19 W (pat) 66/17  - 19. Senat (Techn.Beschw.)
Karar Dilini Çevir:

ECLI:DE:BPatG:2017:131117B19Wpat66.17.0


BUNDESPATENTGERICHT



19 W (pat) 66/17
_______________
(Aktenzeichen)



Verkündet am
13. November 2017





B E S C H L U S S

In der Beschwerdesache















betreffend das Patent 10 2011 115 092

- 2 -
hat der 19. Senat (Technischer Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf
die mündliche Verhandlung vom 13. November 2017 unter Mitwirkung des
Vorsitzenden Richters Dipl.-Ing. Kleinschmidt, der Richterin Kirschneck sowie der
Richter Dipl.-Phys. Dipl.-Wirtsch.-Phys. Arnoldi und Dr.-Ing. Kapels

beschlossen:

Die Beschwerde der Einsprechenden wird zurückgewiesen.


G r ü n d e

I.

Auf die am 7. Oktober 2011 beim Deutschen Patent- und Markenamt eingegan-
gene Patentanmeldung ist die Erteilung des nachgesuchten Patents mit der Num-
mer 10 2011 115 092 am 30. Oktober 2014 veröffentlicht worden. Es trägt die
Bezeichnung

„System zur kontaktlosen Übertragung von Energie und Daten“.

Gegen das Patent hat die Einsprechende mit Schriftsatz vom 22. Juli 2015, einge-
gangen beim Deutschen Patent- und Markenamt am selben Tag, Einspruch erho-
ben mit der Begründung, der Gegenstand des erteilten Patents sei nach den §§ 1
bis 5 PatG nicht patentfähig, gehe über den Inhalt der Anmeldung in der Fassung
hinaus, in der sie bei der für die Einreichung der Anmeldung zuständigen Behörde
ursprünglich eingereicht worden sei, und die Erfindung sei nicht so deutlich und
vollständig offenbart, dass ein Fachmann sie ausführen könne.

- 3 -
Mit dem am Ende der Anhörung vom 14. November 2016 verkündeten Beschluss
hat die Patentabteilung 1.36 des Deutschen Patent- und Markenamts das Patent
im Umfang des Hilfsantrags 6 beschränkt aufrechterhalten.

Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde der Einsprechenden vom
17. Januar 2017.

Die Einsprechende beantragt,

den Beschluss der Patentabteilung 1.36 des Deutschen Patent- und
Markenamts vom 14. November 2016 aufzuheben und das Pa-
tent 10 2011 115 092 vollständig zu widerrufen.

Die Patentinhaberin beantragt,

die Beschwerde der Einsprechenden zurückzuweisen,

hilfsweise das angegriffene Patent mit folgenden Unterlagen beschränkt
aufrechtzuerhalten:

Patentansprüche 1 bis 5 und
Beschreibung, Seiten 1 bis 11, gemäß Hilfsantrag 7 vom 14. Novem-
ber 2016,
Zeichnungen wie erteilt.

Der von der Patentabteilung für bestandsfähig erachtete Patentanspruch 1 gemäß
Hilfsantrag 6 vom 14. November 2017 lautet:

System zur kontaktlosen Übertragung von Energie und Daten,
wobei ein Mobilteil, also Fahrzeug, relativ zu einem Anlagenteil in einen
Bereich induktiver Kopplung einer Leistungsspule des Anlagenteils,
- 4 -
also ersten Leistungsspule, zu einer Leistungsspule des Mobilteils, also
zweiten Leistungsspule, hinbewegbar angeordnet ist,
wobei das Anlagenteil die erste Leistungsspule und eine erste Kommu-
nikationsspule aufweist,
wobei das Mobilteil die zweite Leistungsspule aufweist, die induktiv an
die erste Leistungsspule beim Hinbewegen ankoppelbar ist,
wobei das Mobilteil eine zweite Kommunikationsspule aufweist, welche
induktiv an die erste Kommunikationsspule ankoppelbar ist,
wobei jede Leistungsspule zwei Wicklungen aufweist und jede Kommu-
nikationsspule zwei Wicklungen aufweist,
wobei die erste Wicklung der ersten Leistungsspule und die erste Wick-
lung der ersten Kommunikationsspule um denselben Spulenkern, ins-
besondere Ferritkern, gewickelt sind
wobei die zweite Wicklung der ersten Leistungsspule und die zweite
Wicklung der ersten Kommunikationsspule um denselben Spulenkern,
insbesondere Ferritkern, gewickelt sind,
wobei die erste und zweite Wicklung der ersten Leistungsspule von-
einander beabstandet sind in derjenigen Ebene, deren Normalenrich-
tung parallel zur Wicklungsachse ausgerichtet ist,
wobei die erste Wicklung der zweiten Leistungsspule und die erste
Wicklung der zweiten Kommunikationsspule um denselben Spulenkern,
insbesondere Ferritkern, gewickelt sind,
wobei die zweite Wicklung der zweiten Leistungsspule und die zweite
Wicklung der zweiten Kommunikationsspule um denselben Spulenkern,
insbesondere Ferritkern, gewickelt sind,
wobei die erste und zweite Wicklung der zweiten Leistungsspule von-
einander beabstandet sind in derjenigen Ebene, deren Normalenrich-
tung parallel zur Wicklungsachse ausgerichtet ist,
wobei die Wicklungen jeweils mit einem derartigen Wicklungssinn aus-
geführt sind, dass von der ersten Leistungsspule keine Gesamtspan-

- 5 -
nung an der ersten und an der zweiten Kommunikationsspule induzier-
bar ist,
wobei die Wicklungen jeweils mit einem derartigen Wicklungssinn aus-
geführt sind, dass von der zweiten Leistungsspule keine Gesamtspan-
nung an der ersten und an der zweiten Kommunikationsspule indu-
zierbar ist,
wobei die von den Wicklungen der Kommunikationsspulen umwickelte
Fläche und/oder der maximale Abstand zwischen zwei Punkten der
umwickelten Flächen größer als die von den Wicklungen der Leistungs-
spulen umwickelte Fläche beziehungsweise der zugehörige maximale
Abstand zwischen zwei Punkten der entsprechenden umwickelten Flä-
chen ist,
wobei auf dem Spulenkern zusätzlich eine Kompensationswicklung pri-
märseitig vorgesehen ist,
wobei die erste Leistungsspule, die erste Kommunikationsspule und die
Kompensationsspule als in einer einzigen Ebene angeordnete Spulen-
anordnung ausgeführt sind,
wobei die Kommunikationsspule und die Leistungsspule und die Kom-
pensationsspule jeweils als Flachwicklung auf einer Leiterplatte ausge-
führt sind.

Der Vortrag der beschwerdeführenden Einsprechenden bezüglich der von ihr be-
strittenen Patentfähigkeit ist im Wesentlichen auf folgende Druckschriften gestützt:

D1: EP 1 705 673 B1
D2: US 4 827 360 A
D6: DE 102 16 422 A1
D7: DE 10 2010 001 484 A1.

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Wegen der weiteren Einzelheiten, insbesondere zum Wortlaut der abhängigen Pa-
tentansprüche sowie zum Wortlaut des Hilfsantrags 7 und zum weiteren im Ver-
fahren berücksichtigten Stand der Technik, wird auf die Akte verwiesen.


II.

1. Die Beschwerde der Einsprechenden ist statthaft und auch sonst zulässig,
aber nicht begründet.

2. Das Patent betrifft ein System zur kontaktlosen Übertragung von Energie
und Daten (Patentschrift, Absatz 0001).

Bei einem System zur kontaktlosen Übertragung von Energie und Daten sei be-
kannt, Energie von einer Primärspule an eine Sekundärspule induktiv zu übertra-
gen. Außerdem seien durch Aufmodulation von Stromanteilen, deren Frequenz
höher sei als die zur Energieübertragung verwendete Frequenz, Daten zwischen
den beiden Spulen übertragbar (Absatz 0002).

Im Stand der Technik sei beispielsweise eine Einrichtung zur kontaktlosen Über-
tragung von elektrischer Energie und elektronischen Daten zwischen einer statio-
nären und einer rotierenden Einheit offenbart, sowie ein Ladesystem zum Laden
von Elektrofahrzeugen und eine unidirektionale Strom- und eine bidirektionale Da-
tenübertragung über eine einzelne induktive Kopplung (Absätze 0003 bis 0005).

2.1 Dem Streitpatent liege die Aufgabe zugrunde, ein System zur kontaktlosen
Übertragung von Energie und Daten weiterzubilden, wobei eine sichere Daten-
übertragung ausführbar sein solle (Absatz 0006).

2.2 Als Fachmann legt der Senat seiner Entscheidung vor diesem Hintergrund
einen Diplomingenieur (FH) oder Bachelor der Fachrichtung Elektrotechnik mit
- 7 -
mehrjähriger Berufserfahrung auf dem Gebiet der induktiven Kopplungen zu-
grunde.

2.3 Die gestellte Aufgabe soll durch den Gegenstand des Patentanspruchs 1
gemäß Hilfsantrag 6 vom 14. November 2017 gelöst werden, der sich wie folgt
gliedern lässt:

1. System
1.1 zur kontaktlosen Übertragung von Energie und Daten,
1.2 wobei ein Mobilteil, also Fahrzeug, relativ zu einem Anlagenteil
in einen Bereich induktiver Kopplung einer Leistungsspule des
Anlagenteils, also ersten Leistungsspule, zu einer Leistungs-
spule des Mobilteils, also zweiten Leistungsspule, hinbewegbar
angeordnet ist,
1.3 wobei das Anlagenteil die erste Leistungsspule und
1.4 eine erste Kommunikationsspule aufweist,
1.5 wobei das Mobilteil die zweite Leistungsspule aufweist,
1.6 die induktiv an die erste Leistungsspule beim Hinbewegen
ankoppelbar ist,
1.6.1 wobei das Mobilteil eine zweite Kommunikationsspule aufweist,
welche induktiv an die erste Kommunikationsspule ankoppelbar
ist,
1.7 wobei jede Leistungsspule zwei Wicklungen aufweist und
1.8 jede Kommunikationsspule zwei Wicklungen aufweist,
1.9 wobei die erste Wicklung der ersten Leistungsspule und die
erste Wicklung der ersten Kommunikationsspule um denselben
Spulenkern, insbesondere Ferritkern, gewickelt sind
1.10 wobei die zweite Wicklung der ersten Leistungsspule und die
zweite Wicklung der ersten Kommunikationsspule um densel-
ben Spulenkern, insbesondere Ferritkern, gewickelt sind,
- 8 -
1.10.1 wobei die erste und zweite Wicklung der ersten Leistungsspule
voneinander beabstandet sind in derjenigen Ebene, deren Nor-
malenrichtung parallel zur Wicklungsachse ausgerichtet ist,
1.11 wobei die erste Wicklung der zweiten Leistungsspule und die
erste Wicklung der zweiten Kommunikationsspule um densel-
ben Spulenkern, insbesondere Ferritkern, gewickelt sind,
1.12 wobei die zweite Wicklung der zweiten Leistungsspule und die
zweite Wicklung der zweiten Kommunikationsspule um densel-
ben Spulenkern, insbesondere Ferritkern, gewickelt sind,
1.12.1 wobei die erste und zweite Wicklung der zweiten Leistungs-
spule voneinander beabstandet sind in derjenigen Ebene,
deren Normalenrichtung parallel zur Wicklungsachse ausge-
richtet ist,
1.13 wobei die Wicklungen jeweils mit einem derartigen Wicklungs-
sinn ausgeführt sind, dass von der ersten Leistungsspule keine
Gesamtspannung an der ersten und an der zweiten Kommuni-
kationsspule induzierbar ist,
1.14 wobei die Wicklungen jeweils mit einem derartigen Wicklungs-
sinn ausgeführt sind, dass von der zweiten Leistungsspule
keine Gesamtspannung an der ersten und an der zweiten
Kommunikationsspule induzierbar ist,
1.15 wobei die von den Wicklungen der Kommunikationsspulen um-
wickelte Fläche und/oder der maximale Abstand zwischen zwei
Punkten der umwickelten Flächen größer als die von den Wick-
lungen der Leistungsspulen umwickelte Fläche beziehungs-
weise der zugehörige maximale Abstand zwischen zwei Punk-
ten der entsprechenden umwickelten Flächen ist,
1.16 wobei auf dem Spulenkern zusätzlich eine Kompensationswick-
lung primärseitig vorgesehen ist,
- 9 -
1.17 wobei die erste Leistungsspule, die erste Kommunikationsspule
und die Kompensationsspule als in einer einzigen Ebene ange-
ordnete Spulenanordnung ausgeführt sind,
1.18 wobei die Kommunikationsspule und die Leistungsspule und
die Kompensationsspule jeweils als Flachwicklung auf einer
Leiterplatte ausgeführt sind.

2.4 Einige Merkmale bedürfen der Erläuterung:

Den Merkmalen 1.2 bis 1.6 entnimmt der Fachmann, dass ein Fahrzeug eine
zweite Leistungsspule und eine zweite Kommunikationsspule aufweist und relativ
zu einem Anlagenteil, welches eine erste Leistungsspule und eine erste Kommu-
nikationsspule aufweist, derart bewegbar angeordnet ist, dass es in einen Bereich
induktiver Kopplung der beiden Leistungsspulen hinbewegbar ist. Die induktive
Kopplung erfolgt dabei von der Leistungsspule des Anlagenteils zu der Leistungs-
spule des Fahrzeugs. Gemäß dem Merkmal 1.6.1 sind auch die Kommunikations-
spulen induktiv aneinander ankoppelbar.

Die Merkmale 1.7 und 1.8 legen fest, dass jede dieser Spulen jeweils genau zwei
Wicklungen aufweist. Unter einer Wicklung versteht der Fachmann eine um eine
Achse verlaufende Aufwicklung eines Drahtes ohne Unterbrechung des Wick-
lungssinns. Da im Streitpatent auch von einer Windungszahl der Wicklungen die
Rede ist (vgl. Absatz 0034), entnimmt der Fachmann dem Streitpatent überein-
stimmend mit seinem allgemeinen Fachwissen eine Unterscheidung zwischen
Windung und Wicklung, so dass nach Überzeugung des Senats für die synonyme
Auslegung der Begriffe Wicklung und Windung kein Raum ist.

Die Merkmale 1.9 und 1.10 betreffen die Leistungs- und die Kommunikationsspule
des Anlagenteils. Der Fachmann entnimmt den Merkmalen, dass deren erste
Wicklungen um einen gemeinsamen Spulenkern gewickelt sind und dass deren
jeweilige zweite Wicklung auch beide um einen gemeinsamen Spulenkern ge-
- 10 -
wickelt sind. Ob es sich dabei um einen oder zwei getrennte Spulenkerne handelt,
schränkt der Anspruch nicht ein. In gleicher Weise versteht der Fachmann die
Merkmale 1.11 und 1.12.

Dass die erste und zweite Wicklung der Leistungsspulen gemäß den Merkma-
len 1.10.1 und 1.12.1 jeweils voneinander in einer Ebene beabstandet sind, ver-
steht der Fachmann sowohl als eine Anordnung nebeneinander, als auch als eine
Anordnung, bei der eine Wicklung mit geringerem Radius gewickelt ist, so dass
diese innerhalb der anderen Wicklung angeordnet ist.

Den Merkmalen 1.13 und 1.14 entnimmt der Fachmann, dass die beiden Wicklun-
gen der Kommunikationsspulen jeweils zueinander entgegengesetzt ausgeführt
sind, so dass von keiner der beiden Leistungsspulen eine Gesamtspannung in
diese induzierbar ist.

Der Fachmann versteht unter der in den Merkmalen 1.16 bis 1.18 genannten
Kompensationswicklung bzw. Kompensationsspule eine Spule, die der Erfassung
eines nicht bezeichneten elektromagnetischen Störfeldes dient und ein Signal
ausgibt, dass man zur Kompensation des Einflusses des erfassten Feldes ver-
wenden kann (vgl. Druckschrift D7, Absätze 0008 bis 0014). Diese ist primärseitig,
also im Anlagenteil vorgesehen und ist zusammen mit der Leistungs- und der
Kommunikationsspule in einer einzigen Ebene, jeweils als Flachwicklung ausge-
bildet, auf einer Leiterplatte ausgeführt.

2.5 Die Patentansprüche gemäß Hilfsantrag 6 sind zulässig. Ihre Gegenstände
gehen nicht über den Inhalt der ursprünglich eingereichten Anmeldeunterlagen
hinaus (§ 21 Abs. 1 Nr. 4 PatG).

Die Merkmale des Anspruchs 1 nach Hilfsantrag 6 sind an den folgenden Stellen
der Anmeldeunterlagen offenbart:

- 11 -
1., 1.1 ursprünglicher Anspruch 1;
1.2 ursprünglicher Anspruch 1, ursprüngliche Beschrei-
bung, Seite 9, Zeile 31 bis Seite 10, Zeile 25;
1.3 bis 1.5 ursprünglicher Anspruch 1;
1.6 ursprüngliche Beschreibung, Seite 10, Zeilen 22-24;
1.6.1 bis 1.8 ursprünglicher Anspruch 1;
1.9, 1.10 ursprünglicher Anspruch 4; ursprüngliche Beschrei-
bung, Seite 4, Zeile 10;
1.11, 1.12 ursprünglicher Anspruch 4; ursprüngliche Beschrei-
bung, Seite 4, Zeile 10;
1.10.1, 1.12.1 ursprünglicher Anspruch 5;
1.13, 1.14 ursprünglicher Anspruch 1;
1.15 ursprünglicher Anspruch 9;
1.16, 1.17 ursprünglicher Anspruch 10;
1.18 ursprünglicher Anspruch 11.

Bezüglich des Merkmals „also Fahrzeug“ im Merkmal 1.2 argumentiert die Ein-
sprechende, dass in der ursprünglichen Beschreibung auf der Seite 9 in den Zei-
len 26 bis 28 offenbart sei, dass das Fahrzeug „einen elektrischen Antrieb
und/oder einen Energiespeicher“ aufweise. Diese Merkmale seien jedoch nicht in
den Anspruch 1 aufgenommen worden.
Entgegen der Auffassung der Einsprechenden führt dies jedoch nicht zu einer un-
zulässigen Erweiterung, denn auf Seite 8, Zeilen 13, 14 der ursprünglichen Be-
schreibung ist der elektrischer Antrieb als beispielhaft für einen Verbraucher des
Fahrzeugs charakterisiert.

Des Weiteren meint die Einsprechende bezüglich der Merkmale 1.9 und 1.10,
dass durch die Streichung der Zusätze des „ersten“ und des „zweiten“ Spulenkern
die Anmeldung unzulässig erweitert worden sei, da ursprünglich ein zumindest
zwei Schenkel besitzender Kern beansprucht wurde. Der geltende Anspruch

- 12 -
würde auch einen Kern mit nur einem Schenkel zulassen, was nicht durch die
ursprünglichen Unterlagen gestützt sei.
Hierzu ist festzustellen, dass sowohl in dem ursprünglichen Anspruch 4, als auch
in der Beschreibung auf der Seite 4 in der Zeile 10 offenbart ist, dass „der erste
und zweite Spulenkern einstückig ausgeführt“ sein kann. Diesen Offenbarungs-
stellen entnimmt der Fachmann somit unmittelbar und eindeutig, dass der erste
und zweite Kern auch als ein Stück und somit als ein Kern ausgeführt sein kön-
nen. Dementsprechend sind auch die Merkmale 1.11 und 1.12 durch die ursprüng-
lichen Unterlagen gestützt.

Die Einsprechende vertritt weiter die Auffassung, dass die Streichung des Binde-
wortes „insbesondere“ in den Merkmalen 1.10.1 und 1.12.1 nicht zulässig sei.

Diese Streichung ist jedoch zulässig, da der Fachmann dem ursprünglichen An-
spruch 5 sowohl die allgemeine Ausführungsform der Beabstandung der ersten
und zweiten Wicklung, als auch die Einschränkung, in welcher Ebene beide Wick-
lungen voneinander beabstandet sind, entnehmen kann.

Die Ansprüche 2 bis 7 gehen in zulässiger Weise auf die am Anmeldetag einge-
reichten Ansprüche 2 bis 4 und 6 bis 8 zurück.

2.6 Die Erfindung ist so deutlich und vollständig offenbart, dass ein Fachmann
sie ausführen kann (§ 21 Abs. 1 Nr. 2 PatG).

Die Einsprechende meint, dass der Fachmann im Streitpatent keine Anleitung
fände, wie die beiden Anlagenteile zueinander stehen müssten, damit eine fehler-
freie Funktion nach Anspruch 1 gegeben sei. Wenn sich ausschließlich eine
Wicklung der ersten Leitungsspule und eine Wicklung der zweiten Kommunika-
tionsspule gegenüber stünden, entstünde eine Situation, in welcher über die erste
Leistungsspule nur in einen Teil der zweiten Kommunikationsspule eine Spannung
induziert würde. Da hierbei der zweite Teil der Kommunikationsspule nicht durch-
- 13 -
flutet werde, werde dort auch keine Spannung induziert. Somit addiere sich die
Gesamtspannung nicht zu null.
In ständiger Rechtsprechung ist anerkannt, dass eine für die Ausführbarkeit aus-
reichende Offenbarung grundsätzlich bereits dann anzunehmen ist, wenn min-
destens ein Weg aufgezeigt ist, auf dem die Erfindung ausgeführt werden kann
(BGH, Urteil vom 18. Dezember 2013 – X ZR 66/12, BeckRS 2014, 02946,
Rdn. 35; Urteil vom 24. September 2003 – X ZR 7/00, GRUR 2004, 47, Rdn. 32
– blasenfreie Gummibahn I; Urteil vom 3. Mai 2001 – X ZR 168/97, GRUR 2001,
813 – Taxol). Das durch die Beschreibung und die Figuren 1 und 2 erläuterte, in
Patentanspruch 1 unter Schutz gestellte System aus einander gegenüber liegen-
dem Anlagen- und Mobilteil genügt diesen Anforderungen und ist für den Fach-
mann ohne Weiteres nacharbeitbar und führt in dieser Konstellation dazu, dass
keine Gesamtspannung an der ersten und an der zweiten Kommunikationsspule
induzierbar ist.

Weiter meint die Einsprechende, dass für den Fachmann nicht offenbart bzw. er-
sichtlich sei, welchen Zweck die Kompensationswicklung im Zusammenhang mit
der beanspruchten Anordnung erfülle, wie die Kompensationswicklung zu bestro-
men sei, welchen Wickelsinn die Kompensationswicklung haben müsse, welche
Anzahl an Windungen vorhanden sein müsse und was kompensiert werden solle.
Dem allgemeinen Fachwissen des Fachmanns ist zuzurechnen, dass die induktive
Übertragung von Daten durch ein Störfeld beeinträchtigt werden kann. Es gehört
zu den Fähigkeiten des Durchschnittfachmanns, eine Spulenanordnung anzuge-
ben, die der Erfassung und/oder Kompensation eines solchen elektromagne-
tischen Störfeldes dient. Der Anmeldung entnimmt der Fachmann überdies, dass
die Kompensationsspule auf dem Spulenkern primärseitig zusätzlich vorsehbar ist
und als Flachwicklung auf einer Leiterplatte mit einer Leistungsspule und einer
Kommunikationsspule in einer Ebene ausgeführt werden kann (vgl. ursprüngliche
Beschreibung, Seite 5, Zeilen 23 bis 35 und Figur 1). Die Ermittlung konkreter
Größen, Mengen und Maße ist dabei ein für die Ausführung der Erfindung zumut-
barer Aufwand (Schulte, PatG, 10. Auflage, § 34 Rdn 358).
- 14 -
Der Gegenstand kann somit insgesamt ohne Weiteres nachgearbeitet werden.

2.7 Der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 6 gilt gegenüber dem
im Verfahren berücksichtigten Stand der Technik als neu und auch bei Einbezie-
hung des Wissens und Könnens des Fachmanns als auf einer erfinderischen
Tätigkeit beruhend (§ 1 Abs. 1 PatG i. V. m. §§ 3, 4 PatG).

Die Druckschrift EP 1 705 673 B1 (D1), deren Figuren 1 und 5 nachfolgend wie-
dergegeben sind,


Figur 1 der Druckschrift D1 Figur 5 der Druckschrift D1

offenbart, ausgedrückt in Worten des Patentanspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 6, ein

1. System (Absatz 0001: „Vorrichtung“)
1.1 zur kontaktlosen Übertragung von Energie und Daten (Ab-
satz 0021: „zur induktiven Energie- und Datenübertragung“),
1.2teils wobei ein Mobilteil („zweiter Träger 6“) relativ zu einem Anla-
genteil („erster Träger 5“) in einen Bereich induktiver Kopplung
einer Leistungsspule des Anlagenteils 5, also ersten Leistungs-
spule („primärseitige Energiewicklung 3a“), zu einer Leistungs-
spule des Mobilteils 6, also zweiten Leistungsspule („sekundär-
seitige Energiewicklung 3b“), hin bewegbar angeordnet ist („auf
der Drehgelenkwelle des Roboters angebracht“) (Absatz 0021),
- 15 -
1.3 wobei das Anlagenteil 5 die erste Leistungsspule 3a (Ab-
satz 0021) und
1.4 eine erste Kommunikationsspule („primärseitige Datenwick-
lung 4a“) aufweist (Absatz 0022),
1.5 wobei das Mobilteil 6 die zweite Leistungsspule 3b aufweist
(Absatz 0021),
1.6 die induktiv an die erste Leistungsspule 3a beim Hinbewegen
ankoppelbar ist („weist eine primärseitige Energiewicklung 3a
auf … und ein Feld erzeugt, welches in eine sekundärseitige
Energiewicklung 3b einkoppelt“) (Absatz 0021),
1.6.1 wobei das Mobilteil 6 eine zweite Kommunikationsspule („se-
kundärseitige Datenwicklung 4b“) aufweist, welche induktiv an
die erste Kommunikationsspule 4a ankoppelbar ist („wobei ein
von der primärseitigen Datenwicklung 4a erzeugtes magneti-
sches Feld in die sekundärseitige Datenwicklung 4b einkop-
pelt“) (Absatz 0022),
1.7teils wobei jede Leistungsspule 3a, 3b [eine] Wicklung aufweist
1.8 und jede Kommunikationsspule 4a, 4b zwei Wicklungen (im und
gegen den Uhrzeigersinn in Figur 5) aufweist,
1.9teils wobei die Wicklung der ersten Leistungsspule 3a und die erste
Wicklung (im Uhrzeigersinn in Figur 5) der ersten Kommunika-
tionsspule 4a um denselben Spulenkern 5, insbesondere Ferrit-
kern, gewickelt sind (Absatz 0015, Anspruch 6: „wobei der erste
und zweite Träger (5,6) als Ferritspiegel ausgeführt sind“),
1.10teils wobei die Wicklung der ersten Leistungsspule 3a und die
zweite Wicklung (gegen den Uhrzeigersinn in Figur 5) der ers-
ten Kommunikationsspule 4a um denselben Spulenkern 5, ins-
besondere Ferritkern, gewickelt sind (Absatz 0015, Anspruch 6:
„wobei der erste und zweite Träger (5,6) als Ferritspiegel aus-
geführt sind“),
- 16 -
1.11teils wobei die Wicklung der zweiten Leistungsspule 3b und die
erste Wicklung (im Uhrzeigersinn) der zweiten Kommunika-
tionsspule 4b um denselben Spulenkern 6, insbesondere Ferrit-
kern, gewickelt sind (Absatz 0015, Anspruch 6: „wobei der erste
und zweite Träger (5,6) als Ferritspiegel ausgeführt sind“),
1.12teils wobei die Wicklung der zweiten Leistungsspule 3b und die
zweite Wicklung (gegen den Uhrzeigersinn) der zweiten Kom-
munikationsspule 4b um denselben Spulenkern 6, insbeson-
dere Ferritkern, gewickelt sind (Absatz 0015, Anspruch 6: „wo-
bei der erste und zweite Träger (5,6) als Ferritspiegel ausge-
führt sind“),
1.13 wobei die Wicklungen jeweils mit einem derartigen Wicklungs-
sinn (im und gegen den Uhrzeigersinn in Figur 5) ausgeführt
sind, dass von der ersten Leistungsspule 3a keine Gesamt-
spannung an der ersten und an der zweiten Kommunikations-
spule 4a, 4b induzierbar ist (Absätze 0025, 0031: „Hierdurch
werden in den Datenleitern rechts und links des Energieleiters
entgegengesetzt gerichtete Spannungen induziert die sich in-
nerhalb einer Datenwindung aufheben“),
1.14 wobei die Wicklungen jeweils mit einem derartigen Wicklungs-
sinn (im und gegen den Uhrzeigersinn in Figur 5) ausgeführt
sind, dass von der zweiten Leistungsspule 3b keine Gesamt-
spannung an der ersten und an der zweiten Kommunikations-
spule 4a, 4b induzierbar ist (Absätze 0025, 0031: „Hierdurch
werden in den Datenleitern rechts und links des Energieleiters
entgegengesetzt gerichtete Spannungen induziert die sich in-
nerhalb einer Datenwindung aufheben“),
1.15teils wobei die von den Wicklungen der Kommunikationsspulen um-
wickelte Fläche und/oder der maximale Abstand zwischen zwei
Punkten der umwickelten Flächen größer als die von der Wick-
lung der Leistungsspulen umwickelte Fläche beziehungsweise
- 17 -
der zugehörige maximale Abstand zwischen zwei Punkten der
entsprechenden umwickelten Fläche ist (vgl. Figur 5),
1.17teils wobei die erste Leistungsspule [und] die erste Kommunikations-
spule als in einer einzigen Ebene angeordnete Spulenanord-
nung (Absatz 0013: „Flachspule“) ausgeführt sind,
1.18teils wobei die Kommunikationsspule und die Leistungsspule jeweils
als Flachwicklung (Absatz 0013: „Flachspule“) ausgeführt sind.

Der Druckschrift D1 ist dabei nicht zu entnehmen, dass es sich bei dem Mobilteil 6
um ein Fahrzeug handelt (Merkmal 1.2), sondern dass das Mobilteil beispiels-
weise auf der Drehgelenkwelle eines Roboters angebracht oder zur Energie- und
Datenübertragung zwischen Lenkspindel und Lenksäule eines Kraftfahrzeugs ein-
gesetzt wird (Absätze 0002, 0021).

Des Weiteren offenbart die Druckschrift D1 auch keine in zwei Wicklungen aufge-
teilte Leistungsspule gemäß dem Merkmal 1.7.

Dem Einwand der beschwerdeführenden Einsprechenden, dass die in der Figur 5
der Druckschrift D1 offenbarte Spule 3 mehrere Wicklungen aufweise, kann nicht
gefolgt werden, da der Fachmann der Figur 5 aufgrund der fehlenden Unterbre-
chung des Wicklungssinns eindeutig eine Spule 3 mit zwei Windungen einer Wick-
lung entnimmt und überdies auch in dem Absatz 0031 der Druckschrift D1 explizit
von „zwei Energiewindungen einer Energiewicklung 3“ die Rede ist. Auch in Fi-
gur 7 der Druckschrift D1 ist keine Spule 3 mit zwei Wicklungen entnehmbar, denn
dort erfolgt eine Umkehr des Wicklungssinns bereits nach einer Halbwindung, also
innerhalb der einzigen Wicklung.

Dementsprechend sind auch die Merkmale 1.9, 1.10, 1.11, 1.12 und 1.15 nur teil-
weise und die Merkmale 1.10.1 und 1.12.1 nicht offenbart.

- 18 -
Überdies ist der Druckschrift D1 keine Kompensationswicklung bzw. Kompensa-
tionsspule und keine Leiterplatte zu entnehmen (Merkmale 1.16 bis 1.18).

Das System des Patentanspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 6 ist daher neu gegenüber
dem Gegenstand der Druckschrift D1.

Auch aus keiner anderen der im Verfahren genannten Druckschriften sind Leis-
tungsspulen mit zwei Wicklungen bekannt.

Die Argumentation der Einsprechenden, wonach die Lehre der Druckschrift D1 für
den Fachmann auf eine beliebige Anzahl an Wicklungen übertragbar sei, beruht
nach Erkenntnis des Senats auf einer rückschauenden Betrachtung in Kenntnis
der Erfindung.

So ist aus der Druckschrift D1 kein Anlass erkennbar, aus dem der Fachmann in
Betracht gezogen hätte, den Wicklungssinn der Leistungsspulen 3a und 3b zu
unterbrechen und diese jeweils als zwei voneinander getrennte Aufwicklungen
auszuführen.

Die übrigen Druckschriften liegen nach Prüfung durch den Senat noch weiter ab
und liefern zur Überzeugung des Senats keine Anregungen in Richtung auf den
Gegenstand des Patentanspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 6.

Somit gelangte der Fachmann weder durch die Druckschrift D1, noch in Verbin-
dung mit den übrigen im Verfahren befindlichen Druckschriften in naheliegender
Weise zum Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 6. Der Gegenstand
des Patentanspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 6 beruht somit auf einer erfinderischen
Tätigkeit.

3. Die Beschwerde der Einsprechenden war daher zurückzuweisen.

- 19 -
Rechtsmittelbelehrung

Gegen diesen Beschluss steht den an dem Beschwerdeverfahren Beteiligten das Rechts-
mittel der Rechtsbeschwerde zu (§ 99 Abs. 2, § 100 Abs. 1, § 101 Abs. 1 PatG).

Nachdem der Beschwerdesenat in dem Beschluss die Einlegung der Rechtsbeschwerde
nicht zugelassen hat, ist die Rechtsbeschwerde nur statthaft, wenn einer der nach-
folgenden Verfahrensmängel durch substanziierten Vortrag gerügt wird (§ 100 Abs. 3
PatG):

1. Das beschließende Gericht war nicht vorschriftsmäßig besetzt.
2. Bei dem Beschluss hat ein Richter mitgewirkt, der von der Ausübung
des Richteramtes kraft Gesetzes ausgeschlossen oder wegen Besorgnis
der Befangenheit mit Erfolg abgelehnt war.
3. Einem Beteiligten war das rechtliche Gehör versagt.
4. Ein Beteiligter war im Verfahren nicht nach Vorschrift des Gesetzes
vertreten, sofern er nicht der Führung des Verfahrens ausdrücklich oder
stillschweigend zugestimmt hat.
4. Der Beschluss ist aufgrund einer mündlichen Verhandlung ergangen, bei
der die Vorschriften über die Öffentlichkeit des Verfahrens verletzt
worden sind.
6. Der Beschluss ist nicht mit Gründen versehen.

Die Rechtsbeschwerde ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlusses beim
Bundesgerichtshof, Herrenstraße 45a, 76133 Karlsruhe, schriftlich einzulegen (§ 102
Abs. 1 PatG).

Die Rechtsbeschwerde kann auch als elektronisches Dokument, das mit einer qualifizier-
ten oder fortgeschrittenen elektronischen Signatur zu versehen ist, durch Übertragung in
die elektronische Poststelle des Bundesgerichtshofes eingelegt werden (§ 125a Abs. 3
Nr. 1 PatG i. V. m. § 1, § 2 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2, Abs. 2a, Anlage (zu § 1) Nr. 6 der Ver-
ordnung über den elektronischen Rechtsverkehr beim Bundesgerichtshof und Bundes-
patentgericht (BGH/BPatGERVV)). Die elektronische Poststelle ist über die auf der Inter-
netseite des Bundesgerichtshofes www.bundesgerichtshof.de/erv.html bezeichneten
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Kommunikationswege erreichbar (§ 2 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 BGH/BPatGERVV). Dort sind
auch die Einzelheiten zu den Betriebsvoraussetzungen bekanntgegeben (§ 3
BGH/BPatGERVV).

Die Rechtsbeschwerde muss durch einen beim Bundesgerichtshof zugelassenen Rechts-
anwalt als Bevollmächtigten des Rechtsbeschwerdeführers eingelegt werden (§ 102
Abs. 5 Satz 1 PatG).


Kleinschmidt Kirschneck Arnoldi Dr. Kapels

Ko



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