19 W (pat) 5/17  - 19. Senat (Techn.Beschw.)
Karar Dilini Çevir:

BPatG 154
05.11

BUNDESPATENTGERICHT



19 W (pat) 5/17
_______________
(Aktenzeichen)



Verkündet am
27. März 2017





B E S C H L U S S

In der Beschwerdesache




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betreffend das Patent 10 2004 053 821

hat der 19. Senat (Technischer Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf
die mündliche Verhandlung vom 27. März 2017 unter Mitwirkung des Vorsitzenden
Richters Dipl.-Ing. Kleinschmidt, der Richterin Kirschneck sowie der Richter
Dipl.-Ing. Matter und Dipl.-Phys. Dr. Haupt

beschlossen:

Die Beschwerde der Patentinhaberin wird zurückgewiesen.
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G r ü n d e


I.

Das Deutsche Patent- und Markenamt – Patentabteilung 1.23 – hat das Patent auf
die Einsprüche der Einsprechenden I, II und III durch Beschluss vom
27. Juni 2012 mit der Begründung widerrufen, der Gegenstand des geltenden Pa-
tentanspruchs 1 vom 20. Juni 2012 beruhe gegenüber dem Stand der Technik
nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.

Die Beschwerde der Patentinhaberin vom 28. September 2012 richtet sich gegen
den Widerruf des Patents.
Die Patentinhaberin hat mit Schriftsatz vom 24. Februar 2017 die Beschwerde
begründet und neue Patentansprüche 1 bis 22 nach Hauptantrag und 1 bis 21
nach Hilfsantrag eingereicht.

Die Patentinhaberin beantragt,

den Beschluss der Patentabteilung 1.23 des Deutschen Patent- und
Markenamts vom 27. Juni 2012 aufzuheben und das Patent mit
folgenden Unterlagen beschränkt aufrecht zu erhalten:
Patentansprüche 1 bis 22 gemäß Hauptantrag vom
24. Februar 2017,

hilfsweise,
Patentansprüche 1 bis 21 gemäß Hilfsantrag vom 24. Februar 2017,

übrige Unterlagen, Beschreibung und Zeichnungen, jeweils wie er-
teilt.
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Die Einsprechenden I bis III beantragen (sinngemäß) übereinstimmend,

die Beschwerde der Patentinhaberin zurückzuweisen.

Der Vorrichtungsanspruch 1 und der nebengeordnete Verfahrensanspruch 15
nach Hauptantrag lauten:

1. Türanlage (1) mit
 automatisch verfahrbaren Flügeln (5, 6), insbesondere Flügel
(5, 6) einer Schiebetür, Teleskopschiebetür, Bogenschiebetür
oder Karusselltür, die
- elektromechanisch oder elektrohydraulisch angetrieben wer-
den, und
- mit wenigstens einem Sensor (7) zur Erfassung der Anwe-
senheit von Personen ausgestattet sind, wobei
 im Bereich einer Öffnungsweite der verfahrbaren Flügel (5, 6)
mehrere Sensoren (8, 9, 10, 20, 21, 22, 23, 24, 25, 26, 27 und
28) im Innen- und/oder Außenbereich (15, 16) der Türanla-
ge (1) angeordnet sind, deren Erfassungsbereiche (11, 12, 13,
17, 18, 19, 30, 31, 32, 33, 34 und 35)
- sich mindestens über die gesamte Öffnungsweite erstrecken,
und
- untereinander Überschneidungsbereiche (36) aufweisen,
dadurch gekennzeichnet, dass
 die Sensoren (8, 9, 10, 20, 21, 22, 23, 24, 25, 26, 27 und 28) zu
Gruppen zusammengefasst sind,
 zu einer Gruppe von Sensoren (8, 9, 10, 20, 21, 22, 23, 24, 25,
26, 27 und 28) jeweils ein Mastersensor und mindestens ein
Slavesensor gehören, und
 die einzelnen Sensoren (8, 9, 10, 20, 21, 22, 23, 24, 25, 26, 27
und 28) über eine elektronische Schaltung aufgrund eines Pro-
- 5 -
gramms aktiv bzw. nicht aktiv geschaltet werden, so dass sich
die Erfassungsbereiche (11, 12, 13, 17, 18, 19, 30, 31, 32, 33,
34 und 35) nicht gleichzeitig überlappen.

15. Verfahren zum Betrieb der Sensoren (8, 9, 10, 20, 21, 22, 23, 24,
25, 26, 27 und 28) nach den vorhergehenden Ansprüchen, da-
durch gekennzeichnet, dass nach einem Ablaufprogramm durch
die übergeordnete elektronische Schaltung die Sensoren (8, 9, 10,
20, 21, 22, 23, 24, 25, 26, 27 und 28) aktiv geschaltet werden, die
nicht direkt nebeneinander liegen, so dass sich deren Erfassungs-
bereiche (11, 12, 13, 17, 18, 19, 30, 31, 32, 33, 34 und 35) nicht
gleichzeitig überlappen.

Der Vorrichtungsanspruch 1 und der nebengeordnete Verfahrensanspruch 14
nach Hilfsantrag lauten:

1. Türanlage (1) mit
 automatisch verfahrbaren Flügeln (5, 6), insbesondere Flü-
gel (5, 6) einer Schiebetür, Teleskopschiebetür, Bogenschiebe-
tür oder Karusselltür, die
- elektromechanisch oder elektrohydraulisch angetrieben wer-
den, und
- mit wenigstens einem Erfassungssensor (7) zur Erfassung
der Anwesenheit von Personen ausgestattet sind, wobei
 im Bereich einer Öffnungsweite der verfahrbaren Flügel (5, 6)
mehrere Sicherheitssensoren (8, 9, 10, 20, 21, 22, 23, 24, 25,
26, 27 und 28) im Innen- und/oder Außenbereich (15, 16) der
Türanlage (1) angeordnet sind, deren Erfassungsbereiche (11,
12, 13, 17, 18, 19, 30, 31, 32, 33, 34 und 35)
- sich mindestens über die gesamte Öffnungsweite erstrecken,
und
- 6 -
- untereinander Überschneidungsbereiche (36) aufweisen,
dadurch gekennzeichnet, dass
 die Sicherheitssensoren (8, 9, 10, 20, 21, 22, 23, 24, 25, 26, 27
und 28) zu Gruppen zusammengefasst sind,
 zu einer Gruppe von Sicherheitssensoren (8, 9, 10, 20, 21, 22,
23, 24, 25, 26, 27 und 28) jeweils ein Mastersensor und min-
destens ein Slavesensor gehören, und
 die einzelnen Sicherheitssensoren (8, 9, 10, 20, 21, 22, 23, 24,
25, 26, 27 und 28) über eine elektronische Schaltung aufgrund
eines Programms aktiv bzw. nicht aktiv geschaltet werden, so
dass sich die Erfassungsbereiche (11, 12, 13, 17, 18, 19, 30,
31, 32, 33, 34 und 35) nicht gleichzeitig überlappen.

14. Verfahren zum Betrieb der Sicherheitssensoren (8, 9, 10, 20, 21,
22, 23, 24, 25, 26, 27 und 28) nach den vorhergehenden Ansprü-
chen, dadurch gekennzeichnet, dass nach einem Ablaufprogramm
durch die übergeordnete elektronische Schaltung die Sicherheits-
sensoren (8, 9, 10, 20, 21, 22, 23, 24, 25, 26, 27 und 28) aktiv ge-
schaltet werden, die nicht direkt nebeneinander liegen, so dass
sich deren Erfassungsbereiche (11, 12, 13, 17, 18, 19, 30, 31, 32,
33, 34 und 35) nicht gleichzeitig überlappen.

Zum Wortlaut der sonstigen Ansprüche und wegen weiterer Einzelheiten wird auf
den Akteninhalt verwiesen.


II.

1. Die statthafte und auch sonst zulässige Beschwerde hat keinen Erfolg. Die
Patentabteilung hat das Patent im Ergebnis zu Recht widerrufen.

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2. Das Streitpatent betrifft eine Türanlage mit automatisch verfahrbaren Flü-
geln, wobei die Türen als gerade Schiebetüren, wie Teleskopschiebetüren, aber
auch in einer gebogenen Form als Bogenschiebetür oder Karusselltüren ausge-
führt sein können. Der Antrieb der verfahrbaren Flügel wird dabei wie üblich elekt-
romechanisch oder elektrohydraulisch ausgeführt. Derartige Türanlagen sind mit
einem Erfassungssensor ausgestattet, der im Falle des Ansprechens auf eine
Person oder einen Gegenstand vor oder hinter der Tür automatisch die verfahrba-
ren Flügel öffnet (Absätze 0001 und 0002 der Patentschrift).

Davon ausgehend sei es ein Ziel der Erfindung, die Sicherheit bei derartigen Tür-
anlagen wesentlich zu erhöhen (Absatz 0006).

Als Lösung schlägt das Streitpatent gemäß Patentanspruch 1 nach Hauptantrag
eine Türanlage mit folgenden Merkmalen vor:

1. Türanlage (1) mit
2. automatisch verfahrbaren Flügeln (5, 6), insbesondere Flügel (5,
6) einer Schiebetür, Teleskopschiebetür, Bogenschiebetür oder
Karusselltür, die
2a. elektromechanisch oder elektrohydraulisch angetrieben wer-
den, und
2b. mit wenigstens einem Sensor (7) zur Erfassung der Anwe-
senheit von Personen ausgestattet sind, wobei
3. im Bereich einer Öffnungsweite der verfahrbaren Flügel (5, 6)
mehrere Sensoren (8, 9, 10, 20, 21, 22, 23, 24, 25, 26, 27 und 28)
im Innen- und/oder Außenbereich (15, 16) der Türanlage (1) ange-
ordnet sind, deren Erfassungsbereiche (11, 12, 13, 17, 18, 19, 30,
31, 32, 33, 34 und 35)
3a. sich mindestens über die gesamte Öffnungsweite erstrecken,
und
3b. untereinander Überschneidungsbereiche (36) aufweisen,
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dadurch gekennzeichnet, dass
4. die Sensoren (8, 9, 10, 20, 21, 22, 23, 24, 25, 26, 27 und 28) zu
Gruppen zusammengefasst sind,
5. zu einer Gruppe von Sensoren (8, 9, 10, 20, 21, 22, 23, 24, 25, 26,
27 und 28) jeweils
5a. ein Mastersensor und
5b. mindestens ein Slavesensor gehören, und
6. die einzelnen Sensoren (8, 9, 10, 20, 21, 22, 23, 24, 25, 26, 27
und 28) über eine elektronische Schaltung aufgrund eines Pro-
gramms aktiv bzw. nicht aktiv geschaltet werden, so dass sich die
Erfassungsbereiche (11, 12, 13, 17, 18, 19, 30, 31, 32, 33, 34 und
35) nicht gleichzeitig überlappen.

Außerdem wird ein Verfahren zum Betrieb der Sensoren der Türanlage bean-
sprucht, bei dem nach einem Ablaufprogramm durch eine übergeordnete elektro-
nische Schaltung nur die Sicherheitssensoren aktiv geschaltet werden, die nicht
direkt nebeneinanderliegen, so dass sich deren Erfassungsbereiche nicht gleich-
zeitig überlappen (Absätze 0012 und 0014).

3. Vor diesem Hintergrund legt der Senat seiner Entscheidung als Fachmann
einen Diplom-Ingenieur der Fachrichtung Mess- und Regeltechnik mit mehrjähri-
ger Berufserfahrung, der auf dem Gebiet der Steuerung von automatischen Türan-
lagen tätig ist, zu Grunde.

4. Einzelne Angaben in den Ansprüchen nach Haupt- und Hilfsantrag bedür-
fen der Erläuterung:

4.1 Dem Begriff „Sensor“ (Merkmal 2b) und den entsprechenden Bezeichnun-
gen „Erfassungssensor“ bzw. „Sicherheitssensor“ im Anspruchssatz des Hilfsan-
trags werden vom Fachmann bezüglich des Aufbaus und der Funktionsweise der
damit beschriebenen Typen keine unterschiedliche Bedeutung beigemessen. Die
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Tatsache, dass jeder Sensor dazu dient, eine Entität zu erfassen, und damit als
„Erfassungssensor“ bezeichnet werden kann, ist für den Fachmann eine Selbst-
verständlichkeit. Die bei der Steuerung von Türanlagen mit automatisch verfahrba-
ren Flügeln eingesetzten Sensoren sind außerdem auch immer „Sicherheitssenso-
ren“, da sie Personen und/oder Gegenstände detektieren und in Abhängigkeit da-
von sicherstellen müssen, dass durch die Türanlage keine Gefährdungen eintreten
können, so wie es auch der Vertreter der Patentinhaberin in der mündlichen Ver-
handlung erläutert hat. Ein Unterschied zwischen dem „wenigstens einen Sen-
sor (7) zur Erfassung der Anwesenheit von Personen“ (Merkmal 2b) bzw. dem ent-
sprechenden „Erfassungssensor“ nach Hilfsantrag auf der einen Seite und den „im
Bereich einer Öffnungsweite der verfahrbaren Flügel (5, 6) … im Innen- und/oder
Außenbereich (15, 16) der Türanlage (1)“ (Merkmal 3) angeordneten Sensoren,
„deren Erfassungsbereiche (11, 12, 13, 17, 18, 19, 30, 31, 32, 33, 34 und 35) sich
mindestens über die gesamte Öffnungsweite erstrecken, und untereinander Über-
schneidungsbereiche (36) aufweisen“ (Merkmale 3a, 3b) nach Hauptantrag bzw.
den entsprechenden „Sicherheitssensoren“ nach Hilfsantrag, ergibt sich im Rah-
men des Streitpatents jedoch durch deren räumliche Anordnung an der Türanlage,
die Dimensionierung ihrer Erfassungsbereiche und die besondere Art der An-
steuerung. Wie vom Vertreter der Patentinhaberin – zur Überzeugung des Senats
völlig zutreffend – vorgetragen wurde, kommt dem „Erfassungssensor“ gemäß
Merkmal 2b für die Erfindung keine besondere Bedeutung zu. Im Mittelpunkt ste-
hen die „Sicherheitssensoren“ und deren Zusammenwirken (Merkmale 3 bis 6).
Der Fachmann versteht unter dem wenigstens einen „Sensor“ bzw. „Erfassungs-
sensor“ im Oberbegriff der Ansprüche 1 nach Haupt- bzw. Hilfsantrag einen Erfas-
sungssensor, der fachüblich einen nach „vorne“ bzw. „hinten“ ausgerichteten
kreisförmigen Erfassungsbereich aufweist, wie dies z. B. aus der Figur 4 der Pa-
tentschrift ersichtlich ist. Die im jeweilige kennzeichnenden Teil genannten „Sen-
soren“ bzw. „Sicherheitssensoren“ fasst der Fachmann dagegen als die erfin-
dungswesentlichen „Sicherheitssensoren“ auf, die entsprechend den weiteren An-
gaben im Anspruch 1 gruppiert und in besonderer Weise über eine elektronische
Schaltung angesteuert werden. Diese Sichtweise wird auch durch die verwende-
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ten Bezugszeichen gestützt, wonach es sich bei den Sensoren mit dem Bezugs-
zeichen 7 um die unwesentlichen „Erfassungssensoren“ und bei den Sensoren mit
den Bezugszeichen 8, 9, 10, 20, 21, 22, 23, 24, 25, 26, 27 oder 28 um die erfin-
dungswesentlichen „Sicherheitssensoren“ handelt.

4.2 Die Zusammenfassung von Sensoren zu „Gruppen“ (Merkmal 4) wird in den
Ansprüchen und auch in der gesamten Streitpatentschrift immer in Verbindung mit
einem System von sogenannten Mastersensoren und Slavesensoren verwendet
(Absätze 0012, 0024 und 0027). Eine weitere Spezifizierung der „Gruppen“ ist we-
der den Ansprüchen noch der Beschreibung in Verbindung mit den Figuren zu
entnehmen. Der Fachmann wird daher bei der Türanlage gemäß dem Streitpatent
zur Definition des Begriffs „Gruppe“ die Angabe im kennzeichnenden Teil der An-
sprüche 1 heranziehen und darunter jedwede Konfiguration von Sensoren verste-
hen, die jeweils einen Mastersensor und mindestens einen Slavesensor umfasst.
Aus der Verwendung des Plurals „zu Gruppen“ ergibt sich für den Fachmann
außerdem, dass die Sensoren der Türanlage in mindestens zwei Gruppen zu-
sammengefasst sind.

4.3 Bei einer sogenannten Master-Slave-Architektur handelt es sich ganz allge-
mein um eine Form der hierarchischen Verwaltung des Zugriffs auf eine gemein-
same Ressource, meist in Form eines gemeinsamen Datenkanals, in vielfältigen
Problemstellungen der Regelung und Steuerung. Bei einem einzelnen Master-
Slave-System existiert nur ein Master, alle anderen Teilnehmer sind Slaves, wobei
der Master als einziger unaufgefordert auf die gemeinsame Ressource zuzugrei-
fen kann. Der Slave kann von sich aus nicht auf die gemeinsame Ressource zu-
greifen, er muss dazu vom Master aufgefordert werden, ebenso ist eine direkte
Kommunikation der Slaves untereinander nicht möglich. Der Vorteil dieser Archi-
tektur besteht in der einfachen Verschaltung und damit der effizienteren Nutzung
eines einzigen gemeinsamen Übertragungskanals. Der Fachmann liest vor diesem
Hintergrund die Begriffe „Mastersensor“ und „Slavesensor“ (Merkmale 5a, 5b) da-
her als Sensoren bzw. als Sicherheitssensoren (siehe hierzu 4.1), die über die
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zum Zwecke der Detektion enthaltenen Komponenten hinaus noch eine elektroni-
sche Schaltung aufweisen, die es ermöglicht, sie zu einem Master-Slave-System
zu verschalten, wie auch in den Absätzen 0013 und 0014 der Streitpatentschrift
angedeutet ist.

5. Es kann dahin gestellt bleiben, ob der Fachmann alle Merkmale, die über
die ursprüngliche Fassung der Patentansprüche hinaus in den Patentansprüchen
der Haupt- und Hilfsanträge genannt sind, den ursprünglichen Unterlagen unmit-
telbar und eindeutig als zu Erfindung gehörend entnimmt (§ 38 Satz 1 PatG), da
wegen mangelnder Patentfähigkeit ihrer Gegenstände weder eine beschränkte
Aufrechterhaltung des Patents nach Hauptantrag noch nach Hilfsantrag in Be-
tracht kommt (§ 1 Abs. 1 PatG i. V. m. § 4 PatG).

5.1 Den Ausgangspunkt für die Bemühungen des Fachmanns um eine Fortent-
wicklung und Verbesserung bildet zur Überzeugung des Senats die Druckschrift
WO 03/104907 A1 (im Weiteren kurz als Druckschrift D19 bezeichnet).

5.2 Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 nach Hauptantrag ist nicht patent-
fähig. Er mag zwar als neu gelten, beruht jedoch nicht auf einer erfinderischen
Tätigkeit (siehe hierzu unter 5.3 und 5.4).

5.3 Die Druckschrift D19 offenbart eine Türanlage (Seite 1, Absatz 1: „… an
electrical system for controlling at least one gate or door …”; Merkmal 1) mit
automatisch verfahrbaren Flügeln, die elektromechanisch angetrieben werden
(Seite 1, Absatz 1 und 3: „… moved by means of at least one corresponding elec-
tric motor … a motor for one wing of the gate, a motor for the other wing of the
gate …”; Merkmale 2, 2a). Hierbei zeigt insbesondere die Figur 8 die Ausgestal-
tung einer Türanlage mit einer Schiebetür (siehe auch Seite 20, Zeilen 4 und 5:
„… a sliding gate CA located between two walls M1 and M2 …“; Merkmal 2). Die
Druckschrift D19 weist explizit darauf hin, dass immer dann, wenn dort von einer
Tür gesprochen wird, auch Tore von diesem Begriff mit umfasst sein sollen (Sei-
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te 4, Zeilen 8 bis 10: „… at least one gate or door or similar element (below
reference will often be made to a gate for the sake of simplicity of the
description) …”).

Bei der Türanlage gemäß der Druckschrift D19 sind im Bereich der Öffnungsweite
des verfahrbaren Flügels des Ausführungsbeispiels nach Figur 8 mehrere (Sicher-
heits-)Sensoren angeordnet (Merkmal 3), nämlich ein Sensor im Innenbereich
(Seite 20, Zeilen 5 und 6: „transmitter FC1-T”, „receiver FC1-R”, „photocell
systems FC1”) und ein Sensor im Außenbereich der Türanlage (Seite 20, Zeilen 5
und 6: „transmitter FC2-T”, „receiver FC2-R”, „photocell system FC2”).

Die Erfassungsbereiche der Sensoren erstrecken sich über die gesamte Öff-
nungsweite (Merkmal 3a), wie in der Figur 8 und dort insbesondere durch die von
den beiden Sendern („transmitters FC1-T, FC2-T“) ausgehenden diagonalen
Linien schematisch angedeutet ist. Der schematischen zeichnerischen Darstellung
der Sensor-Komponenten in der Figur 8, die dort eine gewisse Bauhöhe aufwei-
sen, misst der Fachmann keine besondere Bedeutung bei. Der Fachmann ver-
steht die Zeichnung zum einen als nicht maßstäblich und geht daher bei einer
realen Türanlage von einer viel geringeren Bauhöhe der Sensorkomponenten re-
lativ zur Öffnungsweite aus als dargestellt und zum anderen ist ihm aufgrund sei-
nes Fachwissens bewusst, dass insbesondere eine Versenkung der Sensoren in
den Wänden als vorteilhaft zu bevorzugen ist. Der Erfassungsbereich über die ge-
samte Öffnungsweite ist daher in jedem Fall gegeben.

Die Erfassungsbereiche der Sensoren weisen untereinander Überschneidungsbe-
reiche auf, wie ebenfalls in Figur 8 anhand der Überlappung der beiden Flächen,
die von den von den beiden Sendern („FC1-T, FC2-T“) jeweils ausgehenden dia-
gonalen Linien aufgespannt werden, gezeigt und durch die zugehörige Beschrei-
bung verdeutlicht wird (Seite 20, Zeilen 11 und 12: „In reality, the two photocell
systems FC1 and FC2 may interfere with each other …”; Merkmal 3b).

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Zudem zeigt die Druckschrift D19 offensichtlich, dass die Sensoren der Türanlage
zu Gruppen zusammengefasst sind (Merkmal 4). Ganz allgemein bilden, rein
räumlich betrachtet, die Sensoren, welche auf der einen bzw. auf der anderen
Seite der Schiebetür in Figur 8 angebracht sind, jeweils eine Gruppe. Die einzel-
nen Sensoren der Türanlage können aber auch funktionell zu Gruppen zusam-
mengefasst werden, indem eine Gruppe dadurch definiert wird, dass deren Senso-
ren gleichzeitig miteinander 10 ms lang arbeiten, bevor die Sensoren der nächsten
Gruppe synchron den Betrieb aufnehmen (Seite 20, letzter vollständiger Absatz:
„… to alternate and synchronize operation of the two photocell systems …”).

Zwar zeigt die schematische Darstellung der Figur 8 lediglich, dass die „Gruppen“
in der Zeichnung aus nur jeweils einem Sensor bestehen. Jedoch wird in der zu-
gehörigen Beschreibung klargestellt, dass dieses Sensorsystem auch aus einer
größeren Anzahl einzelner Sensoren bestehen kann und es werden exemplarisch
vier Sensoren genannt. (Seite 22, Zeilen 4 und 5: „Obviously these solutions may
be extended to a greater number of photocell systems. Four systems should be
sufficient to cover any requirement …”).

Außerdem lehrt die Druckschrift D19, dass vorteilhafterweise einzelne Sensoren
zu Gruppen zusammengefasst werden, indem mehrere dieser Sensoren als
Slave-Sensoren (Figur 1 und Seite 8, Zeilen 4 bis 11: „… peripheral unit, U1 for
the receiver of a first photocell system, … a peripheral unit U3 for the receiver of a
second photocell system, … a peripheral unit U6 for the transmitter of the second
photocell system, a peripheral unit U7 for the transmitter of the first photocell
system …” und Seite 13, Zeile 2: „… the peripheral units operate as "slaves" …“)
zu einer Gruppe gehören (Merkmal 5b) und gemeinsam von einem Master ge-
steuert werden (Figur 1 und Seite 12, vorletzte Zeile bis zur Seite 13, Zeile 4: „A
particularly effective and efficient solution for establishing communication between
a central unit and peripheral units … using the "master-slave" technique, wherein
the central unit operates as the "master" and the peripheral units operate as
"slaves" …“). Dabei wird zugleich das Konzept offenbart, einen Sensor und eine
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Slave-Elektronikkomponente in vorteilhafter Weise zu einem Slavesensor zu ver-
einigen.

Schließlich werden beim Ausführungsbeispiel gemäß Figur 8 die einzelnen Senso-
ren über eine elektronische Schaltung mittels eines Programms in der Weise aktiv
bzw. nicht aktiv geschaltet, dass sich die Erfassungsbereiche nicht gleichzeitig
überlappen (Seite 20, letzter vollständiger Absatz: „In order to solve this problem,
it is possible to alternate and synchronize operation of the two photocell systems;
if we assume that the first photocell system FC1 is made to operate for 10 ms,
following which the photocell system FC2 is made to operate for 10 ms, and that
this same procedure is continued afterwards, interference between the two sys-
tems is avoided.“; Merkmal 6).

Dass das Aktiv- und Nicht-Aktiv-Schalten der einzelnen Sensoren über eine ele-
ktronische Schaltung mittels eines Programms erfolgt, ergibt sich für den Fach-
mann aus dem Gesamtkontext der Druckschrift D19 ohne Weiteres, wird aber
auch mehrfach explizit erwähnt (beispielsweise Seite 21, Zeilen 2 und 3: „… by
means of a suitable circuitry …“, Seite 15, Zeilen 7 bis 10: „… digital information
packets (and obviously the software inserted in the central control unit), it is pos-
sible to program the central unit by means of a programming device …“).

Eine solchermaßen bekannte Türanlage zusätzlich mit einem „Erfassungssensor“
auszustatten, um die eigentlich Türöffnungsfunktion zu ermöglichen, wozu Perso-
nen in einem größeren Erfassungsbereich vor oder hinter der Tür detektiert werde
müssen, stellt – auch ohne, dass dies in der Druckschrift D19 explizit beschrieben
ist – für den Fachmann eine Selbstverständlichkeit dar (Merkmal 2b). Diese Wei-
terbildung erschöpft sich insoweit in einer fachmännischen Maßnahme (vgl. auch
die Druckschrift US 4,967,083 A (D1)).

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Ausgehend von einer solchen bekannten Türanlage wird der Fachmann mit der
Zielsetzung, den Aufwand für die Türanlage zu verringern, prüfen, welche Möglich-
keiten hierzu bestehen.

Nachdem schon in der Druckschrift D19 offenbart ist, dass ein Sensor und eine
Slave-Elektronikkomponente in vorteilhafter Weise zu einem Slavesensor vereinigt
werden können, wird er dieses Konzept möglicherweise auch auf einen Sensor
und den in der Druckschrift D19 angesprochenen Master im Sinne einer elektroni-
schen Steuerungseinheit (Seite 13, Zeilen 1 und 2: „… the central unit operates as
the "master" …“, Figuren 5-A bis 5-C) anwenden und so zu einem „Mastersensor“
gelangen, der jeweils in die Gruppen integriert wird (Merkmal 5a).

Auf eine solche Vereinfachung wird er aber jedenfalls durch die Druckschrift
DE 198 15 149 A1 (D7) gelenkt, die sich ebenfalls mit den Fragen befasst, wie bei
einer Sensoranordnung gegenseitige Beeinflussung der einzelnen Sensoren wei-
testgehend ausgeschlossen (Spalte 1, Zeilen 22 bis 25) und die Sicherheit im
Umfeld von potentiell gefährlichen Systemen erhöht werden kann (Spalte 4, Zeilen
6 bis 11: „Flächen-Distanzsensoren 10 … an der Frontseite 11 einer Maschine
oder eines Fahrzeugs zur Vorfeldüberwachung …“ und Spalte 4, Zeilen 18 und 19:
„Die einzelnen Schutzfelder 12 ergänzen sich zu dem Überwachungsbereich.“).
Der Fachmann entnimmt der Lehre dieser Druckschrift außerdem, dass nicht nur
beim Slavesensor das jeweilige Master-Slave-System verbindende und steuernde
elektronische Schaltungsmodul mit dem Sensor eine Einheit bildet, sondern auch
der Mastersensor aus dem eigentlichen Sensor („Sender 3“, „Empfänger 4“) und
einer elektronischen Schaltungseinheit („Auswerteeinheit 7“, „Mikroprozessor“),
welche Master- und Slavesensoren über ein Bussystem verbindet („Zuleitung 9“,
„Bussystem“) besteht (Figur 1, die zugehörige Beschreibung und darin insbeson-
dere die Bezugszeichen 1, 3, 4, 7 und 9).

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Es liegt im Rahmen des fachmännischen Handelns, diese technische Lösung auf-
zugreifen und die aus der Druckschrift D19 bekannte Vorrichtung entsprechend zu
ergänzen.

Damit ergibt sich der Gegenstand des Anspruchs 1 nach Hauptantrag für den
Fachmann in naheliegender Weise aus dem Stand der Technik.

5.4 Auch der Gegenstand des Anspruchs 1 nach Hilfsantrag beruht nicht auf
einer erfinderischen Tätigkeit und ist daher ebenfalls nicht patentfähig (§ 1 Abs. 1
PatG i. V. m. § 4 PatG).

Der Anspruch 1 nach Hilfsantrag enthält über den Hauptantrag hinausgehend nur
die sprachliche Konkretisierung der „Sensoren“ als „Erfassungssensor“ bzw.
„Sicherheitssensoren“. Da es sich bei dieser differenzierenden Bezeichnungs-
weise jedoch lediglich um eine Präzisierung des Verwendungszwecks, nicht je-
doch um eine Einschränkung handelt (siehe hierzu unter 4.1), geht der Anspruch 1
nach Hilfsantrag inhaltlich nicht über die entsprechenden Merkmale der Vorrich-
tung gemäß dem Patentanspruch 1 nach Hauptantrag hinaus. Somit gelten ent-
sprechend auch die Darlegungen zum Patentanspruch 1 nach Hauptantrag, nach
denen eine erfinderische Tätigkeit nicht gegeben ist.

5.5 Die auf die jeweiligen unabhängigen Patentansprüche 1 direkt oder indirekt
rückbezogenen nebengeordneten Ansprüche bzw. Unteransprüche, sowohl nach
Haupt- als auch nach Hilfsantrag, teilen deren Schicksal, zumal sie keine Beson-
derheiten nennen, die aus Sicht des Senats zur Grundlage einer gewährbaren
Anspruchsfassung hätten werden können. Auch die Beschwerdeführerin hat Der-
artiges nicht geltend gemacht.

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Rechtsmittelbelehrung

Gegen diesen Beschluss steht den an dem Beschwerdeverfahren Beteiligten das Rechts-
mittel der Rechtsbeschwerde zu (§ 99 Abs. 2, § 100 Abs. 1, § 101 Abs. 1 PatG).
Nachdem der Beschwerdesenat in dem Beschluss die Einlegung der Rechtsbeschwerde
nicht zugelassen hat, ist die Rechtsbeschwerde nur statthaft, wenn einer der nach-
folgenden Verfahrensmängel durch substanziierten Vortrag gerügt wird (§ 100 Abs. 3
PatG):

1. Das beschließende Gericht war nicht vorschriftsmäßig besetzt.
2. Bei dem Beschluss hat ein Richter mitgewirkt, der von der Ausübung
des Richteramtes kraft Gesetzes ausgeschlossen oder wegen Besorg-
nis der Befangenheit mit Erfolg abgelehnt war.
3. Einem Beteiligten war das rechtliche Gehör versagt.
4. Ein Beteiligter war im Verfahren nicht nach Vorschrift des Gesetzes
vertreten, sofern er nicht der Führung des Verfahrens ausdrücklich
oder stillschweigend zugestimmt hat.
5. Der Beschluss ist aufgrund einer mündlichen Verhandlung ergangen,
bei der die Vorschriften über die Öffentlichkeit des Verfahrens verletzt
worden sind.
6. Der Beschluss ist nicht mit Gründen versehen.

Die Rechtsbeschwerde ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlusses beim
Bundesgerichtshof, Herrenstraße 45a, 76133 Karlsruhe, schriftlich einzulegen (§ 102
Abs. 1 PatG).

Die Rechtsbeschwerde kann auch als elektronisches Dokument, das mit einer qualifi-
zierten oder fortgeschrittenen elektronischen Signatur zu versehen ist, durch Übertragung
in die elektronische Poststelle des Bundesgerichtshofes eingelegt werden (§ 125a Abs. 3
Nr. 1 PatG i. V. m. § 1, § 2 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2, Abs. 2a, Anlage (zu § 1) Nr. 6 der
Verordnung über den elektronischen Rechtsverkehr beim Bundesgerichtshof und
Bundespatentgericht (BGH/BPatGERVV)). Die elektronische Poststelle ist über die auf
der Internetseite des Bundesgerichtshofes www.bundesgerichtshof.de/erv.html bezeich-
neten Kommunikationswege erreichbar (§ 2 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 BGH/BPatGERVV). Dort
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sind auch die Einzelheiten zu den Betriebsvoraussetzungen bekanntgegeben (§ 3
BGH/BPatGERVV).

Die Rechtsbeschwerde muss durch einen beim Bundesgerichtshof zugelassenen Rechts-
anwalt als Bevollmächtigten des Rechtsbeschwerdeführers eingelegt werden (§ 102
Abs. 5 Satz 1 PatG).


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