19 W (pat) 22/15  - 19. Senat (Techn.Beschw.)
Karar Dilini Çevir:

BPatG 154
05.11

BUNDESPATENTGERICHT



19 W (pat) 22/15
_______________
(Aktenzeichen)



Verkündet am
29. Mai 2017





B E S C H L U S S

In der Beschwerdesache














betreffend das Patent 10 2009 056 454

- 2 -
hat der 19. Senat (Technischer Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf
die mündliche Verhandlung vom 29. Mai 2017 unter Mitwirkung des Vorsitzenden
Richters Dipl.-Ing. Kleinschmidt, der Richterin Kirschneck sowie der Richter
Dipl.-Ing. J. Müller und Richter Dipl.-Phys. Univ. Dipl.-Wirtsch.-Phys. Arnoldi

beschlossen:

1. Auf die Beschwerde der Patentinhaberin wird der Beschluss der
Patentabteilung 1.55 des Deutschen Patent- und Markenamts vom
30. Juni 2015 aufgehoben und das Patent 10 2009 056 454 mit
folgenden Unterlagen beschränkt aufrechterhalten:

Patentansprüche 1 bis 10 gemäß Hilfsantrag 1 vom
3. Mai 2017,

Beschreibung und Zeichnungen wie erteilt.

2. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.


G r ü n d e

I.

Auf die am 1. Dezember 2009 beim Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA)
eingegangene Patentanmeldung ist die Erteilung des nachgesuchten Patents mit
der Nummer 10 2009 056 454 am 10. November 2011 veröffentlicht worden.

- 3 -
Es trägt die Bezeichnung

„Energiezuführungsvorrichtung für Industrieroboter, und
Industrieroboter mit einer solchen Energiezuführungsvorrichtung“.

Gegen das Patent hat der Einsprechende mit Schreiben vom 10. Februar 2012,
beim Deutschen Patent- und Markenamt, eingegangen am selben Tag, Einspruch
erhoben mit der Begründung, der Gegenstand des Patents sei nicht neu oder
beruhe zumindest nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit. Soweit der Gegenstand
möglicherweise doch auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe, sei er ihm
widerrechtlich entnommen worden.

Nach mündlicher Verhandlung am 30. Juni 2015 hat die Patentabteilung 1.55 ver-
kündet, das Patent werde widerrufen. Der schriftlichen Begründung vom
15. Juli 2015 ist zu entnehmen, der Gegenstand des erteilten Patentanspruchs 1
(Hauptantrag) sowie die Gegenstände der jeweiligen Patentansprüche 1 nach den
Hilfsanträgen 1 bis 3 seien nicht neu und damit nicht patentfähig.
Über den vom Einsprechenden außerdem geltend gemachten Widerrufsgrund der
widerrechtlichen Entnahme hat die Patentabteilung mit der Begründung nicht ent-
schieden, mit keinem der durch die Patentinhaberin gestellten Anträge werde ein
patentfähiger Gegenstand beschrieben.

Die Patentinhaberin hat mit Schreiben vom 18. August 2015 gegen den Beschluss
der Patentabteilung Beschwerde eingelegt.

Sie beantragt in der mündlichen Verhandlung,

den Beschluss der Patentabteilung 1.55 des Deutschen Patent- und
Markenamts vom 30. Juni 2015 aufzuheben und das Patent
10 2009 056 454 in der erteilten Fassung aufrecht zu erhalten,

- 4 -
hilfsweise,
das Patent mit folgenden Unterlagen beschränkt aufrecht zu erhalten:
Patentansprüche 1 bis 10 gemäß Hilfsantrag 1 vom 3. Mai 2017,

weiter hilfsweise mit
Patentansprüchen 1 bis 14 gemäß Hilfsantrag 2 vom 3. Mai 2017,

weiter hilfsweise mit
Patentansprüchen 1 bis 14 gemäß Hilfsantrag 3 vom 3. Mai 2017,

Beschreibung und Zeichnungen zu den Hilfsanträgen jeweils wie erteilt.

Der Einsprechende beantragt,

die Beschwerde der Patentinhaberin zurückzuweisen und zu dem Ein-
spruchsgrund der widerrechtlichen Entnahme in der Begründung Stel-
lung zu nehmen.

Der Patentanspruch 1 erteilter Fassung (Hauptantrag) lautet:

1. Energiezuführungsvorrichtung für Industrieroboter (1), aufweisend:
- ein Tragbauteil (1, 5, 18),
- eine Energiezuführungsleitung (17) mit einem feststehenden Lei-
tungsabschnitt (17a), einen Ausgleichsabschnitt (17b) und einem
ausziehbaren Leitungsabschnitt (17c),
- einen Halter (15) zum Befestigen des feststehenden Leitungs-
abschnitts (17a) an dem Tragbauteil (1, 5, 18),
- eine Führung (13) zum radialen Lagern des ausziehbaren Lei-
tungsabschnitts (17c) bezüglich des Tragbauteils (1, 5, 18) und

- 5 -
- eine Versteifungstraverse (14), welche den Halter (15) mit der
Führung (13) verbindet und zusammen mit dem Halter (15) und
der Führung (13) als Verbundbauteil (19) ausgebildet ist.

Der Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag 1 vom 3. Mai 2017 lautet:

1. Energiezuführungsvorrichtung für Industrieroboter (1), aufweisend:
- ein Tragbauteil (1, 5, 18),
- eine Energiezuführungsleitung (17) mit einem feststehenden Lei-
tungsabschnitt (17a), einen Ausgleichsabschnitt (17b) und einem
ausziehbaren Leitungsabschnitt (17c),
- einen Halter (15) zum Befestigen des feststehenden Leitungsab-
schnitts (17a) an dem Tragbauteil (1, 5, 18),
- eine Führung (13) zum radialen Lagern des ausziehbaren Lei-
tungsabschnitts (17c) bezüglich des Tragbauteils (1, 5, 18) und
- eine Versteifungstraverse (14), welche den Halter (15) mit der
Führung (13) verbindet und zusammen mit dem Halter (15) und
der Führung (13) als Verbundbauteil (19) ausgebildet ist, wobei
das Verbundbauteil (19) zweiteilig mit einer Trennebene (20)
ausgebildet ist, die den Halter (15) und die Führung (13) diame-
tral durchschneidet, wodurch das Verbundbauteil (19) eine erste
Verbundbauteilhälfte (19a) und eine zweite Verbundbauteil-
hälfte (19b) bilden, die über mindestens ein Verbindungsmittel
miteinander verbunden sind.

Wegen der weiteren Einzelheiten, insbesondere zum Einspruchsverfahren vor der
Patentabteilung und zum Wortlaut der jeweiligen abhängigen Patentansprüche
sowie zu den nicht zum Tragen gekommenen Hilfsanträge 2 und 3 wird auf den
Akteninhalt verwiesen.

- 6 -
II.

1. Die Beschwerde des Einsprechenden ist statthaft und auch sonst zulässig
(§ 73 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 PatG, § 6 Abs. 1 Satz 1 PatKostG).

2. Die Beschwerde hat insoweit Erfolg, als sie zur Aufhebung des Beschlus-
ses der Patentabteilung 1.55 des Deutschen Patent- und Markenamtes vom
30. Juni 2015 und zur beschränkten Aufrechterhaltung des Patents gemäß Hilfs-
antrag 1 führt. Im Übrigen, hinsichtlich des Hauptantrags, war sie zurückzuweisen.

2.1 Ausgangspunkt der Erfindung sind Industrieroboter, bei denen elektrische
Energie sowie Steuersignale und teilweise Fluide von einem feststehenden Teil
auf einen demgegenüber beweglichen Roboterarm übertragen wird, wobei
gleichermaßen eine Übertragung über weitere Gelenke oder Achsen erfolgen
kann, so dass keiner der beiden beteiligten Maschinenelemente tatsächlich orts-
fest sein muss. Dabei führt der Roboterarm sich vielfach wiederholende Bewe-
gungen aus, bei denen auch die Zuführungsleitungen hohen Beschleunigungen
sowie erheblicher Wechselbiegebeanspruchung ausgesetzt sind und dies zudem
häufig in einer widrigen Industrieumgebung. Die eigentlichen Strom- und Fluidlei-
tungen sind dabei in der Regel von einem Schutzrohr, im Sprachgebrauch der
Streitpatentschrift, einer Energiezuführungsleitung umgeben, die ihrerseits den
Beanspruchungen ausgesetzt ist, vor denen sie ihren Innenbereich zu schützen
hat.
Dabei ist es gemäß Stand der Technik üblich, das Schutzrohr gegenüber dem Ro-
boterunterteil einseitig festzuhalten, im Sprachgebrauch der Streitpatentschrift
mittels eines Halters, und den überwiegend anderen Teil, der die Bewegung des
Roboterarms ausgleichen muss, längsbeweglich zu führen, im Sprachgebrauch
der Streitpatentschrift mittels einer Führung.

Vor diesem Hintergrund sei es laut der Beschreibungseinleitung Aufgabe der Er-
findung eine Energiezuführungsvorrichtung für Industrieroboter mit einer verbes-
- 7 -
serten Stabilisierung, Befestigung und Verbindung von Halter und Führung zu
schaffen. (Absatz 0005 der Streitpatentschrift).

2.2 Als Fachmann legt der Senat einen Dipl.-Ing. (FH), Bachelor oder Techniker
der Fachrichtung Maschinenbau zugrunde, mit mehrjähriger Berufserfahrung in
der Entwicklung und Montage von Energiezuführungsvorrichtungen für beweglich
angeordnete elektrische Verbraucher, wie beispielsweise an Handhabungsarmen
von Industrierobotern.

2.3 Im Widerrufsbeschluss der Patentabteilung des Deutschen Patent- und
Markenamt ist auf folgende, vom Einsprechenden eingereichte Druckschrift Bezug
genommen worden, die auch zwischen den Beteiligten unstrittig den nächstkom-
menden Stand der Technik wiedergibt:

E1: Produktkatalog der Firma igus GmbH, Köln:
"igus.de/... .plastics.for.longer.life®/ ... 2008/…“,
Stand 04/2008, Titelblatt, Seiten 5.324-5.343, Rückseite.

Der Senat hält auch den Inhalt der auf den Einsprechenden zurückgehenden älte-
ren nationalen Patentanmeldung 10 2009 037 515.5, die am 3. März 2011 durch
Offenlegung (Druckschrift DE 10 2009 037 515 A1) der Öffentlichkeit zugänglich
gemacht worden ist, für relevant (§ 3 Abs. 2 Nr. 1 PatG).

2.4 Der Patentanspruch 1 gemäß Hauptantrag lässt sich wie folgt gliedern:

Energiezuführungsvorrichtung
a1 für Industrieroboter (1), aufweisend:
a2 - ein Tragbauteil (1, 5, 18),

b1 - eine Energiezuführungsleitung (17)
b2 mit einem feststehenden Leitungsabschnitt (17a),
- 8 -
b3 einem Ausgleichsabschnitt (17b) und
b4 einem ausziehbaren Leitungsabschnitt (17c),

c1 - einen Halter (15) zum Befestigen des feststehenden Leitungs-
abschnitts (17a) an dem Tragbauteil (1, 5, 18),
c2 - eine Führung (13) zum radialen Lagern des ausziehbaren Lei-
tungsabschnitts (17c) bezüglich des Tragbauteils (1, 5, 18) und
c3 - eine Versteifungstraverse (14), welche den Halter (15) mit der
Führung (13) verbindet und
c4 zusammen mit dem Halter (15) und der Führung (13) als Ver-
bundbauteil (19) ausgebildet ist.

2.5 An den Patentanspruch 1 erteilter Fassung schließen sich gemäß Hilfsan-
trag 1 vom 3. Mai 2017 folgende Merkmale an:

wobei
d1 das Verbundbauteil (19) zweiteilig mit einer Trennebene (20)
ausgebildet ist, die den Halter (15) und die Führung (13)
diametral durchschneidet, wodurch
d2 das Verbundbauteil (19) eine erste Verbundbauteilhälfte (19a)
und eine zweite Verbundbauteilhälfte bilden, die über mindes-
tens ein Verbindungsmittel miteinander verbunden sind.

3. Die jeweiligen Patentansprüche 1 nach Hauptantrag und Hilfsantrag 1 sind
zulässig:

Der erteilte Patentanspruch 1 ist aus den ursprünglichen Patentansprüchen 1 und
4 hervorgegangen, darüber hinaus sind im Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag 1
Merkmale aus dem ursprünglichen Patentanspruch 5 (= erteilter Patentan-
spruch 4) genannt.

- 9 -
4. Seiner Entscheidung legt der Senat folgendes fachmännisches Verständnis
der zwischen den Beteiligten kontrovers diskutierten Begriffe zugrunde:

4.1 Bereits der Begriff Traverse besagt, dass es sich bei einer derart bezeich-
neten Einzelheit um ein querliegendes Bauteil handelt, das der Stabilisierung,
Befestigung und Verbindung dient.

Im Zusammenhang mit einem Industrieroboter versteht der Fachmann daher unter
einer Versteifungstraverse ein Konstruktionselement, das entscheidend dazu bei-
trägt, dass die Gesamtkonstruktion allen bei der Bewegung des Roboterarmes
auftretenden dynamischen und auch den herrschenden statischen Kräften stand-
hält.

Dazu gehört selbstverständlich auch, dass die Versteifungstraverse den Biege-
und Torsionskräften standhält, die auf den Halter und die Führung, die mittels der
Versteifungstraverse miteinander verbunden sind, wirken, ohne dass es zu funk-
tionsbeeinträchtigenden Verschiebungen der Position oder Lage von Halter und
Führung kommen kann, wie in Absatz 0007 der Streitpatentschrift angegeben ist.

4.2 Da der Fachmann mit dem Begriff „Verbundbauteil“, der im Merkmal c4 ge-
nannt ist, aus seinem Fachwissen keinen eindeutigen Bedeutungsinhalt verbindet
und auch die Streitpatentschrift eine Vielzahl von Auslegungsmöglichkeiten zu-
lässt, misst der Senat diesem Begriff nicht mehr Bedeutung zu, als dass das Ver-
bundbauteil zumindest die drei Einzelheiten Versteifungstraverse, Halter sowie
Führung umfasst und deren Funktionen in sich vereinigt.

5. Der Gegenstand des erteilten Patentanspruchs 1 (Hauptantrag) ist nicht
neu (§ 1 Abs. 1 PatG i. V. m. § 3 PatG):

- 10 -
Ausschnitt aus der Entgegenhaltung E1
mit Einfügungen durch den Senat.
5.1 Unter Beachtung des vorstehend dargelegten Verständnisses und Wissens
des Fachmanns ist aus der Druckschrift E1 bzw. der später eingereichten qualita-
tiv besseren Kopie, Druckschrift E8, Folgendes bekannt: Eine

Energiezuführungsvorrichtung
a1 für Industrieroboter, aufweisend:
a2 - ein Tragbauteil 5,

b1 - eine Energiezuführungsleitung
b2 mit einem feststehenden Leitungsab-
schnitt,
b3 einem Ausgleichsabschnitt und
b4 einem ausziehbaren Leitungsab-
schnitt,

c1 - einen Halter 1 zum Befestigen des
feststehenden Leitungsabschnitts an
dem Tragbauteil,
c2 - eine Führung 2 zum radialen Lagern
des ausziehbaren Leitungsab-
schnitts bezüglich des Tragbauteils 5
und
c3 - ein L-förmiges Blech, welche den
Halter 1 mit der Führung 2 verbindet und
c4 - zusammen mit dem Halter und der Füh-
rung als Verbundbauteil ausgebildet ist.

Der Fachmann weiß, dass das L-förmige Blech, auf dem der Halter und die Füh-
rung befestigt sind, welche also zusammen mit diesem ein Verbundbauteil bilden,
so dimensioniert ist, dass es die Biege- und/oder Torsionskräfte, die auf Halter
und Führung wirken, aufnimmt, ohne dass es zu funktionsbeeinträchtigenden Ver-
- 11 -
Ausschnitt aus der DE 10 2009 037 515 A1
mit Einfügungen durch den Senat.
schiebungen der Position oder Lage von Halter und Führung kommen kann, an-
sonsten wäre die gesamte Konstruktion unbrauchbar.

Somit handelt es sich bei dem L-förmigen Blech unter Berücksichtigung der hierfür
in der Streitpatentschrift getroffenen Definitionen um eine Versteifungstraverse.

5.2 Gleichermaßen ist der Gegenstand des erteilten Patentanspruchs 1 voll-
ständig durch den Inhalt der älteren Anmeldung 10 2009 037 515.5 vorweggenom-
men, da diese – mit den Worten des Patentanspruchs 1 gemäß Hauptantrags aus-
gedrückt und aus den nachfolgend wiedergegebenen Figuren 3a und 3b ersicht-
lich – folgenden Gegenstand offenbart: Eine

Energiezuführungsvorrichtung
(Absatz 0001 der Offenle-
gungsschrift)
a1 für Industrieroboter (vgl. Figur
7), aufweisend:
a2 - ein Tragbauteil,

b1 - eine Energiezuführungslei-
tung
b2 mit einem feststehenden
Leitungsabschnitt,
b3 einem Ausgleichsabschnitt
und
b4 einem ausziehbaren Lei-
tungsabschnitt,

c1 - einen Halter zum Befestigen des feststehenden Leitungsab-
schnitts an dem Tragbauteil,
- 12 -
c2 - eine Führung zum radialen Lagern des ausziehbaren Lei-
tungsabschnitts bezüglich des Tragbauteils und
c3 - eine Versteifungstraverse, welche den Halter mit der Führung
verbindet und
c4 - zusammen mit dem Halter und der Führung als Verbundbauteil
ausgebildet ist.

Selbst wenn der zeichnerischen Darstellung nicht zu entnehmen sein mag, dass
dem Bauteil, das den Halter und die Führung miteinander verbindet, eine beson-
dere versteifende Wirkung zukommt, erkennt der Fachmann mangels anderer An-
gaben in dieser Druckschrift zweifellos, dass diese Traverse so dimensioniert ist,
dass sie die Biege- und/oder Torsionskräfte, die auf Halter und Führung wirken,
aufnimmt, ohne dass es zu funktionsbeeinträchtigenden Verschiebungen der
Position oder Lage von Halter und Führung kommen kann.

Somit handelt es sich bei der Traverse, die Halter und Führung miteinander ver-
bindet unter Berücksichtigung der hierfür in der Streitpatentschrift getroffenen
Definitionen um eine Versteifungstraverse.

Somit ist der Gegenstand des Patentanspruchs 1 weder gegenüber der durch die
Druckschrift E1 offenbarte Energiezuführungsvorrichtung neu noch gegenüber
dem Inhalt der älteren Anmeldung 10 2009 037 515.5.

6. Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 1 vom
3. Mai 2017 gilt gegenüber dem im Verfahren entgegengehaltenen Stand der
Technik als neu und auch bei Einbeziehung des Wissens und Könnens des Fach-
manns als auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhend (§ 1 Abs. 1 PatG i. V. m. § 3
PatG sowie § 4 PatG).

- 13 -
6.1 Weder aus der Druckschrift E1 noch aus der älteren Anmeldung
10 2009 037 515.5 ist es bekannt, das Verbundbauteil derart auszugestalten, dass

d1 das Verbundbauteil zweiteilig mit einer Trennebene ausgebildet
ist, die den Halter und die Führung diametral durchschneidet,
wodurch
d2 das Verbundbauteil eine erste Verbundbauteilhälfte und eine
zweite Verbundbauteilhälfte bilden, die über mindestens ein
Verbindungsmittel miteinander verbunden sind.

Vielmehr sind gemäß diesen Druckschriften die Bauteile, die die Verbundbauteile
aus Versteifungstraverse, Halter sowie Führung darstellen, soweit aus den zeich-
nerischen Darstellungen ersichtlich, jeweils mindestens dreiteilig ausgebildet,
indem Halter und Führer jeweils unabhängig voneinander zu öffnen sind.

Auch aus dem von der Anmelderin selbst in der Beschreibungseinleitung ge-
nannten Stand der Technik ist keine Anregung zu erkennen, die den Fachmann
veranlasst haben könnte, das Verbundbauteil aus Versteifungstraverse, Halter
sowie Führung entsprechend den Merkmalen d1 und d2 zweiteilig mit einer Trenn-
ebene ausgebildet ist, die den Halter und die Führung diametral durchschneidet,
derart, dass das Verbundbauteil eine erste Verbundbauteilhälfte und eine zweite
Verbundbauteilhälfte bilden, die über mindestens ein Verbindungsmittel miteinan-
der verbunden sind.

Im Übrigen hat auch der Einsprechende nicht geltend gemacht, dass der Gegen-
stand des Patentanspruchs gemäß Hilfsantrag 1 nicht auf einer erfinderischen
Tätigkeit beruhen würde.

Somit gilt die Energiezuführungsvorrichtung gemäß geltendem Patentanspruch 1
gemäß Hilfsantrag 1 gegenüber der dem im Verfahren berücksichtigten Stand der
Technik als neu und auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhend.
- 14 -
6.2 Der Senat hat bei seiner Entscheidung auch berücksichtigt, dass an sich für
die Installation von Wasser- oder Gasleitungen sogenannte Doppelrohrschellen
bekannt sind. Aber selbst wenn dem hier maßgeblichen Fachmann diese Bauteile
bekannt gewesen sind, wäre es nach Überzeugung des Senats als erfinderische
Tätigkeit anzuerkennen, die Merkmale solcher Doppelrohrschellen auf eine Ener-
giezuführungsvorrichtung für einen Industrieroboter zu übertragen, da keine Anre-
gung erkennbar ist, die den Fachmann zu diesem Schritt veranlasst haben könnte.

7. Der für den Fall der Patentfähigkeit der patentgemäßen Erfindung geltend
gemachte Widerrufsgrund der widerrechtlichen Entnahme (§ 21 Abs. 1 Nr. 3 PatG)
greift nicht durch.

Was den Gegenstand des erteilten Patentanspruchs 1, insbesondere mit den dort
sehr allgemein gefassten Merkmalen c3 und c4, anbelangt, ist dieser – wie oben
ausgeführt – nicht nur aus den Figuren 3a und 3b der älteren Patentanmeldung
10 2009 037 515.5 des Einsprechenden, sondern auch aus dem der Öffentlichkeit
bereits seit April 2008 bekannten Stand der Technik nach der Druckschrift E1 be-
kannt. Es ist daher nicht nachgewiesen, dass der wesentliche Inhalt des Patents
gerade den Figuren 3a und 3b entnommen worden ist, die erst später als die
Druckschrift E1, nämlich zu einem nicht näher feststellbaren Zeitpunkt nach dem
17. August 2009, im Zusammenhang mit der mit der Patentanmeldung
10 2009 037 515.5 inhaltlich übereinstimmenden Erfindungsmeldung des Einspre-
chenden der Patentinhaberin zur Kenntnis gelangt sind.

Die weitergehende Behauptung des Einsprechenden, die spezielle Ausgestaltung
des Verbundbauteils nach Hilfsantrag 1, die in den Merkmalen d1 und d2 ange-
geben ist, gehe auf eine Äußerung zurück, die er mündlich gegenüber
Herrn N…, einem Mitarbeiter der Patentabteilung der Patentinhaberin
vorgebracht habe, stellt keinen für den Senat verwertbaren Beweis dar.

- 15 -
Jedenfalls kann der unbestrittene Umstand, dass sich die Gegenseite zu dieser
Behauptung nicht geäußert hat, nicht als Anerkenntnis gewertet werden. Vielmehr
hat der Vertreter der Patentinhaberin zu Recht darauf hingewiesen, dass sie nicht
dazu verpflichtet ist, interne Vorgänge preiszugeben, die der Geheimhaltung
unterliegen.

Somit gilt der Gegenstand des Patentanspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 1 vom
3. Mai 2017 nicht als dem Einsprechenden widerrechtlich entnommen.

8. Da der Schutzbereich des Patents durch den Wortlaut der Patentansprüche
bestimmt ist und eine davon abweichende Auslegung anhand der bereits veröf-
fentlichten Beschreibung gemäß DE 10 2009 056 454 B1 vom 10. November 2011
nach Erkenntnis des Senats nicht möglich ist, hat der Senat davon abgesehen,
von der Patentinhaberin eine Anpassung der Beschreibung und der abhängigen
Patentansprüche an den Inhalt des Patentanspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 1 zu
verlangen.

8.1 Insbesondere erkennt auch jeder Dritte unmittelbar und eindeutig, dass es
sich gemäß Wortlaut des Patentanspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 1 bei der Verstei-
fungstraverse um einen integralen Bestandteil des Verbundbauteils handelt, so
dass es einer separaten Nennung der Versteifungstraverse im Patentanspruch 9
gemäß Hilfsantrags 1 nicht bedarf. Zudem kann es zu keiner Verwirrung um die
Bedeutung aufgrund des Wortes „bzw.“ zwischen den Worten „Versteifungstra-
verse“ und „Verbundbauteils“ kommen.

Weiter ist ohne weiteres ersichtlich, dass sich der Patentanspruch 9 gemäß Hilfs-
antrag 1 hinsichtlich der Befestigung der Aufnahme auf der Grundplatte nur auf die
Patentansprüche 5 bis 9 rückbeziehen kann, da die Aufnahme erstmalig im Pa-
tentanspruch 5 genannt ist.

- 16 -
8.2 Weiter ist aus dem Wortlaut des Patentanspruchs 1 gemäß Hilfsantrags 1
ersichtlich, dass aus dem Stand der Technik bereits mehr Teile einer Energiezu-
führungsvorrichtung für einen Industrieroboter allgemein bekannt sind als in Ab-
satz 0001 der DE 10 2009 056 454 B4 angegeben sind, insbesondere auch Hal-
ter, Führung sowie Versteifungstraverse.

8.3 Es ist auch gang und gäbe, dass bei der Erteilung oder der beschränkten
Aufrechterhaltung eines Patents zusätzlich zu dem in der Beschreibung ausführ-
lich erläuterten Stand der Technik, im vorliegenden Fall der Energiezuführungs-
vorrichtung gemäß den Druckschriften DE 10 2004 028 577 A1,
DE 10 2008 011 383 A1 sowie JP 2002 067828 A, weitere Entgegenhaltungen bei
der Feststellung der Patentfähigkeit des schließlich geschützten Gegenstandes
von Bedeutung waren, hier das Prospekt E1 sowie die ältere Anmeldung
10 2009 037 515.5, in denen der dem Patentgegenstand tatsächlich nächstkom-
mende Stand der Technik wiedergegeben ist.

8.4 Außerdem ist selbstverständlich, dass für die Bestimmung des Schutzbe-
reichs nicht der Absatz 0006 der Beschreibung maßgeblich ist, sondern der Wort-
laut des Patentanspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 1, in dem zusätzlich noch die
Merkmale d1 und d2 genannt sind.

8.5 Daher ist es auch unerheblich, dass die Wirkungen und Vorteile, die in den
Absätzen 0007 bis 0011 der DE 10 2009 056 454 B4 für die Erfindung geltend
gemacht sind, gleichermaßen bereits bei dem Stand der Technik gemäß der Ent-
gegenhaltung E1 sowie der Entgegenhaltung DE 10 2009 056 454 B4 vorhanden
sind.

8.6 Da erst im Patentanspruch 4 gemäß Hilfsantrag 1 Kunststoff einschränkend
als Werkstoff für das Verbundbauteil genannt ist, ist anhand der Absätze 0011,
0012 sowie 0015 ersichtlich, dass durch den Patentanspruch 1 auch Energiezu-
führungsvorrichtungen geschützt sein sollen, die aus anderen Werkstoffen beste-
- 17 -
hen, beispielsweise Stahl oder Aluminium, wenngleich auf diese kein Unteran-
spruch gerichtet ist.

8.7 Da der Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag 1 dagegen eindeutig auf ein
zweiteiliges Verbundbauteil beschränkt ist, ist unmissverständlich ersichtlich, dass
anderslautende Aussagen in den Absätzen 0016 und 0017, wonach das Verbund-
bauteil auch mehr als zwei Teile aufweisen könnte oder einer der beiden Teile
seinerseits wiederum aus mehreren Teilen bestehen könne, unbeachtlich sind.

Ebenso ist die Aussage in Absatz 0024, die Erfindung beträfe auch einen Indus-
trieroboter mit einer Energiezuführungsvorrichtung nach einer der beschriebenen
Ausgestaltungen, unbeachtlich, da bekanntermaßen für die Erfindung hinsichtlich
des Industrieroboters allein durch den auf die Patentansprüche 1 bis 9 rückbezo-
genen Patentanspruch 10 gemäß Hilfsantrag 1 vom 3. Mai 2017 bestimmt ist und
nicht durch die Beschreibung in der auch Ausgestaltungen erwähnt sind, die kei-
nen Eingang in die Patentansprüche gefunden haben.

9. Mithin war der Beschwerde der Patentinhaberin insoweit stattzugeben, dass
das Patent in der von der Patentinhaberin beanspruchten Fassung gemäß Hilfs-
antrag 1 vom 3. Mai 2017 beschränkt aufrechtzuerhalten war. Im Übrigen, soweit
die Aufrechterhaltung des Patents im erteilten Umfang beantragt wurde, war die
Beschwerde zurückzuweisen.

Rechtsmittelbelehrung

Gegen diesen Beschluss steht den an dem Beschwerdeverfahren Beteiligten das Rechts-
mittel der Rechtsbeschwerde zu, wenn der Beschwerdesenat sie in dem Beschluss
zugelassen hat (§ 99 Abs. 2, § 100 Abs. 1, § 101 Abs. 1 PatG).

Hat der Beschwerdesenat in dem Beschluss die Einlegung der Rechtsbeschwerde nicht
zugelassen, ist die Rechtsbeschwerde nur statthaft, wenn einer der nachfolgenden
Verfahrensmängel durch substanziierten Vortrag gerügt wird (§ 100 Abs. 3 PatG):
- 18 -

1. Das beschließende Gericht war nicht vorschriftsmäßig besetzt.
2. Bei dem Beschluss hat ein Richter mitgewirkt, der von der Ausübung
des Richteramtes kraft Gesetzes ausgeschlossen oder wegen Besorgnis
der Befangenheit mit Erfolg abgelehnt war.
3. Einem Beteiligten war das rechtliche Gehör versagt.
4. Ein Beteiligter war im Verfahren nicht nach Vorschrift des Gesetzes
vertreten, sofern er nicht der Führung des Verfahrens ausdrücklich oder
stillschweigend zugestimmt hat.
5. Der Beschluss ist aufgrund einer mündlichen Verhandlung ergangen, bei
der die Vorschriften über die Öffentlichkeit des Verfahrens verletzt
worden sind.
6. Der Beschluss ist nicht mit Gründen versehen.

Die Rechtsbeschwerde ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlusses beim
Bundesgerichtshof, Herrenstraße 45a, 76133 Karlsruhe, schriftlich einzulegen (§ 102
Abs. 1 PatG).

Die Rechtsbeschwerde kann auch als elektronisches Dokument, das mit einer qualifi-
zierten oder fortgeschrittenen elektronischen Signatur zu versehen ist, durch Übertragung
in die elektronische Poststelle des Bundesgerichtshofes eingelegt werden (§ 125a Abs. 3
Nr. 1 PatG i. V. m. § 1, § 2 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2, Abs. 2a, Anlage (zu § 1) Nr. 6 der
Verordnung über den elektronischen Rechtsverkehr beim Bundesgerichtshof und
Bundespatentgericht (BGH/BPatGERVV)). Die elektronische Poststelle ist über die auf
der Internetseite des Bundesgerichtshofes www.bundesgerichtshof.de/erv.html bezeich-
neten Kommunikationswege erreichbar (§ 2 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 BGH/BPatGERVV). Dort
sind auch die Einzelheiten zu den Betriebsvoraussetzungen bekanntgegeben (§ 3
BGH/BPatGERVV).

- 19 -
Die Rechtsbeschwerde muss durch einen beim Bundesgerichtshof zugelassenen Rechts-
anwalt als Bevollmächtigten des Rechtsbeschwerdeführers eingelegt werden (§ 102
Abs. 5 Satz 1 PatG).


Kleinschmidt Kirschneck J. Müller Arnoldi

Ko



Full & Egal Universal Law Academy