Bewegungsweg reduzie-
renden Drehmoment drehbar antreibbar ist (Merkmal 1.7).

6.4 Der Fachmann wird ausgehend von der Druckschrift D5 Überlegungen an-
stellen, wie er die Antriebseinrichtung, vor allem bei der Verwendung in Fahrzeu-
gen, hinsichtlich geringer Baugröße und – da die Länge durch die Anwendung im
Wesentlichen vorgegeben ist – insbesondere geringen Durchmessers optimieren
kann. Deshalb wird er bei der Auswahl des zur Anwendung kommenden Gleich-
strommotors darauf achten, dass dieser auch bezüglich der Motorleistung nicht
größer dimensioniert ist als nötig, da die Baugröße von Elektromotoren (gleicher
Typ bzw. Funktionsprinzip vorausgesetzt) mit der Motorleistung korreliert. Der
Fachmann weiß, dass bei wechselnder Belastung des Motors dessen Nennleis-
- 14 -
tung nicht der maximalen Last entsprechen muss, da im Kurzzeitbetrieb – bei-
spielsweise in der Einschalt- bzw. Anlaufphase – die Nennleistung ohne Gefahr
überschritten werden kann. Als Beleg dafür können die Druckschriften D6 und D7
dienen, in denen nicht nur das entsprechende allgemeine Fachwissen nachzule-
sen ist, sondern auch konkrete Berechnungen für die Auswahl von passenden
Gleichstrommotoren exemplarisch vorgeführt werden (vgl. Druckschrift D6: Seite
380 bis 382; Druckschrift D7: Seite 389, letzter Absatz bis Seite 394). Somit liegt
für den Fachmann die Realisierung des Merkmals 1.8 im Rahmen fachgemäßer
Überlegungen nahe.

6.5 Bei der Maßnahme, in der Zuleitung von Spannungsquelle zum Verbrau-
cher einen Energiespeicher mit geringem Innenwiderstand vorzusehen, wenn
temporär mit einer erhöhten Anforderung von Leistung zu rechnen ist, handelt es
sich zur Überzeugung des Senats um eine Maßnahme, die der Fachmann bei der
Konzipierung von Stromversorgungsschaltkreisen für Elektromotoren regelmäßig
ergreift, um einen zu großen Spannungsabfall im Moment des Einschaltens des
Verbrauchers aufgrund des Innenwiderstands der Spannungsquelle zu verhindern.

Dem Fachmann sind zur technischen Realisierung derartiger Energiespeicher so-
wohl Akkumulatoren als auch Kondensatoren bekannt und geläufig. Die konkrete
Realisierungsform wird anwendungsspezifisch gewählt. Im Falle der Anwendung
im Fahrzeug kommt für den Fachmann vor allem unter den Gesichtspunkten des
Gewichts und der Abmessungen eine Realisierung mit Kondensatoren in Betracht.
Dabei ist es für ihn selbstverständlich, den Kondensator bei einem mit Gleichstrom
betriebenen Elektromotor parallel zu diesem und zur Spannungsquelle anzuord-
nen und nicht in Reihe, da dies eine Unterbrechung des Stromkreises zur Folge
hätte. Damit kann der vor dem Anlaufen des Gleichstrommotors aufgeladene
Kondensator beim Anlaufen seine gespeicherte Energie abgeben und einen mit
der Zeit abnehmenden Anteil des Anlaufstroms zu dem von der Spannungsquelle
gelieferten Anteil beitragen. Die Auswahl eines geeigneten Kondensators und die
Berechnung der richtigen Dimensionierung stellen für den zuständigen Fachmann
- 15 -
lediglich Routineaufgaben dar. Als Nachweis der Fachüblichkeit dieser Maßnah-
men wird rein beispielgebend auf die Druckschrift D9 verwiesen, die ebenfalls eine
Stromspeiseeinrichtung für einen elektrischen Gleichstrommotor beschreibt, bei
der ein Elektrolyt-Kondensator hoher Kapazität (Figur 2, Bezugszeichen 28 und
zugehöriger Beschreibungsteil Spalte 6, Zeilen 33 bis 41) in der Zuleitung von der
Spannungsquelle (Figur 2: „Ausgangswicklung 14“) zum Gleichstrommotor (Fi-
gur 2: „Gleichstrommotor 21“) angeordnet ist und der Kondensator somit einen
Energiespeicher darstellt, in dem ein Teil der Energie für den Anlaufstrom des
Gleichstrommotors vorgespeichert wird (Merkmal 1.9).

6.6 Somit ergibt sich der Gegenstand des verteidigten Anspruchs 1 für den
Fachmann in naheliegender Weise ausgehend von der Druckschrift D5 unter
Berücksichtigung seines Wissens und Könnens.

6.7 Die auf den unabhängigen Patentanspruch 1 direkt oder indirekt rückbezo-
genen Unteransprüche teilen dessen Schicksal, zumal sie keine Besonderheiten
nennen, die aus Sicht des Senats zur Grundlage einer gewährbaren Anspruchs-
fassung hätten werden können. Auch die Patentinhaberin hat Derartiges nicht
geltend gemacht.


Rechtsmittelbelehrung

Gegen diesen Beschluss steht den an dem Beschwerdeverfahren Beteiligten das Rechts-
mittel der Rechtsbeschwerde zu (§ 99 Abs. 2, § 100 Abs. 1, § 101 Abs. 1 PatG).
Nachdem der Beschwerdesenat in dem Beschluss die Einlegung der Rechtsbeschwerde
nicht zugelassen hat, ist die Rechtsbeschwerde nur statthaft, wenn einer der nachfol-
genden Verfahrensmängel durch substanziierten Vortrag gerügt wird (§ 100 Abs. 3 PatG):

- 16 -
1. Das beschließende Gericht war nicht vorschriftsmäßig besetzt.
2. Bei dem Beschluss hat ein Richter mitgewirkt, der von der Ausübung
des Richteramtes kraft Gesetzes ausgeschlossen oder wegen
Besorgnis der Befangenheit mit Erfolg abgelehnt war.
3. Einem Beteiligten war das rechtliche Gehör versagt.
4. Ein Beteiligter war im Verfahren nicht nach Vorschrift des Gesetzes
vertreten, sofern er nicht der Führung des Verfahrens ausdrücklich
oder stillschweigend zugestimmt hat.
5. Der Beschluss ist aufgrund einer mündlichen Verhandlung ergangen,
bei der die Vorschriften über die Öffentlichkeit des Verfahrens verletzt
worden sind.
6. Der Beschluss ist nicht mit Gründen versehen.

Die Rechtsbeschwerde ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlusses beim
Bundesgerichtshof, Herrenstraße 45a, 76133 Karlsruhe, schriftlich einzulegen (§ 102
Abs. 1 PatG).

Die Rechtsbeschwerde kann auch als elektronisches Dokument, das mit einer qualifizier-
ten oder fortgeschrittenen elektronischen Signatur zu versehen ist, durch Übertragung in
die elektronische Poststelle des Bundesgerichtshofes eingelegt werden (§ 125a Abs. 3
Nr. 1 PatG i. V. m. § 1, § 2 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2, Abs. 2a, Anlage (zu § 1) Nr. 6 der Ver-
ordnung über den elektronischen Rechtsverkehr beim Bundesgerichtshof und Bundespa-
tentgericht (BGH/BPatGERVV)). Die elektronische Poststelle ist über die auf der Internet-
seite des Bundesgerichtshofes www.bundesgerichtshof.de/erv.html bezeichneten Kom-
munikationswege erreichbar (§ 2 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 BGH/BPatGERVV). Dort sind auch
die Einzelheiten zu den Betriebsvoraussetzungen bekanntgegeben (§ 3
BGH/BPatGERVV).

- 17 -
Die Rechtsbeschwerde muss durch einen beim Bundesgerichtshof zugelassenen
Rechtsanwalt als Bevollmächtigten des Rechtsbeschwerdeführers eingelegt werden
(§ 102 Abs. 5 Satz 1 PatG).


Kleinschmidt Kirschneck Matter Dr. Haupt

Ko



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