18 W (pat) 187/14  - 18. Senat (Techn.Beschw.)
Karar Dilini Çevir:

BPatG 152
08.05

BUNDESPATENTGERICHT




18 W (pat) 187/14
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(Aktenzeichen)



B E S C H L U S S

In der Beschwerdesache

betreffend die Patentanmeldung 11 2010 000 431.5 - 53








hat der 18. Senat (Techn. Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts am
20. März 2017 durch die Vorsitzende Richterin Dipl.-Ing. Wickborn sowie die
Richter Kruppa, Dipl.-Phys. Dr. Schwengelbeck und Dipl.-Ing. Altvater

beschlossen:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
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G r ü n d e

I.

Die vorliegende Patentanmeldung 11 2010 000 431.5 geht aus einer PCT-Anmel-
dung (veröffentlicht als WO 2010/079453 A2) hervor, die am 7. Januar 2010 unter
Inanspruchnahme von zwei US-amerikanischen Prioritäten eingereicht worden ist.
Die Patentanmeldung trägt die Bezeichnung

„Netzwerkverbindungsverwaltungseinrichtung“

und wurde durch Beschluss der Prüfungsstelle für Klasse G06F des Deutschen
Patent- und Markenamts vom 2. Dezember 2013 aus Gründen des Bescheids
vom 14. November 2013 gemäß § 48 PatG zurückgewiesen.

Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde der Anmelderin.

Die Anmelderin beantragt mit Schriftsatz vom 7. April 2014 sinngemäß, den Be-
schluss der Prüfungsstelle aufzuheben und ein Patent auf Basis der geltenden
Unterlagen zu erteilen, d. h. mit
- Patentansprüchen 1 bis 23, eingegangen am 7. April 2014,
- Beschreibung, Seiten 1 bis 16, eingegangen am 6. Juli 2011, ergänzt um
den Einschub zur Beschreibung vom 7. August 2013 zwischen den Absät-
zen 6 und 7 der Veröffentlichungsschrift,
- Figuren 1 bis 6, eingegangen am 6. Juli 2011.

Mit Schriftsatz vom 7. April 2014 verteidigt die Anmelderin ihre Patentanmeldung.
Sie führt sinngemäß aus, dass die jeweiligen Anspruchsgegenstände der Pa-
tentansprüche 1 bis 23 dem Patentschutz zugänglich, so deutlich und vollständig
offenbart, dass ein Fachmann sie ausführen könne und patentfähig seien.
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Mit Ladungszusatz vom 9. November 2016 zur mündlichen Verhandlung ist die
Anmelderin unter anderem darauf hingewiesen worden, dass der geltende Pa-
tentanspruch 1 Merkmale umfassen dürfte, die über den Inhalt der Anmeldung in
der ursprünglichen Fassung hinausgehen.

Mit Schreiben vom 21. Dezember 2016 hat die Anmelderin den Antrag auf Durch-
führung einer mündlichen Verhandlung zurückgenommen und eine Entscheidung
im schriftlichen Verfahren nach Aktenlage beantragt.

Anspruch 1 lautet:


Wegen des Wortlauts der Ansprüche 2 bis 23 wird auf die Akte verwiesen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.

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II.

Die zulässige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg. Denn der Gegenstand
des Patentanspruchs 1 wurde gegenüber dem Inhalt der Anmeldung in der ur-
sprünglichen Fassung unzulässig erweitert (§ 38 Satz 1 PatG). Die Frage der Pa-
tentfähigkeit der Ansprüche im Hinblick auf die §§ 1 bis 5 PatG kann somit dahin-
stehen (vgl. BGH, Urteil vom 18. September 1990 – X ZR 29/89, GRUR 1991,
120, 121 li. Sp. Abs. 3 – Elastische Bandage).

1. Die vorliegende Anmeldung betrifft ein System und ein entsprechendes
Verfahren zum Verwalten und Aktivieren von Verbindungen zu Telekommuni-
kationsnetzwerken und insbesondere zu Netzwerken, die Internetprotokolle
oder ähnliches verwenden (geltende Beschreibung, S. 1, Z. 16-19).

Die Anmeldung geht davon aus, dass im Wesentlichen alle PCs heutzutage
zumindest für einen Teil der Zeit, während der sie aktiv genutzt werden, mit
dem Internet verbunden seien. Für mobile PCs ergäben sich dadurch beson-
dere Herausforderungen, weil sie wahrscheinlich mit verschiedenen Internet-
dienstanbietern (ISP) oder auch mit einem bevorzugten ISP unter Verwen-
dung von verschiedenen physikalischen Verbindungstypen und -modi verbun-
den würden. Außerdem könnten mobile PCs unter stark veränderlichen Be-
dingungen betrieben werden. Die physikalische/geographische Position spiele
gewöhnlich eine Rolle für den Typ der verwendeten Netzwerkverbindung, ins-
besondere in dem üblichen Fall, wenn der Computer mit dem Internet verbun-
den sei. Unabhängig davon, welche Algorithmen in Bezug auf ISPs verwendet
würden, müssten alle Situationen schnell gehandhabt werden (vgl. geltende
Beschreibung, S. 1, Z. 23-30).
Mobile PCs könnten gewöhnlich unter Verwendung von drahtlosen Adaptern
und/oder über einen kabelgebundenen Verbindungsstandard (wie etwa den
IEEE 802.3-Standard) mit dem Internet verbunden werden. Aufgrund ihrer
Mobilität müssten sich mobile PCs je nach ihrer Position und aus verschiede-
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nen anderen Gründen mit einer Anzahl von verschiedenen ISPs und/oder mit
einem bevorzugten ISP über eine Mehrzahl von Verbindungstypen und -modi
verbinden. Herkömmliche Verbindungsimplementierungen seien nicht in der
Lage, eine ausreichend bequeme und schnelle Verbindung zu einem Netz-
werk herzustellen, und könnten die Verbindungsauswahl und die Verbin-
dungsherstellung nicht ausreichend optimieren (geltende Beschreibung, S. 2,
Z. 13-25).

Die Anmelderin hat zuletzt im Schriftsatz vom 7. April 2014 (S. 2-3, seiten-
übergreifender Abs.) als die der Anmeldung zugrunde liegende Aufgabe ge-
nannt, ein Verfahren und System anzugeben, welches in der Lage ist, auto-
matisiert und schnell zwischen den angebotenen Kommunikationsverbindun-
gen auszuwählen.

Der zuständige Fachmann weist eine Hochschulausbildung auf dem Gebiet
der Elektrotechnik oder Informationstechnik auf und verfügt über mehrjährige
Erfahrung auf dem Gebiet der Einrichtung und des Aufbaus von Netzwerkda-
tenverbindungen von Computersystemen.

Die vorstehend genannte Aufgabe soll unter anderem durch ein Verfahren
zum Betreiben eines Computers nach Anspruch 1 gelöst werden.

Der seitens des Senats mit einer Gliederung versehene Patentanspruch 1
lautet unter Kennzeichnung der Änderungen gegenüber der ursprünglichen
Anspruchsfassung der PCT-Anmeldung in deutscher Übersetzung wie folgt:

M1 „Ein Verfahren zum Betreiben eines Computers (10), der für Daten-
kommunikation angepasst ist, wobei das Verfahren folgende Schritte
aufweist:

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M2 Zusammenstellen eines Konnektivitätsregelsatzes, der eine Mehr-
zahl von Konnektivitätsregeln aufweist,
M3 gegenseitiges Aktualisieren von Statusdaten für zumindest eine erste
Netzwerkdatenverbindung und eine zweite Netzwerkdatenverbin-
dung mit jeweiligen Konnektivitätsregeln in dem Konnektivitätsregel-
satz, um einen Datensatz zu bilden, der eine Mehrzahl von Kandi-
daten-Kommunikationsverbindungen darstellt, und
M4 Anfordern einer Netzwerkverbindung für eine ausgewählte der Kandi-
daten-Kommunikationsverbindungen;

M5 wobei die Netzwerkverbindung für diejenige Kandidaten-
Kommunikationsverbindung ausgewählt wird, mit der bereits zuvor
eine Konnektivität bestand, falls die seit der vorherigen Konnektivität
vergangene Zeitdauer kürzer als eine vorgegebene Zeitdauer ist.“

2. Anspruch 1 beinhaltet Änderungen gegenüber dem Inhalt der Anmeldung in
der ursprünglichen Fassung, die den Gegenstand der Anmeldung unzulässig
erweitern (§ 38 Satz 1 PatG).

Gemäß des Merkmals M5 des geltenden Anspruchs 1 soll beim Anfordern ei-
ner Netzwerkverbindung diese Netzwerkverbindung für diejenige Kandidaten-
Kommunikationsverbindung ausgewählt werden, „mit der bereits zuvor eine
Konnektivität bestand, falls die seit der vorherigen Konnektivität vergangene
Zeitdauer kürzer als eine vorgegebene Zeitdauer ist“. Die Anmelderin bezieht
sich bei dieser Ergänzung zum ursprünglichen Anspruch 1 auf die ursprüngli-
che Beschreibung in der deutschen Übersetzung, Seite 13, letzter Satz, nach
der auch die Zeitdauer ein wichtiger Faktor sein könne: „Wenn nur eine kurze
Zeitdauer vergangen ist, dann ist es wahrscheinlich, wenn auch nicht sicher,
dass die verfügbaren Netzwerke im wesentlichen die gleichen sind, sodass
eine Entscheidung über eine zuvor hergestellte Konnektivität für eine Wieder-
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herstellung zu bevorzugen ist“ (vgl. auch Abs. [0059] der als
WO 2010/079453 A2 veröffentlichten ursprünglichen englischsprachigen Fas-
sung). Eine „vorgegebene Zeitdauer“ als Auswahlkriterium gemäß Anspruch 1,
also die Vorgabe einer beliebigen Zeitdauer, die in keiner Weise näher cha-
rakterisiert ist, kann der Fachmann dieser Textstelle nicht unmittelbar und ein-
deutig entnehmen.
Die einzige weitere Textstelle der Anmeldung, die ein Berücksichtigen der Zeit
beim Wiederherstellen einer Verbindung anspricht, nimmt ebenfalls Bezug auf
das kurzzeitige Zurückliegen einer früheren Verbindung („etwa wenn eine vo-
rausgehende Sitzung nur kurze Zeit zurückliegt […]“; vgl. deutsche Überset-
zung der ursprünglichen Beschreibung, S. 12, 2. Abs., bzw.
WO 2010/079453 A2, Abs. [0053]). Auch dieser Textstelle ist, wie auch den
weiteren ursprünglichen Anmeldungsunterlagen, eine „vorgegebene Zeit-
dauer“ als Auswahlkriterium entsprechend Merkmal M5 des geltenden An-
spruchs 1 nicht zu entnehmen.

Das Auswahlkriterium für die Auswahl einer der Kandidaten-Kommunikations-
verbindungen gemäß Merkmal M5 des geltenden Anspruchs 1 stellt damit
eine unzulässige Erweiterung dar, welche über die ursprüngliche Offenbarung
hinausgeht.

3. Mit dem nicht zulässigen Anspruch 1 sind auch die weiteren Ansprüche nicht
schutzfähig, da auf diese Ansprüche kein eigenständiges Schutzbegehren ge-
richtet war (BGH, Beschluss vom 27. Juni 2007 – X ZB 6/05; GRUR 2007, 862
Abs. III. 3. a) aa) – Informationsübermittlungsverfahren II).

4. Bei dieser Sachlage war die Beschwerde zurückzuweisen.

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III.

Rechtsmittelbelehrung

Gegen diesen Beschluss steht der am Beschwerdeverfahren Beteiligten das
Rechtsmittel der Rechtsbeschwerde zu. Da der Senat die Rechtsbeschwerde nicht
zugelassen hat, ist sie nur statthaft, wenn gerügt wird, dass

1. das beschließende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war,
2. bei dem Beschluss ein Richter mitgewirkt hat, der von der Ausübung des
Richteramtes kraft Gesetzes ausgeschlossen oder wegen Besorgnis der
Befangenheit mit Erfolg abgelehnt war,
3. einem Beteiligten das rechtliche Gehör versagt war,
4. ein Beteiligter im Verfahren nicht nach Vorschrift des Gesetzes vertreten
war, sofern er nicht der Führung des Verfahrens ausdrücklich oder still-
schweigend zugestimmt hat,
5. der Beschluss aufgrund einer mündlichen Verhandlung ergangen ist, bei
der die Vorschriften über die Öffentlichkeit des Verfahrens verletzt wor-
den sind, oder
6. der Beschluss nicht mit Gründen versehen ist.

Die Rechtsbeschwerde ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlus-
ses beim Bundesgerichtshof, Herrenstr. 45 a, 76133 Karlsruhe, durch einen beim
Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt als Bevollmächtigten schriftlich-
einzulegen.


Wickborn Kruppa Dr. Schwengelbeck Altvater

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