18 W (pat) 176/14  - 18. Senat (Techn.Beschw.)
Karar Dilini Çevir:

BPatG 152
08.05

BUNDESPATENTGERICHT




18 W (pat) 176/14
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(Aktenzeichen)



B E S C H L U S S

In der Beschwerdesache

betreffend die Patentanmeldung 10 2009 012 409.8-53








hat der 18. Senat (Techn. Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts am
24. März 2017 durch die Vorsitzende Richterin Dipl.-Ing. Wickborn sowie die
Richter Kruppa, Dipl.-Phys. Dr. Schwengelbeck und Dipl.-Ing. Altvater

beschlossen:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
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G r ü n d e

I.

Die am 10. März 2009 beim Deutschen Patent- und Markenamt unter
Inanspruchnahme zweier US-amerikanischer Prioritäten vom 24. März 2008
(US 12/054 330) und vom 26. November 2008 (US 12/324 751) eingereichte
Patentanmeldung 10 2009 012 409.8 mit der Bezeichnung

„Systeme und Verfahren zum Zusammenfügen von Speicherzugriffen von
parallelen Threads“

wurde durch die Prüfungsstelle für Klasse G06 F mit Beschluss vom
16. Januar 2013 zurückgewiesen. Zur Begründung der Zurückweisung wurde
aufgeführt, dass sich der Gegenstand des Anspruchs 1 in naheliegender Weise
aus dem Stand der Technik gemäß den Druckschriften

US 2003 / 0 074 504 A1 und
WO 98 / 19 248 A1

ergeben würde.

Gegen diesen Beschluss ist die Beschwerde der Anmelderin vom 1. Februar 2013
gerichtet.

Die Anmelderin beantragte mit Schriftsatz vom 30. September 2013, eingegangen
am 2. Oktober 2013, sinngemäß, den Zurückweisungsbeschluss aufzuheben und
ein Patent gemäß Hauptantrag bzw. gemäß erstem und zweiten Hilfsantrag (Hilfs-
anträge 1 und 2) sowie der geltenden Beschreibung mit Seiten 1 bis 42 und Figu-
ren 1 bis 6, jeweils eingegangen am 10. Juni 2009, zu erteilen. Des Weiteren
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stellte sie mit Schriftsatz vom 30. September 2013 einen dritten und einen vierten
Hilfsantrag, wobei die Anträge im Einzelnen folgendes beinhalten:

Mit Hauptantrag beantragte die Anmelderin, dass der Beschwerdesenat die Zu-
rückweisung der Anmeldung aufhebt und ein Patent basierend auf den zurückge-
wiesenen Ansprüchen 1 bis 23 (Ansprüche gemäß Hauptantrag), eingegangen am
2. Oktober 2013, erteilt.

Mit erstem Hilfsantrag beantragte die Anmelderin, dass der Beschwerdesenat die
Zurückweisung der Anmeldung aufhebt und ein Patent basierend auf den neuen
Ansprüchen 1 bis 22 gemäß erstem Hilfsantrag, eingegangen am
2. Oktober 2013, erteilt.

Mit zweitem Hilfsantrag beantragte die Anmelderin, dass der Beschwerdesenat die
Zurückweisung der Anmeldung aufhebt und ein Patent basierend auf den neuen
Ansprüchen 1 bis 22 gemäß dem zweiten Hilfsantrag, eingegangen am
2. Oktober 2013, erteilt.

Mit drittem Hilfsantrag beantragte die Anmelderin, dass der Beschwerdesenat die
Zurückweisung der Anmeldung aufhebt und die Anmeldung zur weiteren Prüfung
an die Prüfungsstelle zurückverweist.

Mit viertem Hilfsantrag wurde eine mündliche Verhandlung vor dem Beschwerde-
senat beantragt für den Fall, dass der Hauptantrag, der erste, der zweite und der
dritte Hilfsantrag nicht gewährt werden sollten.

Die Anmelderin hat danach mit Schriftsatz vom 9. Mai 2016 um Entscheidung
nach Aktenlage gebeten.

Mit Schreiben vom 16. Januar 2017 ist die Anmelderin zur Wahrung des rechtli-
chen Gehörs darauf hingewiesen worden, dass die Anspruchssätze nach Haupt-
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und Hilfsanträgen 1 und 2 Kombinationen von Merkmalen beinhalten, die möglich-
erweise als unzulässige Erweiterung anzusehen sind.

Anspruch 1 gemäß Hauptantrag lautet unter Hinzufügung einer Merkmalsgliede-
rung seitens des Senats wie folgt:

M1 „Verfahren zum Erzeugen einer zusammengefassten Speicherzu-
griffsoperation für eine Thread-Gruppe basierend auf einer Anwen-
dungsanfrage, wobei das Verfahren aufweist:

M2 Empfangen einer Speicherzugriffsanfrage von der Anwendung, die
von einer Vielzahl von aktiven Threads in der Thread-Gruppe aus-
geführt werden soll,

M3 Auswählen eines verfügbaren Eintrags in einer ausstehenden An-
frage-Tabelle (PRT) für die Speicherzugriffsanfrage von der Anwen-
dung,

M4 Erzeugen einer ersten Speicherzugriffsanfrage für einen ersten akti-
ven Thread, der eine Maximalgröße aufweist, die einen ersten Spei-
cherbereich für die erste Speicherzugriffsanfrage definiert,

M5 Identifizieren eines oder mehrerer zusätzlicher aktiver Threads, die
zugeordnete Speicherzugriffsadressen aufweisen, die in dem ersten
Speicherbereich lokalisiert sind,

M6 Setzen einer Thread-Maske zum Spezifizieren, dass der erste aktive
Thread und der eine oder die mehreren zusätzlichen aktiven Threads
die erste Speicherzugriffsanfrage ausführen, und

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M7 Bestimmen, ob die Speicherzugriffsadressen, die dem einen oder
den mehreren zusätzlichen aktiven Threads zugeordnet sind, in nur
einer Hälfte des ersten Speicherbereichs lokalisiert sind.“


Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 1 weist die Merkmale M1 bis M7 des An-
spruchs 1 nach Hauptantrag auf unter Hinzufügung des folgenden Merkmals:

„und Halbieren des ersten Speicherbereichs, zumindest einmal, um
einen aktualisierten Speicherbereich zu erzeugen, der der ersten
Speicherzugriffsanfrage zugeordnet ist, wobei die Speicherzu-
griffsadressen, die dem einen oder den mehreren zusätzlichen akti-
ven Threads zugeordnet sind, beide Hälften des aktualisierten Spei-
cherbereichs umfassen.“


Anspruch 1 nach Hilfsantrag 2 weist die Merkmale M1 bis M7 des Anspruchs 1
nach Hauptantrag auf unter Hinzufügung des folgenden Merkmals:

„wobei die Speicherzugriffsanfrage von der Anwendung eine
Leseanfrage aufweist, und jeder aktive Thread in der Mehrzahl der
aktiven Threads in der Thread-Gruppe identische zugeordnete
Speicherzugriffsadressen aufweist.“


Anspruch 3 gemäß Hauptantrag wie auch Anspruch 2 gemäß Hilfsantrag 1
und Anspruch 3 gemäß Hilfsantrag 2 lauten jeweils:

„Das Verfahren nach Anspruch 1, weiterhin aufweisend den Schritt
des Erhöhens einer Anzahl, die sich auf die Anzahl von Speicherzu-
griffen bezieht, die der Vielzahl von aktiven Threads zugeordnet ist.“
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Wegen der weiteren Ansprüche des Hauptantrags sowie der Hilfsanträge 1 und 2
und wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Akte verwiesen.


II.

Die zulässige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg. Denn durch Rückbe-
züge von einzelnen Ansprüchen gemäß Haupt- und Hilfsanträgen 1 und 2 auf die
jeweiligen Ansprüche 1 ergeben sich Merkmalskombinationen, die den Inhalt der
Anmeldung gegenüber der ursprünglich eingereichten Fassung unzulässig erwei-
tern (§ 38 Satz 1 PatG). Die Frage der Patentfähigkeit der Ansprüche nach Haupt-
antrag und Hilfsanträgen im Hinblick auf die §§ 1 bis 5 PatG kann somit dahinste-
hen.

1. Die vorliegende Anmeldung betrifft gemäß geltender Beschreibung das paral-
lele Verarbeiten von Daten und im engeren Sinne auch Systeme und Verfah-
ren zum Zusammenfassen von Speicherzugriffen von parallelen Threads
bzw. Ausführungssträngen bzw. Prozessteilen (vgl. S. 1 Z. 14-17).

Gemäß geltender Beschreibung liegt der Anmeldung sinngemäß die Aufgabe
zugrunde, eine Technik zum effizienteren und flexibleren Durchführen von
Speicherzugriffen für Thread-Gruppen bereitzustellen (vgl. S. 3 erster Abs.).

Als zuständiger Fachmann ist ein Diplom-Ingenieur der Fachrichtung Elektro-
technik mit Schwerpunkt Informationstechnik anzusehen, der über eine mehr-
jährige Erfahrung auf dem Gebiet der Entwicklung von Speichersystemen im
Zusammenhang mit Threads und paralleler Datenverarbeitung verfügt.

2. Die sich gemäß Hauptantrag durch den Rückbezug des Anspruchs 3 auf An-
spruch 1 ergebende Kombination von Merkmalen beinhaltet Änderungen ge-
genüber dem Inhalt der Anmeldung in der ursprünglichen Fassung, die den
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Gegenstand der Anmeldung unzulässig erweitern (§ 38 Satz 1 PatG). An-
spruch 2 gemäß Hilfsantrag 1 und Anspruch 3 gemäß Hilfsantrag 2 beinhalten
durch den Rückbezug auf den jeweiligen Anspruch 1 gleichfalls Änderungen
gegenüber dem Inhalt der Anmeldung in der ursprünglichen Fassung, die den
Gegenstand der Anmeldung unzulässig erweitern.

a) Zum Hauptantrag

Anspruch 1 gemäß Hauptantrag beinhaltet die Merkmale des ursprünglichen
Anspruchs 1 (vgl. Merkmale M1 bis M6) und des ursprünglichen Unteran-
spruchs 2 (vgl. Merkmal M7). Der auf Anspruch 1 gemäß Hauptantrag rückbe-
zogene Anspruch 3 basiert dagegen auf dem ursprünglichen Unteranspruch 4,
welcher nicht auf den ursprünglichen Unteranspruch 2 rückbezogen war, des-
sen Merkmal in den Anspruch 1 gemäß Hauptantrag aufgenommen worden ist.
Durch den nunmehr aufgeführten Rückbezug im geltenden Anspruch 3 gemäß
Hauptantrag ergibt sich eine Kombination des Merkmals „Bestimmen, ob die
Speicherzugriffsadressen […] in nur einer Hälfte des ersten Speicherbereichs
sind“ (Merkmal M7 des Anspruchs 1) mit dem Merkmal eines „Erhöhens einer
Anzahl, die sich auf die Anzahl von Speicherzugriffen bezieht […]“ gemäß An-
spruch 3 des Hauptantrags. Ein solcher Zusammenhang ist weder in den ur-
sprünglichen Ansprüchen mit den dort aufgeführten Rückbezügen noch in der
diesen Merkmalen zugehörigen Beschreibung mitsamt Figuren (vgl. insbes.
Schritte 510, 512 in Fig. 5A und 5B, mit zugehöriger Beschreibung) ursprüng-
lich offenbart worden.
Der Fachmann kann einen solchen Zusammenhang auch nicht den weiteren
ursprünglichen Anmeldeunterlagen entnehmen, insbesondere nicht den
Passagen der Beschreibung, in denen Speicherzugriffsadressen in Verbindung
mit einer Hälfte eines Speicherbereichs genannt werden (vgl. u. a. Abs. [0060]
und [0066] der ursprünglich in englischer Sprache eingereichten Beschreibung,
eingegangen am 10. März 2009, bzw. deren deutsche Übersetzung, eingegan-
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gen am 10. Juni 2009, S. 29-30 und S. 33-34, jeweils seitenüberbrückender
Abs.).

Die sich durch die Ansprüche 1 und 3 gemäß Hauptantrag ergebende Merk-
malskombination stellt damit eine unzulässige Erweiterung dar.

b) Zu Hilfsantrag 1

Der gemäß Hilfsantrag 1 auf Anspruch 1 rückbezogene Anspruch 2 basiert
ebenfalls auf dem ursprünglichen Unteranspruch 4, welcher lediglich auf den
ursprünglichen Anspruch 1 rückbezogen war, nicht aber auf den ursprüngli-
chen Unteranspruch 2, dessen Merkmale in den geltenden Anspruch 1 nach
Hilfsantrag 1 mit aufgenommen worden sind (vgl. Merkmal M7). Durch den
Rückbezug des geltenden Anspruchs 2 gemäß Hilfsantrag 1 auf Anspruch 1
mit dem hinzugefügten Merkmal M7 ergibt sich wiederum eine Kombination
des Merkmals „Bestimmen, ob die Speicherzugriffsadressen […] in nur einer
Hälfte des ersten Speicherbereichs sind“ mit dem Merkmal eines „Erhöhens
einer Anzahl, die sich auf die Anzahl von Speicherzugriffen bezieht […].“ Wie
vorstehend zum Hauptantrag ausgeführt, ist ein solcher Zusammenhang weder
in den ursprünglichen Ansprüchen noch in der ursprünglichen Beschreibung
mitsamt Figuren offenbart worden und stellt eine unzulässige Erweiterung dar
(vgl. die Ausführungen zum Hauptantrag, die hier in gleicher Weise gelten).

c) Zu Hilfsantrag 2

Auch der gemäß Hilfsantrag 2 auf Anspruch 1 rückbezogene Anspruch 3 ba-
siert auf dem ursprünglichen Anspruch 4, welcher nur auf den ursprünglichen
Anspruch 1 rückbezogen war. Mit den Rückbezug des geltenden Anspruchs 3
gemäß Hilfsantrag 2 auf Anspruch 1 mit dem hinzugefügten Merkmal M7 aus
dem ursprünglichen Unteranspruch 2 ergibt sich – wie beim Hauptantrag und
bei Hilfsantrag 1 – eine Kombination des Merkmals „Bestimmen, ob die Spei-
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cherzugriffsadressen […] in nur einer Hälfte des ersten Speicherbereichs sind“
mit dem Merkmal eines „Erhöhens einer Anzahl, die sich auf die Anzahl von
Speicherzugriffen bezieht […].“ Wie zuvor ausgeführt, ist ein solcher Zusam-
menhang weder in den ursprünglichen Ansprüchen noch in der ursprünglichen
Beschreibung mitsamt Figuren offenbart worden und stellt eine unzulässige
Erweiterung dar (vgl. die Ausführungen zum Hauptantrag bzw. zum Hilfsantrag
1, die hier in gleicher Weise gelten).

3. Es kann dahingestellt bleiben, ob die Merkmale der weiteren geänderten
Ansprüche gemäß Hauptantrag sowie gemäß Hilfsanträgen 1 und 2 ursprüng-
lich offenbart sind.

Mit den nicht zulässigen Ansprüchen gemäß Hauptantrag sowie gemäß Hilfs-
anträgen 1 und 2 sind auch die weiteren Ansprüche der Haupt- und Hilfsan-
träge nicht schutzfähig, da auf diese Ansprüche kein eigenständiges Schutz-
begehren gerichtet war (BGH, Beschluss vom 27. Juni 2007 – X ZB 6/05;
GRUR 2007, 862 Abschnitt III 3. a) aa) – Informationsübermittlungsverfah-
ren II).

4. Eine Zurückverweisung der Anmeldung an das Deutsche Patent- und Marken-
amt gemäß dritten Hilfsantrag im Schriftsatz vom 30. September 2013 kommt
nicht in Betracht, da kein zulässiger Anspruchssatz vorliegt und die Sache da-
mit bereits entscheidungsreif war (vgl. Schulte/Püschel, PatG, 9. Auflage, § 79
Rn. 17, 18).

5. Zur Durchführung der mit viertem Hilfsantrag im Schriftsatz vom 30. September
2013 beantragten mündlichen Verhandlung bestand kein Anlass, nachdem die
Anmelderin mit Schreiben vom 9. Mai 2016 um Entscheidung nach Aktenlage
gebeten hat.

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6. Bei dieser Sachlage war die Beschwerde zurückzuweisen.


III.

Rechtsmittelbelehrung

Gegen diesen Beschluss steht den am Beschwerdeverfahren Beteiligten das
Rechtsmittel der Rechtsbeschwerde zu. Da der Senat die Rechtsbeschwerde nicht
zugelassen hat, ist sie nur statthaft, wenn gerügt wird, dass

1. das beschließende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war,
2. bei dem Beschluss ein Richter mitgewirkt hat, der von der Ausübung
des Richteramtes kraft Gesetzes ausgeschlossen oder wegen Besorgnis
der Befangenheit mit Erfolg abgelehnt war,
3. einem Beteiligten das rechtliche Gehör versagt war,
4. ein Beteiligter im Verfahren nicht nach Vorschrift des Gesetzes vertreten
war, sofern er nicht der Führung des Verfahrens ausdrücklich oder still-
schweigend zugestimmt hat,
5. der Beschluss aufgrund einer mündlichen Verhandlung ergangen ist, bei
der die Vorschriften über die Öffentlichkeit des Verfahrens verletzt worden
sind, oder
6. der Beschluss nicht mit Gründen versehen ist.

Die Rechtsbeschwerde ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlus-
ses beim Bundesgerichtshof, Herrenstr. 45a, 76133 Karlsruhe, durch einen beim
Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt als Bevollmächtigten schriftlich
einzulegen.


Wickborn Kruppa Dr. Schwengelbeck Dipl.-Ing. Altvater

Hu


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