18 W (pat) 11/15  - 18. Senat (Techn.Beschw.)
Karar Dilini Çevir:

ECLI:DE:BPatG:2017:291117B18Wpat11.15.0


BUNDESPATENTGERICHT



18 W (pat) 11/15
_______________
(Aktenzeichen)



Verkündet am
29. November 2017





B E S C H L U S S

In der Beschwerdesache

betreffend die Patentanmeldung 10 2014 000 937.8








hat der 18. Senat (Technischer Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf
die mündliche Verhandlung vom 29. November 2017 durch die Vorsitzende
Richterin Dipl.-Ing. Wickborn sowie den Richter Kruppa, die Richterin Dipl.-Phys.
Dr. Otten-Dünnweber und den Richter Dipl.-Ing. Altvater

- 2 -
beschlossen:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.


G r ü n d e

I.

Die von der Anmelderin am 23. Januar 2014 unter Inanspruchnahme einer Priori-
tät vom 30. Januar 2013 (JP 2013-015923) beim Deutschen Patent- und Marken-
amt eingereichte Patentanmeldung 10 2014 000 937.8 mit der Bezeichnung

„Simulationsvorrichtung zur Ausführung einer Simulation auf der
Grundlage eines Roboterprogramms“

wurde durch die Prüfungsstelle für Klasse G06F des Deutschen Patent- und Mar-
kenamts mit Beschluss vom 22. Juli 2015 zurückgewiesen. Zur Begründung hat
die Prüfungsstelle ausgeführt, dass der Gegenstand des jeweiligen Anspruchs 1
gemäß damaligem Hauptantrag und damaligem Hilfsantrag nicht auf einer erfinde-
rischen Tätigkeit gegenüber dem Stand der Technik gemäß Druckschrift

P1: MOSTERMAN, P. J.: An Overview of Hybrid Simulation
Phenomena and Their Support by Simulation Packages. In:
Hybrid Systems: Computation and Control – Lecture Notes
in Computer Science, Vol. 1569, 1999, Seiten 165 bis 177

beruhen würde.

Gegen den o. g. Beschluss richtet sich die Beschwerde der Anmelderin.

- 3 -
Sie beantragt,

den Beschluss der Prüfungsstelle für Klasse G 06 F des Deut-
schen Patent- und Markenamts vom 22. Juli 2015 aufzuheben und
das Patent auf der Grundlage der folgenden Unterlagen zu
erteilen:

- Patentansprüche 1 bis 5, eingegangen am 24. November 2017,
hilfsweise
Patentansprüche 1 bis 4, eingegangen am 24. November 2017,
- Beschreibung Seiten 1 bis 4, eingegangen am 22. Juli 2015,
Seiten 5 bis 8 und 11, eingegangen am 16. April 2014, Seiten 9
und 10, eingegangen am 24. November 2017,
- Figuren 1 bis 6, eingegangen am 16. April 2014.

Der seitens des Senats mit einer Gliederung versehene geltende Patentan-
spruch 1 nach Hauptantrag lautet:

M1 „Simulationsvorrichtung zur Durchführung einer Simulation
eines Roboters (16) auf der Grundlage eines Roboterpro-
gramms (30, 40),
wobei die Simulationsvorrichtung weiterhin eingerichtet ist,
um:

M2 - eine separate Datei (32, 48) zu verwenden, die von dem
Roboterprogramm verschieden ist,

M2.1 wobei die separate Datei eine Vielzahl von Zeilen umfasst,
von denen jede jeweils einer Zeile des Roboterprogramms
entspricht,

- 4 -
M3 - einen Status und einen Wert durch Ausführung der Zeile
des Roboterprogramms zu referenzieren, wobei die separate
Datei, in einer Zeile der separaten Datei entsprechend der
Zeile der in Ausführung befindlichen Zeile des Roboterpro-
gramms, einen Befehl (34, 36, 38, 40) zum Setzen des Sta-
tus eines Signals oder einen Befehl (50, 52, 54) zum Setzen
des Werts eines Datenregisters umfasst, und

M4 - den Status des Signals oder den Wert des Datenregisters,
der entsprechend der in Ausführung befindlichen Zeile des
Roboterprogramms beschrieben ist, synchron auf der
Grundlage des Befehls mit der in Ausführung befindlichen
Zeile des Roboterprogramms zu ändern, wenn die Simula-
tion auf der Grundlage des Befehls durchgeführt wird.“

Der Anspruch 1 nach Hilfsantrag entspricht dem Anspruch 1 nach Hauptantrag,
unter Streichung von Merkmal M2.1 und unter Einschub des folgenden Merkmals
zwischen die Merkmale M3 und M4:

M5 „- den Status des Signals oder den Wert des Datenregisters
auf einen Status oder einen Wert zu setzen, der zu setzen
ist, nachdem eine Verzögerungszeit von der Ausführung der
entsprechenden Zeile des Roboterprogramms verstrichen ist,
wobei der Befehl eine Spezifikation der Verzögerungszeit
umfasst,“

Wegen des Wortlauts der nach Haupt- und Hilfsantrag geltenden abhängigen An-
sprüche 2 bis 5 bzw. 2 bis 4 wird auf die Akte verwiesen.

- 5 -
Die Beschwerdeführerin macht hierzu geltend, dass die geltenden Anspruchssätze
jeweils zulässig und die Gegenstände der geltenden Ansprüche dem Patentschutz
zugänglich und patentfähig seien.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.


II.

Die zulässige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg, da die Gegenstände
des jeweiligen Patentanspruchs 1 nach Haupt- und Hilfsantrag gemäß § 1 Abs. 3
i. V. m. Abs. 4 PatG dem Patentschutz nicht zugänglich sind.

1. Die Patentanmeldung betrifft eine Simulationsvorrichtung zum Ausführen ei-
ner Simulation eines Roboters auf der Grundlage eines Roboterprogramms (vgl.
geltende Beschreibung, S. 1, Z. 9 - 10).

Gemäß der Beschreibungseinleitung gebe es, um die Bewegung eines Systems
oder einer Fabrik, die einen Roboter umfasst, zu prüfen und um deren Leistung zu
schätzen, Techniken für eine Simulation unter Verwendung eines virtuellen Ro-
boters, wie aus dem Stand der Technik bekannt (vgl. geltende Beschreibung, S. 1,
Z. 14 - S. 2, Z. 6). Zum Prüfen eines Roboterprogramms gebe es des Weiteren
Verfahren, in denen ein virtuelles Peripheriegerät in einer Simulationsvorrichtung
ein Pseudosignal an ein Peripheriegerät ausgebe oder in denen eine PLC (Pro-
grammierbare Logik-Steuervorrichtung) verwendet werde, um Signale ein- und
auszugeben (vgl. geltende Beschreibung, S. 2, Z. 15 - 25).

Die Aufgabe der Erfindung bestehe daher in der Bereitstellung einer Simulations-
vorrichtung, die in der Lage sei, eine geeignete Simulation durchzuführen, ohne
ein Programm zu ändern, während die Definition eines virtuellen Peripheriegeräts
- 6 -
und/oder einer PLC nicht erforderlich sein soll (vgl. geltende Beschreibung, S. 3,
Z. 9 - 12).

Die Aufgabe soll durch die Gegenstände mit den im jeweiligen Anspruch 1 in der
Fassung des Haupt- und Hilfsantrags angegebenen Merkmalen gelöst werden.

Als Fachmann ist ein Informatiker mit mehrjähriger Erfahrung in der Entwicklung
von Softwareprogrammen zur Simulation von Systemen und zur Ansteuerung von
Robotern anzusehen.

2. Der Patentanspruch 1 bedarf der Auslegung.

Auch wenn der jeweilige Patentanspruch 1 nach Haupt- und Hilfsantrag von der
Formulierung her eine Simulationsvorrichtung, also einen Computer, betrifft, so ist
er im Grunde auf ein Roboterprogramm und eine davon separate aber assoziierte
Datei gerichtet (vgl. geltende Beschreibung, S. 5, vorle. Abs.). Der Anspruch 1
schlägt eine Simulationsvorrichtung vor, welche auf der Grundlage eines Roboter-
programms eingerichtet ist (vgl. Merkmal M1), um eine separate Datei zu verwen-
den, welche von einem Roboterprogramm, das zur Simulation eines Roboters
dient, verschieden ist (vgl. Merkmal M2). In der Fassung des Hauptantrags um-
fasst dabei die separate Datei eine Vielzahl von Zeilen, die jeweils einer Zeile des
Roboterprogramms zugeordnet sind (vgl. Merkmal M2.1). Wenn die Simulation
durchgeführt wird, also wenn das Roboterprogramm ausgeführt wird, soll ein Sta-
tus eines Signals oder ein Wert eines Datenregisters synchron mit der in Ausfüh-
rung befindlichen Zeile des Roboterprogramms geändert werden und zwar auf der
Grundlage eines von der separaten Datei umfassten Befehls zum Setzen des
Status eines Signals oder zum Setzen des Werts eines Datenregisters (vgl.
Merkmale M3 und M4). Mit dem Begriff Befehl wird in der vorliegenden Anmel-
dung kein Maschinenbefehl eines Prozessors bezeichnet, sondern die Vorgabe
von Werten eines Signalstatus durch die separate Datei, welche in der Anmeldung
auch als Signalstatussetzdatei bezeichnet wird (vgl. geltende Beschreibung, Fig. 2
- 7 -
u. 6, S. 6, erster Abs., S. 9, dr. Abs., insbes. S. 10, Zn. 1f: In den Befehlen 50 und
52 können zumindest der Name des Datenregisters und des zu setzenden Werts
spezifiziert werden.). Entsprechend ist das in Merkmal M3 aufgeführte Referenzie-
ren eines Status und eines Werts durch Ausführung der Zeile des Roboterpro-
gramms – in Übereinstimmung mit den in den Figuren 3 und 4 der Anmeldung ge-
zeigten Programmablaufdiagrammen – dadurch gegeben, dass das Roboterpro-
gramm aus der separaten Datei Werte ausliest bzw. einschreibt, womit der Signal-
status oder der Wert eines Datenregisters auf der Grundlage des entsprechendes
Befehls gesetzt werden (vgl. geltende Beschreibung, S. 7, le. Abs.). Das syn-
chrone Ändern des Status oder des Werts bedeutet somit lediglich, dass die ein-
zelnen Programmschritte des Roboterprogramms sukzessive abgearbeitet werden
und dabei jeweils der zugehörige Signalstatus oder der Wert entsprechend des in
der separaten Datei umfassten „Befehls“ geändert wird (vgl. geltende Beschrei-
bung, S. 8, zw. Abs., Fig. 3 / vgl. Merkmal M4).

Gemäß Anspruch 1 nach Hilfsantrag wird als Zwischenschritt eine Verzögerungs-
zeit eingeführt, die vor der Ausführung der entsprechenden Zeile des Roboterpro-
gramms abzuwarten ist (vgl. Merkmal M5).

Der jeweilige Anspruch 1 nach Haupt- und Hilfsantrag legt somit die vorrichtungs-
technische Ausgestaltung des Computers – der Simulationsvorrichtung – nur in-
soweit fest (vgl. Merkmal M1), als dass sie zur Ausführung des Roboterpro-
gramms eingerichtet sein soll. Damit ist auch die Eignung zur Durchführung einer
Simulation eines Roboters, soweit das Roboterprogramm und die separate Datei
dies beschreiben, gegeben, wie in Merkmal M1 und M2 eingangs angegeben. Die
weiteren Merkmale M3 bis M5 definieren dabei, wie das Roboterprogramm, also
ein ausführbares Computerprogramm, mit der separaten Datei interagiert und wel-
che Werte in der separaten Datei referenziert werden.

3. Der jeweilige Gegenstand des Anspruchs 1 nach Haupt- und Hilfsantrag liegt
auf technischem Gebiet im Sinne des § 1 Abs. 1 PatG.
- 8 -
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist bei Erfindungen mit Bezug
zu Vorrichtungen und Verfahren der elektronischen Datenverarbeitung zunächst
zu klären, ob der Gegenstand der Erfindung auf technischem Gebiet liegt. Dies ist
vorliegend gegeben. Denn mit der beanspruchten Simulationsvorrichtung, die zur
Ausführung eines Programms eingerichtet sein soll, das zur Simulation eines Ro-
boters dient, und mit der Bereitstellung eines Roboterprogramms, einer separaten
Datei und eines Datenregisters wird die Nutzung einer Datenverarbeitungsanlage
gelehrt (vgl. geltende Beschreibung, S. 5, vorle. Abs.), was dem Gebiet der Tech-
nik zuzurechnen ist (vgl. BGH, Beschluss vom 22. April 2010, Xa ZB 20/08,
GRUR 2010, 613, erster Leitsatz – Dynamische Dokumentengenerierung; BGH,
Urteil vom 24. Februar 2011, X ZR 121/09, GRUR 2011, 610, zweiter Leitsatz –
Webseitenanzeige).

4. Der Gegenstand des Anspruchs 1 nach Hauptantrag und ebenso der Gegen-
stand des Anspruchs 1 nach Hilfsantrag sind jedoch gemäß § 1 Abs. 3 Nr. 3 und 4
i. V. m. Abs. 4 PatG dem Patentschutz nicht zugänglich. Die Gegenstände des je-
weiligen Patentanspruchs 1 nach Haupt- und Hilfsantrag enthalten keine Anwei-
sungen, die der Lösung eines konkreten technischen Problems mit technischen
Mitteln dienen.

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist auch ein Verfahren, das
sich zur Herbeiführung des angestrebten Erfolges eines Programms bedient, mit
dessen Hilfe eine Datenverarbeitungsanlage so gesteuert wird, dass der ge-
wünschte Erfolg erzielt wird, nicht schon wegen des Vorgangs der elektronischen
Datenverarbeitung dem Patentschutz zugänglich. Da das Gesetz Programme für
Datenverarbeitungsanlagen als solche vom Patentschutz ausschließt (§ 1 Abs. 3
Nr. 3 i. V. m. Abs. 4 PatG) muss die beanspruchte Lehre vielmehr Anweisungen
enthalten, die der Lösung eines konkreten technischen Problems mit technischen
Mitteln dienen (BGH, Beschluss vom 19. Oktober 2004 – X ZB 34/03,
GRUR 2005, 143 – Rentabilitätsermittlung; BGH, – Webseitenanzeige, a. a. O.).
Nichts anderes gilt, wenn in Rede steht, ob eine beanspruchte Lehre als Plan, Re-
- 9 -
gel oder Verfahren für gedankliche oder geschäftliche Tätigkeiten (§1 Abs. 3 Nr. 3
PatG) oder als Wiedergabe von Informationen (§1 Abs. 3 Nr. 4 PatG) nicht als Er-
findung anzusehen ist.

Welches technische Problem durch eine Erfindung gelöst wird, ist objektiv danach
zu bestimmen, was die Erfindung tatsächlich leistet (vgl. BGH, Beschluss vom
19. Oktober 2004 – X ZB 33/03, GRUR 2005, 141, Abschnitt II. 4. b) – Anbieten
interaktiver Hilfe).

Die der Erfindung zugrundeliegende objektive Problemstellung liegt vorliegend
darin, ein Roboterprogramm prüfen zu können, ohne ein virtuelles Peripheriegerät
oder eine Programmierbare Logik-Steuervorrichtung zu verwenden und ohne das
Programm modifizieren zu müssen (vgl. geltende Beschreibung, S. 10, dritter u.
vierter Abs.). Nach Angaben der Anmelderin soll damit auch ungeschultes Perso-
nal zur Ausführung der Simulation befähigt sein (vgl. Schriftsatz vom
9. Dezember 2015, S. 6).

Die Überprüfung eines Programms und die Durchführung der Simulation eines
Roboters mögen vorliegend noch als eine technische Aufgabe angesehen werden
können. Die mit dem jeweiligen Anspruch 1 beanspruchte Simulationsvorrichtung
verwendet jedoch zur Lösung dieser Problemstellung keine technischen Mittel,
sondern bleibt auf eine reine Software-Lösung beschränkt, für die keine über übli-
che Programmiermethoden hinausgehenden Kenntnisse erforderlich sind.

Nach der gefestigten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs liegt ein techni-
sches Mittel zur Lösung eines technischen Problems vor, wenn Gerätekompo-
nenten modifiziert oder grundsätzlich abweichend adressiert werden (vgl.
BGH - Webseitenanzeige, a. a. O., Abs. III. 1. c) bb)). Darauf zielt der jeweilige
Gegenstand des Patentanspruchs 1 nach Haupt- und Hilfsantrag ersichtlich nicht.
Für die anspruchsgemäße Ausführung eines Roboterprogramms unter Verwen-
dung einer separaten Datei sind keine Modifikationen oder abweichenden
- 10 -
Adressierungen von Gerätekomponenten der dazu eingerichteten Simulations-
vorrichtung vonnöten. Auch die Beschreibung der vorliegenden Anmeldung macht
keine Angaben zu erforderlichen Modifikationen an den technischen Komponenten
der Simulationsvorrichtung oder zu einer besonderen Adressierung von
Gerätekomponenten, welche über das übliche Datenwert-Einschreiben und
Auslesen von einem ausführbaren Programm zugeordneten Dateien hinausgehen.
Auch werden keine Systemkomponenten modifiziert oder in neuartiger Weise
adressiert. Als Simulationsvorrichtung kann somit jede herkömmliche
Datenverarbeitungsanlage dienen, ohne dass auf technische Gegebenheiten
innerhalb oder außerhalb dieser Datenverarbeitungsanlage Rücksicht genommen
werden müsste (vgl. BGH, a. a. O. - Dynamische Dokumentengenerierung; BGH,
a. a. O. – Webseitenanzeige).

Von einem zur Lösung eines technischen Problems eingesetzten technischen
Mittel kann ferner dann gesprochen werden, wenn der Ablauf eines zur Prob-
lemlösung eingesetzten Datenverarbeitungsprogramms durch technische Gege-
benheiten außerhalb der Datenverarbeitungsanlage bestimmt wird oder wenn die
Lösung gerade darin besteht, ein Datenverarbeitungsprogramm so auszugestal-
ten, dass es auf die technischen Gegebenheiten der Datenverarbeitungsanlage
Rücksicht nimmt (vgl. BGH – Dynamische Dokumentengenerierung, a. a. O.,
Abs. II. 4. c) cc)). Auch diese Voraussetzungen erfüllt die mit Patentanspruch 1
nach Haupt- und Hilfsantrag beanspruchte Lehre nicht. Weder wird durch die be-
anspruchte Simulationsvorrichtung ein Zusammenhang mit den technischen Ge-
gebenheiten der Laufzeitumgebung hergestellt, der über das Auslesen von Daten
aus Registern o. ä. hinausgeht, noch gehen technische Gegebenheiten außerhalb
der Datenverarbeitungsanlage im Sinne von Messwerten oder während des Pro-
grammablaufs ermittelten Stellgrößen eines Roboters ein. Ein Zusammenwirken
mit außerhalb der Datenverarbeitungsanlage ermittelten aktuellen Stellwerten ist
von der Anspruchsformulierung gerade nicht umfasst, sondern lediglich die Abar-
beitung mit vorab festgelegten Statuswerten und gegebenenfalls, gemäß Hilfsan-
- 11 -
trag, einer bestimmten Verzögerungszeit bei der Programmausführung, die zum
Zwecke der Simulation von einer separaten Datei vorgegeben werden.

Die von der separaten Datei umfassten Befehle zum Setzen des Status eines Sig-
nals oder eines Datenregisterwertes, also die in der separaten Datei abgelegten
Werte, müssen durch ein initiales Setzen in die Datei eingeschrieben werden (vgl.
geltende Beschreibung, S. 8, le. Abs. - S. 9, erster Abs.), was bedeutet, dass ein
Programmierer die interagierenden Zeilen von Roboterprogramm und separater
Datei vor Beginn der Ausführung der Simulation vorgeben muss. Darin kann
ebenfalls kein technisches Mittel gesehen werden.

Auch bei der beanspruchten Aufspaltung in ein Roboterprogramm und eine von
dem Programm zu verwendende separate Datei sind keine besonderen techni-
schen Gegebenheiten zu berücksichtigen. Der Anmelderin kann zugestimmt wer-
den, dass der von der Prüfungsstelle herangezogene BGH-Beschluss „Buchungs-
blatt“ (vgl. BGH, Beschluss vom 18. März 1975, X ZB 9/74, GRUR 1975, 549) hin-
sichtlich der dort geforderten unmittelbaren Einwirkung auf die Außenwelt überholt
und inhaltlich völlig am Anmeldungsgegenstand vorbei geht. Die Anmelderin hat
weiter ausgeführt, die Bereitstellung einer separaten Datei, die von dem Roboter-
programm verschieden sei, trage zu einer effizienteren Ausnutzung von System-
ressourcen bei, indem die Simulationszeiten verkürzt werden. Denn durch die Auf-
spaltung sei es möglich, dem Roboterprogramm den realen Kontext zu entziehen
– die mechatronische Schnittstelle für die Ereignisübergabe werde in die separate
Datei verlagert, und der Wegfall der realen Ereignisse stelle eine technische Er-
wägung dar. Der Senat mag dieser Argumentation noch insoweit folgen, als dass
die in der separaten Datei vorgehaltenen Werte einen Bezug zu technischen Ge-
gebenheiten, sprich dem zu simulierenden Roboter herstellen. Allerdings sind
diese Werte vor Beginn der Simulation, wie ausgeführt, von einem Programmierer
in der Datei in einem Initialisierungsprozess festzulegen. Bei der Ausführung des
Roboterprogramms wird dann lediglich auf die vorab festgelegten Werte in der se-
paraten Datei zugegriffen, und der Anspruch 1 legt allein das Zusammenwirken
- 12 -
des Roboterprogramms mit der separaten Datei fest. Die von der Anmelderin
hierzu zitierte BGH-Entscheidung „Seitenpuffer“, bei der es um auf Betriebs-
systemebene realisierte Ladestrategien für ein Arbeitsspeichersystem geht (vgl.
BGH, Beschluss vom 11. Juni 1991, X ZB 13/88, GRUR 1992, 33 – Seitenpuffer),
ist bei dem hier vorliegenden Anmeldegegenstand nicht treffend. Denn bei der an-
spruchsgemäßen Simulationsvorrichtung handelt es sich um eine bestimmungs-
gemäß genutzte Datenverarbeitungsanlage, welche eingerichtet ist, ein Roboter-
programm und eine damit referenzierte Datei zu verwenden, es geht somit um die
Aufteilung von Programm (Roboterprogramm) und Daten (separate Datei) auf der
Ebene der Anwendersoftware. Die Bereitstellung eines Computerprogramms und
einer damit referenzierten Datei unter Erfüllung von nichttechnischen Anforderun-
gen dient jedoch nicht der Lösung einer technischen Problemstellung mit techni-
schen Mitteln. Denn der Anspruch beschränkt sich darauf, fachübliche Mittel des
Datenauslesens und -Einschreibens in eine Datei bestimmungsgemäß einzuset-
zen, um die Überprüfung eines Roboterprogramms für den Programmierer zu ver-
einfachen. Es ist nicht ersichtlich, dass technische Zusammenhänge, welche bei
der Überprüfung von Roboterprogrammen während deren Ablauf eine Rolle spie-
len könnten, oder weitere technische Randbedingungen wie etwa außerhalb der
Datenverarbeitungsanlage liegende technische Gegebenheiten eines realen Ro-
boters, bei der Simulationseinrichtung des jeweiligen Anspruchs 1 berücksichtigt
werden.

Auch die mit Merkmal M5 in den Hilfsantrag aufgenommene Verzögerungszeit ist
nicht als ein technisches Mittel zur Lösung eines technischen Problems anzuse-
hen. Denn die Spezifikation der Verzögerungszeit steht in keinem Bezug zu wäh-
rend der Laufzeit des Roboterprogramms ermittelten Werten oder Messgrößen,
sondern wird auf einen einmal spezifizierten Wert festgelegt (vgl. geltende Be-
schreibung, S. 10, Z. 38 - S. 11, Z. 3; S. 3, Z. 40 - S. 4, Z. 2; S. 8, erster u. zweiter
Abs.; S. 9, Z. 20 - S. 10, Z. 2). Damit gilt für die Verzögerungszeiten nichts ande-
res als für die Vorgabe von Registerwerten bzw. Stellgrößen in der separaten Da-
tei. Mit der von einem Programmierer vorab festgelegten Verzögerungszeit wird
- 13 -
somit dem Roboterprogramm lediglich eine Warteschleife vorgegeben, was
ebenfalls eine reine Softwaremaßnahme darstellt. Diese vermag zwar technische
Zusammenhänge möglicherweise zutreffend beschreiben. Ihre Angabe in der se-
paraten Datei ist jedoch nicht durch ein reales Robotersystem bestimmt, sondern
beruht allein auf den Angaben, die ein Programmierer in der separaten Datei
vorab festlegt. Somit vermag auch das im Hilfsantrag zusätzlich aufgenommene
Merkmal der mit dem Anspruch 1 beanspruchten Simulationsvorrichtung nicht
dazu verhelfen den Ausschlusstatbestand gemäß § 1 Abs. 3 Nr. 3 und 4 i. V. m.
Abs. 4 zu überwinden.

Der jeweilige Anspruch 1 nach Hauptantrag und nach Hilfsantrag ist daher dem
Patentschutz nicht zugänglich.

5. Mit den jeweils nicht schutzfähigen Ansprüchen 1 nach Haupt- und Hilfsan-
trag sind auch die auf diese Ansprüche direkt oder indirekt rückbezogenen Unter-
ansprüche nicht schutzfähig, da auf diese Ansprüche kein eigenständiges Patent-
begehren gerichtet war (vgl. BGH, Beschluss vom 27. Juni 2007 - X ZB 6/05,
GRUR 2007, 862, Abschnitt III. 3. a) a)) – Informationsübermittlungsverfahren II).

6. Nachdem die jeweiligen Anspruchssätze nach Hauptantrag und Hilfsantrag
nicht schutzfähig sind, war die Beschwerde zurückzuweisen.


III.
Rechtsmittelbelehrung
Gegen diesen Beschluss steht den am Beschwerdeverfahren Beteiligten das
Rechtsmittel der Rechtsbeschwerde zu. Da der Senat die Rechtsbeschwerde nicht
zugelassen hat, ist sie nur statthaft, wenn gerügt wird, dass

- 14 -
1. das beschließende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war,
2. bei dem Beschluss ein Richter mitgewirkt hat, der von der Ausübung des
Richteramtes kraft Gesetzes ausgeschlossen oder wegen Besorgnis der
Befangenheit mit Erfolg abgelehnt war,
3. einem Beteiligten das rechtliche Gehör versagt war,
4. ein Beteiligter im Verfahren nicht nach Vorschrift des Gesetzes vertreten
war, sofern er nicht der Führung des Verfahrens ausdrücklich oder
stillschweigend zugestimmt hat,
5. der Beschluss aufgrund einer mündlichen Verhandlung ergangen ist, bei
der die Vorschriften über die Öffentlichkeit des Verfahrens verletzt worden
sind, oder
6. der Beschluss nicht mit Gründen versehen ist.
Die Rechtsbeschwerde ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des
Beschlusses beim Bundesgerichtshof, Herrenstr. 45 a, 76133 Karlsruhe, durch
einen beim Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt als Bevollmächtigten
schriftlich einzulegen.


Wickborn Kruppa Dr. Otten-Dünnweber Altvater

#Pr


Full & Egal Universal Law Academy