19 W (pat) 30/16  - 19. Senat (Techn.Beschw.)
Karar Dilini Çevir:

BPatG 154
05.11

BUNDESPATENTGERICHT



19 W (pat) 30/16
_______________
(Aktenzeichen)



Verkündet am
9. Oktober 2017





B E S C H L U S S

In der Beschwerdesache














betreffend das Patent 10 2012 104 372

- 2 -
hat der 19. Senat (Technischer Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf
die mündliche Verhandlung vom 9. Oktober 2017 unter Mitwirkung des Vor-
sitzenden Richters Dipl.-Ing. Kleinschmidt, der Richterin Kirschneck sowie der
Richter Dipl.-Ing. J. Müller und Dr.-Ing. Kapels

beschlossen:

Die Beschwerden der Patentinhaberin und der Einsprechenden
werden zurückgewiesen.


G r ü n d e

I.

Auf die am 21. Mai 2012 beim Deutschen Patent- und Markenamt eingegangene
Patentanmeldung ist die Erteilung des nachgesuchten Patents mit der Num-
mer 10 2012 104 372 am 15. Mai 2014 veröffentlicht worden. Es trägt die
Bezeichnung

„Vorrichtung zur induktiven Übertragung elektrischer Energie“.

Gegen das Patent hat die Einsprechende mit Schriftsatz vom 18. Dezember 2014,
eingegangen beim Deutschen Patent- und Markenamt per Fax am
22. Januar 2015, Einspruch erhoben mit der Begründung, der Gegenstand des
angegriffenen Patents sei mangels Neuheit oder erfinderischer Tätigkeit nicht
patentfähig.

Zum Stand der Technik hat die Einsprechende im Laufe des Verfahrens auf die
folgenden Druckschriften Bezug genommen:

- 3 -
E1: DE 10 2009 057 437 A1
E2: DE 10 2011 116 738 A1
E3: US 2 247 936 A
E4: DE 10 2008 009 649 A1
E5: DE 29 502 938 U1
E6: DE 8 333 364 U1
E7: DE 639 041 A
E8: EP 2 196 351 A1
E10: Wikipedia Eintrag „Rückschlagarmatur" vom 18. Mai 2012,
zuletzt geändert am 11. Mai 2012, URL:
http://web.archive.org/web/20120518005904/http://de.wikipedia.
org/wiki/Rückschlagarmatur.

Mit der Ladung zur Anhörung hat die Patentabteilung 1.33 des Deutschen Patent-
und Markenamts noch die Druckschrift

E9: DE 33 22 584 C2

in das Verfahren eingeführt.

Mit dem am Ende der Anhörung vom 26. Juli 2016 verkündeten Beschluss hat die
Patentabteilung 1.33 das Patent im Umfang des Hilfsantrags IIb beschränkt auf-
rechterhalten.

Gegen diesen Beschluss richten sich die Beschwerde der Patentinhaberin vom
10. Oktober 2016, sowie die Beschwerde der Einsprechenden vom 13. Okto-
ber 2016.

- 4 -
Die Patentinhaberin beantragt in der mündlichen Verhandlung am 9. Okto-
ber 2017,

den Beschluss der Patentabteilung 1.33 des Deutschen Patent- und
Markenamts vom 26. Juli 2016 aufzuheben und das Patent
10 2012 104 372 im erteilten Umfang,

hilfsweise mit folgenden Unterlagen beschränkt aufrechtzuerhalten:
Patentansprüche 1 bis 9 gemäß Hilfsantrag I vom 18. September 2017,

weiter hilfsweise,
Patentansprüche 1 bis 9 gemäß Hilfsantrag IIa vom 18. Septem-
ber 2017,

weiter hilfsweise,
Patentansprüche 1 bis 9 gemäß Hilfsantrag IIb vom 18. Septem-
ber 2017,

zu den Hilfsanträgen I und IIa,
Beschreibung und Zeichnungen wie erteilt,

zu dem Hilfsantrag IIb,
Beschreibung, Seiten 1 bis 8, vom 26. Juli 2016, und

Zeichnungen wie erteilt,

sowie die Beschwerde der Einsprechenden zurückzuweisen.

- 5 -
Die Einsprechende beantragt,

den angefochtenen Beschluss der Patentabteilung aufzuheben und das
Patent 10 2012 104 372 in vollem Umfang zu widerrufen,

sowie die Beschwerde der Patentinhaberin zurückzuweisen.

Der Patentanspruch 1 erteilter Fassung (Hauptantrag) lautet:

1. Vorrichtung (1) zur induktiven Übertragung elektrischer Energie
zwischen einer ortsfest in einer Fahrbahn (7) installierbaren Spule (12)
und einer Sekundärspule (13) eines beweglichen elektrischen Verbrau-
chers, insbesondere eines Elektrofahrzeugs (14), wobei der Spule (12)
eine Versorgungseinheit (16) zur Versorgung mit elektrischer Energie
zugeordnet ist, dadurch gekennzeichnet, dass die Versorgungsein-
heit (16) auf einer im eingebauten Zustand der Fahrbahn (7) abge-
wandten Seite der Spule (12) in einem nach oben und seitlich
geschlossenen Gehäuse (19) mit einer nach unten offenen Gehäuseöff-
nung (20) angeordnet ist.

Der Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag I vom 18. September 2017 lautet:

1. Vorrichtung (1) zur induktiven Übertragung elektrischer Energie
zwischen einer ortsfest in einer Fahrbahn (7) installierbaren Spule (12)
und einer Sekundärspule (13) eines beweglichen elektrischen Verbrau-
chers, insbesondere eines Elektrofahrzeugs (14), wobei der Spule (12)
eine Versorgungseinheit (16) zur Versorgung mit elektrischer Energie
zugeordnet ist, wobei die Versorgungseinheit (16) auf einer im einge-
bauten Zustand der Fahrbahn (7) abgewandten Seite der Spule (12) in
einem nach oben und seitlich geschlossenen Gehäuse (19) mit einer
nach unten offenen Gehäuseöffnung (20) angeordnet ist, dadurch ge-
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kennzeichnet, dass eine Entlüftungsvorrichtung (27) außerhalb des Ge-
häuses (19) zur Entlüftung eines Innenraums (6) der Vorrichtung (1)
vorgesehen ist.

Der Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag IIa vom 18. September 2017 lautet:

1. Vorrichtung (1) zur induktiven Übertragung elektrischer Energie
zwischen einer ortsfest in einer Fahrbahn (7) installierbaren Spule (12)
und einer Sekundärspule (13) eines beweglichen elektrischen Verbrau-
chers, insbesondere eines Elektrofahrzeugs (14), wobei der Spule (12)
eine Versorgungseinheit (16) zur Versorgung mit elektrischer Energie
zugeordnet ist, wobei die Versorgungseinheit (16) auf einer im einge-
bauten Zustand der Fahrbahn (7) abgewandten Seite der Spule (12) in
einem nach oben und seitlich geschlossenen Gehäuse (19) mit einer
nach unten offenen Gehäuseöffnung (20) angeordnet ist, dadurch ge-
kennzeichnet, dass eine Entlüftungsvorrichtung außerhalb des Gehäu-
ses (19) zur Entlüftung eines Innenraums (6) der Vorrichtung (1) vorge-
sehen ist, um Luft und ggf. auch Wasser (24) aus dem Innenraum (6)
entweichen zu lassen und in umgekehrter Richtung keine Luft und
Wasser in den Innenraum (6) durchzulassen.

Der Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag IIb vom 18. September 2017 lautet:

1. Vorrichtung (1) zur induktiven Übertragung elektrischer Energie
zwischen einer ortsfest in einer Fahrbahn (7) installierbaren Spule (12)
und einer Sekundärspule (13) eines beweglichen elektrischen Verbrau-
chers, insbesondere eines Elektrofahrzeugs (14), wobei die Spule (12)
in eine Spuleneinheit (9) integriert ist, und wobei der Spule (12) eine
Versorgungseinheit (16) zur Versorgung mit elektrischer Energie zuge-
ordnet ist, wobei die Versorgungseinheit (16) auf einer im eingebauten
Zustand der Fahrbahn (7) abgewandten Seite der Spule (12) in einem
- 7 -
nach oben und seitlich geschlossenen Gehäuse (19) mit einer nach
unten offenen Gehäuseöffnung (20) angeordnet ist, dadurch gekenn-
zeichnet, dass eine Entlüftungsvorrichtung außerhalb des Gehäu-
ses (19) zur Entlüftung eines Innenraums (6) der Vorrichtung (1) vorge-
sehen ist, wobei die Spuleneinheit (9) die als Einwegventil (27) ausge-
bildete Entlüftungsvorrichtung aufweist.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.


II.

1. Die Beschwerden der Patentinhaberin und der Einsprechenden sind statt-
haft und auch sonst zulässig, aber nicht begründet.

2. Das Patent betrifft eine Vorrichtung zur induktiven Übertragung elektrischer
Energie zwischen einer ortsfest in einer Fahrbahn installierbaren Spule (Primär-
spule) und einer Sekundärspule eines beweglichen elektrischen Verbrauchers,
insbesondere eines Elektrofahrzeugs, wobei der Spule eine Versorgungseinheit
zur Versorgung mit elektrischer Energie zugeordnet ist (Patentschrift, Ab-
satz 0001, Anspruch 1).

Bekannt sei eine in einer Fahrbahn in einem Sickerschacht ortsfest versenkte
Sockeleinheit, die eine Elektronik und eine Primärspule zur induktiven Energie-
übertragung aufweise. Die Primärspule und die Elektronik seien in einem gegen
Wassereintritt gekapselten Gehäuse untergebracht. Die Elektronik sei über eine
Netzspeiseleitung, die durch eine im Gehäuse vorgesehene Durchführung durch-
geführt sei, mit dem Stromversorgungsnetz verbunden. Um ein Eindringen von
Wasser durch die Durchführung in den Innenraum des Gehäuses zu verhindern,
sei die Durchführung speziell abgedichtet. Die Sockeleinheit weise den Nachteil
auf, dass die Dichtung der Durchführung ein mögliches Leck darstelle; die Dicht-
- 8 -
wirkung der Dichtung lasse nämlich nach einiger Zeit nach, da das Dichtmaterial
im Lauf der Zeit porös werde, so dass die Gefahr bestehe, dass Wasser eindringe.
Um dies möglichst zu vermeiden, müsse die Dichtung regelmäßig kontrolliert wer-
den, was nur mit großem Aufwand möglich sei. Auch ein Austausch einer undicht
gewordenen Dichtung sei sehr aufwendig. Erschwerend komme hinzu, dass die
Dichtung durch Erschütterungen, beispielsweise durch Automobile oder Lastwa-
gen, zusätzlich beansprucht und durch Kleinst- und Kleintiere im Erdreich beschä-
digt werden könne (Absätze 0002 bis 0004).

Außerdem seien in einem Hohlraum angeordnete elektrische oder elektronische
Komponenten zur Versorgung einer sich zwischen zwei Fahrschienen einer
Gleisspur erstreckenden Primärspule bekannt. Um die elektrischen oder
elektronischen Komponenten vor sich in dem Hohlraum ansammelndem Wasser
zu schützen, in dem diese angeordnet sind, müssten sie entsprechend
wasserdicht abgedichtet werden. Dieses sei mit relativ großem Aufwand
verbunden, da die Durchführungen für die von den Komponenten abgehenden
Leitungen speziell abgedichtet werden müssten (Absatz 0005).

Aufgabe sei es daher, die genannten Nachteile zu überwinden und eine Vorrich-
tung zur induktiven Übertragung elektrischer Energie bereitzustellen, welche war-
tungsfreundlich, zuverlässig, betriebssicher und gegen Eindringen von Wasser in
die empfindliche Elektronik geschützt sei (Absatz 0006).

2.1 Als Fachmann legt der Senat seiner Entscheidung vor diesem Hintergrund
einen Diplomingenieur (FH) oder Bachelor der Fachrichtung Elektrotechnik mit
mehrjähriger Berufserfahrung in der Entwicklung von induktiven Kopplern zum
Laden von Fahrzeugen und deren Integration in die Infrastruktur zugrunde.

2.2 Die gestellte Aufgabe soll durch den Gegenstand des Patentanspruchs 1
gemäß Hauptantrag gelöst werden, der sich wie folgt gliedern lässt:

- 9 -
M1.1 Vorrichtung (1) zur induktiven Übertragung elektrischer Energie
zwischen einer ortsfest in einer Fahrbahn (7) installierbaren
Spule (12) und einer Sekundärspule (13) eines beweglichen
elektrischen Verbrauchers, insbesondere eines Elektrofahr-
zeugs (14),
M1.2 wobei der Spule (12) eine Versorgungseinheit (16) zur Versor-
gung mit elektrischer Energie zugeordnet ist,

dadurch gekennzeichnet, dass

M1.3 die Versorgungseinheit (16) auf einer im eingebauten Zustand
der Fahrbahn (7) abgewandten Seite der Spule (12) in einem
nach oben und seitlich geschlossenen Gehäuse (19) mit einer
nach unten offenen Gehäuseöffnung (20) angeordnet ist.

Der Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag I umfasst zusätzlich zu den Merkmalen
des Patentanspruchs 1 nach Hauptantrag noch das Merkmal M1.4:

M1.4 dass eine Entlüftungsvorrichtung (27) außerhalb des Gehäu-
ses (19) zur Entlüftung eines Innenraums (6) der Vorrich-
tung (1) vorgesehen ist.

An den Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag I schließt sich gemäß Hilfsantrag IIa
folgendes Merkmal an:

M1.5 um Luft und ggf. auch Wasser (24) aus dem Innenraum (6) ent-
weichen zu lassen und in umgekehrter Richtung keine Luft und
Wasser in den Innenraum (6) durchzulassen.

Der Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag IIb umfasst über den Hilfsantrag I hinaus
noch die Merkmale:
- 10 -
M1.1a wobei die Spule (12) in eine Spuleneinheit (9) integriert ist, und
M1.6 wobei die Spuleneinheit (9) die als Einwegventil (27) ausgebil-
dete Entlüftungsvorrichtung aufweist.

2.3 Einige Merkmale bedürfen der Erläuterung:

Dem Merkmal M1.3 entnimmt der Fachmann, dass die Versorgungseinheit in
einem nach oben und seitlich geschlossenen Gehäuse mit einer nach unten offe-
nen Gehäuseöffnung angeordnet ist. Die Richtungsangabe „nach unten“ versteht
der Fachmann als in Gravitationsrichtung, d. h. in Richtung Erdmittelpunkt gerich-
tet. Diese Anordnung bewirkt, dass Wasser, nach dem Prinzip einer Taucher-
glocke, nur so weit von unten in das Gehäuse eindringen kann, bis der Wasser-
druck und der Druck der im Gehäuse eingeschlossenen Luft im Gleichgewicht sind
(vgl. Absatz 0008 des Streitpatents).

Unter einer Entlüftungsvorrichtung im Merkmal M1.4 versteht der Fachmann jegli-
che Vorrichtung, die ein Entweichen von Luft aus einem Innenraum der Vorrich-
tung ermöglicht, wie beispielsweise ein Loch, ein Spalt oder eine andersartige Öff-
nung nach außen.

Unter der Angabe „Luft und ggf. auch Wasser“ im Merkmal M1.5 versteht der
Fachmann, dass durch die Entlüftungsvorrichtung Luft und, falls der Innenraum
durch von unten drückendes Wasser vollgelaufen ist, auch Wasser aus dem
Innenraum entweichen kann. Aus dem Streitpatent ergeben sich für den Fach-
mann keine Anhaltspunkte für die von der Beschwerdeführerin II vorgetragene
Annahme, dass die Entlüftungsvorrichtung in einer Ausgestaltung nur Luft entwei-
chen ließe und gleichzeitig sowohl das Entweichen als auch das Eindringen von
Wasser verhindern würde.

Unter einem Einwegventil im Merkmal M1.6 wird im Streitpatent ein Ventil verstan-
den, welches Luft und falls vorhanden, auch Wasser, entweichen lässt, in umge-
- 11 -
kehrter Richtung aber keine Luft und Wasser durchlässt (vgl. Absätze 0013,
0032).

Dem Merkmal M1.1a entnimmt der Fachmann, dass die Spule in eine Spulenein-
heit integriert ist. Unter einer Spuleneinheit versteht der Fachmann im Sinne des
Streitpatents beispielsweise einen auf einen Vorsprung einer Schachtwand aufge-
setzten Deckel, in dem die Primärspule integriert ist (vgl. Absätze 0022, 0023 und
Figur 1).

3. Der Gegenstand des erteilten Patentanspruchs 1 (Hauptantrag) ist nicht
neu (§ 1 i. V. m. § 3 PatG).

Aus der Druckschrift DE 10 2009 057 437 A1 (E1) – vgl. Figuren 1 bis 4 – ist in
Worten des Streitpatents ausgedrückt Folgendes bekannt: Eine

M1.1 Vorrichtung (Absatz 0029: „Bodenein-
fassung“) zur induktiven Übertragung
elektrischer Energie (Absatz 0039: „in-
duktiven Energieübertragung“) zwi-
schen einer ortsfest in einer Fahrbahn
(Absatz 0031: „Parkplatz“) installierba-
ren Spule (Absatz 0032: „Primärwick-
lung 2“) und einer Sekundärspule (Ab-
satz 0039: „Sekundärwicklung“) eines
beweglichen elektrischen Verbrau-
chers, insbesondere eines Elektro-
fahrzeugs (Absatz 0039: „Fahrzeug“),

Figur 4 der Druckschrift E1
M1.2 wobei der Spule („Primärwicklung 2“) eine Versorgungseinheit
(Absatz 0034: „elektronische Schaltung 3“) zur Versorgung mit
elektrischer Energie zugeordnet ist (Absatz 0038: „wird in die
Primärwicklung 2 ein Wechselstrom eingeprägt“),
- 12 -
wobei
M1.3 die Versorgungseinheit 3 auf einer im eingebauten Zustand der
Fahrbahn („Parkplatz“) abgewandten Seite der Spule 2 in
einem nach oben (Absatz 0009: „Oberseite der Haube“) und
seitlich geschlossenen Gehäuse (Absatz 0034: „Haube 4“) mit
einer nach unten offenen Gehäuseöffnung (Absatz 0005: „Öff-
nung an der Unterseite der Haube“) angeordnet ist.

Dem Einwand der Patentinhaberin, die in der Druckschrift E1 offenbarte Haube
bilde kein nach oben geschlossenes Gehäuse, da die Haube der Druckschrift E1
nur Seitenwände aufweise, kann nicht gefolgt werden, da in dem in der Figur 3 der
Druckschrift E1 dargestellten Querschnitt der Bodeneinfassung auch der obere
Abschluss (in der nachfolgenden Figur rot hervorgehoben) der Haube eindeutig
offenbart ist.


Figur 3 der Druckschrift E1 mit Hervorhebung durch den Senat

Damit ist aus der Druckschrift E1 eine Vorrichtung mit allen Merkmalen des
Anspruchs 1 nach Hauptantrag bekannt.

- 13 -
4. Auch der Gegenstand des Patentanspruchs 1 gemäß Hilfsantrag I ist ge-
genüber dem Stand der Technik nach der Druckschrift E1 nicht neu und daher
nicht patentfähig (§ 1 i. V. m. § 3 PatG).

Da das in die Bodeneinfassung eindringende Wasser diese voll befüllen kann (vgl.
E1, Absatz 0006) und somit zwischen Seitenwand der Haube 4 und Gehäuse-
wand 5 aufsteigen kann, drängt sich dem Fachmann im Sinne eines Mitlesens
ohne weiteres als selbstverständlich auf, dass im Bereich des Deckels 1 außer-
halb der Haube eine Entlüftung vorhanden sein muss, da selbstverständlich nur
durch eine Entlüftung nach oben die zwischen den Wänden 4, 5 und dem
Deckel 1 eingeschlossene Luft entweichen und somit der Wasserspiegel steigen
kann.

Somit ist auch der Gegenstand des Patentanspruchs 1 gemäß Hilfsantrag I durch
die aus der Druckschrift E1 bekannte Vorrichtung vorweggenommen.

5. Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 gemäß Hilfsantrag IIa geht über
den Inhalt der Anmeldung, in der diese ursprünglich beim Deutschen Patent- und
Markenamt eingereicht worden ist, hinaus (§ 21 Abs. 1 Nr. 4 PatG).

Werden in den Patentanspruch nur einzelne Merkmale eines Ausführungsbei-
spiels der Erfindung aufgenommen, geht die sich daraus ergebende Merkmals-
kombination dann über den Inhalt der Anmeldung hinaus, wenn sie in ihrer
Gesamtheit eine technische Lehre umschreibt, die der Fachmann den ursprüngli-
chen Unterlagen nicht als mögliche Ausgestaltung der Erfindung entnehmen kann
(BGH, Beschluss vom 11. September 2001 – X ZB 18/00 – Drehmomentübertra-
gungseinrichtung).

Gemäß ursprünglicher Beschreibung weist die Spuleneinheit 9 ein Einwegventil 27
auf, welches Luft und ggf. auch Wasser 24 aus dem Innenraum 6 entweichen
lässt, in umgekehrter Richtung aber keine Luft und Wasser in den Innenraum 6
- 14 -
durchlässt (vgl. Seite 6, Zeilen 18-20). Diesem Ausführungsbeispiel entnimmt der
Fachmann somit eine Spuleneinheit mit einem Einwegventil.
Die Angabe im Patentanspruch 1 des Hilfsantrags IIa gemäß Merkmal M1.5 „um
Luft und ggf. auch Wasser (24) aus dem Innenraum (6) entweichen zu lassen und
in umgekehrter Richtung keine Luft und Wasser in den Innenraum (6) durchzulas-
sen“, besagt aus der Sicht des Fachmanns nicht zwingend, dass die Spuleneinheit
ein Einwegventil aufweist. Vom Anspruch umfasst ist durch die Verallgemeinerung
auch eine Ausführungsform bei der die Entlüftungsvorrichtung mit dem Merk-
mal M1.5 außerhalb einer Spuleneinheit angeordnet ist. Damit ist der Patent-
anspruch 1 gemäß Hilfsantrag IIa jedoch auf eine Kombination von Merkmalen
gerichtet, die dem Fachmann nach seinen Feststellungen in der dem Streitpatent
zugrundeliegenden Anmeldung nicht als zur Erfindung gehörende Kombination
offenbart wird. Offenbart ist lediglich, dass die Spuleneinheit das Einwegventil auf-
weist. Somit ist die Änderung im Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag IIa unzulässig.

6. In der Fassung nach Hilfsantrag IIb kann das Streitpatent erfolgreich vertei-
digt werden.

6.1 Die Patentansprüche gemäß Hilfsantrag IIb sind zulässig. Ihre Gegen-
stände gehen nicht über den Inhalt der ursprünglich eingereichten Anmeldeunter-
lagen hinaus (§ 21 Abs. 1 Nr. 4 PatG).

Die Merkmale des Anspruchs 1 nach Hilfsantrag IIb sind an den folgenden Stellen
der Anmeldeunterlagen offenbart:

M1.1 Anspruch 1;
M1.1a Beschreibung, Seite 4, Zeilen 22-24;
M1.2 Anspruch 1;
M1.3 Anspruch 1;
M1.4 Anspruch 9;
M1.6 Beschreibung, Seite 6, Zeilen 15-18.
- 15 -
Die Einsprechende führte in ihrem Beschwerdeschriftsatz vom 13. Oktober 2016
bezüglich des Merkmals M1.1a aus, dass das Weglassen der Formulierung, wo-
nach die integrierte Spule über ein Versorgungskabel von einer Versorgungsein-
heit mit elektrischer Energie versorgt werde, zu einem Gegenstand führe, der über
das ursprünglich Offenbarte hinausginge. Diesbezüglich ist festzustellen, dass in
der Beschreibung zunächst ganz allgemein ohne Definition der elektrischen Ver-
sorgung erwähnt ist, dass in die Spuleneinheit in an sich bekannter Weise eine
Primärspule integriert ist (vgl. Beschreibung, Seite 4, Zeilen 22-24). Würde der
Anmelderin verwehrt, die Anordnung der Primärspule in der Spuleneinheit in all-
gemeiner Form zu beanspruchen, würde sie nach Überzeugung des Senats in
unbilliger Weise in der Ausschöpfung des Offenbarungsgehalts der ursprünglichen
Anmeldung beschränkt.

Bezüglich des Merkmals M1.6 führte die Einsprechende in ihrem Beschwerde-
schriftsatz aus, dass der Wortlaut die Verschlussrichtung des Einwegventils offen
lasse. Hierzu ist festzustellen, dass gemäß Merkmal M1.6 das Einwegventil ein-
deutig der Entlüftung dient und somit darauf beschränkt ist, Luft aus dem Innen-
raum entweichen zu lassen und in umgekehrter Richtung keine Luft in den Innen-
raum durchzulassen. Die Verschlussrichtung des Einwegventils ist somit für den
Fachmann unmittelbar und eindeutig aus dem Anspruchswortlaut zu entnehmen.

Die Patentansprüche 2 bis 9 stützen sich auf die ursprünglichen Ansprüche 2 bis 8
und 10 und sind somit ebenfalls zulässig.

6.2 Der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag IIb gilt gegenüber
dem im Verfahren entgegengehaltenen Stand der Technik als neu und auch bei
Einbeziehung des Wissens und Könnens des Fachmanns als auf einer erfinderi-
schen Tätigkeit beruhend (§ 1 Abs. 1 PatG i. V. m. § 3 PatG sowie § 4 PatG).

Die Druckschrift E1 offenbart zwar einen auf einen Vorsprung eines Gehäuse-
teils 5 aufgesetzten Deckel 1, im Sinne einer Spuleneinheit, und eine in diesen
- 16 -
Deckel 1 integrierte Primärwicklung 2, gemäß dem Merkmal M1.1a (vgl. Absät-
ze 0029, 0032 und Figuren 1 bis 4). Der Druckschrift E1 ist jedoch nicht zu ent-
nehmen, dass die Spuleneinheit, gemäß Merkmal M1.6, eine als Einwegventil
ausgebildete Entlüftungsvorrichtung aufweist.
Die Vorrichtung gemäß Anspruch 1 nach Hilfsantrag IIb ist daher neu gegenüber
dem Gegenstand der Druckschrift E1.

Auch aus keiner anderen der im Verfahren genannten Druckschriften ist eine als
Einwegventil ausgebildete Entlüftungsvorrichtung in einer Spuleneinheit bekannt.

Die Druckschrift E9 beschreibt zwar einen Schachtdeckel (3) mit einer Entlüftungs-
öffnung (10) (vgl. E9, Spalte 3, Zeilen 12 bis 26, 36 bis 41 und Fig. 1).


Ausschnitt der Figur 1 der Druckschrift E9

Diese Entlüftungsöffnung weist jedoch keine Dichtfunktion auf, da Regenwasser
durch diese eindringen kann (vgl. Spalte 3, Zeilen 36-38).

Die Argumentation der Einsprechenden, wonach der Fachmann ausgehend von
der Druckschrift E1 der Druckschrift E9 den Hinweis auf ein Loch im Schacht-
deckel entnehmen würde und statt des Lochs ein aus seinem Fachwissen be-
kanntes Einwegventil verwenden würde, um das Eindringen von Regenwasser zu
verhindern, konnte den Senat nicht überzeugen.
Denn in der Druckschrift E9 ist angegeben, dass das Eindringen von Regenwas-
ser in den Innenraum des Schachtes schon dadurch verhindert wird, dass es in
einer abgedichteten Rinne aufgefangen und über entsprechend angeordnete Ab-
- 17 -
flussöffnungen in der Schachtwandung in das den Schacht umgebende Erdreich
abgeleitet wird (vgl. Spalte 3, Zeilen 36 bis 38). Da das Eindringen von Regen-
wasser in der Druckschrift E9 somit bereits durch die abgedichtete Rinne verhin-
dert wird, fehlt es neben dem Problem auch an einem Anlass, ein Einwegventil
einzusetzen.

Die übrigen Druckschriften liegen nach Prüfung durch den Senat weiter ab und
wurden von den Beschwerdeführerinnen auch nicht mehr aufgegriffen.

Somit gelangte der Fachmann weder durch die Druckschriften E1 und E9, noch in
Verbindung mit den übrigen im Verfahren befindlichen Druckschriften in nahelie-
gender Weise zum Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag IIb.

7. Die Beschwerden der Patentinhaberin und der Einsprechenden waren da-
her zurückzuweisen.


Rechtsmittelbelehrung

Gegen diesen Beschluss steht den an dem Beschwerdeverfahren Beteiligten das
Rechtsmittel der Rechtsbeschwerde zu (§ 99 Abs. 2, § 100 Abs. 1, § 101 Abs. 1 PatG).

Nachdem der Beschwerdesenat in dem Beschluss die Einlegung der Rechtsbeschwerde
nicht zugelassen hat, ist die Rechtsbeschwerde nur statthaft, wenn einer der nachfol-
genden Verfahrensmängel durch substanziierten Vortrag gerügt wird (§ 100 Abs. 3 PatG):

1. Das beschließende Gericht war nicht vorschriftsmäßig besetzt.
2. Bei dem Beschluss hat ein Richter mitgewirkt, der von der Ausübung
des Richteramtes kraft Gesetzes ausgeschlossen oder wegen Besorgnis
der Befangenheit mit Erfolg abgelehnt war.
3. Einem Beteiligten war das rechtliche Gehör versagt.

- 18 -
4. Ein Beteiligter war im Verfahren nicht nach Vorschrift des Gesetzes ver-
treten, sofern er nicht der Führung des Verfahrens ausdrücklich oder
stillschweigend zugestimmt hat.
5. Der Beschluss ist aufgrund einer mündlichen Verhandlung ergangen, bei
der die Vorschriften über die Öffentlichkeit des Verfahrens verletzt
worden sind.
6. Der Beschluss ist nicht mit Gründen versehen.

Die Rechtsbeschwerde ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlusses beim
Bundesgerichtshof, Herrenstraße 45a, 76133 Karlsruhe, schriftlich einzulegen (§ 102
Abs. 1 PatG).

Die Rechtsbeschwerde kann auch als elektronisches Dokument, das mit einer qualifizier-
ten oder fortgeschrittenen elektronischen Signatur zu versehen ist, durch Übertragung in
die elektronische Poststelle des Bundesgerichtshofes eingelegt werden (§ 125a Abs. 3
Nr. 1 PatG i. V. m. § 1, § 2 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2, Abs. 2a, Anlage (zu § 1) Nr. 6 der Ver-
ordnung über den elektronischen Rechtsverkehr beim Bundesgerichtshof und Bundes-
patentgericht (BGH/BPatGERVV)). Die elektronische Poststelle ist über die auf der Inter-
netseite des Bundesgerichtshofes www.bundesgerichtshof.de/erv.html bezeichneten
Kommunikationswege erreichbar (§ 2 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 BGH/BPatGERVV). Dort sind
auch die Einzelheiten zu den Betriebsvoraussetzungen bekanntgegeben (§ 3
BGH/BPatGERVV).

Die Rechtsbeschwerde muss durch einen beim Bundesgerichtshof zugelassenen
Rechtsanwalt als Bevollmächtigten des Rechtsbeschwerdeführers eingelegt werden
(§ 102 Abs. 5 Satz 1 PatG).


Kleinschmidt Kirschneck J. Müller Dr. Kapels

Ko



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