18 W (pat) 196/14  - 18. Senat (Techn.Beschw.)
Karar Dilini Çevir:

BPatG 154
05.11

BUNDESPATENTGERICHT



18 W (pat) 196/14
_______________
(Aktenzeichen)



Verkündet am
3. Februar 2017





B E S C H L U S S

In der Beschwerdesache

betreffend die Patentanmeldung 11 2009 004 568.5 - 53








hat der 18. Senat (Techn. Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf die
mündliche Verhandlung vom 3. Februar 2017 durch die Vorsitzende Richterin
Dipl.-Ing. Wickborn sowie die Richter Kruppa, Dipl.-Phys. Dr. Schwengelbeck und
Dipl.-Ing. Altvater
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beschlossen:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.


G r ü n d e

I.

Die vorliegende Patentanmeldung 11 2009 004 568.5 geht aus einer PCT-Anmel-
dung (veröffentlicht als WO 2010/117369 A1) hervor, die am 10. April 2009 einge-
reicht worden ist. Die Patentanmeldung mit der geltenden Bezeichnung

„System und Verfahren zum Liefern einer Abbildung lokaler USB-
Funktionen auf mehrere entfernte Computer-Hosts“

wurde durch Beschluss der Prüfungsstelle für Klasse G06F des Deutschen Pa-
tent- und Markenamts in der Anhörung vom 6. Juni 2014 zurückgewiesen, da der
Gegenstand des Patentanspruchs 1 gegenüber dem aus den Druckschriften
EP 1 043 876 A2 und US 2006 / 0123166 A1 bekannten Stand der Technik nicht
auf einer für die Patentfähigkeit erforderlichen erfinderischen Tätigkeit beruhe.

Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde der Anmelderin vom
18. Juli 2014.

Sie beantragt mit Schriftsatz vom 10. Oktober 2014 sinngemäß, den Beschluss
der Prüfungsstelle aufzuheben und ein Patent auf Basis der geltenden Unterlagen,
d. h. mit den mit Schriftsatz vom 5. Dezember 2013 (eingegangen am
6. Dezember 2013) eingereichten Patentansprüchen 1 bis 12, den Beschreibungs-
seiten 1 bis 11 vom gleichen Datum, sowie den Figuren 1 bis 8, eingegangen am
7. Oktober 2011, zu erteilen.
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Im Schriftsatz vom 10. Oktober 2014 führt die Anmelderin sinngemäß aus, dass
die jeweiligen Anspruchsgegenstände der geltenden Patentansprüche 1 bis 12
patentfähig seien.

Anspruch 1 lautet:


Wegen des Wortlauts der Ansprüche 2 bis 12 wird auf die Akte verwiesen.
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Mit Ladungszusatz vom 14. Dezember 2016 zur mündlichen Verhandlung ist die
Anmelderin unter anderem darauf hingewiesen worden, dass der geltende Patent-
anspruch 1 Merkmale umfassen dürfte, die über den Inhalt der Anmeldung in der
ursprünglichen Fassung hinausgehen.

Mit Schreiben vom 19. Januar 2017 hat die Anmelderin die Nichtteilnahme an der
mündlichen Verhandlung angekündigt. Entsprechend ihrer Ankündigung ist die
Anmelderin zur mündlichen Verhandlung nicht erschienen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.


II.

Die zulässige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg. Denn der Gegenstand
des Patentanspruchs 1 wurde gegenüber dem Inhalt der Anmeldung in der ur-
sprünglichen Fassung unzulässig erweitert (§ 38 Satz 1 PatG). Die Frage der Pa-
tentfähigkeit der Ansprüche im Hinblick auf die §§ 1 bis 5 PatG kann somit dahin-
stehen (vgl. BGH, Urteil vom 18. September 1990 – X ZR 29/89, GRUR 1991,
120, 121 li. Sp. Abs. 3 – Elastische Bandage).

1. Die vorliegende Anmeldung betrifft Techniken zum Bewirken, dass an einen
ersten Computer-Host angeschlossene Universal-Serien-Bus-Peripheriegeräte
(„USB“-Peripheriegeräte) für Ressourcen zugänglich sind, die auf einem
zweiten Computer-Host ablaufen, der von dem ersten entfernt ist (geltende
Beschreibung, S. 1, Z. 7-10).

Die Anmeldung geht davon aus, dass es Protokolle gibt, die einen Nutzer an
einem lokalen Computer befähigen, über ein Computernetzwerk auf den
Desktop eines entfernten Computers zuzugreifen und denselben mit zu nut-
zen. Ein derartiges Protokoll sei das Remote Desktop Protocol („RDP“), das
entfernte Anzeige- und Eingabefähigkeiten über Netzwerkverbindungen be-
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reitstelle. Ein weiteres Protokoll, das in diesem Zusammenhang verwendet
werden könne, sei das Remote Graphics Software Protocol („RGS“-Protokoll).
RGS sei dahin gehend entworfen, die Computer- und Graphikressourcen ei-
nes entfernten Computers zu nutzen, um an dem lokalen Computer einen in-
teraktiven Fernzugriff zu liefern. Die Desktop-Graphikdaten des entfernten
Computers würden über ein Netzwerk an den lokalen Computer gesendet, der
die Desktop-Graphikdaten lokal in einem Fenster an dem lokalen Computer
anzeige. Zudem erfasse RGS Tastatur- und Mauseingaben eines Nutzers an
dem lokalen Computer und sende die Tastatur- und Mauseingaben an den
entfernten Computer zur Verarbeitung durch das Betriebssystem des entfern-
ten Computers und durch Anwendungen, die auf dem entfernten Computer
abliefen. RGS ermögliche auch, dass Daten mancher Peripheriegeräte wie
z. B. Speichervorrichtungen von dem lokalen Computer an den entfernten
Computer kommuniziert würden. Eine moderne Ergänzung für RDP-, RGS-
oder ähnliche Systeme sei die Fähigkeit, zu bewirken, dass eine USB-Vor-
richtung, die physisch an den lokalen Computer-Host angeschlossen sei, für
Ressourcen zugänglich sei, die auf dem entfernten Computer-Host abliefen
(vgl. geltende Beschreibung, S. 1, Z. 12-34).

In der geltenden Beschreibung ist als Aufgabe angegeben, einen verbesser-
ten Ansatz zum Bereitstellen von Funktionen von USB-Geräten an entfernte
Computer zu schaffen (vgl. S. 2, Z. 14-15).

Der zuständige Fachmann weist eine Hochschulausbildung auf dem Gebiet
der Informationstechnik auf und verfügt über mehrjährige Erfahrung bei der
Verwendung von USB-Geräten in Computersystemen innerhalb einer Netz-
werkumgebung.

Die vorstehend genannte Aufgabe soll u. a. durch ein System nach An-
spruch 1 gelöst werden.

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Der seitens des Senats mit einer Gliederung versehene Patentanspruch 1
lautet unter Kennzeichnung der Änderungen gegenüber der am
7. Oktober 2011 eingegangen deutschen Übersetzung der ursprünglichen, als
WO 2010/117369 A1 veröffentlichten PCT-Anmeldung, wie folgt:

M1 Ein System, das Folgendes folgende Merkmale aufweist:
einen ersten Computer-Host (102), der eine USB-Remote-Zugriff-
Logik (108) und eine USB-Gerät-Partitionierungslogik (204) USB-
Vorrichtungsunterteilungslogik aufweist,

M2 wobei die USB-Remote-Zugriff-Logik (108) dazu konfiguriert ist, zu
bewirken, dass eine um ein an den ersten Computer-Host (102) an-
geschlossenes USB-Gerät Vorrichtung (118, 120) über ein Netzwerk
(114) für Ressourcen (214) zugänglich zu machen ist, die auf einem
zweiten oder dritten entfernten Computer-Host (104, 106) ablaufen,
wobei das an den ersten Computer-Host (102) angeschlossene
USB-Gerät (118, 120) mehrere lokale USB-Funktionen (122-126,
128-132) enthält;

M3 wobei die USB-Gerät-Partitionierungslogik (204) eine Abbildung ei-
ner oder mehrere der lokalen USB-Funktionen (122-132) auf die
entfernten Computer-Hosts (104, 106) liefert, wenn eine oder USB-
Verbund oder –Gesamtvorrichtung, die einen Satz mehrerer USB-
Funktionen enthält das USB-Gerät (118, 120) mit dem ersten Com-
puter-Host (102) verbunden ist, und

M4 wobei die USB-Gerät-Partitionierungslogik (204) USB-Vorrichtungs-
unterteilungslogik dazu konfiguriert ist
M4.1 die lokalen USB-Funktionen (122-132) des USB-Geräts (118, 120) in
zwei oder mehr Teilsätze (122, 126; 124; 132; 128, 130) von lokalen
USB-Funktionen gemäß einer erwünschten Abbildung (400) der
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USB-Funktionen (122-132) auf die entfernten Computer-Hosts (104,
106) partitioniert,

M4.2 mehrere virtuelle USB-Geräte (500-506) erzeugt, die jeweils einem
der Teilsätze (122, 126; 124; 32; 128, 130) von lokalen USB-Funkti-
onen entsprechen, und

M4.3 dem zweiten Computer-Host (104) ein erstes (500, 504) der virtuel-
len USB-Geräte Vorrichtung und dem dritten Computer-Host (106)
eine zweites (502, 506) der virtuellen USB-Geräte Vorrichtung prä-
sentiert.

2. Anspruch 1 beinhaltet Änderungen gegenüber dem Inhalt der Anmeldung in
der ursprünglichen Fassung, die den Gegenstand der Anmeldung unzulässig
erweitern (§ 38 Satz 1 PatG).

Nach Merkmal M3 erfolgt das Liefern einer Abbildung von einer oder mehre-
ren der lokalen USB-Funktionen auf die entfernten Computer-Hosts, wobei
nach Merkmal M4.1 die lokalen USB-Funktionen des USB-Geräts in zwei oder
mehr Teilsätze von lokalen USB-Funktionen gemäß einer erwünschten „Abbil-
dung (400)“ der USB-Funktionen auf die entfernten Computer-Hosts „partitio-
niert“ werden sollen.

Der Begriff „Abbildung“ wird in der deutschen Übersetzung der ursprünglichen
Anmeldeunterlagen als Übersetzung des Wortes „mapping“ verwendet. Um zu
einer Aufteilung („Partitionierung“) gemäß einer Abbildung der lokalen USB-
Funktionen zu gelangen, die sinngemäß als „erwünschte Abbildung“ zu ver-
stehen ist, setzt die vorliegende Anmeldung das Einstellen eines Zustands vo-
raus („Bei Schritt 302 kann in dem Host 102 ein Zustand 400 eingestellt wer-
den, um eine Abbildung lokaler USB-Funktionen 122 – 132 auf die entfernten
Hosts 104, 106 zu liefern“; vgl. deutsche Übersetzung der Beschreibung, S. 5,
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Z. 35-37, und Fig. 3; WO 2010/117369 A1, Abs. [016]). Zudem wird aus der
vorstehend zitierten Beschreibungsstelle deutlich, dass die Anmeldung klar
zwischen dem Zustand des Hosts („state“; Bezugszeichen 400) und einer sich
daraus ergebenden „Abbildung“ bzw. Zuordnung von USB-Funktionen („map-
ping“) unterscheidet.

Auch aus den weiteren ursprünglichen Anmeldeunterlagen ergibt sich eine
Auswahl der einem weiteren Host zu präsentierenden USB-Funktionen im
Sinne einer „erwünschten Abbildung“ nur in Verbindung mit dem Vorliegen
oder dem Einstellen des entsprechenden Zustands des ersten Computer-
Hosts. So nehmen die ursprünglich eingereichten Ansprüche 5 und 6, die di-
rekt bzw. indirekt auf den ursprünglichen Anspruch 1 rückbezogen waren,
hierzu jeweils Bezug auf den „Zustand in dem ersten Computer-Host“ (vgl.
deutsche Übersetzung der ursprünglich eingereichten Ansprüche 5 und 6 so-
wie Ansprüche 5 und 6 in der Veröffentlichung der PCT-Anmeldung,
WO 2010/117369 A1).

Somit handelt es sich bei dem eingestellten Zustand des ersten Computer-
Hosts um eine Voraussetzung für das Aufteilen („Partitionieren“) gemäß einer
„Abbildung“ der USB-Funktionen. Das Einstellen oder Vorliegen dieses Zu-
stands wird im geltenden Anspruch 1 jedoch nicht aufgeführt und ergibt sich
für den Fachmann auch nicht aus den weiteren Anspruchsmerkmalen, was
eine unzulässige Erweiterung im Sinne einer Verallgemeinerung gegenüber
der ursprünglichen Anmeldung darstellt.

3. Mit dem nicht zulässigen Anspruch 1 sind auch die weiteren Ansprüche nicht
schutzfähig, da auf diese Ansprüche kein eigenständiges Schutzbegehren ge-
richtet war (BGH, Beschluss vom 27. Juni 2007 – X ZB 6/05; GRUR 2007, 862
Abs. III. 3. a) aa) – Informationsübermittlungsverfahren II).

4. Bei dieser Sachlage war die Beschwerde zurückzuweisen.
- 9 -
III.

Rechtsmittelbelehrung

Gegen diesen Beschluss steht der am Beschwerdeverfahren Beteiligten das
Rechtsmittel der Rechtsbeschwerde zu. Da der Senat die Rechtsbeschwerde nicht
zugelassen hat, ist sie nur statthaft, wenn gerügt wird, dass

1. das beschließende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war,
2. bei dem Beschluss ein Richter mitgewirkt hat, der von der Ausübung des
Richteramtes kraft Gesetzes ausgeschlossen oder wegen Besorgnis der
Befangenheit mit Erfolg abgelehnt war,
3. einem Beteiligten das rechtliche Gehör versagt war,
4. ein Beteiligter im Verfahren nicht nach Vorschrift des Gesetzes vertreten
war, sofern er nicht der Führung des Verfahrens ausdrücklich oder still-
schweigend zugestimmt hat,
5. der Beschluss aufgrund einer mündlichen Verhandlung ergangen ist, bei
der die Vorschriften über die Öffentlichkeit des Verfahrens verletzt worden
sind, oder
6. der Beschluss nicht mit Gründen versehen ist.

Die Rechtsbeschwerde ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlus-
ses beim Bundesgerichtshof, Herrenstr. 45 a, 76133 Karlsruhe, durch einen beim
Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt als Bevollmächtigten schriftlich
einzulegen.


Wickborn Kruppa Dr. Schwengelbeck Altvater

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