18 W (pat) 9/16  - 18. Senat (Techn.Beschw.)
Karar Dilini Çevir:

ECLI:DE:BPatG:2018:160318B18Wpat9.16.0


BUNDESPATENTGERICHT



18 W (pat) 9/16
_______________
(Aktenzeichen)



Verkündet am






B E S C H L U S S

In der Beschwerdesache

betreffend die Patentanmeldung 11 2006 004 285.8









hat der 18. Senat (Techn. Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf die
mündliche Verhandlung vom 16. März 2018 durch die Vorsitzende Richterin
Dipl.-Ing. Wickborn sowie die Richter Kruppa, Dipl.-Phys. Dr. Schwengelbeck und
Dipl.-Ing. Altvater
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beschlossen:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.


G r ü n d e

I.

Die vorliegende Patentanmeldung 11 2006 004 285.8 geht durch die am
23. Dezember 2015 erklärte Teilung aus der Stammanmeldung 11 2006 003 597.5
hervor, die wiederum aus einer PCT-Anmeldung hervorgeht, die am
14. Dezember 2006 unter Inanspruchnahme der US-amerikanischen Priorität
11/323,724 vom 30. Dezember 2005 eingereicht und als WO 2007/078883 A1
veröffentlicht wurde. Die Anmeldung trägt die Bezeichnung

„Unbeschränkte Transaktionsspeichersysteme“

und wurde mit Beschluss durch die Prüfungsstelle für Klasse G 06 F des Deut-
schen Patent- und Markenamts vom 6. April 2016 zurückgewiesen, da der Gegen-
stand des Patentanspruchs 1 für den Fachmann in der Anmeldung nicht so deut-
lich und vollständig angegeben sei, dass dieser ihn ausführen könne.

Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde der Anmelderin.

Die Anmelderin beantragt mit Schriftsatz vom 11. Mai 2016 sinngemäß,

den Beschluss der Prüfungsstelle für Klasse G 06 F des Deut-
schen Patent- und Markenamts vom 6. April 2016 aufzuheben und
das Patent auf der Grundlage der folgenden Unterlagen zu ertei-
len:
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- Patentansprüche 1 bis 25, eingegangen am 16. März 2016,

- Beschreibung, Seiten 1 bis 18, eingegangen am 23. Dezember 2015,

- Figuren 1 bis 7, eingegangen am 23. Dezember 2015.

Der seitens des Senats mit einer Gliederung versehene Patentanspruch 1 lautet
unter Hervorhebung der Änderungen gegenüber dem ursprünglich in der
Stammanmeldung eingereichten Anspruch 1:

M1 „Prozessor mit:
M2 Logik (208) zum Bewirken eines Software-Transaktionsspei-
cherzugriffs entsprechend einem Befehl eines Ausführungs-
strangs, der auszuführen ist, nachdem die Ausführung eines
dem Ausführungsstrang entsprechenden vorausgehenden
Hardware-Transaktionsspeicherzugriffs fehlgeschlagen ist;
M3 einem Transaktionsdeskriptor-Register (236) zum Speichern
eines Wertes, der dem Software-Transaktionsspeicherzugriff
entspricht; und
M4 einem Datenübersetzungs-Look-Aside-Puffer (DTLB) (214)
zum Speichern eines oder mehrerer Besitz-Flag-(222)-Bits
eines DTLB-Eintrags, der einen Wert aufweisen soll, der dem
Software-Transaktionsspeicherzugriff entspricht,
M4a wobei das eine oder die mehreren Besitz-Flag-(222)-Bits ei-
nen Wert enthalten, der aus dem Wert kopiert ist, der im
Transaktionsdeskriptor-Register (236) gespeichert ist, und
M5 wobei ein Hardware-Transaktionsspeicherzugriff in Reaktion
darauf abzubrechen ist, dass das eine oder die mehreren
Besitz-Flag-(222)-Bits einen gültigen Besitzstatus anzeigen.“

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Wegen des Wortlauts der nebengeordneten Ansprüche 15, 19 und 24 sowie der
jeweiligen Unteransprüche wird auf die Akte verwiesen.

Mit der Ladung vom 19. Januar 2018 zur mündlichen Verhandlung ist die Anmel-
derin im Ladungszusatz unter anderem darauf hingewiesen worden, dass die Ge-
genstände der am 16. März 2016 eingegangenen unabhängigen Patentansprüche
möglicherweise jeweils in unzulässiger Weise über den Inhalt der Anmeldung in
der ursprünglichen Fassung hinausgehen.

Die Anmelderin ist entsprechend ihrer Ankündigung im Schreiben vom
15. März 2018 nicht zur mündlichen Verhandlung erschienen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.


II.

Die zulässige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg. Denn der Gegenstand
des Patentanspruchs 1 wurde gegenüber dem Inhalt der Anmeldung in der ur-
sprünglichen Fassung unzulässig erweitert (§ 38 Satz 1 PatG). Die Frage der Pa-
tentfähigkeit der Ansprüche im Hinblick auf die §§ 1 bis 5 PatG kann somit dahin-
stehen (vgl. BGH, Urteil vom 18. September 1990 – X ZR 29/89, GRUR 1991,
120, 121 li. Sp. Abs. 3 – Elastische Bandage).

1. Die Anmeldung betrifft unbeschränkte Transaktionsspeichersysteme (vgl.
geltende Beschreibung, S. 1, 1. Abs.).

Die Anmeldung geht davon aus, dass manche Rechnersysteme mehrere
Ausführungsstränge gleichzeitig ausführen können, um die Leistungsfähigkeit
zu steigern. Bevor ein Ausführungsstrang auf eine gemeinsame Ressource
zugreife, könne er im Allgemeinen eine Verriegelung der gemeinsamen Res-
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source bewirken. In Situationen, in denen es sich bei der gemeinsamen Res-
source um eine in einem Speicher gespeicherte Datenstruktur handele, könn-
ten alle Ausführungsstränge, die auf dieselbe Ressource zuzugreifen ver-
suchten, aufgrund der durch den Sperrmechanismus bereitgestellten wechsel-
seitigen Ausschließlichkeit ihre Operationen seriell ausführen. Dies könne sich
nachteilig auf die Systemleistungsfähigkeit auswirken und Programmfehlfunk-
tionen hervorrufen, beispielsweise aufgrund von Systemblockadefehlern.
Um solche Leistungsstörungen zu vermindern, könnten Rechnersysteme
Transaktionsspeicher verwenden. Transaktionsspeicher erlaubten es mehre-
ren Ausführungssträngen, gleichzeitig auf eine gemeinsame Ressource (wie
beispielsweise eine gespeicherte Datenstruktur) zuzugreifen, ohne eine Ver-
riegelung zu bewirken, solange die Zugriffe nicht in Konflikt miteinander stün-
den, beispielsweise solange die Zugriffe auf unterschiedliche Bereiche der
gemeinsamen Ressource gerichtet seien.
Ein Transaktionsspeicher könne mittels eines Lookup-Tabellen-Mechanismus
implementiert werden. Ein Ausführungsstrang könne zunächst eine solche in
einem Speicher gespeicherte Tabelle überprüfen, um zu bestimmen, ob ein
anderer Ausführungsstrang auf denselben Bereich der gemeinsamen Res-
source zugreife. Der Zugriff auf diese Tabelle könne einen Overhead erzeu-
gen, der die Leistungsfähigkeit herabsetze (vgl. geltende Beschreibung, S. 1,
2. Abs. bis S. 2, 1. Abs.).

Den geltenden Ansprüchen liegt die objektive Problemstellung zu Grunde,
Systemblockaden bei Transaktionsspeichersystemen zu vermeiden, ohne de-
ren Leistungsfähigkeit herabzusetzen.

Als zuständiger Fachmann ist vorliegend ein Ingenieur der Fachrichtung Elekt-
rotechnik oder Informationstechnik anzusehen, der über Erfahrung auf dem
Gebiet der Verwendung von Transaktionsspeichern verfügt.

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Die vorstehend genannte Aufgabe soll durch einen Prozessor nach An-
spruch 1 gelöst werden. Hierzu weist der Prozessor eine Logik zum Bewirken
eines Software-Transaktionsspeicherzugriffs auf (vgl. Merkmale M1, M2), wel-
che ein Transaktionsdeskriptor-Register (vgl. Merkmal M3) und einen Daten-
übersetzungs-Look-Aside-Puffer (vgl. Merkmal M4) umfasst. Die Logik soll
dazu geeignet sein, einen Hardware-Transaktionsspeicherzugriff in Reaktion
darauf abzubrechen, dass Besitz-Flag-Bits einen gültigen Besitzstatus anzei-
gen (vgl. Merkmal M5). Bei den Besitz-Flag-Bits handelt es sich dabei um Ko-
pien aus dem Transaktionsdeskriptor-Register, die im Datenübersetzungs-
Look-Aside-Puffer gespeichert sind und deren Wert dem Software-Transakti-
onsspeicherzugriff entspricht (vgl. Merkmale M4 und M4a).

Zur Lösung der vorstehend genannten Aufgabe sind zudem ein Verfahren
nach Anspruch 15, ein System nach Anspruch 19 sowie ein computerlesbares
Medium nach Anspruch 24 vorgesehen.

2. Anspruch 1 beinhaltet Änderungen gegenüber dem Inhalt der Anmeldung in
der ursprünglichen Fassung, die den Gegenstand der Anmeldung unzulässig
erweitern (§ 38 Satz 1 PatG).

Sofern nicht anders angegeben, wird im Folgenden auf die in der Stamman-
meldung eingereichte deutsche Übersetzung der PCT-Anmeldung als ur-
sprüngliche Anmeldeunterlagen Bezug genommen.

Der geltende Anspruch 1 betrifft einen Prozessor, der eine Logik zum Bewir-
ken eines Software-Transaktionsspeicherzugriffs aufweist (vgl. Merkmale M1,
M2). Der Abbruch eines Hardware-Transaktionsspeicherzugriffs ist in An-
spruch 1 nur in Bezug auf das Vorliegen eines oder mehrerer Besitz-Flag-Bits
vorgesehen, welche den Besitzstatus eines Software-Transaktionsspeicher-
zugriffs anzeigen (vgl. Merkmal M5).
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Der Fachmann entnimmt den ursprünglichen Anmeldeunterlagen gemäß
Stammanmeldung keinen Software-Transaktionsspeicherzugriff, der unab-
hängig vom Fehlschlagen eines vorausgehenden Hardware-Transaktionsspei-
cherzugriffs erfolgt. Denn unabhängig davon, ob von einem Verfahrensablauf
gemäß der Figur 3 oder gemäß den Figuren 4 und 5 ausgegangen wird, auf
welche die Anmelderin in ihrem Schriftsatz vom 16. März 2016 zur Offenba-
rung der Anspruchsmerkmale verweist, setzt das Ausführen eines Software-
Transaktionsspeicherzugriffs immer das Auftreten eines Hardware-Überlaufs
beim Ausführen eines Hardware-Transaktionsspeicherzugriffs voraus (vgl.
Schritt 314 in Fig. 3 und Schritt 422 in Fig. 4 mit Beschreibung, S. 7, zw. Abs.,
S. 10, le. Abs., S. 12, le. Abs.). Auch der ursprünglich eingereichte Anspruch 1
setzt für das Ausführen eines Software-Transaktionsspeicherzugriffs allgemein
das Fehlschlagen eines Hardware-Transaktionsspeicherzugriffs voraus, wobei
der dadurch ausgelöste Software-Transaktionsspeicherzugriff einem Befehl
des entsprechenden Ausführungsstrangs entspricht.

Der Fachmann entnimmt daher den ursprünglich eingereichten Unterlagen,
dass der dort zur Ausführung dieser Verfahrensschritte vorgesehene Prozes-
sor eine entsprechend eingerichtete Logik aufweist, welche das Fehlschlagen
eines Hardware-Transaktionsspeicherzugriffs, beispielsweise das Auftreten
eines Hardware-Überlaufs erkennt und geeignet ist, in Abhängigkeit davon
das Ausführen eines entsprechenden Software-Transaktionsspeicherzugriffs
zu bewirken.

Ein Prozessor, dessen Logik einen Software-Transaktionsspeicherzugriff un-
abhängig vom Fehlschlagen eines Hardware-Transaktionsspeicherzugriffs
ausführt, ist den ursprünglichen Unterlagen gemäß Stammanmeldung nicht zu
entnehmen.

Der geltende Anspruch 1 beansprucht damit einen Prozessor mit einer Logik
zum Ausführen eines Software-Transaktionsspeicherzugriffs, ohne dass dem
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Anspruch Mittel oder Maßnahmen zu entnehmen sind, die einen Zusammen-
hang mit dem Fehlschlagen eines Hardware-Transaktionsspeicherzugriffs als
Auslöser des Software-Transaktionsspeicherzugriffs herstellen. Anspruch 1
beinhaltet damit eine unzulässige Verallgemeinerung gegenüber der ur-
sprünglichen Anmeldung.

Der Gegenstand des geltenden Anspruchs 1 geht damit in unzulässiger Weise
über den Inhalt der ursprünglich eingereichten Unterlagen hinaus.

3. Es kann dahingestellt bleiben, ob die weiteren Merkmale des Anspruchs 1
oder die Merkmale der weiteren unabhängigen Patentansprüche 15, 19
und 24, die ebenfalls Änderungen gegenüber den jeweiligen ursprünglich ein-
gereichten Ansprüchen beinhalten, in den ursprünglichen Anmeldungsunterla-
gen offenbart sind.

4. Mit dem nicht zulässigen Anspruch 1 sind auch die weiteren Ansprüche nicht
schutzfähig, da auf diese Ansprüche kein eigenständiges Schutzbegehren ge-
richtet war (BGH, Beschluss vom 27. Juni 2007 – X ZB 6/05; GRUR 2007, 862
Abs. III 3. a) aa) – Informationsübermittlungsverfahren II).

5. Bei dieser Sachlage war die Beschwerde zurückzuweisen.


III.

Rechtsmittelbelehrung

Gegen diesen Beschluss steht der am Beschwerdeverfahren Beteiligten das
Rechtsmittel der Rechtsbeschwerde zu. Da der Senat die Rechtsbeschwerde nicht
zugelassen hat, ist sie nur statthaft, wenn gerügt wird, dass

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1. das beschließende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war,
2. bei dem Beschluss ein Richter mitgewirkt hat, der von der Ausübung des
Richteramtes kraft Gesetzes ausgeschlossen oder wegen Besorgnis der
Befangenheit mit Erfolg abgelehnt war,
3. einem Beteiligten das rechtliche Gehör versagt war,
4. ein Beteiligter im Verfahren nicht nach Vorschrift des Gesetzes vertreten
war, sofern er nicht der Führung des Verfahrens ausdrücklich oder still-
schweigend zugestimmt hat,
5. der Beschluss aufgrund einer mündlichen Verhandlung ergangen ist, bei
der die Vorschriften über die Öffentlichkeit des Verfahrens verletzt worden
sind, oder
6. der Beschluss nicht mit Gründen versehen ist.

Die Rechtsbeschwerde ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlus-
ses beim Bundesgerichtshof, Herrenstr. 45 a, 76133 Karlsruhe, durch einen beim
Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt als Bevollmächtigten schriftlich
einzulegen.


Wickborn Kruppa Dr. Schwengelbeck Altvater

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