19 W (pat) 53/17  - 19. Senat (Techn.Beschw.)
Karar Dilini Çevir:

BPatG 154
05.11

BUNDESPATENTGERICHT



19 W (pat) 53/17
_______________
(Aktenzeichen)



Verkündet am
26. Juli 2017





B E S C H L U S S


In der Beschwerdesache

















betreffend das Patent 10 2006 045 976
- 2 -
hat der 19. Senat (Technischer Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf
die mündliche Verhandlung vom 26. Juli 2017 unter Mitwirkung des Vorsitzenden
Richters Dipl.-Ing. Kleinschmidt, der Richterin Kirschneck sowie der Richter
Dipl.-Phys. Arnoldi und Dr.-Ing. Kapels

beschlossen:

Die Beschwerde der Patentinhaberin wird zurückgewiesen.

G r ü n d e

I.

Auf die am 27. September 2006 beim Deutschen Patent- und Markenamt einge-
gangene Patentanmeldung ist die Erteilung des nachgesuchten Patents mit der
Nummer 10 2006 045 976 am 31. Januar 2013 veröffentlicht worden. Es trägt die
Bezeichnung
„Durchflussmessgerät“.

Gegen das Patent hat die Einsprechende mit Schriftsatz vom 30. April 2013, ein-
gegangen beim Deutschen Patent- und Markenamt per Fax am selben Tag, Ein-
spruch erhoben mit der Begründung, der Gegenstand des Streitpatents weise
keine Patentfähigkeit auf und gehe über den Inhalt der Anmeldung in der Fassung
hinaus, in der sie bei der für die Einreichung zuständigen Behörde ursprünglich
eingereicht worden sei.

Die Einsprechende hat ihren Vortrag bezüglich der fehlenden Patentfähigkeit unter
anderem auf folgende Unterlagen gestützt:

D4: EP 0 660 919 B1
D5: DE 10 2004 017 211 B3.
- 3 -
Mit dem am Ende der Anhörung vom 13. Juli 2016 verkündeten Beschluss hat die
Patentabteilung 1.52 des Deutschen Patent- und Markenamts das Patent wider-
rufen.

Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde der Patentinhaberin vom
8. September 2016.

Die Vertreter der Patentinhaberin beantragen in der mündlichen Verhandlung am
26. Juli 2017,

den Beschluss der Patentabteilung 1.52 des Deutschen Patent- und
Markenamts vom 13. Juli 2016 aufzuheben und das Pa-
tent 10 2006 045 976 in der erteilten Fassung, hilfsweise mit folgenden
Unterlagen beschränkt aufrecht zu erhalten:

Patentansprüche 1 bis 5 gemäß Hilfsantrag 1 und
angepasste Beschreibung, überreicht in der mündlichen Verhandlung
am 26. Juli 2017,

weiter hilfsweise,

Patentansprüche 1 bis 4 gemäß Hilfsantrag 2 und
angepasste Beschreibung, überreicht in der mündlichen Verhandlung
am 26. Juli 2017,

weiter hilfsweise,

Patentansprüche 1 bis 3 gemäß Hilfsantrag 3 und
angepasste Beschreibung, überreicht in der mündlichen Verhandlung
am 26. Juli 2017,

- 4 -
weiter hilfsweise,

Patentansprüche 1 bis 5 gemäß Hilfsantrag 4 und
angepasste Beschreibung, überreicht in der mündlichen Verhandlung
am 26. Juli 2017,

Zeichnungen zu den Hilfsanträgen jeweils wie erteilt.

Der Vertreter der Einsprechenden beantragt,

die Beschwerde der Patentinhaberin zurückzuweisen.

Der Patentanspruch 1 erteilter Fassung (Hauptantrag) lautet:

1. Verwendung eines magnetisch-induktiven Durchflussmessgeräts in
einer Abfüllmaschine, die zum Abfüllen von flüssigen Lebensmitteln
dient, zur Durchflussmessung eines strömenden Mediums, wobei das
magnetisch-induktive Durchflussmessgerät aufweist: ein Meßrohr (1)
zum Führen des Mediums und eine im Bereich des Meßrohrs (1) vorge-
sehene Durchflussmesseinrichtung, wobei einstückig mit dem Meß-
rohr (1) ein Ventilgehäuse ausgebildet ist und das Ventilgehäuse (2) in
Strömungsrichtung gesehen hinter der Durchflussmesseinrichtung vor-
gesehen ist.

Der Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag 1 vom 26. Juli 2017 lautet:

1. Verwendung eines magnetisch-induktiven Durchflussmessgeräts in
einer Abfüllmaschine, die zum Abfüllen von flüssigen Lebensmitteln
dient, zur Durchflussmessung eines strömenden Mediums, wobei das
magnetisch-induktive Durchflussmessgerät aufweist: ein Meßrohr (1)
zum Führen des Mediums und eine im Bereich des Meßrohrs (1) vorge-
- 5 -
sehene Durchflussmesseinrichtung, wobei einstückig mit dem Meß-
rohr (1) ein Ventilgehäuse ausgebildet ist und das Ventilgehäuse (2) in
Strömungsrichtung gesehen hinter der Durchflussmesseinrichtung vor-
gesehen ist und wobei das Ventilgehäuse (2) und das Meßrohr (1) aus
einem gemeinsamen Werkstück hergestellt sind.

Der Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag 2 vom 26. Juli 2017 lautet:

1. Verwendung eines magnetisch-induktiven Durchflussmessgeräts in
einer Abfüllmaschine, die zum Abfüllen von flüssigen Lebensmitteln
dient, zur Durchflussmessung eines strömenden Mediums, wobei das
magnetisch-induktive Durchflussmessgerät aufweist: ein Meßrohr (1)
zum Führen des Mediums und eine im Bereich des Meßrohrs (1) vor-
gesehene Durchflussmesseinrichtung, wobei einstückig mit dem Meß-
rohr (1) ein Ventilgehäuse ausgebildet ist und das Ventilgehäuse (2) in
Strömungsrichtung gesehen hinter der Durchflussmesseinrichtung vor-
gesehen ist, wobei das Ventilgehäuse (2) und das Meßrohr (1) aus
einem gemeinsamen Werkstück hergestellt sind und wobei das Meß-
rohr (1) und das Ventilgehäuse (2) aus Keramik hergestellt sind.

Der Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag 3 vom 26. Juli 2017 lautet:

1. Verwendung eines magnetisch-induktiven Durchflussmessgeräts in
einer Abfüllmaschine, die zum Abfüllen von flüssigen Lebensmitteln
dient, zur Durchflussmessung eines strömenden Mediums, wobei das
magnetisch-induktive Durchflussmessgerät aufweist: ein Meßrohr (1)
zum Führen des Mediums und eine im Bereich des Meßrohrs (1) vor-
gesehene Durchflussmesseinrichtung, wobei einstückig mit dem Meß-
rohr (1) ein Ventilgehäuse ausgebildet ist und das Ventilgehäuse (2) in
Strömungsrichtung gesehen hinter der Durchflussmesseinrichtung vor-
gesehen ist, wobei das Ventilgehäuse (2) und das Meßrohr (1) aus
- 6 -
einem gemeinsamen Werkstück hergestellt sind, wobei das Meßrohr (1)
und das Ventilgehäuse (2) aus Keramik hergestellt sind und wobei in
dem Ventilgehäuse (2) ein bewegbarer Ventilkörper (3) vorgesehen ist,
der ebenfalls aus Keramik hergestellt ist.

Der Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag 4 vom 26. Juli 2017 lautet:

1. Verwendung eines magnetisch-induktiven Durchflussmessgeräts in
einer Abfüllmaschine, die zum Abfüllen von flüssigen Lebensmitteln
dient, zur Durchflussmessung eines strömenden Mediums, wobei das
magnetisch-induktive Durchflussmessgerät aufweist: ein Meßrohr (1)
zum Führen des Mediums und eine im Bereich des Meßrohrs (1) vor-
gesehene Durchflussmesseinrichtung, wobei einstückig mit dem Meß-
rohr (1) ein Ventilgehäuse ausgebildet ist und das Ventilgehäuse (2) in
Strömungsrichtung gesehen hinter der Durchflussmesseinrichtung vor-
gesehen ist, wobei das Ventilgehäuse (2) einstückig an das Meßrohr (1)
angefügt ist.

Wegen der weiteren Einzelheiten, insbesondere zum Einspruchsverfahren vor der
Patentabteilung und zum Wortlaut der jeweiligen abhängigen Patentansprüche
sowie zum weiteren im Verfahren berücksichtigten Stand der Technik, wird auf
den Akteninhalt verwiesen.


II.

1. Die Beschwerde der Patentinhaberin ist statthaft und auch sonst zulässig
(§ 73 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 PatG, § 6 Abs. 1 Satz 1 PatKostG). Die Be-
schwerde hat jedoch keinen Erfolg. Die Patentabteilung hat das Patent im Ergeb-
nis zu Recht widerrufen.

- 7 -
2. Hinsichtlich der Zulässigkeit des Einspruchs gemäß § 59 Abs. 1 PatG
bestehen keine Bedenken.

Entgegen der Auffassung der Patentinhaberin war die auswärtige Einsprechende
mit Sitz in der Schweiz auch wirksam durch einen Inlandsvertreter gemäß § 25
PatG vertreten. Der Einspruch wurde mit Schriftsatz vom 30. April 2013 namens
und im Auftrag der E… AG in R…, S…, eingelegt
und von Dr. H… mit Hinweis auf die Allgemeine Vollmacht (AV) 297/01
unterzeichnet. Wenngleich der Einspruchsschriftsatz auf Briefbogen der
E… AG+Co. KG in W…, verfasst und in der
Schlusszeile „E… AG+Co. KG PatServe“ angegeben
ist, ergibt die Auslegung, dass die Einsprechende nicht von dieser Gesellschaft
vertreten worden ist, sondern von dem als Patentanwalt zugelassenen
Dr. H… als Inlandsvertreter gemäß § 25 PatG. Hierauf weist eindeutig
der Inhalt der angegebenen, beim Deutschen Patent- und Markenamt hinterlegten
Allgemeinen Vollmacht 297/01 hin, wonach Patentanwalt Dr. H… von
der E… AG in CH R…, zu ihrem Vertreter in den
zum Geschäftskreis des Deutschen Patent- und Markenamts gehörenden Angele-
genheiten unter Einschluss der Bestellung zum Inlandvertreter gemäß § 25 PatG
bestellt ist.

3. Das Patent betrifft die Verwendung eines magnetisch-induktiven Durch-
flussmessgeräts in einer Abfüllmaschine, die zum Abfüllen von flüssigen Lebens-
mitteln dient, zur Durchflussmessung eines strömenden Mediums (Patentschrift,
Absatz 0001).

Nach dem Faradayschen Induktionsgesetz entstehe in einem strömenden
Medium, das Ladungsträger mit sich führe und durch ein Magnetfeld hindurch-
fließe, eine elektrische Feldstärke senkrecht zur Strömungsrichtung und senkrecht
zum Magnetfeld. Innerhalb dieses Magnetfelds liefere jedes sich durch das Ma-
gnetfeld bewegende und eine gewisse Anzahl von Ladungsträgern aufweisende
- 8 -
Volumenelement des strömenden Mediums mit der in diesem Volumenelement
entstehenden Feldstärke einen Beitrag zu einer über Messelektroden abgreifbaren
Messspannung. Die Messelektroden würden bei bekannten magnetisch-induktiven
Durchflussmessgeräten derart ausgeführt, dass sie entweder galvanisch oder ka-
pazitiv mit dem strömenden Medium gekoppelt seien (Absätze 0003 und 0004).
Wenigstens im Bereich der Messelektroden sei es erforderlich, dass der Innenbe-
reich des Messrohrs elektrisch isolierend sei oder eine elektrisch isolierende Aus-
kleidung aufweise. Insbesondere könne dazu vorgesehen sein, dass das Mess-
rohr aus einer Keramik hergestellt sei, in die die Messelektroden beispielsweise
eingesintert seien (Absatz 0005).
Aus dem Stand der Technik sei beispielsweise ein Druckreduzierventil bekannt,
dessen Gehäuse und Rotor aus keramischem Material hergestellt sei (Ab-
satz 0008).
Bei der Verwendung eines magnetisch-induktiven Durchflussmessgeräts für eine
Abfüllmaschine, die zum Abfüllen von flüssigen Lebensmitteln diene, seien zwei
Anforderungen von wesentlicher Bedeutung: Erstens müsse den hygienischen
Ansprüchen entsprochen werden, was bedeute, dass die Leitungen und An-
schlüsse sowie die Übergänge zwischen einzelnen Bauteilen hygienischen Stan-
dards entsprechen müssten. Zweitens müsse ein für eine Abfüllmaschine vorge-
sehenes magnetisch-induktives Durchflussmessgerät hinreichend klein-bauend
sein, damit die Abfüllmaschine auf platzsparende Weise mit einer Vielzahl derarti-
ger magnetisch-induktiver Durchflussmessgeräte ausgestattet werden könne (Ab-
satz 0010).

Aufgabe sei es daher, eine Verwendung eines magnetisch-induktiven Durchfluss-
messgeräts anzugeben, das kompakt sei und auf einfache Weise den für Abfüll-
maschinen geltenden Hygienestandards entsprechen könne (Absatz 0011).

- 9 -
3.1 Als Fachmann legt der Senat seiner Entscheidung vor diesem Hintergrund
einen Diplomingenieur (FH) oder Bachelor der Fachrichtung Maschinenbau mit
mehrjähriger Berufserfahrung in der Entwicklung von Durchflussmessgeräten für
Abfüllanlagen, insbesondere zum Abfüllen flüssiger Lebensmittel, zugrunde.

3.2 Die gestellte Aufgabe soll mit den im Patentanspruch 1 gemäß Hauptantrag
angegebenen Mitteln gelöst werden, der sich wie folgt gliedern lässt:

M1 Verwendung eines magnetisch-induktiven Durchflussmessge-
räts in einer Abfüllmaschine,

M1.1 die zum Abfüllen von flüssigen Lebensmitteln dient,

M1.2 zur Durchflussmessung eines strömenden Mediums,
wobei das magnetisch-induktive Durchflussmessgerät aufweist,

M2 ein Messrohr (1) zum Führen des Mediums und

M3 eine im Bereich des Messrohrs (1) vorgesehene Durchfluss-
messeinrichtung,

M4 wobei einstückig mit dem Messrohr (1) ein Ventilgehäuse aus-
gebildet ist und

M5 das Ventilgehäuse (2) in Strömungsrichtung gesehen hinter der
Durchflussmesseinrichtung vorgesehen ist.

3.3 Einige Merkmale bedürfen der Erläuterung:

Unter der im Merkmal M3 genannten „Durchflussmesseinrichtung“ versteht der
Fachmann eine einen Durchfluss erfassende Komponente, beispielsweise Mess-
- 10 -
elektroden, eines Durchflussmessgeräts. Der Angabe „im Bereich“ entnimmt der
Fachmann, dass diese Komponente an einer beliebigen Stelle im Messrohr, wel-
ches das Medium führt, angeordnet ist.

Die Formulierung „einstückig“ im Merkmal M4 versteht der Fachmann im gegebe-
nen Zusammenhang sowohl dahingehend, dass das Messrohr und das Ventilge-
häuse zumindest derart aneinandergefügt sind, dass eine unter hygienischen Ge-
sichtspunkten einwandfreie Fügestelle ohne Übergangsfläche vom Messrohr auf
das Ventilgehäuse (vgl. Streitpatentschrift, Absatz 0013) und ohne separate
Dichtung entsteht, als auch, dass das Messrohr und das Ventilgehäuse aus einem
einzigen Werkstück hergestellt sind.

3.4 Die geltenden Patentansprüche sind zulässig.

Ihre Gegenstände gehen nicht über den Inhalt der ursprünglich eingereichten
Anmeldeunterlagen hinaus (§ 21 Abs. 1 Nr. 4 PatG).

Insbesondere ist der Wechsel von dem ursprünglich beanspruchten Durchfluss-
messgerät zur Verwendung eines magnetisch-induktiven Durchflussmessgeräts
gemäß dem erteilten Patentanspruch 1 (Hauptantrag) zulässig. Die Verwendung
magnetisch-induktiver Durchflussmessgeräte für Abfüllmaschinen, mit denen flüs-
sige Lebensmittel abgefüllt werden, ist nämlich bereits auf der Seite 1 in den Zei-
len 10 bis 14 der ursprünglichen Beschreibung offenbart.

4. Die Gegenstände der jeweiligen Ansprüche 1 nach Hauptantrag und Hilfs-
anträgen sind nicht patentfähig (§ 21 Abs. 1 Nr. 1 PatG).

4.1 Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 nach Hauptantrag beruht für den
Fachmann in Kenntnis der Druckschrift D5 nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit
(§ 4 PatG).

- 11 -
Aus der Druckschrift DE 10 2004 017 211 B3 (D5) – vgl. Figuren 1 bis 2 – ist in
Worten der Patentschrift ausgedrückt Folgendes bekannt: Die

M1 Verwendung eines magnetisch-in-
duktiven Durchflussmessgeräts
(Absatz 0017: „magnetischen in-
duktiven Durchflussmesser 13“) in
einer Abfüllmaschine (Absätze
0002, 0018: „Füllmaschine“),

M1.1 die zum Abfüllen von flüssigen Le-
bensmitteln (Absatz 0002: „zum
Füllen von Flaschen mit Geträn-
ken“) dient,

M1.2 zur Durchflussmessung eines
strömenden Mediums (Absatz
0017: „zur Messung der durch den
Füllgutstrom im Magnetfeld
erzeugten und der Durchfluss-
menge entsprechenden elektri-
schen Messspannung“),

Figur 1 der Druckschrift D5

wobei das magnetisch-induktive Durchflussmessgerät aufweist,

M2 ein Messrohr (Absatz 0017: „Gehäuseteil 6.2“, Absatz 0020:
„Durchmesser“) zum Führen des Mediums („Füllgutstrom“) und

M3 eine im Bereich des Messrohrs (6.2) vorgesehene Durchfluss-
messeinrichtung (Absatz 0017: „Messwerk“),

- 12 -
M4teils wobei mit dem Messrohr (6.2) ein Ventilgehäuse (Absatz 0016:
„Gehäuseteil 6.3“) verbunden ist und

M5 das Ventilgehäuse (6.3) in Strömungsrichtung gesehen hinter
der Durchflussmesseinrichtung („Messwerk“) vorgesehen ist.

Der Druckschrift D5 ist dabei nicht zu entnehmen, dass das Messrohr (6.2) und
das Ventilgehäuse (6.3) einstückig ausgebildet sind, wie das gemäß dem Merk-
mal M4rest vorgesehen ist.

In welchem Umfang und mit welcher Konkretisierung der Fachmann Anregungen
im Stand der Technik benötigt, um eine bekannte Lösung in bestimmter Weise
weiterzuentwickeln ist eine Frage des Einzelfalls, deren Beantwortung eine Ge-
samtbetrachtung aller maßgeblichen Sachverhaltselemente erfordert. Dabei sind
nicht etwa nur ausdrückliche Hinweise an den Fachmann beachtlich. Vielmehr
können auch Eigenarten des in Rede stehenden technischen Fachgebiets, insbe-
sondere betreffend die Ausbildung von Fachleuten, die übliche Vorgehensweise
bei der Entwicklung von Neuerungen, technische Bedürfnisse, die sich aus der
Konstruktion oder der Anwendung des in Rede stehenden Gegenstands ergeben
und auch nicht-technische Vorgaben eine Rolle spielen (BGH, Beschluss vom
20. Dezember 2011 – X ZB 6/10 – Installiereinrichtung II).

Vorliegend stellt sich dem Fachmann die Aufgabe, kostengünstig durch Verwen-
dung weniger Teile zu bauen und bekannte Vorrichtungen zu vereinfachen, aus-
gehend von der Anordnung nach der DE 10 2004 017 211 B3 (D5) angesichts der
ihm bekannten Praxisanforderungen von selbst (vgl. BGH, Urteil vom 11. Novem-
ber 2003 – X ZR 61/99, juris, Tz. 51). Der Fachmann konnte diesbezüglich bereits
der Druckschrift D5 entnehmen, dass die Reduzierung der Anzahl der abzudich-
tenden Übergänge im Füllgutkanal zwischen Kessel 4 und Abgabeöffnung 8 be-
sonders vorteilhaft ist (vgl. Absätze 0006 und 0027). Dem Fachmann, der ohne
weiteres erkannte, dass zwischen dem Messrohr (6.2) und dem
- 13 -
Ventilgehäuse (6.3) ein abzudichtender Übergang bestand, musste es sich auf-
drängen, Überlegungen dahin anzustellen, wie er auf diesen Übergang verzichten
konnte. Dabei lag es auf der Hand, zum Verzicht auf den abzudichtenden Über-
gang, das Messrohr und das Ventilgehäuse als ein durchgehendes Bauteil und
somit einstückig auszuführen, in Übereinstimmung mit dem Merkmal M4rest.

Die Patentinhaberin argumentiert, dass in der Druckschrift D5 gerade die Modula-
rität des Füllelementgehäuses (6) als vorteilhaft dargestellt werde und der Fach-
mann keine Veranlassung habe, davon abzuweichen. Diesbezüglich ist festzu-
stellen, dass eine Modularität in der D5 nicht thematisiert wird und im Gegensatz
dazu der Fachmann in den Absätzen 0006 und 0027 darauf hingewiesen wird,
dass eine besonders kompakte Bauweise und eine Reduzierung der Anzahl der
abzudichtenden Übergänge verfolgt werden.

Die Patentinhaberin führt ferner aus, dass eine einstückige Ausbildung den Her-
stellungsaufwand und die Kosten in die Höhe treibe, weshalb der Fachmann diese
Ausbildung nicht ohne weiteres umsetze. Hierzu ist festzustellen, dass zum einen
die Patentinhaberin diese Behauptung nicht belegt hat und zum anderen der
Fachmann grundsätzlich davon ausgeht, dass bei einer Integration der Aufwand
und die Kosten reduziert werden, da weniger Teile herzustellen sind, somit weni-
ger Produktionsschritte erforderlich sind, die Materialvielfalt reduziert wird, auf eine
zusätzliche Dichtung verzichtet werden kann, das Risiko einer Undichtigkeit an der
Verbindungsstelle nicht mehr besteht und auch der Montageaufwand durch die
Integration verringert wird.

Somit gelangt der Fachmann ausgehend von der Druckschrift D5 und dem allge-
meinen fachmännischen Bestreben, die Abfüllmaschine weiter zu verbessern,
unter Zuhilfenahme seines allgemeinen Fachwissens ohne erfinderisches Zutun
zum Gegenstand des Anspruchs 1 nach Hauptantrag.

- 14 -
4.2 Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 1 beruht nicht
auf einer erfinderischen Tätigkeit und ist daher nicht patentfähig (§ 1 Abs. 1 PatG
i. V. m. § 4 PatG).

Gemäß Hilfsantrag 1 folgt auf den Wortlaut des Patentanspruchs 1 nach Hauptan-
trag bei Fortführung der obigen Gliederung das folgende Merkmal:

M6 und wobei das Ventilgehäuse (2) und das Messrohr (1) aus
einem gemeinsamen Werkstück hergestellt sind.

Wie vorstehend zum Hauptantrag ausgeführt, ist es für den Fachmann nahelie-
gend, das aus der Druckschrift D5 bekannte Messrohr (6.2) und das Ventilge-
häuse (6.3), um es durch Verwendung weniger Teile zu bauen, einstückig auszu-
führen.

Für den Fachmann ist dabei naheliegend, dass er das Messrohr und das Ventil-
gehäuse mit der kleinsten Teileanzahl produzieren kann, wenn beide aus einem
gemeinsamen Werkstück hergestellt werden.

4.3 Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 2 beruht nicht
auf einer erfinderischen Tätigkeit und ist daher nicht patentfähig (§ 1 Abs. 1 PatG
i. V. m. § 4 PatG).

Gemäß Hilfsantrag 2 folgt auf den Wortlaut des Patentanspruchs 1 nach Hilfsan-
trag 1 bei Fortführung der obigen Gliederung das folgende Merkmal:

M7 und wobei das Messrohr (1) und das Ventilgehäuse (2) aus
Keramik hergestellt sind.

Da in der Druckschrift D5 weitere Angaben dazu fehlen, aus welchem Material das
Messrohr und das Ventilgehäuse ausgeführt werden sollen, hat der Fachmann
- 15 -
Veranlassung, zur weiteren konkreten Realisierung nach Lösungsvorschlägen im
Stand der Technik zu suchen. Dabei berücksichtigt er auch die speziellen Anforde-
rungen des von dem magnetisch-induktiven Durchflussmesser verwendeten
Messverfahrens. Bereits in der Druckschrift D5 wird diesbezüglich darauf hinge-
wiesen, dass die durch das Messrohr (6.2) verlaufende Betätigungsstange (11)
aus einem elektrisch nicht leitenden und bevorzugt aus einem nicht ferromagneti-
schen Material, wie Keramik, besteht (Absatz 0019). Der Fachmann wird sich so-
mit im einschlägigen Stand der Technik umsehen und dabei auf die Druckschrift
EP 0 660 919 B1 (D4) stoßen, die sich mit einem magnetisch-induktiven Durch-
flussmesser befasst (vgl. Druckschrift D4, Titel). Diese Druckschrift lehrt dem
Fachmann, das Messrohr auch aus Keramik herzustellen (Spalte 6, Zeilen 9-13
und Fig. 2A, Bezugszeichen 10). Wenn nun der Fachmann Keramik zur Herstel-
lung des aus einem gemeinsamen Werkstück bestehenden Bauteils, bestehend
aus Messrohr und Ventilgehäuse, verwendet, wird er zur Ausgestaltung im Sinne
des Merkmals M7 gelangen.

Der Vertreter der Patentinhaberin argumentierte, dass der Fachmann nicht veran-
lasst sei, dass Ventilgehäuse auch aus Keramik herzustellen, da der Aufwand be-
trächtlich sei. Der Senat sieht den Anlass in dem ständigen Bestreben des Fach-
manns, den Herstellungsaufwand zu reduzieren. Durch die Verwendung von Ke-
ramik kann der Fachmann beide Bauteile gleichzeitig und gemeinsam ohne zu-
sätzlichen Fügeaufwand herstellen. Zur konkreten Materialwahl ist der Fachmann
durch die Druckschrift D4 angeregt. Die Inkaufnahme etwaiger Nachteile kann das
Beruhen auf einer erfinderischen Tätigkeit allein nicht begründen (BGH, Urteil vom
4. Juni 1996 – X ZR 49/94, BGHZ 133, 57 – Rauchgasklappe).

4.4 Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 3 beruht nicht
auf einer erfinderischen Tätigkeit und ist daher nicht patentfähig (§ 1 Abs. 1 PatG
i. V. m. § 4 PatG).

- 16 -
Gemäß Hilfsantrag 3 folgen auf den Wortlaut des Patentanspruchs 1 nach Hilfsan-
trag 2 bei Fortführung der obigen Gliederung die folgenden Merkmale:

M8 und wobei in dem Ventilgehäuse (2) ein bewegbarer Ventilkör-
per (3) vorgesehen ist,
M8.1 der ebenfalls aus Keramik hergestellt ist.

Die Druckschrift D5 offenbart dem Fachmann auch einen bewegbaren Ventilkör-
per (10) in dem Ventilgehäuse (6.3) gemäß Merkmal M8 (vgl. D5, Absatz 0016
und Fig. 1, 2). Des Weiteren ist angegeben, dass die Betätigungsstange (11)
zumindest auf ihrer das Messrohr (6.2) durchdringenden Teillänge aus Keramik
besteht (Absatz 0019). Das Merkmal „zumindest“ versteht der Fachmann derart,
dass die Betätigungsstange (11) auch über ihre gesamte Länge aus Keramik
bestehen kann (vgl. D5, Absatz 0019). Zur Vereinfachung des Herstellungsprozes-
ses ist es für den Fachmann naheliegend, die Betätigungsstange (11) und den
Ventilkörper (10) ebenfalls gemeinsam aus einem Material herzustellen. Da die
Betätigungsstange aus Keramik bestehen muss, wird der Fachmann dieses Mate-
rial somit auch für die gemeinsame Herstellung von Betätigungsstange (11) und
Ventilkörper (10) auswählen.

4.5 Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 4 beruht nicht
auf einer erfinderischen Tätigkeit und ist daher nicht patentfähig (§ 1 Abs. 1 PatG
i. V. m. § 4 PatG).

Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 4 unterscheidet sich von Anspruch 1 gemäß Haupt-
antrag durch Hinzufügen des Merkmals:

M5.1 wobei das Ventilgehäuse (2) einstückig an das Messrohr (1)
angefügt ist.

- 17 -
Wie vorstehend zum Hauptantrag ausgeführt, ist es für den Fachmann nahelie-
gend, zum Verzicht auf den abzudichtenden Übergang, das Messrohr und das
Ventilgehäuse einstückig auszuführen. Dazu stehen dem Fachmann lediglich die
beiden Möglichkeiten, entweder beide aus einem gemeinsamen Werkstück herzu-
stellen, oder die Bauteile mittels Fügeverfahren zu verbinden, zur Verfügung. Je
nach den Erfordernissen wählt der Fachmann ohne weiteres die ihm günstiger
erscheinende der beiden Möglichkeiten, ohne dass er dabei erfinderisch tätig wer-
den muss.

5. Die Beschwerde der Patentinhaberin war daher zurückzuweisen.


Rechtsmittelbelehrung

Gegen diesen Beschluss steht den an dem Beschwerdeverfahren Beteiligten das Rechts-
mittel der Rechtsbeschwerde zu (§ 99 Abs. 2, § 100 Abs. 1, § 101 Abs. 1 PatG).

Nachdem der Beschwerdesenat in dem Beschluss die Einlegung der Rechtsbeschwerde
nicht zugelassen hat, ist die Rechtsbeschwerde nur statthaft, wenn einer der nachfol-
genden Verfahrensmängel durch substanziierten Vortrag gerügt wird (§ 100 Abs. 3 PatG):

1. Das beschließende Gericht war nicht vorschriftsmäßig besetzt.
2. Bei dem Beschluss hat ein Richter mitgewirkt, der von der Ausübung
des Richteramtes kraft Gesetzes ausgeschlossen oder wegen Besorgnis
der Befangenheit mit Erfolg abgelehnt war.
3. Einem Beteiligten war das rechtliche Gehör versagt.
4. Ein Beteiligter war im Verfahren nicht nach Vorschrift des Gesetzes
vertreten, sofern er nicht der Führung des Verfahrens ausdrücklich oder
stillschweigend zugestimmt hat.
5. Der Beschluss ist aufgrund einer mündlichen Verhandlung ergangen, bei
der die Vorschriften über die Öffentlichkeit des Verfahrens verletzt
worden sind.
6. Der Beschluss ist nicht mit Gründen versehen.

- 18 -
Die Rechtsbeschwerde ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlusses beim
Bundesgerichtshof, Herrenstraße 45a, 76133 Karlsruhe, schriftlich einzulegen (§ 102
Abs. 1 PatG).

Die Rechtsbeschwerde kann auch als elektronisches Dokument, das mit einer qualifizier-
ten oder fortgeschrittenen elektronischen Signatur zu versehen ist, durch Übertragung in
die elektronische Poststelle des Bundesgerichtshofes eingelegt werden (§ 125a Abs. 3
Nr. 1 PatG i. V. m. § 1, § 2 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2, Abs. 2a, Anlage (zu § 1) Nr. 6 der
Verordnung über den elektronischen Rechtsverkehr beim Bundesgerichtshof und
Bundespatentgericht (BGH/BPatGERVV)). Die elektronische Poststelle ist über die auf
der Internetseite des Bundesgerichtshofes www.bundesgerichtshof.de/erv.html
bezeichneten Kommunikationswege erreichbar (§ 2 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1
BGH/BPatGERVV). Dort sind auch die Einzelheiten zu den Betriebsvoraussetzungen
bekanntgegeben (§ 3 BGH/BPatGERVV).

Die Rechtsbeschwerde muss durch einen beim Bundesgerichtshof zugelassenen Rechts-
anwalt als Bevollmächtigten des Rechtsbeschwerdeführers eingelegt werden (§ 102
Abs. 5 Satz 1 PatG).


Kleinschmidt Kirschneck Arnoldi Dr. Kapels

Ko



Full & Egal Universal Law Academy