19 W (pat) 7/16  - 19. Senat (Techn.Beschw.)
Karar Dilini Çevir:

BPatG 154
05.11

BUNDESPATENTGERICHT



19 W (pat) 7/16
_______________
(Aktenzeichen)



Verkündet am
28. Juni 2017





B E S C H L U S S

In der Beschwerdesache









betreffend die Patentanmeldung 10 2005 032 958.6

hat der 19. Senat (Technischer Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf
die mündliche Verhandlung vom 28. Juni 2017 unter Mitwirkung des Vorsitzenden
Richters Dipl.-Ing. Kleinschmidt, der Richterin Kirschneck sowie der Richter
Dipl.-Ing. J. Müller und Dipl.-Ing. Matter
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beschlossen:

Die Beschwerde der Anmelderin wird zurückgewiesen.


G r ü n d e

I.

Das Deutsche Patent- und Markenamt – Prüfungsstelle für Klasse H 04 M – hat
die am 14. Juli 2005 eingereichte Anmeldung mit der Bezeichnung

„Verfahren zum Betreiben einer Hausanlage und Hausanlage“

durch Beschluss vom 16. Dezember 2015 zurückgewiesen. In der schriftlichen
Begründung ist sinngemäß ausgeführt, die Gegenstände der Patentansprüche 1
nach Hauptantrag und Hilfsantrag 1 beruhten nicht auf einer erfinderischen
Tätigkeit (§ 1 Abs. 1 PatG i. V. m. § 4 PatG). Gegen diesen Beschluss richtet sich
die Beschwerde der Anmelderin vom 21. Januar 2016.

Sie beantragt,

den Beschluss der Prüfungsstelle für Klasse H 04 M des Deutschen
Patent- und Markenamts vom 16. Dezember 2015 aufzuheben und das
nachgesuchte Patent aufgrund folgender Unterlagen zu erteilen:

Patentansprüche 1 bis 25 und
Beschreibung, Seiten 1 bis 9, jeweils vom Anmeldetag 14. Juli 2005,
1 Blatt Zeichnung mit 1 Figur, vom 9. November 2005,

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hilfsweise,

Patentansprüche 1 bis 21 gemäß Hilfsantrag 1 vom 16. Dezember 2015,
übrige Unterlagen wie Hauptantrag.

Der Patentanspruch 1 nach Hauptantrag hat folgenden Wortlaut:

Verfahren zum Betreiben einer Hausanlage, mit
einer ersten Station (100),
einer zweiten Station (300),
einer dritten Station (400) und
einer Signalübertragungseinrichtung (500), mit der alle drei Stationen
(100, 300, 400) in Verbindung stehen,
dadurch gekennzeichnet, daß
eine dem Austausch vorbestimmter Signale zwischen der ersten und
der zweiten Station (100, 300) dienende und die Signalüber-
tragungseinrichtung (500) einbeziehende Verbindung zwischen der ers-
ten und der zweiten Station (100, 300) ansprechend auf ein Annehmen
eines Rufes an der dritten Station (400) getrennt wird.

Der Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag 1 hat folgenden Wortlaut:

Verfahren zum Betreiben einer Hausanlage, mit
einer ersten Station (100),
einer zweiten Station (300),
einer dritten Station (400) und
einer Signalübertragungseinrichtung (500), mit der alle drei Stationen
(100, 300, 400) in Verbindung stehen,
dadurch gekennzeichnet, daß
eine dem Austausch vorbestimmter Signale zwischen der ersten und
der zweiten Station (100, 300) dienende und die Signalüber-
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tragungseinrichtung (500) einbeziehende Verbindung zwischen der ers-
ten und der zweiten Station (100, 300) ansprechend auf ein Annehmen
eines Rufes an der dritten Station (400) getrennt wird,
ansprechend auf das Trennen der dem Austausch der vorbestimmten
Signale zwischen der ersten und der zweiten Station (100, 300) dienen-
den Verbindung ein Freigabesignal an die Signalübertragungsein-
richtung (500) gegeben wird und
ansprechend auf das Freigabesignal eine dem Austausch vorbe-
stimmter Signale zwischen der rufenden und der dritten Station (200,
400) dienende und die Signalübertragungseinrichtung (500) einbezie-
hende Verbindung zwischen der rufenden und der dritten Station (200,
400) hergestellt wird.

Im Prüfungsverfahren vor dem Deutschen Patent- und Markenamt wurden folgen-
de Druckschriften genannt:

E1 DE 29 46 177 A1
E2 DE 198 17 161 A1
E3 DE 40 13 961 A1
E4 EP 0 208 959 A1
E5 DE 197 38 784 A1.

Der Senat hat noch die in der Beschreibungseinleitung genannte Druckschrift

E6 DE 196 44 735 A1

in das Verfahren eingeführt.

Wegen weiterer Einzelheiten, insbesondere wegen des Wortlauts der nebenge-
ordneten Ansprüche, wird auf die Akte verwiesen.

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II.

Die statthafte und auch sonst zulässige Beschwerde hat keinen Erfolg.

1. Der Anmeldung liegt laut Beschreibungseinleitung die Aufgabe zugrunde,
bei einem Verfahren zum Betreiben einer Hausanlage (Türanlage, Klingelanlage,
Gegensprechanlage) mit drei Stationen und einer mit diesen in Verbindung
stehenden Signalübertragungseinrichtung, ein unnötiges Trennen einer bestehen-
den Verbindung zwischen der ersten und der zweiten Station zu vermeiden, wenn
eine andere Verbindung durch Ruf der dritten Station angefordert wird (vgl. Be-
schreibung, Seite 1, Zeilen 1 bis 7; Seite 2, Zeilen 12 bis 19), wobei das Trennen
der bestehenden Verbindung die Funktion einer Mithörsperre hat (Seite 1, Zeile 9
bis Seite 2, Zeile 2).

Erreichen will die Anmeldung dieses Ziel dadurch, dass die bestehende Verbin-
dung zwischen der ersten und der zweiten Station erst bei Annehmen des Rufes
an der dritten Station getrennt wird (vgl. Seite 2, Zeilen 21 bis 31).

Die gestellte Aufgabe soll durch die Gegenstände der Patentansprüche 1 und 13
nach Hauptantrag bzw. durch die Gegenstände der Patentansprüche 1 und 11
nach Hilfsantrag 1 gelöst werden.

Der auf ein Verfahren zum Betreiben einer Hausanlage gerichtete Patentan-
spruch 1 nach Hauptantrag lässt sich wie folgt gliedern:

a Verfahren zum Betreiben einer Hausanlage,
b mit einer ersten Station (100), einer zweiten Station (300), einer
dritten Station (400) und
c einer Signalübertragungseinrichtung (500), mit der alle drei
Stationen (100, 300, 400) in Verbindung stehen,
dadurch gekennzeichnet, dass
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d eine dem Austausch vorbestimmter Signale zwischen der
ersten und der zweiten Station (100, 300) dienende und die
Signalübertragungseinrichtung (500) einbeziehende Verbin-
dung zwischen der ersten und der zweiten Station (100, 300)
e ansprechend auf ein Annehmen eines Rufes an der dritten Sta-
tion (400)
d getrennt wird.

Der Anspruch 1 nach Hilfsantrag 1 umfasst zusätzlich zu den Merkmalen des
Anspruchs 1 nach Hauptantrag noch die Merkmale f und g:

f ansprechend auf das Trennen der dem Austausch der vor-
bestimmten Signale zwischen der ersten und der zweiten Sta-
tion (100, 300) dienenden Verbindung ein Freigabesignal an die
Signalübertragungseinrichtung (500) gegeben wird und
g ansprechend auf das Freigabesignal eine dem Austausch vor-
bestimmter Signale zwischen der rufenden und der dritten Sta-
tion (200, 400) dienende und die Signalübertragungseinrich-
tung (500) einbeziehende Verbindung zwischen der rufenden
und der dritten Station (200, 400) hergestellt wird.

2. Vor diesem Hintergrund legt der Senat seiner Entscheidung als zuständigen
Fachmann einen Fachhochschulingenieur der Fachrichtung Elektrotechnik zugrun-
de, der über eine mehrjährige Berufserfahrung in der Konstruktion von Gegen-
sprechanlagen für Ein- und Mehrfamilienhäuser verfügt.

3. Die erklärungsbedürftigen Angaben in den Ansprüchen 1 nach Hauptantrag
und Hilfsantrag 1 versteht der Fachmann nach Erkenntnis des Senats wie folgt:

a) Unter einer Hausanlage nach Merkmal a versteht der Fachmann eine in
Mehrfamilienhäusern eingesetzte Gegensprechanlage mit Türöffnerfunktion, bei
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der durch Drücken einer Klingel- bzw. Ruftaste an einer Türstation in der über die
Ruftaste ausgewählten Wohnungsstation ein Klingel- bzw. Rufton erzeugt wird, so
dass ein Bewohner dieser Wohnung entweder unmittelbar durch Drücken einer
Türöffnertaste die Haustüre öffnen oder durch Abheben eines Hörers zunächst
eine Sprechverbindung mit der Türstation aufbauen kann.

b) Die Hausanlage umfasst nach Merkmal b drei Stationen, wobei der Fach-
mann mitliest, dass die dritte Station aufgrund ihrer Fähigkeit zur Rufannahme
nach Merkmal e als Wohnungsstation ausgebildet ist. Da eine Verbindung zwi-
schen zwei Wohnungsstationen in der Anmeldung nicht angesprochen ist, handelt
es sich bei der ersten oder der zweiten Station um eine Türstation und bei der
anderen dieser beiden Stationen um eine Wohnungsstation. Weiter entnimmt der
Fachmann dem Merkmal e, dass es noch eine vierte als Türstation ausgebildete
Station geben kann, die das an die dritte Station gerichtete Rufsignal erzeugt (vgl.
Beschreibung, Seite 8, Zeile 25 bis Seite 9, Zeile 7 und Figur).

Zudem ist dem Fachmann bewusst, dass die Hausanlage auch mehr als die vier
vorstehend genannten Stationen, insbesondere mehr als zwei Wohnungsstationen
aufweisen kann, weil Mehrfamilienhäuser regelmäßig mehr als zwei Wohnungen
umfassen, wie dies auch aus dem in der Beschreibungseinleitung genannten
Stand der Technik, von dem die Anmeldung ausgeht, bekannt ist (vgl. Druck-
schrift E6, Spalte 1, Zeilen 3 bis 18, insbesondere Zeile 11: „große Wohneinheit“).
Der Vertreter der Anmelderin hat diese Sichtweise in der mündlichen Verhandlung
bestätigt; die drei in den Ansprüchen genannten Stationen stellten die Mindestzahl
an Stationen der beanspruchten Hausanlage dar.

c) Die Angaben in den Merkmalen d und e versteht der Fachmann so, dass in
der gerufenen dritten Station bei Rufannahme, z. B. bei Abheben des Hörers
durch den Bewohner der Wohnung, ein Annahmesignal erzeugt wird, dass über
die Signalübertragungseinrichtung zu der ersten und der zweiten Station gelangt
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und dort das Trennen der bestehenden Verbindung auslöst (Beschreibung, Sei-
te 8, Zeile 30 bis Seite 9, Zeile 3).

d) Nach dem Trennen der Verbindung zwischen der ersten und der zweiten
Station erzeugt die erste und/oder die zweite Station das in dem Merkmal f
genannte Freigabesignal (ursprünglicher Anspruch 11). Auf dieses Freigabesignal
spricht nach dem Merkmal g in der dritten Station eine Einrichtung an, um die
neue Verbindung zwischen rufender Station und dritter Station herzustellen.

4. Der Gegenstand des Anspruchs 1 nach Hauptantrag erweist sich als nicht
auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhend und damit als nicht patentfähig (§ 1
i. V. m. § 4 PatG).

Die in der Beschreibungseinleitung (Seite 2, Zeilen 4 bis 10) genannte Druckschrift
DE 196 44 735 A1 (Druckschrift E6) beschäftigt sich mit dem einfachen und
flexiblen Aufbau einer Hausanlage mit einer Türstation, die mit mehreren Klingel-
tasten und einem Sprech-Hörkreis versehen ist, und mit mehreren, den Klingel-
tasten zugeordneten Wohnungsstationen, die von der Türstation gerufen und mit
dieser verbunden werden können (vgl. Druckschrift E6, Spalte 1, Zeilen 3 bis 18).
Dabei ist die Türstation mit allen Wohnungsstationen über eine Busleitung verbun-
den. Die Türstation kann mit den Klingeltasten und einem codierbaren Sender
tasten- und damit wohnungsstationsindividuelle Rufsignale auf die Busleitung
abgeben. In allen Wohnungsstationen ist ein Signalempfänger für die Rufsignale
an die Busleitung angeschaltet. Bei Empfang des zugeordneten Rufsignals schal-
tet der Signalempfänger in der gerufenen Wohnungsstation die sogenannte „Sta-
tionsschaltung“, das ist der Sprech-Hörkreis, an (vgl. Druckschrift E6, Spalte 1,
Zeilen 19 bis 28). Gleichzeitig sperren die Signalempfänger in allen nicht gerufe-
nen Wohnungsstationen die Anschaltung der Stationsschaltungen und realisieren
so eine Mithörsperre (vgl. Druckschrift E6, Anspruch 1; Spalte 1, Zeilen 28 bis 30;
Spalte 2, Zeilen 34 bis 56).

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Zur Reduzierung des zusätzlichen Steuerungsaufwand in der Wohnungsstation
bleibt die Stationsschaltung in der gerufenen Wohnungsstation solange ange-
schaltet, bis ein nachfolgendes, nicht zugeordnetes Rufsignal zu einer Abschal-
tung der Stationsschaltung und damit zu einer Unterbrechung der bestehenden
Verbindung führt (vgl. Druckschrift E6, Ansprüche 1 und 8; Spalte 1, Zeilen 31
bis 33; Spalte 1, Zeilen 44 bis 46; Spalte 2, Zeilen 56 bis 62).

In den Worten des Anspruchs 1 ist aus der Druckschrift E6 bekannt ein

a Verfahren zum Betreiben einer Hausanlage,
(vgl. Anspruch 1: „Anlage mit einer Türstation, die mit
mehreren Klingeltasten und einem Sprech-Hörkreis
versehen ist, und mit mehreren, den Klingeltasten
zugeordneten Wohnungsstationen, die von der Tür-
station gerufen und mit dieser verbunden werden
können“)
b mit einer ersten Station (TSt), einer zweiten Station (WSt1),
einer dritten Station (WSt2) und
(vgl. in der Figur 1 die Türstation TSt und die beiden
Wohnungsstationen WSt1 und WSt2)
c einer Signalübertragungseinrichtung (B), mit der alle drei Sta-
tionen (TSt, WSt1, WSt2) in Verbindung stehen,
(vgl. in der Figur 1 die Busleitung B, die die Tür-
station TSt und die beiden Wohnungsstationen WSt1
und WSt2 miteinander verbindet)
wobei
d eine dem Austausch vorbestimmter Signale zwischen der ers-
ten und der zweiten Station (TSt, WSt1) dienende und die
Signalübertragungseinrichtung (B) einbeziehende Verbindung
zwischen der ersten und der zweiten Station (TSt, WSt1) […]
getrennt wird
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(vgl. Spalte 1, Zeilen 31 bis 33: „die Anschaltung der
Stationsschaltung der gerufenen Wohnungsstation
beim Empfang eines nachfolgenden, nicht zugeord-
neten Rufsignals aufgehoben wird“; Spalte 2, Zei-
len 56 bis 62: „bleibt in der gerufenen Wohnungssta-
tion WSt die Stationsschaltung STS solange ange-
schaltet, bis ein nachfolgendes, nicht zugeordnetes
Rufsignal über den Dekoder D und die Mithör-
sperre MS die Sprechwegaufschaltung SAS an-
steuert und die Stationsschaltung STS abschaltet.“;
Anspruch 8: „und beim Empfang aller nicht zugeord-
neter Rufsignale ein zweites Ausgangssignal zur
Sperrung oder Abschaltung der Stationsschal-
tung (STS) abgibt.“)

Soweit stimmt der Gegenstand des Anspruchs 1 mit dem aus der Druckschrift E6
bekannten Verfahren überein.

Als Unterschied verbleibt das Merkmal e, denn gemäß der Druckschrift E6 führt
bereits der an die dritte Station (WSt2) gerichtete Ruf, z. B. ausgelöst durch einen
weiteren Besucher, der an der Türstation (TSt) die der dritten Station (WSt2) zuge-
ordnete Klingeltaste drückt, zur Trennung der zwischen erster Station (TSt) und
zweiter Station (WSt1) bestehenden Verbindung, also auch dann, wenn die Teil-
nehmer der ersten Verbindung noch sprechen sollten, wohingegen die Trennung
gemäß Anspruch 1 der hier vorliegenden Anmeldung erst durch die Rufannahme
in der dritten Station (WSt2), z. B. durch Aufnahme des Hörers, ausgelöst wird.

Die Druckschrift E6 beschäftigt sich mit einer Hausanlage, die für eine große
Wohneinheit eingesetzt werden soll (vgl. Druckschrift E6, Spalte 1, Zeile 11). Der
Fachmann erkennt, dass Situationen, bei denen zwei oder mehr Personen vor der
Hauseingangstür bzw. der dieser zugeordneten Türstation stehen und entspre-
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chend zwei oder mehr Wohnungen durch Drücken der entsprechenden Klingeltas-
ten kontaktieren wollen, bei der in der Druckschrift E6 genannten großen Wohn-
einheit häufig auftreten werden. Dabei ist zu berücksichtigen, dass bei großen
Wohneinheiten die Türstation mit den Wohnungsklingeln solche Abmessungen be-
sitzt, dass zwei oder mehr Personen – ohne sich gegenseitig zu stören – bequem
davor stehen und jeweils eine Klingeltaste drücken können. Sind bei einem solch
großen Haus mehrere Eingänge vorgesehen, so weist regelmäßig jeder Eingang
eine Türstation mit Klingeltasten für alle Wohnungen auf.

Damit erkennt der Fachmann, dass es bei der Hausanlage gemäß Druckschrift E6
– unabhängig davon, ob die dort genannte große Wohneinheit eine oder mehrere
Türstationen aufweist – durch das Drücken einer weiteren Klingeltaste häufig zu
einem Abbruch einer bestehenden Sprechverbindung kommen kann, was für
deren Teilnehmer sehr störend ist, insbesondere wenn zwischen der Person an
der Eingangstür und der Person in der Wohnung noch nicht kommuniziert wurde,
wer Einlass wünscht und dementsprechend auch die Tür noch nicht geöffnet
wurde.

Weiterhin ist dem Fachmann bekannt, dass sich tagsüber in vielen Wohnungen
niemand aufhält und damit viele Klingelaktionen/Kommunikationswünsche (z. B.
von Paketboten) erfolglos bleiben, d. h. nicht zu einer Rufannahme führen.

Damit stellt sich dem Fachmann ausgehend von der Druckschrift E6 die Aufgabe,
die Anzahl der unnötigen Abbrüche bestehender Sprechverbindungen zu verrin-
gern, ohne auf die Funktion der Mithörsperre zu verzichten.

Da dem Fachmann bewusst ist, dass die Gefahr des Mithörens erst bei der
Annahme eines Rufes in einer weiteren Wohnungsstation entsteht, erkennt er
ohne weiteres, dass es ausreicht, die bestehende Sprechverbindung nicht schon
bei dem Klingel-/Rufsignal, sondern erst bei dem Rufannahmesignal zu trennen
(Merkmal e).
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Damit ergibt sich der Gegenstand des Anspruchs 1 nach Hauptantrag für den
Fachmann in naheliegender Weise aus der Druckschrift E6 in Verbindung mit sei-
nem Fachwissen.

Der Vertreter der Anmelderin führte in der mündlichen Verhandlung aus, dass die
in den Jahren 1979, 1990 bzw. 1986 angemeldeten Druckschriften E1, E3 und E4
einer bestehenden Sprechverbindung Priorität einräumten und die im Jahre 1996
angemeldete Druckschrift E6 die erste sei, die einer neu aufzubauenden Verbin-
dung zu Lasten der bestehenden Verbindung Vorrang gewähre. Dagegen gehe
die Druckschrift E5, die nach der Druckschrift E6 im Jahr 1997 angemeldet wurde
und die gleiche Anmelderin wie die Druckschrift E6 habe, wieder zu der Lösung
nach den Druckschriften E1, E3 und E4 zurück. Daraus sei zu schließen, dass der
Fachmann die erstmals in der Druckschrift E6 beschriebene Unterbrechung einer
bestehenden Sprechverbindung ansprechend auf ein weiteres Rufsignal als so
nachteilig angesehen habe, dass er diesen Ansatz für die weitere Entwicklung
nicht mehr in Betracht gezogen hätte.

Dieser Sichtweise kann sich der Senat bereits deshalb nicht anschließen, weil die
Druckschrift E5 sich nicht mit der Problematik von mehreren parallelen Sprechver-
bindungen oder Verbindungswünschen beschäftigt. Vielmehr geht es der Druck-
schrift E5 darum, neben der Sprechverbindung auch eine Videoverbindung zwi-
schen der Türstation und den Wohnungsstationen zu schaffen und insbesondere
den Auf- bzw. Abbau von Sprech- und Videoverbindung parallel zu vollziehen
(Druckschrift E5, Spalte 1, Zeilen 41 bis 47).

Im Übrigen kann aus den unterschiedlichen technischen Lehren von zwei zeitlich
aufeinanderfolgenden Druckschriften derselben Anmelderin – hier die Druckschrif-
ten E6 und E5 – nicht geschlossen werden, der Fachmann hätte die Lösung der
älteren Druckschrift grundsätzlich nicht mehr in Betracht gezogen.

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5. Der Gegenstand des Anspruchs 1 nach Hilfsantrag 1 erweist sich ebenfalls
als nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhend und damit als nicht patentfä-
hig (§ 1 i. V. m. § 4 PatG).

Der Druckschrift E6 ist nichts hinsichtlich der Abfolge der Verfahrensschritte „Tren-
nen einer bestehenden Verbindung“ und „Herstellung einer neuen Verbindung“ als
Reaktion auf ein Rufsignal zu entnehmen. Aus der Figur 3 und der zugehörigen
Beschreibung (Druckschrift E6, Spalte 2, Zeilen 39 bis 56) ist nur entnehmbar,
dass der Dekoder D in der gerufenen Wohnungsstation als Reaktion auf das Ruf-
signal die Sprechwegaufschaltung SAS mittels seines ersten Ausgangssignals
aktiviert bzw. dass die Dekoder D in den nicht adressierten Wohnungsstationen
als Reaktion auf das nicht an sie gerichtete Rufsignal mittels ihres zweiten Aus-
gangssignals über die Mithörsperre MS die Sprechwegaufschaltung SAS deakti-
vieren. Dabei ist dem Fachmann bewusst, dass bei dem aus der Druckschrift E6
bekannten Verfahren ohne weitere Maßnahmen ein ungewolltes Mithören eines
Gesprächs nicht ausgeschlossen ist. Denn durch eine gestörte Signalübertragung
zu bzw. durch eine fehlerhafte Signalauswertung in den nicht gerufenen Woh-
nungsstationen sind ein paralleler Betrieb zweier Sprechverbindungen und damit
ein Mithören offenbar möglich.

Auch bei der sich, wie zum Anspruch 1 nach Hauptantrag ausgeführt, für den
Fachmann in naheliegender Weise ergebenden Trennung der bestehenden Ver-
bindung erst bei Rufannahme an einer weiteren Station, könnte der Dekoder in
dieser gerufenen Station als Reaktion auf die Rufannahme bzw. auf das Rufan-
nahmesignal unmittelbar ein Signal zur Herstellung der neuen Verbindung erzeu-
gen, während gleichzeitig der Dekoder in der nicht gerufenen, noch aktiven Woh-
nungsstation, ein Signal zur Trennung der bestehenden Verbindung als Reaktion
auf das Rufannahmesignal erzeugt. Auch hier erkennt der Fachmann jedoch, dass
durch eine fehlerhafte Signalübertragung bzw. -auswertung des Rufannahme-
signals zwei Sprechverbindungen gleichzeitig existieren könnten und somit ein
ungewolltes Mithören möglich wäre.
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Damit stellt sich dem Fachmann ausgehend von dem aus der Druckschrift E6
bekannten Verfahren die weitere Aufgabe, die Sicherheit gegen ungewolltes Mit-
hören zu erhöhen.

Bei der Suche nach Lösungen wird er ein fachgemäßes Antwort- bzw. Quittier-
signal in Betracht ziehen, das die zuvor aktive, nicht gerufene Wohnungsstation
als Reaktion auf ihre erfolgreiche Trennung an die Signalübertragungseinrichtung
abgibt. Ein solches Quittiersignal kann von der gerufenen Wohnungsstation
empfangen und als Freigabesignal gewertet werden (Merkmal f), welches zusätz-
lich zu dem Rufannahmesignal vorliegen muss, um die Herstellung der neuen Ver-
bindung einzuleiten (Merkmal g).

Danach ergibt sich auch der Gegenstand des Anspruchs 1 nach Hilfsantrag 1 für
den Fachmann in naheliegender Weise aus dem Stand der Technik.

Somit war die Beschwerde der Anmelderin zurückzuweisen.


Rechtsmittelbelehrung

Gegen diesen Beschluss steht den an dem Beschwerdeverfahren Beteiligten das Rechts-
mittel der Rechtsbeschwerde zu (§ 99 Abs. 2, § 100 Abs. 1, § 101 Abs. 1 PatG).

Nachdem der Beschwerdesenat in dem Beschluss die Einlegung der Rechtsbeschwerde
nicht zugelassen hat, ist die Rechtsbeschwerde nur statthaft, wenn einer der
nachfolgenden Verfahrensmängel durch substanziierten Vortrag gerügt wird (§ 100 Abs. 3
PatG):

1. Das beschließende Gericht war nicht vorschriftsmäßig besetzt.
2. Bei dem Beschluss hat ein Richter mitgewirkt, der von der Ausübung
des Richteramtes kraft Gesetzes ausgeschlossen oder wegen Besorgnis
der Befangenheit mit Erfolg abgelehnt war.
3. Einem Beteiligten war das rechtliche Gehör versagt.
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4. Ein Beteiligter war im Verfahren nicht nach Vorschrift des Gesetzes
vertreten, sofern er nicht der Führung des Verfahrens ausdrücklich oder
stillschweigend zugestimmt hat.
5. Der Beschluss ist aufgrund einer mündlichen Verhandlung ergangen, bei
der die Vorschriften über die Öffentlichkeit des Verfahrens verletzt
worden sind.
6. Der Beschluss ist nicht mit Gründen versehen.

Die Rechtsbeschwerde ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlusses beim
Bundesgerichtshof, Herrenstraße 45a, 76133 Karlsruhe, schriftlich einzulegen (§ 102
Abs. 1 PatG).

Die Rechtsbeschwerde kann auch als elektronisches Dokument, das mit einer
qualifizierten oder fortgeschrittenen elektronischen Signatur zu versehen ist, durch
Übertragung in die elektronische Poststelle des Bundesgerichtshofes eingelegt werden
(§ 125a Abs. 3 Nr. 1 PatG i. V. m. § 1, § 2 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2, Abs. 2a, Anlage (zu § 1)
Nr. 6 der Verordnung über den elektronischen Rechtsverkehr beim Bundesgerichtshof
und Bundespatentgericht (BGH/BPatGERVV)). Die elektronische Poststelle ist über die
auf der Internetseite des Bundesgerichtshofes www.bundesgerichtshof.de/erv.html
bezeichneten Kommunikationswege erreichbar (§ 2 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1
BGH/BPatGERVV). Dort sind auch die Einzelheiten zu den Betriebsvoraussetzungen
bekanntgegeben (§ 3 BGH/BPatGERVV).

Die Rechtsbeschwerde muss durch einen beim Bundesgerichtshof zugelassenen
Rechtsanwalt als Bevollmächtigten des Rechtsbeschwerdeführers eingelegt werden
(§ 102 Abs. 5 Satz 1 PatG).


Kleinschmidt Kirschneck J. Müller Matter

Ko



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