19 W (pat) 32/17  - 19. Senat (Techn.Beschw.)
Karar Dilini Çevir:

BPatG 154
05.11

BUNDESPATENTGERICHT



19 W (pat) 32/17
_______________
(Aktenzeichen)



Verkündet am
23. Oktober 2017





B E S C H L U S S

In der Beschwerdesache














betreffend das Patent 10 2011 056 963

- 2 -
hat der 19. Senat (Technischer Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf
die mündliche Verhandlung vom 23. Oktober 2017 unter Mitwirkung des Vor-
sitzenden Richters Dipl.-Ing. Kleinschmidt, der Richterin Kirschneck sowie der
Richter Dipl.-Phys. Dipl.-Wirtsch.-Phys. Arnoldi und Dipl.-Phys. Dr. Haupt

beschlossen:

Die Beschwerde der Einsprechenden wird zurückgewiesen.


G r ü n d e

I.

Auf die am 23. Dezember 2011 eingereichte Anmeldung ist mit Beschluss vom
17. Juli 2012 das Patent 10 2011 056 963 mit der Bezeichnung „Messung von Ent-
fernungen nach dem Signallaufzeitprinzip“ erteilt worden. Die Veröffentlichung der
Patenterteilung ist am 13. September 2012 erfolgt.

Gegen das Patent hat die Einsprechende mit Schriftsatz vom 30. November 2012,
eingegangen beim Deutschen Patent- und Markenamt am 7. Dezember 2012, Ein-
spruch erhoben und beantragt, das Patent in vollem Umfang zu widerrufen. Die
Einsprechende hat sinngemäß geltend gemacht, der Gegenstand des Patents sei
nach den §§ 1 bis 5 PatG nicht patentfähig (§ 21 Abs. 1 Nr. 1 PatG).

Die Einsprechende verweist u. a. auf folgende Schriften bzw. Unterlagen:

D1: US 7 656 341 B2
D2: DE 10 2007 013 714 A1
D3: DE 10 2004 022 911 A1
- 3 -
D4: Teilausdruck des Diskussionsfadens „problems with SERDES“ in
dem Internet-Forum „Altera Forums“ (ohne Angabe der URL oder
des Druckdatums).
D4a: Ausdruck des Diskussionsfadens „problems with SERDES“ in dem
Internet-Forum „Altera Forums“, Druckdatum: 29.10.2014. [URL:
http://www.alteraforum.com/forum/printthread.php?t=28643).

Die Patentinhaberin hat widersprochen und sinngemäß beantragt, das Patent in
vollem Umfang, hilfsweise beschränkt aufrechtzuerhalten.

Mit am Ende der Anhörung vom 15. Oktober 2013 verkündeten Beschluss hat die
Patentabteilung 1.55 des Deutschen Patent- und Markenamts das Patent be-
schränkt aufrechterhalten.

Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde der Einsprechenden vom
6. November 2013, eingegangen beim Deutschen Patent- und Markenamt am
8. November 2013.

Die Einsprechende beantragt,

den Beschluss der Patentabteilung 1.55 des Deutschen Patent- und
Markenamts vom 15. Oktober 2013 aufzuheben und das Pa-
tent 10 2011 056 963 in vollem Umfang zu widerrufen.

Die Patentinhaberin beantragt,

die Beschwerde der Einsprechenden zurückzuweisen.

Die unabhängigen Patentansprüche 1 und 14 lauten in der beschränkt aufrecht-
erhaltenen Fassung wie folgt:

- 4 -
1. Sensor (200, 300, 400) zur Messung von Entfernungen in einem Er-
fassungsbereich (14) nach dem Signallaufzeitprinzip mit einem
Sender (12) zum Aussenden eines elektromagnetischen Signals zu
einem Referenzzeitpunkt, mit einem Empfänger (16) zum Erzeugen
eines Empfangssignals aus dem in dem Erfassungsbereich (14)
remittierten Signal, mit einem digitalen Baustein (20), insbesondere
einem FPGA, zur Abtastung und Umwandlung des Empfangssi-
gnals in ein digitales Signal sowie mit einer Auswertungsein-
heit (18), welche dafür ausgebildet ist, aus dem digitalen Signal
einen Empfangszeitpunkt und aus dem Referenzzeitpunkt und dem
Empfangszeitpunkt die Signallaufzeit zu bestimmen,
dadurch gekennzeichnet,
dass der digitale Baustein (20) eine SERDES-Schnittstelle (22) zur
Datenkommunikation gemäß einem SERDES-Protokoll mit einem
SERDES-Abtaster (24) und einem Deserialisierer (28) aufweist, die
dafür ausgebildet ist, das Empfangssignal mit einer Abtastrate im
GHz-Bereich hochaufgelöst abzutasten und das durch Deserialisie-
rung zu Datenworten zusammengefasste Empfangssignal abzu-
speichern, so dass die weitere Verarbeitung des digitalen Signals
mit einem Takt erfolgen kann, der um die Breite der Datenworte
unterhalb der Abtastrate liegt, dass die SERDES-Schnittstelle (22)
Korrektureinheiten zur Rekonstruktion eines sendeseitigen Takts
aufweist und dass diese Korrektureinheiten überbrückt oder deakti-
viert sind.

14. Verfahren zur Messung von Entfernungen in einem Erfassungsbe-
reich (14) nach dem Signallaufzeitprinzip, bei dem ein elektroma-
gnetisches Signal zu einem Referenzzeitpunkt ausgesandt und aus
dem Signal, das aus dem Erfassungsbereich (14) remittiert wird, ein
Empfangssignal erzeugt wird, das von einem digitalen Bau-
stein (20), insbesondere einem FPGA, abgetastet und in ein digita-
- 5 -
les Signal gewandelt wird, wobei in einer Auswertung auf dem
digitalen Baustein (20) aus dem digitalen Signal ein Empfangszeit-
punkt und daraus mit Bezugnahme auf den Referenzzeitpunkt die
Signallaufzeit bestimmt wird,
dadurch gekennzeichnet,
dass das Empfangssignal über eine SERDES-Schnittstelle (22) des
digitalen Bausteins (20) zur Datenkommunikation gemäß einem
SERDES-Protokoll direkt abgetastet wird, wobei in einem SERDES-
Abtaster (24) das Empfangssignal mit einer Abtastrate im GHz-Be-
reich hochaufgelöst abgetastet wird und ein Deserialisierer (28) das
zu Datenworten zusammengefasste digitale Empfangssignal ab-
speichert, woraufhin die weitere Verarbeitung des digitalen Signals
zur Bestimmung des Empfangszeitpunkts und der Signallaufzeit mit
einem Takt erfolgt, der um die Breite der Datenworte unterhalb der
Abtastrate liegt und dass Korrektureinheiten der SERDES-Schnitt-
stelle (22) zur Rekonstruktion eines sendeseitigen Takts überbrückt
oder deaktiviert sind.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Akte verwiesen.


II.

1. Die statthafte und auch sonst zulässige Beschwerde der Einsprechenden
hat keinen Erfolg.

2. Der Einspruch ist zulässig (§ 59 Abs. 1 PatG), insbesondere ist er fristge-
recht per Fax am 7. Dezember 2012 eingegangen sowie ausreichend substan-
tiiert.

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3. Das Streitpatent betrifft einen Sensor und ein Verfahren zur Messung von
Entfernungen in einem Erfassungsbereich nach dem Signallaufzeitprinzip.

In der Beschreibungseinleitung des Streitpatents ist ausgeführt, dass zahlreiche
Sensoren ein Signallaufzeitprinzip nutzen, bei dem das Zeitintervall zwischen
Senden und Empfang eines Signals über die Signallaufzeit in eine Entfernung
umgerechnet werde. Dabei würden so verschiedene Frequenzbereiche des elek-
tromagnetischen Spektrums ausgenutzt wie Mikrowellen und Licht (vgl. Beschrei-
bung, Seite 1, Zeilen 16 bis 19).

Solle die Auflösung der Entfernungsmessung eine Genauigkeit im Bereich einiger
zehn Millimeter erreichen, so müsse die Signallaufzeit in einer Größenordnung
von hundert Pikosekunden genau bestimmt werden. Ein A/D-Wandler zur Abtas-
tung des analogen Empfangssignals für eine digitale Weiterverarbeitung müsste
daher im höheren GHz-Bereich arbeiten; solche Abtastfrequenzen seien her-
kömmlich allenfalls mit unverhältnismäßigen Kosten in Form von Silizium-Hochge-
schwindigkeitsprozessen (Bipolar, SiGe) oder teuren analogen Wandlerschaltun-
gen realisierbar. Neben den hohen Kosten entstünden dabei meist auch noch
hohe Verlustleistungen, hoher Platzbedarf und geringe Anpassungsmöglichkeiten.
Kostengünstigere Bausteine wie FPGAs (Field Programmable Gate Array) und
andere programmierbare digitale Logikbausteine hätten demgegenüber typischer-
weise Arbeitsfrequenzen im Bereich einiger hundert MHz und seien damit um
Größenordnungen von der erforderlichen zeitlichen Präzision entfernt (vgl. Be-
schreibung, Seite 2, Zeilen 5 bis 19).

Der Erfindung liege daher die Aufgabe zugrunde, die zeitliche Präzision bei der
Entfernungsmessung nach dem Signallaufzeitprinzip auf einfache Weise zu erhö-
hen (vgl. Beschreibung Seite 3, Zeilen 18, 19).

- 7 -
Zur Lösung dieser Aufgabe schlägt der Anspruch 1 in der beschränkt aufrecht-
erhaltenen Fassung einen Sensor mit folgenden Merkmalen vor:

1 Sensor (200, 300, 400)
1.1 zur Messung von Entfernungen in einem Erfassungsbereich (14)
nach dem Signallaufzeitprinzip
1.2 mit einem Sender (12) zum Aussenden eines elektromagneti-
schen Signals zu einem Referenzzeitpunkt,
1.3 mit einem Empfänger (16) zum Erzeugen eines Empfangssignals
aus dem in dem Erfassungsbereich (14) remittierten Signal,
1.4 mit einem digitalen Baustein (20), insbesondere einem FPGA,
zur Abtastung und Umwandlung des Empfangssignals in ein digi-
tales Signal
1.5 sowie mit einer Auswertungseinheit (18), welche dafür ausgebil-
det ist, aus dem digitalen Signal einen Empfangszeitpunkt und
aus dem Referenzzeitpunkt und dem Empfangszeitpunkt die
Signallaufzeit zu bestimmen,
dadurch gekennzeichnet,
1.6 dass der digitale Baustein (20) eine SERDES-Schnittstelle (22)
zur Datenkommunikation gemäß einem SERDES-Protokoll mit
einem SERDES-Abtaster (24) und einem Deserialisierer (28) auf-
weist,
1.7a die dafür ausgebildet ist, das Empfangssignal mit einer Abtast-
rate im GHz-Bereich hochaufgelöst abzutasten
1.7b und das durch Deserialisierung zu Datenworten zusammenge-
fasste Empfangssignal abzuspeichern,
1.8 so dass die weitere Verarbeitung des digitalen Signals mit einem
Takt erfolgen kann, der um die Breite der Datenworte unterhalb
der Abtastrate liegt,
- 8 -
1.9 dass die SERDES-Schnittstelle (22) Korrektureinheiten zur Re-
konstruktion eines sendeseitigen Takts aufweist und dass diese
Korrektureinheiten überbrückt oder deaktiviert sind.

4. Vor diesem Hintergrund legt der Senat seiner Entscheidung als Fachmann
einen Hochschulingenieur für Hochfrequenztechnik oder einen Physiker zu
Grunde, der über mehrjährige Berufserfahrung auf dem Gebiet der Entwicklung
von Entfernungsmessern nach dem Signallaufzeitprinzip verfügt.

5. Der Fachmann versteht die Angaben im Anspruch 1 wie folgt:

a) Die Anweisung, einen Sensor mit einem Sender, mit einem Empfänger,
mit einem digitalen Baustein sowie mit einer Auswerteeinheit vorzusehen (vgl.
Merkmale 1, 1.2, 1.3, 1.4, 1.5), fordert nicht, dass die angegebenen Bestandteile
monolithisch auf einem Chip oder in anderer Art und Weise integriert sind.

b) Auch der Begriff des digitalen Bausteins (vgl. Merkmal 1.4) ist nicht auf
einen einzelnen integrierten Schaltkreis beschränkt. Nach dem nicht patentbe-
schränkenden Ausführungsbeispiel sind digitale Bausteine FPGAs, Mikroprozes-
soren, PLDs (Programmable Logic Device), ASICs (Application-Specific Integrated
Circuit) oder DSPs (Digital Signal Processor) (vgl. Beschreibung, Seite 8, Zei-
len 33 bis 39).

c) Eine SERDES-Schnittstelle zur Datenkommunikation (vgl. Merkmal 1.6) ist
in der Beschreibung des Streitpatents über ihre Funktion definiert, Daten auf der
Senderseite in einen seriellen Bitstrom (SERializer) und auf der Empfangsseite
wieder zu Datenworten umzusetzen (DESerializer). Ein häufig verwendetes Proto-
koll sei die sogenannte 8b/10b-Codierung, die unter anderem die empfangsseitige
Taktrückgewinnung (clock recovery) unterstütze (vgl. Beschreibung, Seite 3, Zei-
len 10 bis 16).

- 9 -
d) Auf Grund der Zweckangabe im Anspruch 1 muss die SERDES-Schnitt-
stelle zur Datenkommunikation geeignet sein (vgl. Merkmal 1.6). Damit eine
SERDES-Schnittstelle zur Datenkommunikation geeignet ist, muss sie alle zur
Datenkommunikation erforderlichen Elemente, beispielsweise einen Senderteil
(SERialisierer), einen Empfängerteil (DESerialisierer), eine Speichereinrichtung
(vgl. Merkmal 1.7b) sowie Korrektureinheiten zur Rekonstruktion des sendeseiti-
gen Takts enthalten (vgl. Merkmal 1.9). Erfindungsgemäß wird die SERDES-
Schnittstelle jedoch nicht zur Datenkommunikation, sondern für einen anderen
Zweck genutzt, nämlich für Entfernungsmessung nach dem Signallaufzeitprinzip
(vgl. Merkmale 1 und 1.1 i. V. m. 1.4 und 1.6). Nach der Beschreibung wird die
SERDES-Schnittstelle sozusagen zwischen Sender und Empfänger aufgeschnit-
ten, und der gesamte Senderanteil verworfen (vgl. Beschreibung, Seite 3, Zei-
len 27 bis 31).

e) Die Vorgabe, dass die SERDES-Schnittstelle zur Datenkommunikation ge-
mäß einem SERDES-Protokoll arbeitet (vgl. Merkmal 1.6), kann eine SERDES-
Schnittstelle nicht näher bestimmen, denn jede Schnittstelle zur Datenkommuni-
kation wird nach einem Protokoll arbeiten, d. h. einer Vereinbarung, nach der die
Datenübertragung zwischen den Endpunkten abläuft, wie immer dieses Protokoll
im Detail auch definiert sein mag. Der Begriff SERDES-Protokoll besagt somit
nur, dass das verwendete Protokoll geeignet sein muss, die Kommunikation über
die SERDES-Schnittstelle zu steuern.

f) Korrektureinheiten zur Rekonstruktion des sendeseitigen Takts (vgl.
Merkmal 1.9) versteht der Fachmann als Einheiten zur Taktrückgewinnung aus
dem Empfangssignal (vgl. Beschreibung, Seite 9, Zeile 34 bis Seite 10, Zeile 5
und darin insbesondere das Bezugszeichen 38), d. h. als Einheiten zur Rückge-
winnung des sendeseitigen Takts bzw. Referenzzeitpunkts (vgl. Merkmale 1.2 und
1.5).

6. Die beschränkt aufrechterhaltenen Patentansprüche sind zulässig.
- 10 -
6.1 Die Ansprüche 1 bis 15 gehen nicht über den Inhalt der Anmeldung in der
ursprünglich eingereichten Fassung hinaus (§ 21 Abs. 1 Nr. 4 PatG):

Die Gegenstände der einzelnen Merkmale des beschränkt aufrechterhaltenen An-
spruchs 1 sind wie folgt ursprungsoffenbart:

Merkmale 1 bis 1.5 und 1.7a bis 1.8:
vgl. Anspruch 1 vom Anmeldetag;

Merkmal 1.6:
vgl. Anspruch 1 und Beschreibung, Seite 3, Zeilen 9, 10, 12, 13
vom Anmeldetag;
Die Verallgemeinerung der „8b/10b-Codierung“, die in den Anmel-
deunterlagen als „häufig verwendetes Protokoll“ bezeichnet ist, zu
einem „SERDES-Protokoll“ ist aus den vorstehend zum Verständ-
nis des Streitpatents angegebenen Gründen zulässig;

Merkmale 1.7a bis 1.8:
vgl. Anspruch 1 vom Anmeldetag;

Merkmal 1.9:
vgl. Beschreibung, Seite 4, Zeilen 15 bis 17, Seite 10, Zeilen 3 bis
5 und 7 bis 10 vom Anmeldetag.

Der Gegenstand des beschränkt aufrechterhaltenen Anspruchs 14 geht in zulässi-
ger Weise auf den Anspruch 14 vom Anmeldetag und die vorstehend zu An-
spruch 1 genannten Fundstellen der Anmeldeunterlagen zurück. Insbesondere
sind mit den offenbarten Vorrichtungsmerkmalen auch korrespondierende Verfah-
rensmerkmale offenbart.

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Die Unteransprüche gehen in zulässiger Weise auf die Unteransprüche vom
Anmeldetag zurück.

6.2 In der beschränkt aufrechterhaltenen Fassung wird der Schutzbereich des
Patents nicht erweitert (§ 22 Abs. 1 2. Alternative PatG).

7. Der Gegenstand des beschränkt aufrechterhaltenen Anspruchs 1 ist neu
(§ 3 PatG).

7.1 Der Gegenstand des Anspruchs 1 ist gegenüber dem Stand der Technik
nach der Schrift DE 10 2004 022 911 A1 (= D3) neu.

Die Schrift D3 betrifft ein Verfahren sowie eine Vorrichtung zur Abtastung von
Signalen, insbesondere für Entfernungsmessungen durch Bestimmen von Licht-
laufzeiten (vgl. Absatz 0001).

Im Zusammenhang mit der Diskussion des Standes der Technik offenbart die
Schrift D3 in der Beschreibungseinleitung, Absätze 0002 und 0004, einen Sensor
(Lasermesssystem) zur Messung von Entfernungen in einem Erfassungsbereich
nach dem Signallaufzeitprinzip mit einem Sender zum Aussenden eines elektro-
magnetischen Signals zu einem Referenzzeitpunkt (gepulste elektromagnetische
Strahlung), mit einem Empfänger zum Erzeugen eines Empfangssignals aus dem
in dem Erfassungsbereich remittierten (reflektierten) Signal und mit einem digita-
len Baustein (getakteter Analog-Digital-Wandler) zur Abtastung und Umwandlung
des Empfangssignals in ein digitales Signal. Der Fachmann liest in Verbindung mit
dem physikalischen Prinzip der Entfernungsmessung durch Bestimmen von
Lichtlaufzeiten ohne Weiteres mit, dass eine Auswertungseinheit vorzusehen ist,
welche dafür ausgebildet ist, aus dem digitalen Signal einen Empfangszeitpunkt
und aus dem Referenzzeitpunkt und dem Empfangszeitpunkt die Signallaufzeit zu
bestimmen (vgl. auch Absatz 0003: „Ein Entfernungsunterschied von 1 cm ent-
spricht einer Laufzeitdifferenz von etwa 66 ps.“).
- 12 -
Die Schrift D3 offenbart daher in ihrer Beschreibungseinleitung eine Vorrichtung
gemäß dem Oberbegriff des Anspruchs 1 des Streitpatents.

Ausgehend von diesem Stand der Technik wird in der Schrift D3 vorgeschlagen,
die für die gewünschten Ortsauflösungen erforderlichen hohen Abtastraten im
GHz-Bereich (vgl. Absatz 0005) dadurch zu vermeiden, dass das abzutastende
Eingangssignal über eine Mehrzahl von unterschiedliche Signallaufzeiten bedin-
genden Signalwegen geführt und die resultierende, unterschiedlich verzögerte
Einzelsignale umfassende Signalschar gleichzeitig mit einem niedrigeren Grund-
takt abgetastet wird (vgl. Absatz 0007 und 0010).

Eine SERDES-Schnittstelle ist der Schrift D3 jedoch nicht entnehmbar.

Die Schrift D3 offenbart daher nicht die Anweisungen im Kennzeichen des be-
schränkt aufrechterhaltenen Anspruchs 1.

7.2 Der Gegenstand des Anspruchs 1 ist gegenüber dem Stand der Technik
nach der Druckschrift DE 10 2007 013 714 A1 (= D2) neu.

Die Druckschrift D2 offenbart – ähnlich wie die Schrift D3 – eine Vorrichtung zur
Messung von Entfernungen in einem Erfassungsbereich nach dem Signallaufzeit-
prinzip gemäß dem Oberbegriff des Anspruchs 1 (vgl. in der Schrift D2 etwa die
Zusammenfassung), wobei auch der Schrift D2 keine SERDES-Schnittstelle mit
den Merkmalen im Kennzeichen des Anspruchs 1 entnehmbar ist.

7.3 Der Gegenstand des Anspruchs 1 ist gegenüber dem vor dem Zeitrang des
Streitpatents als öffentlich zugänglich unterstellten Diskussionsfaden im Altera-
Forum (= D4, D4a) neu.

Der Diskussionsfaden D4 bzw. D4a betrifft ausweislich seines Titels Probleme bei
der Benutzung einer SERDES-Schnittstelle.
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Im Anfangsbeitrag führt der Teilnehmer mit dem Benutzernamen „matthias.rogge“
aus, dass eine periodische Folge von Impulsen (auf Grund der Bezeichnung „duty
cycle“) mit einem Impulsabstand zwischen 0,2 und 1 μs und einer Impulsdauer
zwischen 50 und 100 ns zu einem Laser gesendet werden soll. Dieses Signal solle
mit dem Eingang einer SERDES-Schnittstelle aufgenommen werden (we have to
‘catch‘). Es sei üblich, die Taktwiederherstellung der SERDES-Schnittstelle (clock
recovery) zu verwenden, diese würde jedoch nicht benötigt. Der Teilnehmer fragt
deshalb im Anfangsbeitrag, ob es möglich sei, diese Taktwiederherstellung auszu-
schalten (to switch it off) oder ob es andere Lösungen gebe.

Daraufhin bittet der Teilnehmer mit dem Benutzernamen „dwh@ovro.caltech.edu“
im dritten Diskussionsbeitrag um Klarstellung, welche Eigenschaft der Impulse
bestimmt werden soll, denn die benötigte Implementation hänge davon ab, was
gemessen und welche FPGA-Familie verwendet werde. Der Teilnehmer diskutiert
zwei der möglichen Varianten: die bloße Feststellung, ob ein Impuls aufgetreten ist
und die Messung der Impulsdauer. Falls gemessen werden soll, wie lang der Im-
puls aktiviert wurde, werde grundsätzlich ein 1-Bit-Analog-Digital-Wandler ge-
braucht, d. h. ein SERDES-Eingangskanal. Die ALTGX-Funktion könne verwendet
werden, ohne die Takt- und Datenwiederherstellung durchführen zu müssen. Es
könnte auch eine ALTLVDS-Komponente mit einer Abtastrate von etwa 1 GBit/s
(1 ns) verwendet werden.

Die Diskussion D4 bzw. D4a offenbart an den vorstehend angegebenen Fund-
stellen die Anweisungen in den Merkmalen 1.4, 1.6, 1.7a und 1.9 des beschränkt
aufrechterhaltenen Anspruchs 1, nämlich einen digitalen Baustein (FPGA) zur
Abtastung und Umwandlung eines Empfangssignals in ein digitales Signal (1-bit
ADC), wobei der digitale Baustein eine SERDES-Schnittstelle (SERDES channel)
zur Datenkommunikation gemäß einem SERDES-Protokoll mit einem SERDES-
Abtaster und einem Deserialisierer (mitzulesen) aufweist, die dafür ausgebildet ist,
das Empfangssignal mit einer Abtastrate im GHz-Bereich hochaufgelöst abzutas-
ten (about 1 Gbps sampling frequency) und die SERDES-Schnittstelle Korrektur-
- 14 -
einheiten zur Rekonstruktion eines sendeseitigen Takts aufweist (clock recovery)
und dass diese Korrektureinheiten überbrückt oder deaktiviert werden können
(without having to perform clock and data recovery).

Die Anweisungen in den Merkmalen 1.7b und 1.8, wonach das durch Deserialisie-
rung zu Datenworten zusammengefasste Empfangssignal abzuspeichern ist, so
dass die weitere Verarbeitung des digitalen Signals mit einem Takt erfolgen kann,
der um die Breite der Datenworte unterhalb der Abtastrate liegt, stellen Eigen-
schaften dar, die einer SERDES-Schnittstelle wohl inhärent sind.

Die Diskussion D4 bzw. D4a offenbart jedoch keinen Sensor zur Messung von
Entfernungen in einem Erfassungsbereich nach dem Signallaufzeitprinzip (Merk-
male 1, 1.1) mit den Vorrichtungsmerkmalen 1.2, 1.3 und 1.5 des beschränkt auf-
rechterhaltenen Anspruchs 1.

7.4 Der Gegenstand des Anspruchs 1 ist gegenüber dem Stand der Technik
nach der Druckschrift US 7 656 341 B2 (= D1) neu.

Die Schrift D1 hat im Beschwerdeverfahren keine Rolle gespielt. Der Senat ver-
weist auf den angegriffenen Beschluss, in dem im Detail dargelegt ist, welche
Merkmale des beschränkt aufrechterhaltenen Anspruchs 1 aus der Schrift D1 nicht
entnehmbar sind.

8. Der Gegenstand des nach Hauptantrag geltenden Anspruchs 1 beruht auf
einer erfinderischen Tätigkeit (§ 4 PatG).

8.1 Ausgehend vom Stand der Technik nach der Druckschrift D3 kommt der
Fachmann nicht in naheliegender Weise zum Gegenstand des beschränkt auf-
rechterhaltenen Anspruchs 1.

- 15 -
Der Senat stimmt der Einsprechenden noch insoweit zu, dass der Fachmann vor
einer Umsetzung der in der Schrift D3 vorgeschlagenen Schaltung mit Verzöge-
rungsleitungen zunächst Veranlassung hat, zu überprüfen, ob die Annahme noch
zutrifft, dass die zur Abtastung von Empfangssignalen im GHz-Bereich verfügba-
ren Bauteile sehr teuer sind (vgl. D3, Absatz 0005). Der Fachmann wird daher
überprüfen, ob kostengünstige FPGAs verfügbar sind (vgl. D3, Absatz 0014), wel-
che eine Abtastung und Umwandlung eines Empfangssignals im GHz-Bereich er-
möglichen.

Der Senat hat jedoch Zweifel, ob der Fachmann hierzu die Diskussion D4 bzw.
D4a in Betracht zieht, denn ausweislich des Titels und des ersten Diskussionsbei-
trags geht es in dieser Diskussion weder um die mit FPGAs erreichbaren Abtast-
raten, noch um Entfernungsmessungen nach dem Signallaufzeitprinzip, sondern
um das Problem, ob bei einer SERDES-Schnittstelle die Taktrückgewinnung aus
dem Eingangssignal deaktiviert werden kann. Ausgehend vom Stand der Technik
nach der Schrift D3 hat der Fachmann keinerlei Veranlassung zu der Annahme,
dass er Probleme im Zusammenhang mit einer SERDES-Schnittstelle zu lösen
hat. Eine SERDES-Schnittstelle wird in der Schrift D3 nicht erwähnt.

Selbst dann, falls der Fachmann die Diskussion D4 bzw. D4a in Betracht zieht,
wird er die Offenbarung des Merkmals 1.9 in der Diskussion D4 bzw. D4a jeden-
falls nicht mit einem Sensor zur Messung von Entfernungen in einem Erfassungs-
bereich nach dem Signallaufzeitprinzip (Merkmale 1, 1.1) und mit einer Auswer-
tungseinheit in Verbindung bringen, die aus dem digitalen Signal einen Empfangs-
zeitpunkt und aus dem Referenzzeitpunkt und dem Empfangszeitpunkt die
Signallaufzeit bestimmt (vgl. Merkmal 1.5).

Denn der Vorschlag in der Diskussion D4 bzw. D4a, die sogenannte ALTGX-
Funktion der SERDES-Schnittstelle ohne ihre Takt- und Datenwiederherstel-
lungsfunktion zu nutzen, bezieht sich auf die Messung der Impulsdauer (vgl.
D4/D4a, dritter Diskussionsbeitrag, zweiter und dritter Absatz). Dem Fachmann ist
- 16 -
bekannt, dass die Dauer eines Impulses etwa allein aus der ansteigenden und
absteigenden Flanke des Empfangssignals bestimmt werden kann. Ein zusätzli-
ches Signal, das einen Referenzzeitpunkt definiert (vgl. Merkmal 1.5), nämlich den
Zeitpunkt des Aussendens des elektromagnetischen Signals (vgl. Merkmal 1.2), ist
für eine solche Messung nicht erforderlich. Bei einer Messung nach dem Signal-
laufzeitprinzip (vgl. Merkmal 1.1) bzw. einer entsprechenden Auswertungseinheit
(vgl. Merkmal 1.5) wird der Fachmann hingegen nicht davon ausgehen können,
dass auf die Kenntnis des sendeseitigen Takts (vgl. Merkmal 1.9) bzw. des Refe-
renzzeitpunkts (vgl. Merkmal 1.5) verzichtet werden kann.

8.2 Zur Überzeugung des Senats legt auch der sonstige im Verfahren genannte
Stand der Technik den Gegenstand des beschränkt aufrechterhaltenen An-
spruchs 1 nicht nahe.

8.3 Über die von der Patentinhaberin bestrittene öffentliche Zugänglichkeit der
Diskussion D4 bzw. D4a vor dem Zeitrang des Streitpatents musste daher nicht
entschieden werden.

8.4 Der nebengeordnete Anspruch 14 und die untergeordneten Ansprüche so-
wie die übrigen Unterlagen in der beschränkt aufrechterhaltenen Fassung erfüllen
ebenso die an sie zu stellenden Anforderungen.

9. Die Beschwerde der Einsprechenden war daher zurückzuweisen.


Rechtsmittelbelehrung

Gegen diesen Beschluss steht den an dem Beschwerdeverfahren Beteiligten das Rechts-
mittel der Rechtsbeschwerde zu (§ 99 Abs. 2, § 100 Abs. 1, § 101 Abs. 1 PatG).

- 17 -
Nachdem der Beschwerdesenat in dem Beschluss die Einlegung der Rechtsbeschwerde
nicht zugelassen hat, ist die Rechtsbeschwerde nur statthaft, wenn einer der nachfol-
genden Verfahrensmängel durch substanziierten Vortrag gerügt wird (§ 100 Abs. 3 PatG):

1. Das beschließende Gericht war nicht vorschriftsmäßig besetzt.
2. Bei dem Beschluss hat ein Richter mitgewirkt, der von der Ausübung
des Richteramtes kraft Gesetzes ausgeschlossen oder wegen
Besorgnis der Befangenheit mit Erfolg abgelehnt war.
3. Einem Beteiligten war das rechtliche Gehör versagt.
4. Ein Beteiligter war im Verfahren nicht nach Vorschrift des Gesetzes
vertreten, sofern er nicht der Führung des Verfahrens ausdrücklich
oder stillschweigend zugestimmt hat.
5. Der Beschluss ist aufgrund einer mündlichen Verhandlung ergangen,
bei der die Vorschriften über die Öffentlichkeit des Verfahrens verletzt
worden sind.
6. Der Beschluss ist nicht mit Gründen versehen.

Die Rechtsbeschwerde ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlusses beim
Bundesgerichtshof, Herrenstraße 45a, 76133 Karlsruhe, schriftlich einzulegen (§ 102
Abs. 1 PatG).

Die Rechtsbeschwerde kann auch als elektronisches Dokument, das mit einer qualifizier-
ten oder fortgeschrittenen elektronischen Signatur zu versehen ist, durch Übertragung in
die elektronische Poststelle des Bundesgerichtshofes eingelegt werden (§ 125a Abs. 3
Nr. 1 PatG i. V. m. § 1, § 2 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2, Abs. 2a, Anlage (zu § 1) Nr. 6 der Ver-
ordnung über den elektronischen Rechtsverkehr beim Bundesgerichtshof und Bundes-
patentgericht (BGH/BPatGERVV)). Die elektronische Poststelle ist über die auf der Inter-
netseite des Bundesgerichtshofes www.bundesgerichtshof.de/erv.html bezeichneten
Kommunikationswege erreichbar (§ 2 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 BGH/BPatGERVV). Dort sind
auch die Einzelheiten zu den Betriebsvoraussetzungen bekanntgegeben (§ 3
BGH/BPatGERVV).

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Die Rechtsbeschwerde muss durch einen beim Bundesgerichtshof zugelassenen
Rechtsanwalt als Bevollmächtigten des Rechtsbeschwerdeführers eingelegt werden
(§ 102 Abs. 5 Satz 1 PatG).


Kleinschmidt Kirschneck Arnoldi Dr. Haupt

Ko



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