18 W (pat) 16/16  - 18. Senat (Techn.Beschw.)
Karar Dilini Çevir:

ECLI:DE:BPatG:2018:191218B18Wpat16.16.0

BUNDESPATENTGERICHT



18 W (pat) 16/16
_______________
(Aktenzeichen)



Verkündet am
19. Dezember 2018





B E S C H L U S S

In der Beschwerdesache

betreffend die Patentanmeldung 11 2006 002 582.1









hat der 18. Senat (Techn. Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf die
mündliche Verhandlung vom 19. Dezember 2018 durch die Vorsitzende Richterin
Dipl.-Ing. Wickborn sowie die Richter Kruppa, Dipl.-Phys. Dr. Schwengelbeck und
Dipl.-Ing. Altvater
- 2 -
beschlossen:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.


G r ü n d e

I.

Die vorliegende Patentanmeldung 11 2006 002 582.1 geht aus einer PCT-Anmel-
dung (Veröffentlichung WO 2007/053668 A2) hervor, die am 31. Oktober 2006
unter Inanspruchnahme einer US-amerikanischen Priorität vom 31. Oktober 2005
(US 11/263 628) eingereicht wurde. Die Anmeldung trägt die Bezeichnung

„Bewirken einer Zusatzspeicherung in einem User-Levelspeicher“

und wurde durch die Prüfungsstelle für Klasse G 06 F des Deutschen Patent- und
Markenamts mit Beschluss vom 10. Mai 2016 zurückgewiesen worden, weil der
Gegenstand des Anspruchs 1 nicht neu gewesen sei gegenüber folgender
Druckschrift:

D7: IA-32 Intel Architecture Optimization / Reference Manual.
Order number 248966-001 (Copyright 1999-2004).

Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde der Anmelderin.

Die Anmelderin beantragt mit der Beschwerde vom 16. Juni 2016, eingegangen
am gleichen Tag, sinngemäß,

- 3 -
den Zurückweisungsbeschluss der Prüfungsstelle G06F aufzuhe-
ben und ein Patent zu erteilen mit folgenden geltenden Unterla-
gen:

- Patentansprüche 1 bis 26, eingegangen am
18. Dezember 2013,
- Beschreibung S. 1 bis 27, eingegangen am 31. März 2008,
- Figuren 1 bis 7, eingegangen am 31. März 2008,

hilfsweise eine mündliche Verhandlung.

Anspruch 1 nach Hauptantrag lautet unter Hinzufügung einer Merkmalsgliede-
rung (Änderungen gegenüber dem ursprünglich eingereichten Anspruch 1 hervor-
gehoben):

1.1 Ein Verfahren, mit umfassend:
1.2 Zuordnen eines Bereichs eines Speichers Hauptspei-
chers (480) als Zusatzspeicher (485) zum Speichern für eine
architekturaler Statusinformation eines Prozessors (400),
1.3 wobei die architekturale Statusinformation eine erstreckte er-
weiterte Statusinformation aufweist, die einem Betriebssys-
tem (OS) transparent ist des Prozessors entsprechend einem
erweiterten Prozessormerkmal ist, das von einem OS nicht
unterstützt wird, das auf dem Prozessor läuft; und
1.4 wobei die erweiterte Statusinformation in erweiterten Regis-
tern (450) des Prozessors (400) gespeichert wird;
1.5 Speichern der architekturalen Statusinformation in dem im
Zusatzspeicher über eine Anwendung und ohne OS-Unter-
stützung; und
1.6 Laden der architekturalen Statusinformation vom Zusatzspei-
cher in den Prozessor.
- 4 -
Wegen des Wortlauts der nebengeordneten Ansprüche 8, 15 und 21 sowie der
von diesen Ansprüchen direkt oder indirekt abhängigen Ansprüche 2 bis 7, 9 bis
14, 16 bis 20 und 22 bis 26 wird auf die Akte verwiesen.

Mit Ladungszusatz zur mündlichen Verhandlung vom 13. November 2018 ist die
Anmelderin darauf hingewiesen worden, dass Anspruch 1 möglicherweise Merk-
male beinhaltet, die unzulässige Erweiterungen darstellen.

Die Anmelderin hat mit Schreiben vom 28. November 2018 die Nichtteilnahme an
der mündlichen Verhandlung angekündigt und ist entsprechend dieser Ankündi-
gung nicht zur mündlichen Verhandlung erschienen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.


II.

Die zulässige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg. Denn der Gegenstand
des Anspruchs 1 weist eine unzulässige Erweiterung gegenüber dem Inhalt der
Anmeldung in der ursprünglichen Fassung auf (§ 38 Satz 1 PatG). Die Frage der
Patentfähigkeit der geltenden Ansprüche im Hinblick auf die §§ 1 bis 5 PatG kann
somit dahinstehen (vgl. BGH, Urteil vom 18. September 1990 – X ZR 29/89,
GRUR 1991, 120, 121 li. Sp. Abs. 3 – Elastische Bandage).

1. Die Anmeldung betrifft gemäß geltender Beschreibungseinleitung die
Datenverarbeitung in einem prozessorbasierten System und insbesondere das
Ausführen von Prozessoroperationen, die für ein Betriebssystem (OS) transpa-
rent sein sollen (vgl. S. 1, „Hintergrund“, erster Abs.). Systeme würden typi-
scherweise aus Hardware- und Software-Komponenten gebildet. Typische
Hardware weise einen Prozessor und zugehörige Schaltungen einschließlich
Sätzen von Chips, Speichern, Eingangs-/ Ausgangseinheiten und dergleichen
- 5 -
auf. Software-Komponenten würden typischerweise ein Betriebssystem und
grundlegende Eingangs/Ausgangs-System-Programme (BIOS), Treiber auf
niedriger Ebene und Applikationen auf höherer Ebene wie Applikationen auf
Anwenderebene zum Ausführen von gewünschten Aufgaben, wie Textverar-
beitung, wissenschaftliche Berechnungen und dergleichen aufweisen (vgl.
geltende Beschreibung, S. 1, vorle. Abs.). Im Allgemeinen sei das Betriebs-
system der Hauptplaner von Aktivitäten des Systems und sei in Kenntnis der
verschiedenen Prozesse, die auf dem Prozessor ausgeführt würden. Wenn zu-
sätzliche Merkmale oder Extensionen zu der Hardware wie dem Prozessor zu-
gefügt würden, sei ein OS-Support durch Treiber oder andere Software erfor-
derlich, so dass das Betriebssystem die Ausführung der vergrößerten Hard-
ware beobachten könne. Wenn zusätzliche Prozessormerkmale und Extensio-
nen bei jedem auf dem Prozessor ausgeführten Prozess sichtbar sein müss-
ten, könne das Betriebssystem eine Virtualisierung des Merkmals oder der Er-
streckung auswählen, so dass jeder Prozessor annehme, dass er seinen eige-
nen privaten Zugang oder eine Kopie des Merkmals oder der Extension habe
(vgl. S. 1, le. Abs., und S. 2, erster Abs.). Bei einer Initialisierung eines Prozes-
ses schaffe das Betriebssystem einen Prozesssteuerblock (PCB), der eine
Struktur zum Repräsentieren des Prozesses in einer privilegierten, für Anwen-
dungen auf der Anwenderebene nicht zugänglichen Ebene des Speichers sei.
Der Prozessorsteuerblock könne verschiedene Informationen bezüglich der
Prozessausführung beinhalten, wie eine Identifikationsinformation, eine Sta-
tusinformation, Registerwerte, Speicherinformation und andere derartige In-
formationen. Die Schaffung einer solchen Information und die Beibehaltung ei-
ner Kohärenz zwischen der Information in dem Prozessor und dem Prozessor-
steuerblock, der von dem Betriebssystem beibehalten werde, sei eine schwie-
rige und bei der Ausführung sensitive Aktivität (vgl. S. 2, zweiter Abs.). Wenn
bestimmte Instruktionen zu einer Befehlssatzarchitektur (ISA) zugefügt würden,
könne ein zusätzlicher, erweiterter Zustand in einem Prozessor verfügbar sein.
Wenn Erweiterungen der Hardware vorgenommen worden seien, sei ein OS-
Support erforderlich. Dieser Support könne in Form von Treibern für das ge-
- 6 -
genwärtige Betriebssystem sein, oder neue OS-Servicepakete oder zukünftige
OS-Versionen könnten einen zusätzlichen Code zum Unterstützen der Erweite-
rungen aufweisen. Auch sei ein zusätzlicher Speicherraum in einem Prozes-
sorsteuerblock oder einer anderen Betriebssystem-Datenstruktur immer erfor-
derlich, wenn ein neues Merkmal zu dem Prozessor hinzugefügt werde (vgl.
S. 2, dritter Abs.). Diese Extensionen könnten auch eine Auswirkung auf ver-
schiedene Aktivitäten haben, etwa einen Kontextschalter zwischen zwei Pro-
zessen. Wenn es unwahrscheinlich sei, dass der zusätzliche Zustand aufgrund
dieser Extensionen bei den meisten Prozessen verwendet werde, könne das
OS eine sogenannte träge Speicherung implementieren und Mechanismen
speichern, die verwendet werden könne, um die Kontextschalter des zusätzli-
chen Zustandes aufgrund dieser Extensionen rückzustellen oder manchmal zu
eliminieren, wodurch Zeit gespart werde. In einem Prozessorsystem wie einem
symmetrischen Multiprozessorsystem (SMP) seien diese Mechanismen prob-
lematisch und typischerweise werde ein Betriebssystem stattdessen eine Voll-
statusspeicherung bei einem Kontextschalter ausführen, was ein relativ auf-
wendiger Vorgang sein könne. Beide Speicherungen erforderten das Betriebs-
system und seien ineffizient (vgl. S. 2, le. Abs., und S. 3, erster Abs.).

Als Aufgabe wird in der Beschreibung der vorliegenden Anmeldung sinnge-
mäß aufgeführt, vor dem Hintergrund der vorstehend aufgeführten Problem-
stellung das lmplementieren von Erweiterungen der Hardware wie Prozesso-
rextensionen zu verbessern (vgl. S. 3, zweiter Abs.).

Als zuständiger Fachmann ist ein Diplom-Ingenieur der Fachrichtung Elektro-
technik mit Schwerpunkt Informationstechnik anzusehen, der eine mehrjährige
Erfahrung auf dem Gebiet der Abarbeitung von Prozessoroperationen besitzt,
die für ein Betriebssystem transparent sind.

2. Die Aufgabe soll u. a. durch die Merkmale des Anspruchs 1 gelöst werden.

- 7 -
Gemäß Anspruch 1 ist zur Lösung das Zuordnen eines Bereichs eines Haupt-
speichers (480) als Zusatzspeicher (485) zum Speichern architekturaler Sta-
tusinformation eines Prozessors (400) vorgesehen (vgl. Fig. 6 und die Merk-
male 1.1 und 1.2).



Die architekturale Statusinformation soll eine erweiterte Statusinformation des
Prozessors entsprechend einem erweiterten Prozessormerkmal sein, welches
von einem auf dem Prozessor laufenden Betriebssystem bzw. OS nicht unter-
stützt wird (Merkmal 1.3). Dabei soll die erweiterte Statusinformation in erwei-
terten Registern (450) des Prozessors (400) gespeichert werden (Merkmal
1.4). Darüber hinaus ist das Speichern der architekturalen Statusinformation im
Zusatzspeicher ohne OS-Unterstützung vorgesehen (Merkmal 1.5) sowie das
Laden der architekturalen Statusinformation vom Zusatzspeicher in den Pro-
zessor (Merkmal 1.6).

3. Anspruch 1 beinhaltet Änderungen gegenüber dem Inhalt der Anmeldung in
der ursprünglichen Fassung, die den Anmeldungsgegenstand unzulässig er-
weitern (§ 38 Satz 1 PatG).

- 8 -
Der Gegenstand des Anspruch 1 ist in der geltenden Fassung dahingehend
geändert worden, dass ein ursprünglich lediglich als „Speicher“ bezeichneter
Datenträger nunmehr als „Hauptspeicher“ aufgeführt wird (vgl. Merkmal 1.2
und Bezugszeichen (480), der einen Bereich aufweist, welcher als Zusatzspei-
cher (485) dient. Der im ursprünglichen Anspruch 1 genannte Speicher ist – im
Gegensatz zu einem im Zusammenhang mit Speichern 532 und 534 sowie Fi-
gur 7 genannten Hauptspeicher (main memory) – an keiner Stelle in den ur-
sprünglichen Anmeldeunterlagen als Hauptspeicher bezeichnet worden bzw.
als solcher für den Fachmann auch nicht ohne Weiteres in dem beanspruchten
Zusammenhang zu erkennen (vgl. deutsche Übersetzung der Beschreibung,
S. 25, erster Abs. vorle. und le. Satz, sowie auch die entsprechende englisch-
sprachige Fassung der zugrundeliegenden PCT-Anmeldung). Dabei kann der
Fachmann auch der ursprünglichen Figur 6, die vorstehend unter Ziffer 2 wie-
dergeben ist, nicht unmittelbar und eindeutig entnehmen, dass es sich bei dem
ursprünglich genannten Speicher (480) um den „Hauptspeicher“ eines Prozes-
sors (400) handelt (vgl. auch deutsche Übersetzung der Beschreibung, S. 22,
le Abs. bis S. 24, le. Abs.). Merkmal 1.2 beinhaltet folglich mit dem nunmehr
als „Hauptspeicher“ deklarierten Speicher einen Zusammenhang, der ur-
sprünglich nicht offenbart worden ist.

4. Es kann dahingestellt bleiben, ob weitere Merkmale des Anspruchs 1, die
ebenfalls Änderungen gegenüber dem ursprünglich eingereichten Anspruch 1
beinhalten, in den ursprünglichen Anmeldeunterlagen offenbart sind.

5. Mit dem nicht zulässigen Anspruch 1 sind auch die weiteren Ansprüche 2
bis 26 nicht schutzfähig, da auf diese Ansprüche kein eigenständiges Schutz-
begehren gerichtet war (BGH, Beschluss vom 27. Juni 2007 – X ZB 6/05;
GRUR 2007, 862 Abs. III 3. a) aa) – Informationsübermittlungsverfahren II).

6. Bei dieser Sachlage war die Beschwerde zurückzuweisen.

- 9 -
III.

Rechtsmittelbelehrung

Gegen diesen Beschluss steht der am Beschwerdeverfahren Beteiligten das
Rechtsmittel der Rechtsbeschwerde zu. Da der Senat die Rechtsbeschwerde nicht
zugelassen hat, ist sie nur statthaft, wenn gerügt wird, dass

1. das beschließende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war,
2. bei dem Beschluss ein Richter mitgewirkt hat, der von der Ausübung des
Richteramtes kraft Gesetzes ausgeschlossen oder wegen Besorgnis der
Befangenheit mit Erfolg abgelehnt war,
3. einem Beteiligten das rechtliche Gehör versagt war,
4. ein Beteiligter im Verfahren nicht nach Vorschrift des Gesetzes vertreten
war, sofern er nicht der Führung des Verfahrens ausdrücklich oder
stillschweigend zugestimmt hat,
5. der Beschluss aufgrund einer mündlichen Verhandlung ergangen ist, bei
der die Vorschriften über die Öffentlichkeit des Verfahrens verletzt worden
sind, oder
6. der Beschluss nicht mit Gründen versehen ist.

Die Rechtsbeschwerde ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des
Beschlusses beim Bundesgerichtshof, Herrenstr. 45 a, 76133 Karlsruhe, durch
einen beim Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt als Bevollmächtigten
schriftlich einzulegen.


Wickborn Kruppa Dr. Schwengelbeck Altvater

Pr


Full & Egal Universal Law Academy