18 W (pat) 183/14  - 18. Senat (Techn.Beschw.)
Karar Dilini Çevir:

BPatG 154
05.11

BUNDESPATENTGERICHT



18 W (pat) 183/14
_______________
(Aktenzeichen)


Verkündet am
15. November 2017






B E S C H L U S S

In der Beschwerdesache

betreffend die Patentanmeldung 10 2010 030 357.7









hat der 18. Senat (Techn. Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf die
mündliche Verhandlung vom 15. November 2017 durch den Richter
Dipl.-Phys.-Dr. Schwengelbeck als Vorsitzenden sowie den Richter Kruppa, die
Richterin Dipl.-Phys. Dr. Otten-Dünnweber und den Richter Dipl.-Ing. Altvater
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beschlossen:

Auf die Beschwerde der Anmelderin wird der Beschluss der Prü-
fungsstelle für Klasse G 06 F des Deutschen Patent- und Marken-
amts vom 19. Juli 2013 aufgehoben und in der Sache wird an das
Deutsche Patent- und Markenamt zurückverwiesen.


G r ü n d e

I.

Die am 22. Juni 2010 unter Inanspruchnahme einer Priorität vom 23. Juni 2009
(US 12/490 052) beim Deutschen Patent- und Markenamt eingereichte Patentan-
meldung 10 2010 030 357.7 mit der geltenden Bezeichnung

„Verfahren für eine Speichereinrichtung“

(urspr. Bezeichnung: „Speichereinrichtung und Speicherschnittstelle“) wurde durch
Beschluss der Prüfungsstelle für Klasse G 06 F des Deutschen Patent- und Mar-
kenamtes vom 19. Juli 2013 zurückgewiesen. Zur Begründung hat die Prüfungs-
stelle angegeben, dass die Gegenstände der jeweiligen Ansprüche 1 gemäß da-
maligem Hauptantrag sowie den damaligen Hilfsanträgen 1 bis 8 nicht auf einer
erfinderischen Tätigkeit gegenüber dem Stand der Technik gemäß Druckschrift

D4: US 7 360 058 B2

beruhen würden.

Im Prüfungsverfahren sind außerdem folgende Druckschriften berücksichtigt wor-
den:
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D1: WO 2008 / 035 352 A2,
D2: KR 10 2007 0 069 346 A mit englischspr. Computerübersetzung,
D3: WO 02 / 17 086 A2.

Die Beschwerde der Anmelderin richtet sich gegen den vorstehend genannten
Beschluss.

Sie beantragt,

den Beschluss der Prüfungsstelle für Klasse G 06 F des Deut-
schen Patent- und Markenamts vom 19. Juli 2013 aufzuheben und
das Patent auf der Grundlage der folgenden Unterlagen zu ertei-
len:

- Patentansprüche 1 bis 2, eingereicht in der mündlichen Ver-
handlung,
- Beschreibung Seiten 1, 2 und 2a, eingereicht in der mündli-
chen Verhandlung,
Seiten 3 bis 15, eingegangen am 22. Juni 2010,
- Figuren 1 bis 5, eingegangen am 22. Juni 2010.

Patentanspruch 1 lautet unter senatsseitiger Hinzufügung einer Merk-
malsgliederung wie folgt (Änderungen gegenüber dem ursprünglichen An-
spruch 14 hervorgehoben):

M1 Verfahren für eine Speichereinrichtung, umfassend:

M2 Empfangen (30) eines ersten Teils einer Adresse,

M3 wobei die Adresse eine Vielzahl von Bits umfasst, die nacheinander
übertragen werden und in einer Reihenfolge empfangen werden,
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welche sich von der Reihenfolge der Bits gemäß ihrem Wert unter-
scheidet,

M4 Bestimmen (31) einer geschätzten Adresse basierend auf dem ers-
ten Teil und einem Teil einer vorher empfangenen Adresse,
Durchführen (32) eines Speicherzugriffs basierend auf der ge-
schätzten Adresse,

M5 Empfangen (33) eines zweiten Teils der Adresse, wobei der erste
Teil und der zweite Teil die gesamte Adresse bilden,
wobei der zweite Teil Bits mit höheren Werten als mindestens einige
der Bits des ersten Teils umfasst,

M6 Überprüfen (34), ob die gesamte Adresse mit der geschätzten Ad-
resse übereinstimmt, und
Ausgeben (35) eines Ergebnisses des Speicherzugriffs, wenn die
geschätzte Adresse mit der gesamten Adresse übereinstimmt.

Wegen des Wortlauts des Unteranspruchs 2 wird auf den Akteninhalt verwiesen.

Die Beschwerdeführerin vertritt die Auffassung, dass die geltenden Ansprüche
zulässig und patentfähig sind.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Akte verwiesen.


II.

Die zulässige Beschwerde führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses
der Prüfungsstelle für Klasse G 06 F des Deutschen Patent- und Markenamts und
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zur Zurückverweisung in der Sache an das Deutsche Patent- und Markenamt ge-
mäß § 79 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 und 3 PatG.

1. Die vorliegende Anmeldung betrifft gemäß geltender Beschreibungseinleitung
ein Verfahren für eine Speichereinrichtung (vgl. S. 1, erster Abs.). In der Be-
schreibungseinleitung wird ausgeführt, dass viele moderne elektronische Ge-
räte ein oder mehrere Speichereinrichtungen umfassten, um Daten zu spei-
chern. Beispielsweise benutzten Systeme wie Mobiltelefone, GPS-Systeme
(Global Positioning System) oder andere Mobilgeräte oder eingebettete Sys-
teme häufig einen Flash-Speicher, um Daten bzw. Programmcode zu spei-
chern (vgl. geltende Beschreibung S. 1, zweiter Abs.). Da bei seriellen Flash-
Speicher-Einrichtungen weniger Pins bereitgestellt würden, seien serielle
Flash-Speichereinrichtungen manchmal für mobile elektronische Geräte, bei
welchen Einschränkungen hinsichtlich des verfügbaren Bauraums wichtig
seien, bevorzugt. Auf der anderen Seite finde, wenn beispielsweise nur ein
einziger Pin für den Dateneingang und ein einziger Pin für den Datenausgang
bereitgestellt sei, jegliche Übertragung wie Befehlsübertragung, Adressüber-
tragung oder Datenübertragung seriell statt, d. h. ein Bit nach dem anderen,
was im Allgemeinen langsamer sei als eine parallele Datenübertragung (vgl.
geltende Beschreibung S. 1 letzter Abs.). Insbesondere bei der Übertragung
von Adressdaten führe dies bei seriellen Flash-Speichereinrichtungen zu ver-
gleichsweise langsamen Zugriffszeiten (vgl. geltende Beschreibung S. 2, erster
Abs.).

Der Anmeldung liegt gemäß geltender Beschreibung die Aufgabe zugrunde,
Möglichkeiten bereitzustellen, bei Speichern, insbesondere bei seriellen Flash-
Speichern, eine Beschleunigung zu erreichen (vgl. S. 2, letzter Abs.).

Als zuständiger Fachmann ist vorliegend ein Diplom-Ingenieur der Fachrich-
tung Elektrotechnik mit Schwerpunkt Informationstechnik anzusehen, der eine
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mehrjährige Erfahrung auf dem Gebiet der Entwicklung von Speichersystemen
besitzt.

Zur Lösung der Aufgabe ist ein Verfahren für eine Speichereinrichtung nach
Anspruch 1 vorgesehen, bei dem in einem ersten Verfahrensschritt ein erster
Teil einer Adresse empfangen wird (vgl. Merkmale M1 und M2). Die Adresse
soll eine Vielzahl von nacheinander (d. h. seriell) übertragenen Bits umfassen,
wobei die Bits in einer Reihenfolge empfangen werden, die sich von der Rei-
henfolge der einzelnen Bits gemäß ihrem Wert unterscheidet (vgl. Merk-
mal M3). In einem weiteren Verfahrensschritt ist das Bestimmen einer ge-
schätzten Adresse vorgesehen, wobei die Bestimmung dieser geschätzten Ad-
resse auf dem ersten Teil der Adresse und einem Teil einer bereits vorher
empfangenen Adresse basiert, und ein Speicherzugriff auf Basis der ge-
schätzten Adresse durchgeführt wird (vgl. Merkmal M4). Des Weiteren ist das
Empfangen eines zweiten Teils der Adresse vorgesehen, wobei der erste Teil
und der zweite Teil der Adresse die gesamte Adresse bilden und der zweite
Teil der Adresse Bits mit höheren Werten als mindestens einige der Bits des
ersten Teils der Adresse umfasst (vgl. Merkmale M5). Dann wird überprüft, ob
die gesamte Adresse mit der geschätzten Adresse übereinstimmt. Falls die ge-
schätzte Adresse mit der gesamten Adresse übereinstimmt, soll das Ergebnis
des Speicherzugriffs ausgegeben werden (vgl. Merkmal M6).

2. Die geltenden Ansprüche und Beschreibungsunterlagen mitsamt Figuren sind
zulässig (§ 38 PatG).

Anspruch 1 basiert auf den Merkmalen des ursprünglichen nebengeordneten
Anspruchs 14 im Zusammenhang mit den Merkmalen der ursprünglichen Un-
teransprüche 15 und 17 sowie einer Präzisierung im Rahmen der ursprüngli-
chen Beschreibungsunterlagen. Im Einzelnen beinhalten die Merkmale M1, M2
und M4 die Merkmale des ursprünglichen Anspruchs 14 unter Nennung einer
Speichereinrichtung in Merkmal M1, wie es in der ursprünglichen Beschreibung
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offenbart ist (vgl. u. a. S. 1 Z. 5-8 und S. 11 Z. 14-19). Merkmal M3 des An-
spruch 1 beinhaltet eine Präzisierung der Übertragung einer Vielzahl von Bits
einer Adresse und der Reihenfolge von nacheinander empfangenen Bits im
Rahmen des ursprünglichen Unteranspruchs 17 sowie der ursprünglichen Be-
schreibung (vgl. insbes. S. 10, Z. 24-26 und S. 11 Z. 22-24). Die Merkmale M5
und M6 des Anspruchs 1 basieren auf den Merkmalen des ursprünglichen
Unteranspruchs 15, wobei Merkmal M5 in Bezug auf den zweiten Teil Bits im
Rahmen des ursprünglichen Anspruchs 17 konkretisiert ist.

Der geltende Unteranspruch 2 basiert auf dem ursprünglichen Unteran-
spruch 16.

Die geltende Beschreibung beinhaltet eine zulässige Anpassung an den Wort-
laut des Anspruchs 1 unter Darlegung des Stands der Technik gemäß den im
Verfahren befindlichen Druckschriften D1 bis D4 (vgl. S. 1, 2 und 2a). Die gel-
tenden Figuren 1 bis 5 sind identisch mit den ursprünglich eingereichten Figu-
ren.

3. Der Gegenstand des geltenden Anspruchs 1 ist neu gegenüber dem Stand der
Technik gemäß den Druckschriften D1 bis D4 (§ 3 PatG).

Druckschrift D4, die dem Zurückweisungsbeschluss der Prüfungsstelle für
G 06 F des Deutschen Patent- und Markenamts zugrunde gelegen hat, be-
schreibt im Hinblick auf die Merkmal M1 und M2 ein Verfahren, bei dem ein
erster Teil einer 64-Bit-Adresse („first plurality of effective address bits“) für ei-
nen Speicherzugriff im Zusammenhang mit einer Speichereinrichtung berech-
net wird (vgl. Sp. 4 Z. 12-17 sowie Fig. 4, Schritt 402). Dieser Druckschrift ist
jedoch nicht zu entnehmen, dass der erste Teil der Adresse eine Vielzahl von
Bits umfasst, die nacheinander bzw. seriell übertragen und in einer Reihen-
folge empfangen werden, welche sich von der Reihenfolge der Bits gemäß ih-
rem Wert unterscheidet (Merkmal M3 fehlt). Im Hinblick auf die weiteren
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Merkmale M4 bis M6 kann Druckschrift D4 zwar das Bestimmen einer ge-
schätzten Adresse („guessing a second plurality of effective address bits“) so-
wie die Überprüfung der Adresse im Zusammenhang mit einer Adressenkor-
rektur entnommen werden (vgl. Sp. 4 Z. 13-20 sowie Sp. 5 Z. 9-27). Es fehlt
jedoch der anspruchsgemäße Zusammenhang mit dem Empfang von Bits in
einer Reihenfolge, die sich gemäß dem vorstehend aufgeführten Merkmal M3
von der Reihenfolge der Bits gemäß ihrem Wert unterscheiden, wie auch der
Zusammenhang mit einem zweiten Teil Bits mit höheren Werten als mindes-
tens einige der Bits des ersten Teils der Adresse, wie es in Merkmal M5 auf-
geführt ist.

Die weiteren im Verfahren befindlichen Druckschriften sind im Vergleich zu
Druckschrift D4 als noch weniger relevant in Bezug auf die Merkmale des
geltenden Anspruchs 1 anzusehen.

Druckschrift D1 befasst sich mit der Zeitdauer bzw. Fertigstellungszeit
(„completion time“) einer Speicheroperation („storage operation“) im Zusam-
menhang mit einer Speichereinrichtung („storage device 10“ / „non-volatile
memory 12“; vgl. u. a. Abstract und Abs. 0023 und 0026 / Merkmal M1). Ein
Hinweis auf den Empfang eines ersten Teils einer Adresse, deren Bits in einer
Reihenfolge empfangen werden, welche sich von der Reihenfolge der Bits
gemäß ihrem Wert unterscheidet, sowie ein Hinweis auf einen Speicherzugriff
basierend auf einer geschätzten Adresse in Verbindung mit dem ersten Teil
der Adresse und einem Teil einer vorher empfangenen Adresse entsprechend
den Merkmalen M2 bis M6 des Anspruchs 1 ist Druckschrift D1 nicht ent-
nehmbar. Vielmehr wird in Druckschrift D1 das Abschätzen der Zeitdauer ei-
nes Speicherzugriffs („completion time“, Unterstreichung seitens des Senats)
behandelt und nicht die Schätzung einer Adresse oder eine Ergänzung ent-
sprechender Adressbits.

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Druckschrift D2 beschreibt im Hinblick auf die Merkmale M1 und M4 des An-
spruchs 1 ein Verfahren für einen Cache-Speichereinrichtung („cache me-
mory 20“) im Zusammenhang mit einer Abschätzeinrichtung („address esti-
mator 11“) zur Bestimmung von Adressen (vgl. u. a. den Abstract und Fig. 3
sowie die englischsprachige Computerübersetzung der zugeh. Beschreibung,
S. 5 viertle. Abs. bis S. 6 sechster Abs.). Es findet sich jedoch kein Hinweis
auf den Empfang eines ersten Teils einer Adresse gemäß Merkmal M2, wobei
die Bits der Adresse in einer Reihenfolge empfangen werden, welche sich
entsprechend Merkmal M3 von der Reihenfolge der Bits gemäß ihrem Wert
unterscheidet. Des Weiteren offenbart diese Druckschrift auch keinen Spei-
cherzugriff, der auf einer geschätzten Adresse in Verbindung mit dem ersten
Teil der Adresse und einem Teil einer vorher empfangenen Adresse entspre-
chend den Merkmalen M4 bis M6 basiert. Vielmehr wird bei der aus Druck-
schrift D2 bekannten Speichervorrichtung eine potentielle Speicheradresse ei-
nes nachfolgenden Speicherzugriffs anhand einer vorherigen Speicheradresse
und einem Wert („address prediction value") berechnet, der eine Adresswech-
selrate beinhaltet (vgl. Fig. 3 mitsamt Beschreibung in engl. Übersetzung
a. a. O.). Ausgehend von einer zuvor vollständig empfangenen Adresse wird
damit eine potentielle – als nächstes zu empfangende – Adresse ermittelt. Der
genannte Wert stellt folglich keinen Bestandteil einer Speicheradresse dar,
sondern dient als Wert zur Ermittlung einer noch zu empfangenden Speicher-
adresse, um sie bereits im Cache-Speicher vorzuhalten.

Druckschrift D3 befasst sich mit einem Speicherverfahren für ein Multiprozes-
sorsystem mit mehreren Cache-Speichern („cache memory 147“) sowie weite-
ren Speichern („memories 140, 145“) als Speichereinrichtungen (vgl. u. a.
Abstract und Fig. 1 mitsamt zugeh. Text auf S. 3, le. Abs. und S. 4 erster Abs. /
Merkmal M1). Dabei wird ein sogenanntes Prefetch-Verfahren beschrieben, bei
dem ein Cache-Speicher zur Beschleunigung der Beantwortung zukünftiger
Anfragen Speichereinträge anhand einer zuvor erfolgten Speicheranfrage in
den Cache-Speicher lädt, wobei angenommen wird, dass zukünftige Anfragen
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Speichereinträge anfordern werden, die beispielsweise zu der zuvor erfolgten
Speicheranfrage benachbart sind. In Druckschrift D3 werden zwar auch Spei-
cheradressen aufgeführt, jedoch nur im Zusammenhang mit Feldern für Spei-
cheradressen („address fields“) und Cache-Puffern („cache buffer(s) 205“; vgl.
Fig. 2 und S. 5 le. Abs. bis S. 7 zw. Abs.). Es findet sich jedoch kein Hinweis
auf den Empfang eines ersten Teils einer Adresse gemäß Merkmal M2, wobei
die Bits der Adresse in einer Reihenfolge empfangen werden, die sich entspre-
chend Merkmal M3 von der Reihenfolge der Bits gemäß ihrem Wert unter-
scheidet. Auch die weiteren Merkmale des Anspruchs 1, die einen ersten und
einen zweiten Teil einer Adresse im Zusammenhang mit einer geschätzten Ad-
resse betreffen, kann der Fachmann Druckschrift D3 nicht entnehmen (vgl.
insbes. Merkmal M5).

Keine der im Verfahren befindlichen Druckschriften D1 bis D4 beschreibt damit
ein Verfahren mit den Merkmalen des geltenden Anspruchs 1. Dies be-
trifft - wie vorstehend ausgeführt - insbesondere die Merkmale M3 und M5,
welche die Reihenfolge der empfangenen Bits von Teilen einer Adresse im Zu-
sammenhang mit den Werten dieser Bits beinhalten.

4. Der Gegenstand des geltenden Anspruchs 1 beruht auch auf einer erfinderi-
schen Tätigkeit (§ 4 PatG).

Wie vorstehend ausgeführt, kann der Fachmann dem Stand der Technik ge-
mäß den im Verfahren befindlichen Druckschriften D1 bis D4 insbesondere
keinen Hinweis auf die Merkmale M3 und M5 des Anspruchs 1 entnehmen.
Auch eine Zusammenschau der Lehren der Druckschriften D1 bis D4 führt da-
mit nicht zu dem Gegenstand des Anspruchs 1 mit den Merkmalen M3 und M5,
da diese dem im Verfahren befindlichen Stand der Technik nicht entnehmbar
sind. Ein solcher Anspruchsgegenstand ist dem Fachmann auch unter Einbe-
ziehung seines Fachwissens nicht nahegelegt.

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5. Der Senat hat nach § 79 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 PatG davon abgesehen,
antragsgemäß in der Sache selbst zu entscheiden und das Patent zu erteilen,
da in Bezug auf den geltenden Anspruch 1 bislang keine Sachentscheidung
des Deutschen Patent- und Markenamts vorliegt. Eine solche fehlende Sach-
entscheidung liegt unter anderem vor, wenn das Patentbegehren in zulässiger
Weise so geändert wurde, dass es nunmehr an einer Sachentscheidung des
DPMA fehlt (vgl. Schulte/Püschel, PatG, 10. Auflage, § 79, Rdn. 20, 21 Nr. 2
und 5).

Das vorliegende Patentbegehren genügt den formalen Anforderungen der
§§ 34 und 38 PatG und erfüllt damit die Voraussetzungen für die Prüfung der
Patentfähigkeit gemäß §§ 1 bis 5 PatG. Eine solche Prüfung ist bislang nicht
in Bezug auf den geltenden Anspruch 1 erfolgt, so dass es an einer Sachent-
scheidung des DPMA fehlt.

Ein Zurückverweisungsgrund ergibt sich aus dem Vorliegen neuer Tatsachen
(§ 79 Abs. 3 Nr. 3 PatG), da das Patentbegehren auf Basis von Unteransprü-
chen und der Beschreibung präzisiert wurde. Ausweislich der Amtsakte ist im
bisherigen Prüfungsverfahren keine Recherche des relevanten Standes der
Technik zu den Unteransprüchen sowie zu Merkmalen aus der Beschreibung
und somit zum Gegenstand des geltenden Patentbegehrens erfolgt. Es kann
daher nicht ausgeschlossen werden, dass insbesondere unter dem Gesichts-
punkt der §§ 3 und 4 PatG ein einer Patenterteilung möglicherweise entge-
genstehender Stand der Technik existiert. Zu deren Ermittlung sind in erster
Linie die Prüfungsstellen des Patentamts berufen, welche hierzu über geeig-
nete Recherchemittel und Fachkenntnisse verfügen (Schulte a. a. O.,
Rdn. 16, 26).

Da bislang eine Sachentscheidung des DPMA nicht erfolgt ist, ein auf Basis
der Beschreibung neu formuliertes Patentbegehren vorliegt und eine sachge-
rechte Entscheidung nur aufgrund einer vollständigen Recherche des rele-
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vanten Standes der Technik ergehen kann, war die Sache – auch um der An-
melderin keine Tatsacheninstanz zu nehmen – zur weiteren Prüfung und Ent-
scheidung an das Deutsche Patent- und Markenamt zurückzuverweisen (§ 79
Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 und Nr. 3 PatG).


III.

Rechtsmittelbelehrung
Gegen diesen Beschluss steht der am Beschwerdeverfahren Beteiligten das
Rechtsmittel der Rechtsbeschwerde zu. Da der Senat die Rechtsbeschwerde nicht
zugelassen hat, ist sie nur statthaft, wenn gerügt wird, dass
1. das beschließende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war,
2. bei dem Beschluss ein Richter mitgewirkt hat, der von der Ausübung des
Richteramtes kraft Gesetzes ausgeschlossen oder wegen Besorgnis der
Befangenheit mit Erfolg abgelehnt war,
3. einem Beteiligten das rechtliche Gehör versagt war,
4. ein Beteiligter im Verfahren nicht nach Vorschrift des Gesetzes vertreten
war, sofern er nicht der Führung des Verfahrens ausdrücklich oder
stillschweigend zugestimmt hat,
5. der Beschluss aufgrund einer mündlichen Verhandlung ergangen ist, bei
der die Vorschriften über die Öffentlichkeit des Verfahrens verletzt worden
sind, oder
6. der Beschluss nicht mit Gründen versehen ist.

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Die Rechtsbeschwerde ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des
Beschlusses beim Bundesgerichtshof, Herrenstr. 45 a, 76133 Karlsruhe, durch
einen beim Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt als Bevollmächtigten
schriftlich einzulegen.


Dr. Schwengelbeck Kruppa Dr. Otten-Dünnweber Altvater

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