18 W (pat) 153/14  - 18. Senat (Techn.Beschw.)
Karar Dilini Çevir:

BPatG 152
08.05

BUNDESPATENTGERICHT





18 W (pat) 153/14
_______________________
(Aktenzeichen)



B E S C H L U S S

In der Beschwerdesache

betreffend die Patentanmeldung 10 2010 003 153.4-53










hat der 18. Senat (Techn. Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts am
18. Oktober 2017 durch die Vorsitzende Richterin Dipl.-Ing. Wickborn sowie die
Richter Kruppa, Dipl.-Phys. Dr. Schwengelbeck und Dr.-Ing. Flaschke

- 2 -
beschlossen:

Auf die Beschwerde der Anmelderin wird der Beschluss der Prü-
fungsstelle für Klasse G 06 F des Deutschen Patent- und Marken-
amts aufgehoben und das Patent auf der Grundlage der folgenden
Unterlagen erteilt:

- Patentansprüche 1 bis 21 nach Hauptantrag, eingegangen am
28. September 2017,

- Beschreibung, Seiten 1 und 1a, eingegangen am 8. Februar 2013,
Seiten 2 - 21, eingegangen am 23. März 2010,

- Figuren 1 - 3, eingegangen am 23. März 2010.



G r ü n d e

I.

1. Die unter Inanspruchnahme einer Priorität vom 2. April 2009 (US 12/417 172)
am 23. März 2010 beim Deutschen Patentamt eingereichte Patentanmeldung
10 2010 003 153.4 mit der Bezeichnung

„Verarbeitungseinheit, Vorrichtung, die zwei Verarbeitungseinheiten aufweist,
Verfahren zum Testen einer Verarbeitungseinheit und einer Vorrichtung, die zwei
Verarbeitungseinheiten aufweist“

wurde durch Beschluss der Prüfungsstelle für Klasse G 06 F des Deutschen
Patent- und Markenamtes vom 23. Mai 2013 zurückgewiesen. Die Prüfungsstelle
- 3 -
hat ihren Zurückweisungsbeschluss sinngemäß damit begründet, dass der
Gegenstand des damals geltenden Anspruchs 1 nach Hauptantrag nicht auf einer
erfinderischen Tätigkeit beruhe. Dabei wurde auf folgende Druckschrift verwiesen:

D2: US 6 715 062 B1.

Des Weiteren beruhe auch der jeweilige Gegenstand des damals geltenden
Anspruchs 1 nach den Hilfsanträgen 1 und 2 auf keiner erfinderischen Tätigkeit,
wobei zusätzlich auf folgende Druckschrift verwiesen wurde:

D8: DE 11 2006 002 842 T5.

Insbesondere ergäben sich sämtliche Merkmale der Verarbeitungseinheit des
Anspruchs 1 nach Hilfsantrag 2 bereits aus fachmännischem Handeln auf der
Basis von Druckschrift D8.

Darüber hinaus wurde angeführt, dass der Patentanspruch 1 in der Fassung aller
Anträge nicht offenbare, wie eine Manipulation der Verarbeitungseinheit erkannt
werden solle. Es bleibe dem Fachmann überlassen, einen geeigneten Test zu
entwickeln, mit dem man explizit eine Manipulation der Verarbeitungseinheit
feststellen könne. Somit wären die Anforderungen des § 34 (3) 3 PatG nicht erfüllt.

Gegen diesen Beschluss ist die Beschwerde der Anmelderin gerichtet.


Neben den im Zurückweisungsbeschluss genannten Druckschriften D2 und D8
wurden im Prüfungsverfahren noch folgende Druckschriften ermittelt:

- 4 -
D1: US 5 157 781 A

D3: AGRAWAL, V. D.; KIME, C. R.; SALUJA, K. K.: A tutorial on built-in
self-test. Part 1. Principles. In: Design & Test of Computers, IEEE,
10, März 1993, [Part 1,] S. 73-82. - ISSN 0740-7475.
http://ieeexplore.ieee.org/stamp/ stamp.jsp?tp=& arnumber=199807
[abgerufen am 09.10.2012]

D4: AGRAWAL, V. D.; KIME, C. R.; SALUJA, K. K.: A tutorial on built-in
self-test. Part 2. Applications. In: Design & Test of Computers, IEEE,
10, Juni 1993, 2, S. 69-77. - ISSN 0740-7475.
http://ieeexplore.ieee.org/stamp/stamp.jsp?tp=&arnumber=211530
[abgerufen am 09.10.2012]

D5: RATIU, I. M.; BAKOGLU, H. B.: Pseudorandom built-in self-test
methodology and implementation for the IBM RISC System/6000
processor. In: IBM Journal of Research and Development, Vol. 34,
Januar 1990, No. 1, S. 78-84. - ISSN 0018-8646.
http://ieeexplore.ieee.org/stamp/stamp.jsp?tp=&arnumber=5389861
[abgerufen am 05.10.2012]

D6: DO-178B. In: Wikipedia, the free encyclopedia. Bearbeitungsstand:
29.03.2009. URL:-http://en.wikipedia.org/w/index.php?title=DO-178
B&oldid=280323160 [abgerufen am 05.10.2012]

D7: IEC 61508. In: Wikipedia, Die freie Enzyklopädie. Bearbeitungsstand:
30.03.2009.
URL: http://de.wikipedia.org/w/index.php?title=IEC_61508&oldid=58
477696 [abgerufen am 10.10.2012].

- 5 -
Zum Beleg des Grundlagenwissens des Fachmanns hat die Prüfungsstelle im
Zurückweisungsbeschluss noch auf folgende Artikel der Online-Enzyklopädie
Wikipedia verwiesen (vgl. S. 8 des Beschlusses vom 23. Mai 2013):

D9: Power-on self-test. In: Wikipedia. Version: 04.03.2009
D10: Built-in self-test (BIST). In: Wikipedia. Version: 27.02.2009.


Die Anmelderin stellt sinngemäß den Antrag, zuletzt mit Schriftsatz vom
28 September 2017,

den Beschluss der Prüfungsstelle für Klasse G 06 F des Deutschen Patent-
und Markenamts vom 23. Mai 2013 aufzuheben und das Patent auf der
Grundlage folgender Unterlagen zu erteilen:

- Patentansprüche 1 bis 21,
hilfsweise gemäß Hilfsantrag 1
Patentansprüche 1 bis 13,
hilfsweise gemäß Hilfsantrag 2
Patentansprüche 1 bis 13,
jeweils eingegangen am 28. September 2017,

- Beschreibung zu Hauptantrag und den Hilfsanträgen 1 und 2
Seiten 1 und 1a, eingegangen am 8. Februar 2013,
Seiten 2 bis 21, eingegangen am 23. März 2010,

- Figuren 1 bis 3, eingegangen am 23. März 2010.


- 6 -
Der seitens des Senats mit einer Gliederung versehene Patentanspruch 1 nach
Hauptantrag lautet:

M1 „Verarbeitungseinheit, bei der zwischen einer Sprungoperation zu
einem ersten in einem Hauptspeicher der Verarbeitungseinheit ge-
speicherten Befehl und der Ausführung des Operationscodes dieses
ersten Befehls eine Anzahl von n Taktzyklen verstreicht,
wobei die Verarbeitungseinheit folgendes Merkmal aufweist:
M2 eine Steuereinheit (110), die dahin gehend angepasst ist, nach einer
Rücksetzphase die n Taktzyklen zu verwenden, um eine Sequenz von
Testbefehlen auszuführen,
M3 um eine Manipulation der Verarbeitungseinheit zu erfassen, bevor die
Steuereinheit den ersten Befehl für einen Normalbetrieb decodiert.“

Der seitens des Senats mit einer Gliederung versehene Patentanspruch 10 nach
Hauptantrag lautet:

N1 „Verfahren zum Testen einer Verarbeitungseinheit, bei der zwischen
einer Sprungoperation zu einem ersten in einem Hauptspeicher der
Verarbeitungseinheit gespeicherten Befehl und der Ausführung des
Operationscodes dieses ersten Befehls eine Anzahl von n Taktzyklen
verstreicht,
das folgenden Schritt umfasst:
N2 Ausführen, nach einer Rücksetzphase unter Verwendung der n
Taktzyklen und vor einem Decodieren des ersten Befehls für einen
Normalbetrieb, einer Sequenz von Testbefehlen durch eine Steuer-
einheit (110) der Verarbeitungseinheit,
N3 um eine Manipulation der Verarbeitungseinheit zu erfassen.“

- 7 -
Der seitens des Senats mit einer Gliederung versehene Patentanspruch 13 nach
Hauptantrag lautet:

O1 „Vorrichtung (300), die folgende Merkmale aufweist:
eine erste und eine zweite Verarbeitungseinheit, bei denen zwischen
einer Sprungoperation zu einem ersten in einem Hauptspeicher der
jeweiligen Verarbeitungseinheit gespeicherten Befehl und der Aus-
führung des Operationscodes dieses ersten Befehls eine Anzahl von n
Taktzyklen verstreicht,
O2a eine erste Verarbeitungseinheit, wobei die erste Verarbeitungseinheit
eine Steuereinheit (110) umfasst, die dahin gehend angepasst ist,
nach einer Rücksetzphase unter Verwendung der n Taktzyklen eine
erste Sequenz von Testbefehlen auszuführen, um eine Ausgabe zu
erzeugen;
O2b eine zweite Verarbeitungseinheit, wobei die zweite Verarbeitungs-
einheit eine Steuereinheit (110) umfasst, die dahin gehend angepasst
ist, nach der Rücksetzphase unter Verwendung der n Taktzyklen eine
zweite Sequenz von Testbefehlen auszuführen, um eine Ausgabe zu
erzeugen; und
O2c einen Komparator (370), der dahin gehend angepasst ist, die Ausgabe
der ersten Verarbeitungseinheit und die Ausgabe der zweiten
Verarbeitungseinheit miteinander zu vergleichen und ein Vergleichs-
signal zu erzeugen, das angibt, ob sich die Ausgabe der ersten
Verarbeitungseinheit von der Ausgabe der zweiten Verarbeitungs-
einheit unterscheidet;
O3 wobei die Steuereinheit (110) der ersten Verarbeitungseinheit dahin
gehend angepasst ist, eine Manipulation der ersten oder zweiten
Verarbeitungseinheit zu erfassen, bevor die Steuereinheit der ersten
und/oder zweiten Verarbeitungseinheit den ersten Befehl für einen
Normalbetrieb decodiert,

- 8 -
O4 falls das Vergleichssignal des Komparators während der Ausführung
der ersten und der zweiten Sequenz von Testbefehlen einen Wert
beibehält oder annimmt, der sich von einem erwarteten Wert
unterscheidet, wobei der erwartete Wert ein Wert ist, der aufgrund der
Ausführung der ersten und der zweiten Sequenz von Testbefehlen
erwartet wird.“

Der seitens des Senats mit einer Gliederung versehene Patentanspruch 20 nach
Hauptantrag lautet:

P1 „Verfahren zum Testen einer Vorrichtung (300), die eine erste Ver-
arbeitungseinrichtung und eine zweite Verarbeitungseinrichtung auf-
weist, bei denen zwischen einer Sprungoperation zu einem ersten in
einem Hauptspeicher der jeweiligen Verarbeitungseinheit gespei-
cherten Befehl und der Ausführung des Operationscodes dieses
ersten Befehls eine Anzahl von n Taktzyklen verstreicht, das folgende
Schritte umfasst:
P2a Ausführen, seitens einer Steuereinheit einer ersten Verarbeitungs-
einheit der Vorrichtung, einer ersten Sequenz von Testbefehlen, um
eine Ausgabe zu erzeugen, nach einer Rücksetzphase unter Ver-
wendung der n Taktzyklen und vor einem Decodieren des ersten
Befehls für einen Normalbetrieb;
P2b Ausführen, seitens einer Steuereinheit einer zweiten Verarbeitungs-
einheit der Vorrichtung, einer zweiten Sequenz von Testbefehlen, um
eine Ausgabe zu erzeugen, nach der Rücksetzphase unter Ver-
wendung der n Taktzyklen und vor einem Decodieren des ersten
Befehls für einen Normalbetrieb;
P2c Miteinandervergleichen der Ausgabe der ersten Verarbeitungseinheit
und der Ausgabe der zweiten Verarbeitungseinheit und Erzeugen
eines Vergleichssignals, das angibt, ob sich die Ausgabe der ersten
- 9 -
Verarbeitungseinheit von der Ausgabe der zweiten Verarbeitungs-
einheit unterscheidet; und
P3 Erfassen, nach der Rücksetzphase und bevor die Verarbeitungs-
einheiten den ersten Befehl für den Normalbetrieb decodieren, dass
die erste oder die zweite Verarbeitungseinheit manipuliert wurden,
P4 falls das Vergleichssignal während der Ausführung der ersten und
zweiten Sequenz von Testbefehlen einen Wert beibehält oder
annimmt, der sich von einem erwarteten Wert unterscheidet, wobei
der erwartete Wert ein Wert ist, der aufgrund der Ausführung der
ersten und der zweiten Sequenz von Testbefehlen erwartet wird.“

Wegen der auf den Patentanspruch 1 nach Hauptantrag rückbezogenen
Ansprüche 2 bis 9, der auf den Patentanspruch 10 nach Hauptantrag rückbe-
zogenen Ansprüche 11 und 12, der auf den Patentanspruch 13 nach Hauptantrag
rückbezogenen Ansprüche 14 bis 19 und des auf den Patentanspruch 20 nach
Hauptantrag rückbezogenen Anspruchs 21 wird auf die Akte verwiesen.

Wegen der Patentansprüche 1 bis 13 nach Hilfsantrag 1 sowie der Patent-
ansprüche 1 bis 13 nach Hilfsantrag 2 wird auf die Akte verwiesen.

Die Anmelderin macht hierzu geltend, dass die geltenden Ansprüche in der
Fassung aller Anträge zulässig und im Lichte des im Verfahren befindlichen
Standes der Technik patentfähig seien.

Bezüglich der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.

II.

Die zulässige Beschwerde hat in der Sache Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des
angefochtenen Beschlusses und zur Erteilung des nachgesuchten Patents in der
Fassung des Hauptantrags.
- 10 -
1. Die Anmeldung betrifft Verarbeitungseinheiten und Verfahren zum Testen
der Verarbeitungseinheiten. Gemäß der Beschreibungseinleitung sind Sicher-
heitscontroller durch eine Vielzahl von Angriffsszenarien bedroht. Eine mögliche
Art von Angriff sei die dauerhafte Modifizierung einer Schaltung, beispielsweise
anhand eines fokussierten Ionenstrahls. Damit sei es möglich, die Signalpfade der
Mikrosteuerung dauerhaft zu verändern. Diese Art der Manipulation könne für
einen Chipkarten-Betrug verwendet werden. Bei einem bekannten Verfahren zum
Erkennen derartiger Manipulationen würden Teile der Schaltungsanordnung unter
Verwendung von Mustern (patterns) überprüft. Diese Lösungen erforderten aber
zusätzliche Hardware. Außerdem sei ein beträchtliches Maß an Stillstandszeit
zum Testen der Knoten erforderlich, und manchmal sei es sogar unmöglich,
derartige Lösungen zu integrieren (vgl. geltende Beschreibung, S. 1, Z. 8 - 32).

Vor diesem Hintergrund liegt der Anmeldung das objektive technische Problem
zugrunde, auf eine möglichst zeitsparende Weise festzustellen, ob an einem
Mikroprozessorsystem eine Manipulation vorgenommen wurde (vgl. geltende
Beschreibung, S. 1, Z. 8 - 32 sowie Schriftsatz vom 8. Februar 2013, Brü-
ckenabsatz S. 2/3).

Der zuständige Fachmann weist eine abgeschlossene Hochschulausbildung in
der Fachrichtung Elektrotechnik oder Informationstechnik auf und verfügt über
eine mehrjährige Erfahrung auf dem Gebiet der Mikroprozessortechnik und
spezielle Kenntnisse im Testen sicherheitsrelevanter Bauelemente.

Diese Aufgabe soll durch die Merkmale des auf eine Verarbeitungseinheit gerich-
teten Anspruchs 1 nach Hauptantrag gelöst werden. Um vor der Decodierung
des ersten Befehls für einen Normalbetrieb feststellen zu können, ob eine
Manipulation der Verarbeitungseinheit stattgefunden hat, sollen nach einer Rück-
setzphase n Taktzyklen verwendet werden, um eine Sequenz von Testbefehlen
auszuführen. Die n Taktzyklen verstreichen zwischen der Sprungoperation zu dem
- 11 -
in einem Hauptspeicher der Verarbeitungseinheit gespeicherten ersten Befehl und
der Ausführung des Operationscodes dieses ersten Befehls.

Die Aufgabe soll weiter durch die Merkmale des nebengeordneten Anspruchs 10
nach Hauptantrag gelöst werden, welcher die entsprechenden Verfahrens-
merkmale umfasst.

Als Lösung gemäß Patentanspruch 13 nach Hauptantrag ist eine Vorrichtung
vorgesehen, welche zwei (redundante) Verarbeitungseinheiten mit jeweils einer
Steuereinheit aufweist, die dahin gehend angepasst sind, nach einer Rück-
setzphase unter Verwendung der n Taktzyklen zwischen der Sprungoperation zu
einem in einem Hauptspeicher der jeweiligen Verarbeitungseinheit gespeicherten
ersten Befehl und der Ausführung des Operationscodes dieses ersten Befehls für
einen Normalbetrieb jeweils eine Sequenz von Testbefehlen auszuführen. Mit Hilfe
eines Komparators wird die Ausgabe der beiden Verarbeitungseinheiten auf
Gleichheit überprüft und mit einem Erwartungswert verglichen, ob eine Mani-
pulation stattgefunden hat.

Weiter soll die Aufgabe durch die Merkmale des Anspruchs 20 nach
Hauptantrag gelöst werden, welcher die entsprechenden Verfahrensmerkmale
zum Testen der Vorrichtung nach Anspruch 13 umfasst.


2. Einige Merkmale der nebengeordneten Patentansprüche nach Hauptantrag
bedürfen der Auslegung. Der zuständige Fachmann versteht sie wie folgt:

Die Ansprüche sind auf Vorrichtungen und Verfahren gerichtet, die es ermög-
lichen, Manipulationen an einer Verarbeitungseinheit zu erkennen. Von der
Verarbeitungseinheit ist eine Mikrosteuerung umfasst, beispielweise ein Sicher-
heitscontroller einer Chipkarte (vgl. geltende Beschreibung S. 1 Z. 7 - 22 und S. 16
Z. 16 - 23). Um eine mögliche Manipulation erfassen zu können, werden nach
- 12 -
einer als Rücksetzphase bezeichneten Initialisierung eine Sequenz von
Testbefehlen ausgeführt. Dem Fachmann ist geläufig, dass während der Rück-
setzphase nach dem Einschalten der Vorrichtung das BIOS gestartet wird und
POST-Abläufe (Power-On Self-Test-Abläufe) durchgeführt werden. Nach Ab-
schluss der Rücksetzphase geht die Verarbeitungseinheit in den Normalbetrieb
über, in dem die eigentliche Befehlsabarbeitung der Anwendungsprogramme
erfolgt. Entscheidend ist daher der Zeitpunkt der beanspruchten Überprüfung. Der
Test wird daher im Normalbetrieb in dem Zeitfenster (Anzahl von n Taktzyklen)
„zwischen einer Sprungoperation zu einem ersten in einem Hauptspeicher der
Verarbeitungseinheit gespeicherten Befehl und der Ausführung des Opera-
tionscodes dieses ersten Befehls“ durchgeführt, also unmittelbar nach der
Rücksetzphase (vgl. Merkmal M1). Somit soll der Test während der Zeit erfolgen,
die zum Laden und Entschlüsseln des ersten Befehls des Maschinencodes im
Befehlsregister 120 benötigt wird (vgl. geltende Beschreibung S. 7 Z. 20 - 24
u. Fig. 1). Dies bedeutet, dass die n Taktzyklen zwischen der Sprungoperation zu
einem ersten Befehl und der Ausführung des Operationscodes dieses ersten
Befehls verwendet bzw. genutzt werden, um die Sequenz von Testbefehlen
auszuführen (vgl. Merkmal M2). Auf diese Weise kann eine Manipulation erkannt
werden, bevor die Steuereinheit den ersten Befehl für einen Normalbetrieb
decodiert (vgl. Merkmal M3).

Gemäß den Ansprüchen 13 und 20 nach Hauptantrag soll die dort beanspruchte
Vorrichtung eine erste und eine zweite Verarbeitungseinheit 100 und 100‘ auf-
weisen, welche beide dieselbe Sequenz von Testbefehlen ausführen, um jeweils
eine Ausgabe zu erzeugen (vgl. Fig. 2; vgl. Merkmale O1, O2a, O2b bzw. P1,
P2a, P2b). Ein Komparator 370 erzeugt daraus ein Vergleichssignal, welches von
der Steuereinheit der ersten Verarbeitungseinheit ausgewertet wird. In Ab-
hängigkeit vom Wert des Vergleichssignals wird entschieden, ob eine Manipu-
lation vorliegt oder nicht (Merkmale O2c, O3, O4 bzw. P2c, P3, P4).

- 13 -
3. Die Patentansprüche 1 bis 21 nach Hauptantrag sowie die Änderungen in
der Beschreibung sind zulässig (§ 38 PatG).

Die Merkmale der nebengeordneten Ansprüche 1, 10, 13 und 20 nach Haupt-
antrag sind durch die ursprünglichen Patentansprüche 1, 10, 13 und 20 sowie
jeweils die ursprünglich eingereichte Beschreibung (vgl. S. 7, erster bis fünfter
Abs. der Anmeldeunterlagen) in Verbindung mit Figur 1 als zur Erfindung
zugehörend offenbart. Insbesondere ist den Anmeldeunterlagen zu entnehmen,
dass eine Steuereinheit dahingehend angepasst ist, nach einer Rücksetzphase
die n Taktzyklen zu verwenden, um eine Sequenz von Testbefehlen auszuführen
(vgl. S. 7, Z. 3 - 8 i. V. m. Z. 20 - 32 der urspr. Beschreibung).

Die Unteransprüche 3, 8, 21 nach Hauptantrag basieren auf den ursprünglichen
Patentansprüchen 3, 8 und 21 und wurden redaktionell im Rahmen der ursprüng-
lichen Beschreibung geändert. Die Merkmale der übrigen Unteransprüche 2, 4 bis
7 und 9, 11, 12 und 14 bis 19 basieren auf den entsprechenden ursprünglichen
Unteransprüchen.

Auf den geänderten Beschreibungsseiten 1 und 1a wurden die im Prüfungsver-
fahren genannten Drückschriften D1 und D2 gewürdigt.


4. Die nebengeordneten Patentansprüche 1 und 7 nach Hauptantrag genügen
den Anforderungen des § 34 Abs. 3 Nr. 3 und § 34 Abs. 4 PatG.

§ 34 Abs. 3 Nr. 3 PatG verlangt, dass die Anmeldung einen oder mehrere
Patentansprüche enthalten muss, in denen angegeben ist, was als patentfähig
unter Schutz gestellt werden soll.
§ 34 Abs. 4 PatG verlangt, dass die Erfindung in der Anmeldung so vollständig zu
offenbaren ist, dass ein Fachmann sie ausführen kann.

- 14 -
Die Prüfungsstelle hat ihren Beschluss unter anderem darauf gegründet, dass im
Patentanspruch 1 in der Fassung des (damals geltenden) Hauptantrags und des
(damals geltenden) Hilfsantrags 1 einzelne beanspruchte Merkmale die Anforde-
rungen des § 34 Abs. 3 Nr. 3 PatG nicht erfüllten. Im Einzelnen wurde angegeben,
dass im Merkmal 1.b. des Anspruchs 1 nach Hauptantrag, wonach „eine
Manipulation der Verarbeitungseinheit zu erfassen“, nicht offenbare, wie eine
Manipulation erkannt werden solle. Es bliebe dem Fachmann daher überlassen,
einen geeigneten Test zu entwickeln, mit dem man explizit eine Manipulation der
Verarbeitungseinheit feststellen könne (vgl. Abschnitt VI.a. auf S. 10 des
Zurückweisungsbeschlusses vom 23. Mai 2013).
Weiter wurde aufgeführt, dass Merkmal 2.c. des Anspruchs 1 nach Hilfsantrag 1,
wonach „eine Manipulation erfasst wird, wenn eines der Mehrzahl von
Speicherungselementen in dem entsprechenden Taktzyklus den sich von dem
vordefinierten Rücksetzwert verschiedenen Wert nicht aufweist“, die Anforde-
rungen des § 34 Abs. 3 Nr. 3 PatG nicht erfülle, da diese Formulierung nicht
geeignet sei dazulegen, wie mit dem beschriebenen Speichertest eine Aussage
über die Manipulation des Systems getroffen werden könne, da lediglich Fehler
der geprüften Speicherungselemente ohne weitere Aussage über die Ursache
festgestellt werden könne (vgl. Abschnitt VI.b S.12 des Zurückweisungs-
beschlusses vom 23. Mai 2013).

Diese Begründung trägt nicht.

Mit dieser Begründung wird faktisch bemängelt, dass einzelne beanspruchte
Merkmale nicht so vollständig offenbart seien, dass ein Fachmann sie ausführen
könne, und damit § 34 Abs. 4 PatG und nicht wie angegeben § 34 Abs. 3 Nr. 3
PatG angesprochen.
Die Prüfungsstelle hat offensichtlich die Beschreibung wie auch die Figuren der
Anmeldung zur Erfassung des jeweiligen damals geltenden Anspruchsgegen-
stands nicht herangezogen.

- 15 -
Für die Prüfung, ob der Gegenstand des Patentanspruchs gemäß den §§ 1 bis 5
PatG patentfähig ist, ist es grundsätzlich erforderlich, dass zunächst der
Gegenstand des Patentanspruchs ermittelt wird, indem der Patentanspruch unter
Heranziehung von Beschreibung und Zeichnungen aus der Sicht des von der
Erfindung angesprochenen Fachmanns ausgelegt wird. Hierbei gelten die gleichen
Grundsätze wie zur Bestimmung des Schutzbereichs (BGH, Beschluss vom
17. April 2007 - X ZB 9/06, GRUR 2007, 859, Amtlicher Leitsatz b), Abschnitt III.
3. a) - Informationsübermittlungsverfahren I; BGH, Urteil vom 13. Februar 2007 –
X ZR 74/05, GRUR 2007, 410, Abschnitt III. 1. - Kettenradanordnung I; BGH,
Beschluss vom 11. September 2013 - X ZB 8/12, GRUR 2013, 1210, Absatz III 1.
a) - Dipeptidyl-Peptidase-Inhibitoren; BGH, Urteil vom 7. November 2000 - X ZR
145/98, GRUR 2001, 232, Amtlicher Leitsatz - Brieflocher).

Eine solche Auslegung ist im vorliegenden Prüfungsverfahren offensichtlich nicht
erfolgt.
Zwar ist der Prüfungsstelle zuzustimmen, dass der Anspruch 1 nach (damals
geltendem) Hauptantrag offen lässt, wie die Manipulation erkannt wird, dies führt
aber nicht zu einer mangelnden Nacharbeitbarkeit, sondern zu einem ent-
sprechend breit gefassten Anspruch. Dies gilt auch für Anspruch 1 nach (damals
geltendem) Hilfsantrag 1 sinngemäß.

Ein breit gefasster Anspruch ist für sich kein Grund zur Beanstandung (Schulte,
10. Aufl., § 34 PatG, Rdn. 141). Vielmehr ist im Interesse der Rechtssuchenden
der Gehalt der Erfindung mit möglichst weitreichend zu formulierenden Pa-
tentansprüchen zu schützen. Ein solcher breit gefasster Anspruch muss dann für
jeden seiner umfassten Gegenstände die Voraussetzungen für eine Patentierung
erfüllen, d. h. er muss u. a. neu und erfinderisch sein (Schulte, 10. Aufl., § 34
PatG, Rdn. 142).

Auch die Merkmale des geltenden Anspruchs 1 nach Hauptantrag genügen diesen
Anforderungen.
- 16 -
Die Angabe im Merkmal M3 des geltenden Anspruchs 1 nach Hauptantrag
versteht der Fachmann als Zeitangabe. Es soll eine Manipulation erfasst werden,
bevor der erste Befehl im Befehlsregister decodiert wird. Damit ermöglicht der
Testdurchlauf die Überprüfung, ob eine Manipulation einer Verarbeitungseinheit
stattgefunden hat, bevor durch eine Manipulation die Ausführung irgendwelcher
Programme aus dem Hauptspeicher beeinflusst werden kann. In Verbindung mit
den die Figuren 1, 2 und erläuternden Textteilen sowie der Seite 7, Zeilen 1 - 32
und Seite 16, Zeilen 16 - 23 der Anmeldeunterlagen gibt der Anspruch in
nachvollziehbarer Weise an, wie der Fachmann zu vorteilhaften Ausführungs-
formen der eigentlichen Manipulationserkennung gelangen kann. Beispielsweise
kann die Manipulation an den Speicherelementen eines logischen Rechenwerks
erkannt werden, indem die Steuereinheit einen als „Linksverschiebungs-Opera-
tion“ genannten Test ausführt, wonach bei jedem Taktzyklus ein anderes
Speicherelement R0 bis R15 den binären Testwert „1“ speichert (vgl. Fig. 2 i. V. m.
der geltenden Beschreibung S. S. 4 Z. 15-23, S. 7 Z. 34 bis S. 8 Z. 16 und S. 10
Z. 33 bis S. 11 Z. 26). Durch ein Vergleichen des tatsächlichen Signals mit dem
erwarteten Signal kann eine Manipulation an einem der Signalpfade S0 bis S15
erkannt werden (vgl. S. 10 Z. 33 bis S. 11 Z. 26 i. V. m. den Ansprüchen 13 u. 20).


5. Die jeweiligen Gegenstände der unabhängigen Patentansprüche 1, 10, 13
und 20 nach Hauptantrag sind gegenüber dem im Verfahren befindlichen Stand
der Technik neu (§ 3 PatG).

a) Zu den Ansprüchen 1 und 10 nach Hauptantrag
Druckschrift D1 (US 5 157 781 A) befasst sich mit dem Testen von Prozessoren
und deren Bestandteilen (vgl. den Abstract). Beschrieben wird ein als Ver-
arbeitungseinheit anzusehender Mikrocomputer mit einer CPU und einem
Hauptspeicher (vgl. Fig. 1). Die Verarbeitungseinheit verfügt über eine integrierte
Testschaltung zur Durchführung eines automatisierten Selbsttests (Built-In Self
Test BIST), mit dem u. a. die CPU getestet werden kann (vgl. Sp. 14, Z. 25 - 44.
- 17 -
i. V. m. Fig. 1, Bezugszeichen 18, 8 und 9). Zweifellos verstreicht zwischen einer
Sprungoperation zu einem ersten in dem Hauptspeicher gespeicherten Befehl und
der Ausführung des Operationscodes dieses ersten Befehls eine Anzahl von n
Taktzyklen (Merkmale M1, N1). Das Testen wird durchgeführt, in dem das
Testmodul 18, welches sich außerhalb der CPU 11 befindet, an den zu testenden
Schaltkreis ein Testsignal anlegt und das resultierende Muster scannt (vgl. Fig. 1
i. V. m. Sp. 4, Z. 3 - 57 u. Sp. 1, Z. 30 - 49). Zum Speichern der Testdaten weisen
die zu testenden Bestandteile eigene Testregister auf (vgl. Fig. 1, Bezugszeichen
8, 9). Im Hinblick auf die Merkmale M2 und N2 lehrt Druckschrift D1 lediglich, dass
der Test, der zweifellos aus einer Sequenz von Testbefehlen besteht, nach einer
Rücksetzphase ausgeführt wird, ohne die n Taktzyklen zwischen einer Sprung-
operation zu einem ersten in dem Hauptspeicher gespeicherten Befehl und der
Ausführung des Operationscodes dieses ersten Befehls für den Test zu
verwenden (vgl. Sp. 4, Z. 25 - 38 u. Brückenabsatz Sp. 5/6). Damit kann eine
Manipulation der Verarbeitungseinheit erfasst werden (Merkmal N3), bevor die
Steuereinheit den ersten Befehl für einen Normalbetrieb decodiert (Merkmal M3).
Im Gegensatz zum Anspruch 1 nach Hauptantrag offenbart Druckschrift D1 damit
jedoch keine Vorrichtung sowie kein Verfahren zum Testen einer Verarbei-
tungseinheit, bei der die n Taktzyklen, die zwischen einer Sprungoperation zu
einem ersten in dem Hauptspeicher gespeicherten Befehl und der Ausführung des
Operationscodes dieses ersten Befehls verstreichen, genutzt werden, um eine
Sequenz von Testbefehlen durchzuführen. Vielmehr findet der Befehlslesezyklus
erst nach einem erneuten Rücksetzen statt (vgl. Brückenabsatz Sp. 5/6;
Merkmale M2 bzw. N2 fehlen).

Druckschrift D2 (US 6 715 062 B1) offenbart einen Prozessor und ein Verfahren
zum Testen des Prozessors während der Befehlsausführung (vgl. Sp. 5, Z. 8 - 11,
Sp. 6, Z. 1 - 21). Zur Programmausführung werden vom Prozessor während des
normalen Betriebs Maschinenbefehle eingelesen und interpretiert (vgl. Sp. 5,
letzter Abs.). Der Fachmann liest mit, dass zwischen einer Sprungoperation zu
einem ersten in dem Hauptspeicher des Prozessors gespeicherten Befehl und der
- 18 -
Ausführung des Operationscodes dieses ersten Befehls eine Anzahl von
n Taktzyklen verstreicht (Merkmale M1, N1). Dabei liest der Fachmann auch noch
mit, dass die Ausführung der Operationscodes sowie der Testbefehle nach einer
Rücksetzphase des Prozessors erfolgt, z. B. nach dem Starten der Verarbei-
tungseinheit. Maßgebend für die Lehre von Druckschrift D2 ist, dass die Aus-
führung der Testbefehle während der Ausführung von Nulloperationen (no-op
instruction) erfolgt. Hierzu werden die „no-op“-Befehle im Befehlszyklus von der
Teststeuerung 120 durch Testbefehle ersetzt und abgearbeitet (vgl. Fig. 1 i. V. m.
Sp. 6, Z. 13 - 65). Auf diese Weise werden gezielt die Leerlaufzeiten während der
Ausführung des Maschinencodes genutzt, um die Hardware zu testen (vgl. Sp. 6,
erster Abs. u. Sp. 10, Z. 10 - 13). Hinsichtlich der Merkmale M2 und N2 bzw. M3
und N3 werden die Taktzyklen zwischen einer Sprungoperation zu einem ersten in
dem Hauptspeicher gespeicherten Befehl und der Ausführung des Operations-
codes dieses ersten Befehls für einen Test aber nicht verwendet.
Somit offenbart Druckschrift D2 im Gegensatz zum Anspruch 1 nach Hauptantrag
keine Vorrichtung zum Testen einer Verarbeitungseinheit, bei der genau die n
Taktzyklen, die zwischen einer Sprungoperation zu einem ersten in dem Haupt-
speicher gespeicherten Befehl und der Ausführung des Operationscodes dieses
ersten Befehls verstreichen, zum Testen genutzt werden (Merkmale M2 u. M3
bzw. N2 u. N3 fehlen).

Die Druckschriften D3, D4 und D5 (IEEE-Veröffentlichungen aus den Jahren 1990
und 1993) liegen nicht näher am Anmeldungsgegenstand als die Druckschriften
D1 und D2. Zwar befassen sich die Veröffentlichungen mit dem Built-In Self-Test
(BIST). Keine der Schriften gibt aber einen Hinweis darauf, genau die Taktzyklen
zwischen dem Aufrufen und dem Ausführen eines ersten Befehls zu nutzen, um
eine Sequenz von Testbefehlen durchzuführen. Demensprechend sind den
Druckschriften D3 bis D5 auch keine Hinweise auf die Merkmale M2 und M3 bzw.
N2 und N3 zu entnehmen.

- 19 -
Bei den Druckschriften D6 und D7 handelt es sich um Einträge der Online-
Enzyklopädie Wikipedia. Diese sind im Hinblick auf den Anmeldungsgegenstand
nicht weiter relevant. Druckschrift D6 beschreibt einen Standard zur Software-
entwicklung im sicherheitskritischen Bereich der Luftfahrt und Druckschrift D7
befasst sich mit einer internationalen Norm für die Entwicklung von elektronischen
Systemen, die eine Sicherheitsfunktion ausführen. Auch den Druckschriften D6
und D7 sind keine Hinweise auf die Merkmale M2 und N2 zu entnehmen.

Druckschrift D8 (DE 11 2006 002 842 T5) beschreibt eine Testeinheit, um
Funktionsfehler in den Speicherelementen einer Verarbeitungseinheit zu dia-
gnostizieren. Deren Prozessoreinheit führt Anwendungsprogramme aus, die aus
einem nichtflüchtigen Speicher geladen werden (vgl. Abs. [0021] i. V. m. Fig. 1).
Der Fachmann liest mit, dass zwischen der Sprungoperation zu einem ersten
Befehl eines Anwendungsprogramms und dessen Ausführung eine Anzahl von n
Taktzyklen verstreicht (Merkmale M1, N1). Ebenso ist die Prozessoreinheit dahin
gehend angepasst, eine Sequenz von Testbefehlen auszuführen, um Material-
fehler bzw. Kupplungsfehler in den Speicherelementen erfassen zu können. Zu
diesem Zweck werden die Zellenfelder des Speichers mit Test-Datenmustern
beschrieben, die daraufhin ausgelesen und hinsichtlich ihres Inhalts geprüft
werden (vgl. Abs. [0036], [0052]). Im Hinblick auf die Merkmale M2 und N2 bzw.
M3 und N3 werden die n Taktzyklen zwischen einer Sprungoperation zu einem
ersten in einem Hauptspeicher der Verarbeitungseinheit gespeicherten Befehl und
der Ausführung des Operationscodes dieses ersten Befehls jedoch nicht für einen
Test verwendet (vgl. Abs. [0021] u. [0003]). Dabei wird eine Prüfschablone auf die
einzelnen Speicherelemente gelegt und über den Speicherbereich geschoben
(vgl. Abs. [0023] u. [0026]). Dabei wird offenbart, dass die Speicherdiagnose in
einem Intervall zwischen den Ausführungen regulärer Anwendungen durchgeführt
wird (vgl. Abs. [0010], [0011] u. [0037]).
Im Gegensatz zum Anspruch 1 nach Hauptantrag offenbart Druckschrift D8 weder
eine Vorrichtung noch ein Verfahren zum Testen einer Verarbeitungseinheit, bei
der die n Taktzyklen, die zwischen einer Sprungoperation zu einem ersten in dem
- 20 -
Hauptspeicher gespeicherten Befehl und der Ausführung des Operationscodes
dieses ersten Befehls verstreichen, genutzt werden, um eine Sequenz von
Testbefehlen durchzuführen. Vielmehr findet die Diagnose in einem Intervall
zwischen den Ausführungen von Anwendungsprogrammen statt (vgl. Abs. [0010];
Merkmale M2 u. M3 bzw. N2 u. N3 fehlen).

Auch die beiden, zum Beleg des Grundlagenwissens des Fachmanns zitierten
Artikel der Online-Enzyklopädie Wikipedia (Druckschriften D9 und D10) offenbaren
nicht, speziell die Taktzyklen zwischen dem Aufrufen und dem Ausführen eines
ersten Befehls zu nutzen, um eine Sequenz von Testbefehlen durchzuführen.
Druckschrift D9 befasst sich mit dem Power-On Self-Test (POST), der beim
Booten eines Computers vom BIOS durchgeführt wird, um zu prüfen, ob die
grundlegenden Komponenten des PCs funktionsfähig sind. Dabei handelt es sich
um eine Prüfung, die während der Rücksetzphase durchgeführt wird, nicht jedoch
wie in Merkmal M2 gefordert, nach einer Rücksetzphase. Das Testen erfolgt daher
auch nicht während der Taktzyklen zwischen einer Sprungoperation zu einem
ersten in einem Hauptspeicher gespeicherten Befehl und dessen Ausführung.
Druckschrift D10 erklärt den Built-In Self-Test (BIST), der bereits in Druckschrift
D1 abgehandelt wird. Den Druckschriften D9 und D10 sind dabei ebenfalls keine
Hinweise auf die Merkmale M2 und N2 zu entnehmen.

Die jeweiligen Gegenstände der Ansprüche 1 und 10 nach Hauptantrag sind daher
neu gegenüber dem im Verfahren befindlichen Stand der Technik.


b) Zu den Ansprüchen 13 und 20 nach Hauptantrag

Im Wesentlichen unterscheiden sich die Patentansprüche 13 und 20 nach
Hauptantrag von den Ansprüchen 1 und 10 nach Hauptantrag darin, dass zwei
(redundante) Verarbeitungseinheiten die in den Merkmalen M1 bis M3 gemäß
Anspruch 1 nach Hauptantrag bereits beanspruchten Maßnahmen parallel aus-
- 21 -
führen (Merkmale O1, O2a, O2b bzw. P1, P2a, P2b) und dass in den Merkmalen
O2c, O3, O4 bzw. P2c, P3, P4 die Manipulationserkennung konkretisiert wird. Es
wird beansprucht, dass ein Komparator anhand der Ausgaben der in den
Merkmalen O1, O2a, O2b bzw. P1, P2a, P2b beschriebenen Testsequenz-
abarbeitung in den beiden Verarbeitungseinheiten ein Vergleichssignal erzeugt,
welches von einer Steuereinheit ausgewertet wird. In Abhängigkeit vom Wert des
Vergleichssignals wird entschieden, ob eine Manipulation vorliegt oder nicht.

Druckschrift D1 offenbart keine Vorrichtung bzw. kein Verfahren zum Testen einer
Vorrichtung, die zwei redundante Verarbeitungseinrichtungen zur Programm-
ausführung aufweist. Es wird auch kein Komparator beschrieben, welcher ein
Vergleichssignal erzeugt. Auch eine Verwendung von n Taktzyklen im Zusam-
menhang mit der Ausführung einer ersten bzw. zweiten Sequenz von Test-
befehlen ist Druckschrift D1 nicht zu entnehmen (Merkmale O1 bis O4 bzw. P1 bis
P4 fehlen).

Zwar offenbart Druckschrift D2 den Gebrauch einer redundanten Hardware zur
Fehlererkennung. Zum Testen werden zwei Schaltkreise eingesetzt, deren Aus-
gaben mittels eines Komparators verglichen werden (vgl. Sp. 1, Z. 53 - 55 u. Fig. 3
CMP 186; Merkmale O1, O2c, O4). Allerdings ist keine der beiden Schaltkreise
dahin gehend angepasst, n Taktzyklen, die zwischen einer Sprungoperation zu
einem ersten in dem Hauptspeicher gespeicherten Befehl und der Ausführung des
Operationscodes dieses ersten Befehls verstreichen, zu verwenden, um eine
Sequenz von Testbefehlen durchzuführen (Merkmale O2a, O2b, O3 sowie
Merkmale P2a, P2b, P3 fehlen).

Auch die Druckschriften D3 bis D10 offenbaren jeweils keine Vorrichtung bzw.
kein Verfahren zum Testen einer Vorrichtung, die zwei redundante Verarbei-
tungseinrichtungen aufweist. Es wird auch jeweils kein Komparator beschrieben,
welcher ein Vergleichssignal erzeugt (Merkmale O1 bis O4 bzw. P1 bis P4 fehlen).

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Somit sind auch die Vorrichtung gemäß Anspruch 13 nach Hauptantrag und das
Verfahren gemäß Anspruch 20 neu gegenüber dem im Verfahren befindlichen
Stand der Technik.


6. Die Gegenstände der unabhängigen Patentansprüche 1, 10, 13 und 20 nach
Hauptantrag beruhen auf einer erfinderischen Tätigkeit (§ 4 PatG).

Wie vorstehend ausgeführt, enthält keine der im Verfahren befindlichen Druck-
schriften einen Hinweis darauf, Taktzyklen, die zwischen einer Sprungoperation zu
einem ersten in einem Hauptspeicher einer Verarbeitungseinheit gespeicherten
Befehl und der Ausführung des Operationscodes dieses ersten Befehls ver-
streichen, zu verwenden, um eine Sequenz von Testbefehlen auszuführen
(Merkmale M2, N2, O2a, O2b, P2a, P2b fehlen).

Druckschrift D1, die als nächstliegender Stand der Technik anzusehen ist, befasst
sich - ebenso wie die vorliegende Anmeldung - mit einer Vorrichtung sowie einem
Verfahren zum Testen eines Mikroprozessorsystem, um Fehlfunktionen rechtzeitig
zu erkennen und damit Folgeschäden zu vermeiden. Es wird ein Selbsttest mittels
einer integrierten Testschaltung offenbart (vgl. Sp. 14, Z. 25 ff., Built-In Self-Test,
BIST), bei dem eine Sequenz von Testbefehlen ausgeführt wird, bevor der erste
Befehl für einen Normalbetrieb decodiert wird. Die Druckschrift gibt dem Fach-
mann aber keinen Hinweis, die Testbefehle auszuführen während der erste Befehl
für den Normalbetrieb geladen und entschlüsselt wird. Druckschrift D1 lehrt davon
abweichend, dass nach dem Selbsttest und vor dem Laden des ersten Befehls für
einen Normalbetrieb ein erneuter Reset durchgeführt werden müsse (vgl.
Brückenabsatz Sp. 5/6).

Auch ausgehend von Druckschrift D2 ergibt sich für den Fachmann keine
Veranlassung, das aus Druckschrift D2 bekannte Testverfahren so zu verändern
oder zu ergänzen, dass nicht die Leerlaufzeiten innerhalb eines Befehlslesezyklus
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sondern die Zeit zwischen dem Laden und dem Ausführen eines ersten Befehls
zum Testen genutzt bzw. verwendet wird. Denn gemäß Druckschrift D2 sollen die
no-op-Befehle durch Testbefehle ersetzt werden, um den Einfluss des Testens auf
das Prozessorverhalten zu minimieren (vgl. Sp. 6, erster Abs.). Der Fachmann
erhält aus der Schrift keinen Hinweis, die Testanweisungen bereits dann aus-
zuführen, bevor überhaupt ein erster Befehl des Maschinencodes entschlüsselt
wird.

Auch ist keiner der anderen, im Verfahren befindlichen Druckschriften ein Hinweis
zu entnehmen, die Taktzyklen zwischen einer Sprungoperation zu einem ersten in
einem Hauptspeicher der Verarbeitungseinheit gespeicherten Befehl und der
Ausführung des Operationscodes dieses ersten Befehls zu verwenden, um eine
Sequenz von Testbefehlen durchzuführen. Soweit im angefochtenen Beschluss
die Auffassung vertreten wird, in Druckschrift D8 werde die Ausführung von Tests
zur Prüfung der Integrität von Speicherstellen während andernfalls nutzlos
verstreichender Systemtakte offenbart (vgl. Zurückweisungsbeschluss, Ausführun-
gen zum Hilfsantrag 1, Abschnitt VI.b., S. 11), ist nicht nachvollziehbar, welcher
Hinweis den Fachmann veranlassen könnte, hierfür genau die Taktzyklen zwi-
schen dem Aufrufen und der Ausführung eines ersten Befehls zu nutzen - also
bevor die Steuereinheit den ersten Befehl für einen Normalbetrieb decodiert. Denn
die in Druckschrift D8 beschriebene Testeinheit ist dazu eingerichtet, die Spei-
cherdiagnose in einem Intervall zwischen den Ausführungen regulärer Anwen-
dungen durchzuführen (vgl. Abs. [0010], [0011] u. [0037]).

Auch eine gemeinsame Betrachtung der Lehren der Druckschriften D1 bis D10
führt damit nicht zu den Gegenständen der nebengeordneten Ansprüche 1, 10, 13
und 20 gemäß Hauptantrag.

Auch das allgemeine Fachwissen des Fachmanns weist in eine andere Richtung.
Zwar sind ihm aus seiner täglichen Praxis Maßnahmen zum Testen eines Mikro-
prozessors (z. B. Power On-Selftest, POST) geläufig, diese wird er aber nicht so
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ändern, dass noch vor der Ausführung des Operationscodes eines ersten Befehls
und damit unabhängig vom Programmzähler eine Sequenz von Testbefehlen
ausgeführt wird.
Es ist daher anzuerkennen, dass der jeweilige Gegenstand der Ansprüche 1, 10,
13 und 20 nach Hauptantrag auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht und
patentfähig ist.


7. Die abhängigen Ansprüche 2 bis 9, 11, 12, 14 bis 19 und 21 nach
Hauptantrag betreffen über das Selbstverständliche hinausgehende Ausge-
staltungen der Gegenstände der Ansprüche 1, 10, 13 und 20 und sind daher
ebenfalls patentfähig.


8. Da die vorgelegten geltenden Unterlagen auch den weiteren Voraus-
setzungen zur Patenterteilung (§ 1, 2, 5 PatG) genügen, war auf die Beschwerde
der Anmelderin der Zurückweisungsbeschluss der Prüfungsstelle für Klasse
G 06 F des Deutschen Patent- und Markenamts aufzuheben.


9. Der Beschluss konnte ohne mündliche Verhandlung ergehen, da dem
Hauptantrag der Anmelderin vollumfänglich stattgegeben wurde.

Über die Hilfsanträge 1 und 2 war nicht mehr zu entscheiden.


Somit ist das Patent antragsgemäß zu erteilen.

- 25 -
III.

Rechtsbehelfsbelehrung

Gegen diesen Beschluss steht der am Beschwerdeverfahren Beteiligten das
Rechtsmittel der Rechtsbeschwerde zu. Da der Senat die Rechtsbeschwerde nicht
zugelassen hat, ist sie nur statthaft, wenn gerügt wird, dass

1. das beschließende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war,
2. bei dem Beschluss ein Richter mitgewirkt hat, der von der Ausübung des
Richteramtes kraft Gesetzes ausgeschlossen oder wegen Besorgnis der
Befangenheit mit Erfolg abgelehnt war,
3. einem Beteiligten das rechtliche Gehör versagt war,
4. ein Beteiligter im Verfahren nicht nach Vorschrift des Gesetzes vertreten
war, sofern er nicht der Führung des Verfahrens ausdrücklich oder still-
schweigend zugestimmt hat,
5. der Beschluss aufgrund einer mündlichen Verhandlung ergangen ist, bei
der die Vorschriften über die Öffentlichkeit des Verfahrens verletzt worden
sind, oder
6. der Beschluss nicht mit Gründen versehen ist.

Die Rechtsbeschwerde ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlus-
ses beim Bundesgerichtshof, Herrenstr. 45 a, 76133 Karlsruhe, durch einen beim
Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt als Bevollmächtigten schriftlich
einzulegen.

Wickborn Kruppa Dr. Schwengelbeck Dr. Flaschke


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