19 W (pat) 38/14  - 19. Senat (Techn.Beschw.)
Karar Dilini Çevir:

BPatG 154
05.11

BUNDESPATENTGERICHT



19 W (pat) 38/14
_______________
(Aktenzeichen)



Verkündet am
20. März 2017





B E S C H L U S S

In der Beschwerdesache

betreffend die Patentanmeldung 10 2009 029 589.5





hat der 19. Senat (Technischer Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf
die mündliche Verhandlung vom 20. März 2017 unter Mitwirkung des Vorsitzenden
Richters Dipl.-Ing. Kleinschmidt, der Richterin Kirschneck sowie der Richter
Dipl.-Ing. J. Müller und Dr.-Ing. Kapels

beschlossen:

Die Beschwerde der Anmelderin wird zurückgewiesen.

- 2 -
G r ü n d e

I.

Die Patentanmeldung 10 2009 029 589.5 mit der Bezeichnung „Elektrischer Vor-
widerstand, Verbindungselement zur Verbindung von Widerständen, Widerstands-
einheit und Verfahren zur Herstellung der Widerstandseinheit sowie Widerstands-
steckeinheit“ ist am 18. September 2009 beim Deutschen Patent- und Markenamt
eingereicht worden.

Das Deutsche Patent- und Markenamt – Prüfungsstelle für Klasse H 01 C – hat
die Anmeldung mit Beschluss vom 6. Oktober 2014 mit der Begründung zurückge-
wiesen, der Gegenstand des Patentanspruchs 1 beruhe gegenüber dem Stand
der Technik nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.

Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde der Anmelderin vom
4. November 2014. Zur mündlichen Verhandlung ist die Anmelderin – wie ange-
kündigt – nicht erschienen.

Die Anmelderin hat schriftsätzlich – sinngemäß – beantragt,

den Beschluss der Prüfungsstelle für Klasse H 01 C des Deut-
schen Patent- und Markenamts vom 6. Oktober 2014 aufzuheben
und das nachgesuchte Patent aufgrund folgender Unterlagen zu
erteilen:

Patentansprüche 1 bis 15 vom 13. Januar 2011,
Beschreibung, Seiten 1 bis 16, vom Anmeldetag 18. Septem-
ber 2009,
Zeichnungen, Figuren 1 bis 8 vom Anmeldetag 18. Septem-
ber 2009,
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Figuren 9 und 10 vom 9. November 2010,

und Entscheidung nach Aktenlage.

Der geltende Patentanspruch 1 vom 13. Januar 2011 lautet:

1. Elektrischer Vorwiderstand mit einem zum Zweck der Stromstär-
kenänderung stromdurchfließbaren Widerstandskörper, der Kar-
bon umfasst, wobei der Karbonanteil wenigstens 50% beträgt oder
der Widerstandskörper aus reinem Karbon gefertigt ist, und
wobei der Widerstandskörper an wenigstens einem seiner Enden
lediglich bereichsweise eine metallische Beschichtung aufweist
zur Ein- oder Ableitung des elektrischen Stromes,
und mit wenigstens einem Kontaktelement, welches mit der metal-
lischen Beschichtung elektrisch kontaktierend verbunden ist,
dadurch gekennzeichnet, dass
das Kontaktelement auf der metallischen Beschichtung kraft-
und/oder stoffschlüssig befestigt ist.

Im Prüfungsverfahren vor dem Deutschen Patent- und Markenamt wurden folgen-
de Druckschriften entgegengehalten:

D1 GB 541 222
D2 GB 261 259
D3 DE-PS 502 652
D4 DE 19 29 575 U
D5 DE 31 17 973 A1
D6 CH 601 960 A5.

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Mit der Ladung zur mündlichen Verhandlung vom 19. Dezember 2016 hat der Se-
nat die Anmelderin darauf hingewiesen, dass er für die Beurteilung der Patentfä-
higkeit auch die folgende Druckschrift berücksichtigen würde:

D7 DE 10 2009 002 467 A1.

Hinsichtlich der nebengeordneten Ansprüche 8 bis 12 und 15, der Unteransprü-
che 2 bis 7, 13 und 14 sowie der weiteren Einzelheiten wird auf die Akte verwie-
sen.


II.

1. Die statthafte und auch sonst zulässige Beschwerde hat im Ergebnis keinen
Erfolg.

2. Die Anmeldung betrifft einen elektrischen Vorwiderstand sowie ein Verfah-
ren zur Herstellung des Vorwiderstandes, ein Verbindungselement zur Verbindung
und elektrischen Kontaktierung einer Mehrzahl von Widerständen, insbesondere
der erfindungsgemäßen Vorwiderstände, sowie eine Widerstandseinheit und ein
Verfahren zur Herstellung der Widerstandseinheit. Außerdem betrifft die Anmel-
dung eine Widerstandssteckeinheit und die Verwendung der Widerstandssteck-
einheit zur Drehzahlsteuerung (vgl. Beschreibungsseite 1, 2. Absatz).

Bekannte übliche Vorwiderstände umfassten Drähte, die in mehreren Windungen
auf einem Träger angeordnet seien. Nachteilig an diesen Vorwiderständen sei,
dass sich diese bei kurzzeitiger elektrischer Überlast außerordentlich stark erwär-
men und dadurch zu einer Gefährdung von angrenzenden Bauteilen führen könn-
ten. Eine ausreichende Wärmeabfuhr sei in einem bestimmten Zeitintervall nicht
realisierbar (vgl. Beschreibungsseite 1, 3. Absatz).

- 5 -
Zur Überwindung dieser Probleme würden Widerstände aus einem Karbon-halti-
gen Material hergestellt, die üblicherweise an Sockelelementen zur Kontaktierung
mit Stromleitern befestigt würden. Die Befestigung erfolge dabei durch Niet- oder
Schraubverbindungen.

Die Herstellung eines solchen Karbonwiderstandes bedinge somit einen relativ
hohen Fertigungsaufwand. Hinsichtlich des Übergangswiderstandes zwischen der
Niet- oder Schraubverbindung und dem Widerstandskörper müssten aufgrund von
Fertigungstoleranzen und ggf. auftretenden Korrosionen unterschiedliche Wider-
standswerte in Kauf genommen werden (vgl. Beschreibungsseite 2, 2. Absatz).

Ausgehend davon liege der Erfindung die Aufgabe zugrunde, einen elektrischen
Vorwiderstand sowie ein Verfahren zu dessen Herstellung und ein Verbindungs-
element zur Verbindung mehrerer erfindungsgemäßer Vorwiderstände sowie eine
daraus hergestellte Widerstandseinheit und ein Verfahren zur Herstellung der Wi-
derstandseinheit sowie eine geeignete Widerstandssteckeinheit zur Steckkontak-
tierung mit elektrischen Leitern zur Verfügung zu stellen, wobei die genannten
Bauteile in einer einfachen, kostengünstigen Fertigung herzustellen und unanfällig
gegen Korrosion sowie Fertigungstoleranzen sein sollten (vgl. Beschreibungsseite
2, 3. Absatz).

3. Als Fachmann sieht der Senat einen Diplom-Ingenieur (FH) der Fachrich-
tung Elektrotechnik mit mehrjähriger Berufserfahrung in der Entwicklung von elek-
trischen Widerständen an.

4. Die genannte Aufgabe soll in ihrem ersten Teil durch den Gegenstand des
Patentanspruchs 1 gelöst werden, der sich wie folgt gliedern lässt:

M1 Elektrischer Vorwiderstand mit
M1.1 einem zum Zweck der Stromstärkenänderung stromdurchfließ-
baren Widerstandskörper,
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M1.1.1 der Karbon umfasst,
M1.1.2 wobei der Karbonanteil wenigstens 50 % beträgt oder der
Widerstandskörper aus reinem Karbon gefertigt ist, und
M1.2 wobei der Widerstandskörper an wenigstens einem seiner
Enden lediglich bereichsweise eine metallische Beschichtung
aufweist zur Ein- oder Ableitung des elektrischen Stromes,
und mit
M1.3 wenigstens einem Kontaktelement,
M1.3.1 welches mit der metallischen Beschichtung elektrisch kontak-
tierend verbunden ist,
dadurch gekennzeichnet, dass
M1.4 das Kontaktelement auf der metallischen Beschichtung kraft-
und/oder stoffschlüssig befestigt ist.

5. Einige Merkmale bedürfen der Erläuterung:

Der Angabe Vorwiderstand im Merkmal M1 misst der Fachmann nicht mehr Be-
deutung als die Eignung des beanspruchten Widerstands als Vorwiderstand für
einen elektrischen Verbraucher bei. Einschränkende Merkmale, beispielsweise
hinsichtlich der Raumform oder der Materialzusammensetzung, verbindet er da-
gegen mit dieser Verwendungsangabe nicht.

Unter einem zum Zweck der Stromstärkeänderung stromdurchfließbaren Wider-
standskörper im Merkmal M1.1 versteht der Fachmann einen ohmschen Wider-
stand mit einer räumlichen Ausdehnung, d. h. – in Richtung des Stromflusses be-
trachtet – mit einer zweidimensionalen Grundfläche und einer nicht zu vernachläs-
sigenden Dicke, wie zum Beispiel eine Schicht mit einer nicht zu vernachlässigen-
den Schichtdicke.

- 7 -
Das in M1.1.1 genannte Karbon ist eine synonyme Bezeichnung für das chemi-
sche Element Kohlenstoff, wobei der Fachmann im Zusammenhang mit ohmschen
Widerständen an Kohlenstoff in amorpher Form denkt.

6. Die Patentansprüche sind zulässig. Der geltende Anspruch 1 geht in zuläs-
siger Weise auf den ursprünglichen Anspruch 1, ergänzt durch Angaben aus der
Beschreibung, Seite 3, letzte Zeile bis Seite 4, zweite Zeile, zurück. Die weiteren
Ansprüche sind identisch mit den entsprechenden ursprünglichen Ansprüchen.

7. Der Gegenstand des geltenden Patentanspruchs 1 ist nicht neu und daher
nicht patentfähig (§ 1 Abs. 1 PatG i. V. m. § 3 PatG).

Die Lehre des Patentanspruchs 1 gehörte am Anmeldetag bereits zum Stand der
Technik. Hierzu zählt auch die am 12. November 2009 der Öffentlichkeit zugäng-
lich gemachte, ältere nationale Anmeldung 10 2009 002 467.3 (§ 3 Abs. 2 Nr. 1
PatG). Diese Anmeldung wurde am 17. April 2009 – mithin vor dem hier maßgeb-
lichen 18. September 2009, dem Anmeldetag der zu beurteilenden Anmeldung –
unter Inanspruchnahme die inneren Priorität aus der Voranmeldung
10 2008 020 754.3 vom 18. April 2008 eingereicht. Die Offenlegungsschrift
DE 10 2009 002 467 A1 (Druckschrift D7) gibt die Anmeldung in ihrer ursprünglich
eingereichten Fassung wieder.

Aus der älteren Anmeldung, repräsentiert durch die Druckschrift
DE 10 2009 002 467 A1 (D7) ist – ausgedrückt in Worten des Patentan-
spruchs 1 – Folgendes bekannt: Ein

M1 Elektrischer Vorwiderstand (Bezeichnung, Absatz 0008) mit
M1.1 einem zum Zweck der Stromstärkenänderung stromdurchfließ-
baren Widerstandskörper (Patentanspruch 1; Absatz 0008:
Leitungskörper),
M1.1.1 der Karbon umfasst (Patentanspruch 1; Absatz 0008),
- 8 -
M1.1.2 wobei der Karbonanteil wenigstens 50 % beträgt (Patentan-
spruch 2; Absatz 0009) oder der Widerstandskörper aus rei-
nem Karbon gefertigt ist (Patentanspruch 3; Absatz 0012), und
M1.2 wobei der Widerstandskörper an wenigstens einem seiner
Enden lediglich bereichsweise eine metallische Beschichtung
aufweist zur Ein- oder Ableitung des elektrischen Stromes
(Patentanspruch 7; Absatz 0019: Kontaktierungsschicht. Der
Angabe in Absatz 0013, wonach die Stromleitung ausschließ-
lich über den Karbon aufweisenden Leitungskörper realisiert
wird, entnimmt der Fachmann, dass die elektrische Kontaktie-
rungsschicht nur an den Enden vorhanden ist), und mit
M1.3 wenigstens einem Kontaktelement (Patentanspruch 8; Absatz
0020: Kontaktierungsschelle),
M1.3.1 welches mit der metallischen Beschichtung elektrisch kontak-
tierend verbunden ist (Patentanspruch 8; Absatz 0020),
wobei
M1.4 das Kontaktelement auf der metallischen Beschichtung kraft-
und/oder stoffschlüssig befestigt ist (Patentanspruch 8; Absatz
0020).

Der Gegenstand des geltenden Patentanspruchs 1 ist damit vollständig aus dem
Stand der Technik bekannt. Der Gegenstand des Anspruchs 1 ist somit nicht neu
und mithin nicht patentfähig.

Somit war die Beschwerde der Anmelderin zurückzuweisen.


Rechtsmittelbelehrung

Gegen diesen Beschluss steht den an dem Beschwerdeverfahren Beteiligten das Rechts-
mittel der Rechtsbeschwerde zu (§ 99 Abs. 2, § 100 Abs. 1, § 101 Abs. 1 PatG).
- 9 -
Nachdem der Beschwerdesenat in dem Beschluss die Einlegung der Rechtsbeschwerde
nicht zugelassen hat, ist die Rechtsbeschwerde nur statthaft, wenn einer der nachfolgen-
den Verfahrensmängel durch substanziierten Vortrag gerügt wird (§ 100 Abs. 3 PatG):

1. Das beschließende Gericht war nicht vorschriftsmäßig besetzt.
2. Bei dem Beschluss hat ein Richter mitgewirkt, der von der Ausübung des
Richteramtes kraft Gesetzes ausgeschlossen oder wegen Besorgnis der
Befangenheit mit Erfolg abgelehnt war.
3. Einem Beteiligten war das rechtliche Gehör versagt.
4. Ein Beteiligter war im Verfahren nicht nach Vorschrift des Gesetzes
vertreten, sofern er nicht der Führung des Verfahrens ausdrücklich oder
stillschweigend zugestimmt hat.
5. Der Beschluss ist aufgrund einer mündlichen Verhandlung ergangen, bei
der die Vorschriften über die Öffentlichkeit des Verfahrens verletzt worden
sind.
6. Der Beschluss ist nicht mit Gründen versehen.

Die Rechtsbeschwerde ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlusses beim
Bundesgerichtshof, Herrenstraße 45a, 76133 Karlsruhe, schriftlich einzulegen (§ 102
Abs. 1 PatG).

Die Rechtsbeschwerde kann auch als elektronisches Dokument, das mit einer qualifizier-
ten oder fortgeschrittenen elektronischen Signatur zu versehen ist, durch Übertragung in
die elektronische Poststelle des Bundesgerichtshofes eingelegt werden (§ 125a Abs. 3
Nr. 1 PatG i. V. m. § 1, § 2 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2, Abs. 2a, Anlage (zu § 1) Nr. 6 der Ver-
ordnung über den elektronischen Rechtsverkehr beim Bundesgerichtshof und Bundespa-
tentgericht (BGH/BPatGERVV)). Die elektronische Poststelle ist über die auf der Internet-
seite des Bundesgerichtshofes www.bundesgerichtshof.de/erv.html bezeichneten Kom-
munikationswege erreichbar (§ 2 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 BGH/BPatGERVV). Dort sind auch
die Einzelheiten zu den Betriebsvoraussetzungen bekanntgegeben (§ 3
BGH/BPatGERVV).

- 10 -
Die Rechtsbeschwerde muss durch einen beim Bundesgerichtshof zugelassenen Rechts-
anwalt als Bevollmächtigten des Rechtsbeschwerdeführers eingelegt werden (§ 102
Abs. 5 Satz 1 PatG).


Kleinschmidt Kirschneck J. Müller Dr. Kapels

Ko



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