17 W (pat) 7/15  - 17. Senat (Techn.Beschw.)
Karar Dilini Çevir:

BPatG 154
05.11

BUNDESPATENTGERICHT



17 W (pat) 7/15
_______________
(Aktenzeichen)



Verkündet am
22. Juni 2017





B E S C H L U S S

In der Beschwerdesache

betreffend die Patentanmeldung 10 2011 106 050.6









hat der 17. Senat (Technischer Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf
die mündliche Verhandlung vom 22. Juni 2017 unter Mitwirkung des Vorsitzenden
Richters Dipl.-Phys. Dr. Morawek, der Richterinnen Eder und
Dipl.-Phys. Dr. Thum-Rung sowie des Richters Dipl.-Phys. Dr. Forkel
- 2 -
beschlossen:

Auf die Beschwerde der Anmelderin wird der Beschluss der Prü-
fungsstelle für Klasse G 06 T des Deutschen Patent- und Marken-
amts vom 9. Dezember 2014 aufgehoben und das Patent mit fol-
genden Unterlagen erteilt:

Patentansprüche 1–7 und

Beschreibung Seite 4, jeweils überreicht in der mündlichen Ver-
handlung,

Beschreibung Seiten 1–3, 5–25 vom 10. September 2012,

6 Blatt Zeichnungen mit Figuren 1–9 vom 29. September 2011.


G r ü n d e

I.

Die vorliegende Patentanmeldung wurde am 30. Juni 2011 in englischer Sprache
beim Deutschen Patent- und Markenamt eingereicht. Sie beansprucht die Priorität
einer US-amerikanischen Patentanmeldung vom 6. Juli 2010 und trägt in der deut-
schen Übersetzung die Bezeichnung

„Schattenentfernung in einem durch eine fahrzeugbasierte Kamera
erfassten Bild zur Detektion eines freien Pfads“.

Die Prüfungsstelle für Klasse G06T hat am 9. Dezember 2014 die Anmeldung
zurückgewiesen, da sie dem Fachmann ungebührliche Schwierigkeiten zum Ver-
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ständnis und zur erfolgreichen Ausführung der beanspruchten Lehre in den Weg
lege und die Anmeldung somit gemäß § 34 Abs. 4 PatG nicht gewährbar sei.

Gegen den Beschluss wendet sich die am 16. Januar 2015 eingegangene Be-
schwerde der Anmelderin.

Der Vertreter der Anmelderin stellte den Antrag,

den angegriffenen Beschluss aufzuheben und das nachgesuchte
Patent mit folgenden Unterlagen zu erteilen:

Patentansprüche 1 bis 7 und
Beschreibung Seite 4, jeweils überreicht in der mündlichen Ver-
handlung,
Beschreibung Seiten 1 bis 3, 5 bis 25 vom 10. September 2012,
6 Blatt Zeichnungen mit Figuren 1 bis 9 vom 29. September 2011.

Im Prüfungsverfahren vor dem Deutschen Patent- und Markenamt sind folgende
Druckschriften genannt worden:

D1: Álvarez, José; López, Antonio; Baldrich, Ramon: “Shadow Resistant
Road Segmentation from a Mobile Monocular System”; Springer Berlin /
Heidelberg; 2007; Lecture Notes in Computer Science; Pattern
Recognition and Image Analysis; vol. 4478; Seiten 9–16; DOI:
10.1007/978-3-540-72849-8_2
D2: Finlayson, G., Hordley, S., Lu, C., Drew, M.: “On the removal of
shadows from images”; IEEE Trans. on Pattern Analysis and Machine
Intelligence; Jan. 2006; vol. 28(1), Seiten 59–68, DOI:
10.1109/TPAMI.2006.18
D3: US 2010 / 0 097 455 A1.
- 4 -
Vom Senat wurde zusätzlich folgende Druckschrift eingeführt:

D4: Finlayson, Graham; Drew, Mark; Lu, Cheng: „Intrinsic Images by
Entropy Minimization”; Springer Berlin / Heidelberg, 2004; Computer
Vision – ECCV 2004; Lecture Notes in Computer Science; vol. 3023; Sei-
ten 582–595; DOI: 10.1007/978-3-540-24672-5_46.

Der nunmehr geltende Patentanspruch 1 lautet:

„1. Verfahren zum Erzeugen eines schattenreduzierten Bilds aus einem
erfassten Bild zum Erkennen eines freien Fahrpfads, wobei das Verfahren
die Schritte umfasst, dass:
(a) ein Eingangsbild einer Szene durch eine Bilderfassungseinrich-
tung (14) erfasst wird;
(b) jedes Pixel des erfassten Eingangsbilds gemäß einem zweidimensio-
nalen logarithmischen Graphen graphisch dargestellt wird, wobei jedes
Pixel durch einen Farbwert eines mehrerer Farbsätze in dem logarithmi-
schen Graphen dargestellt wird, wobei verschiedene Farbsätze jeweils
entlang einer Geraden in dem logarithmischen Graphen dargestellt wer-
den und die Bilderfassungseinrichtung (14) eine Divergenz der Geraden
bewirkt;
(c) ein spezifischer Farbsatz in dem logarithmischen Graphen ausge-
wählt wird, wobei sich der Farbsatz auf in Verbindung stehende Farbwerte
der Straße bezieht;
(d) eine lineare beleuchtungsinvariante Achse (79) ausgewählt wird, die
eine wesentliche Trennung der Distanz zwischen dem spezifischen Farb-
satz und anderen Farbsätzen bereitstellt, die auf die lineare beleuchtungs-
invariante Achse (79) projiziert werden, wobei ferner die lineare beleuch-
tungsinvariante Achse (79) ausgewählt wird, die die Farbwerte des spezifi-
- 5 -
schen Farbsatzes im Wesentlichen gruppiert und die Farbwerte der ande-
ren Farbsätze im Wesentlichen streut;
(e) eine Beleuchtungsrichtung (75) für die lineare beleuchtungsinva-
riante Achse (79) ermittelt wird, wobei sich die lineare beleuchtungsinva-
riante Achse (79) in einer Richtung erstreckt, die im Wesentlichen ortho-
gonal zu der Beleuchtungsrichtung (75) des spezifischen Farbsatzes ist;
(f) ein Log-Chromatizität-Wert jedes graphisch dargestellten Pixels des
spezifischen Farbsatzes auf die lineare beleuchtungsinvariante Achse (79)
projiziert wird, wobei jedes graphisch dargestellte Pixel an der linearen
beleuchtungsinvarianten Achse (79) einen Farbwert der jeweiligen Pixel
des Bilds darstellt, das auf einen beleuchtungsinvarianten Bildbereich ab-
gebildet wird;
(g) Ränder in dem Eingangsbild identifiziert werden;
(h) Ränder in dem beleuchtungsinvarianten Bildbereich identifiziert wer-
den;
(i) die identifizierten Ränder des Eingangsbilds mit den identifizierten
Rändern in dem beleuchtungsinvarianten Bildbereich verglichen werden,
(j) in Ansprechen auf einen in dem Eingangsbild identifizierten Rand
und ein Nichtvorhandensein eines in Korrelation stehenden Rands in dem
beleuchtungsinvarianten Bildbereich ermittelt wird, ob ein Schattenrand
vorliegt; und
(k) ein schattenreduziertes Bild für eine Szenenanalyse durch ein fahr-
zeugsichtbasiertes System erzeugt wird.“

Die geltenden Patentansprüche 2 bis 7 lauten:

„2. Verfahren nach Anspruch 1, wobei
(l) ein Fluchtpunkt (81) in dem Bild ermittelt wird;
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(m) eine Fluchtlinie (82) ermittelt wird, die sich horizontal durch den
Fluchtpunkt (81) in dem Bild erstreckt;
(n) ein Zielgebiet (80) unter der Fluchtlinie (82) identifiziert wird; und
(o) die Schritte (c) – (k) nur an dem Zielgebiet (80) durchgeführt werden.

3. Verfahren nach Anspruch 1 oder 2, wobei der logarithmische Graph
eine logarithmische Blau-Grün-Achse und eine logarithmische Rot-Grün-
Achse umfasst.

4. Verfahren nach Anspruch 1, wobei das Identifizieren von Rändern in
dem Eingangsbild und dem beleuchtungsinvarianten Bildbereich ferner die
Schritte umfasst, dass:
ein Richtungsgradient aus dem Eingangsbild ermittelt wird;
ein Richtungsgradient aus dem beleuchtungsinvarianten Bildbereich
ermittelt wird;
der Richtungsgradient des Eingangsbilds und der Richtungsgradient
des beleuchtungsinvarianten Bildbereichs mit zumindest einem Schwel-
lenwert verglichen werden, um zu ermitteln, ob ein Schattenrand vorliegt.

5. Verfahren nach Anspruch 4, wobei das Vergleichen des Richtungs-
gradienten des Eingangsbilds und des Richtungsgradienten des beleuch-
tungsinvarianten Bildbereichs mit zumindest einem Schwellenwert ferner
umfasst, dass:
ermittelt wird, ob der Richtungsgradient des Eingangsbilds größer als
ein erster Schwellenwert ist;
ermittelt wird, ob der Richtungsgradient des beleuchtungsinvarianten
Bildbereichs kleiner als ein zweiter Schwellenwert ist.

6. Verfahren nach Anspruch 4, wobei das Vergleichen des Richtungs-
gradienten des Eingangsbilds und des Richtungsgradienten des beleuch-
- 7 -
tunginvarianten Bildbereichs mit zumindest einem Schwellenwert ferner
umfasst, dass:
eine Gradientendifferenz zwischen dem Richtungsgradienten des
Eingangsbilds und dem Richtungsgradienten des beleuchtungsinvarianten
Bildbereichs berechnet wird;
die Gradientendifferenz mit dem zumindest einen Schwellenwert ver-
glichen wird.

7. Verfahren nach Anspruch 6, wobei das Berechnen einer Gradienten-
differenz die folgenden Schritte umfasst:
Ermitteln eines Gradientenbetrags des Eingangsbilds;
Ermitteln eines Gradientenbetrags des beleuchtungsinvarianten Bild-
bereichs;
Berechnen der Gradientendifferenz durch Subtrahieren des Gradien-
tenbetrags des beleuchtungsinvarianten Bildbereichs von dem Gradien-
tenbetrag des Eingangsbilds.“

Zu den weiteren Einzelheiten wird auf die Akte verwiesen.


II.

Die Beschwerde ist frist- und formgerecht eingereicht und auch sonst zulässig. Sie
hat Erfolg, da ein Patent nach dem nunmehr geltenden Antrag erteilt werden kann.


1. Die Patentanmeldung betrifft Schattenentfernung in einem durch eine fahr-
zeugbasierte Kamera erfassten Bild zur Detektion eines freien Pfads.

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Gemäß S. 2 Abs. 3 der geltenden Beschreibung soll der Patentanmeldung die Auf-
gabe zugrunde liegen, ein Verfahren zur Schattenentfernung in Bildern anzuge-
ben, das eine verbesserte Detektion eines freien Pfads ermöglicht.

Die Anmeldung geht aus von mit einer Kamera aufgenommenen Bildern, die (un-
ter anderem) eine Straße zeigen. Die Kamera liefert für jedes Pixel einen RGB
(Rot, Grün, Blau) - Farbwert. Die zu einer zusammenhängenden Straßenoberflä-
che bzw. einem freien Fahrpfad gehörigen Farbwerte bilden einen Farbsatz; an-
dere Bildbereiche (die andere lichtstreuende Oberflächen einer Szene abbilden)
gehören zu anderen Farbsätzen.
Die Straßenbereiche können Schatten enthalten, die Fehler bei der automatischen
Detektion von Objekten verursachen und daher herausgefiltert werden sollen (Of-
fenlegungsschrift Abs. [0002]).
Gemäß Abs. [0020] bis [0030] i. V. m. Fig. 4 werden aus den RGB-Farbwerten
jedes Pixels zwei Chromatizitätswerte (c1, c2) berechnet, wobei c1 = R/G das Ver-
hältnis des roten Farbwerts R zum grünen Farbwert G und c2 = B/G das Verhältnis
des blauen Farbwerts B zum grünen Farbwert G angibt. Stellt man diese Werte in
einem doppelt logarithmischen Diagramm („zweidimensionaler logarithmischer
Graph“, Fig. 4) dar, so liegen die Werte für jeden Farbsatz ungefähr auf einer
zugehörigen Geraden (vgl. die vier Geraden 40 bis 43 in Fig. 4). Für eine ideale
Kamera (mit schmalbandigen Farbsensoren) hängt die Richtung der Geraden nur
von den Kamerasensoren ab, sie ist für die verschiedenen Farbsätze gleich
(Fig. 4). Für billige (breitbandige) Kamerasensoren, welche die einzelnen Farben
nicht so gut trennen, können die Geradenrichtungen für unterschiedliche Farb-
sätze unterschiedlich sein (Fig. 5).
Auf welchen Punkt einer solchen Geraden der Chromatizitätswert eines Pixels zu
liegen kommt, hängt von den Beleuchtungsbedingungen für das Pixel ab. Um den
Einfluss der Beleuchtungsbedingungen zu eliminieren, wird eine „lineare beleuch-
tungsinvariante Achse“ (44 in Fig. 4) definiert, die senkrecht zur Geradenrichtung
verläuft. Projiziert man die Werte des Farbsatzes entlang der zugehörigen Gera-
denrichtung auf diese Achse, so erhält man (im Wesentlichen) immer denselben
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projizierten Wert, der unabhängig von den Beleuchtungsbedingungen ist, also
auch unabhängig von etwaigen Schatten (Offenlegungsschrift Abs. [0029]).
Das ursprüngliche Bild (30 in Fig. 3, mit Schatten) kann anhand der projizierten
Werte in einen beleuchtungsinvarianten Bildbereich abgebildet werden, in dem
Schatten eliminiert sind (32 in Fig. 3), etwa dadurch, dass für jedes Pixel der
ursprüngliche Farbwert durch den projizierten Wert im Log-Chromatizitätsdia-
gramm ersetzt wird (letzte drei Sätze in Abs. [0029] der Offenlegungsschrift). Rän-
der bzw. Kanten im beleuchtungsinvarianten Bild und im ursprünglichen Farbbild
werden identifiziert, verglichen und damit Schattenränder im ursprünglichen Bild
ermittelt (das sind Ränder, die nur im ursprünglichen Bild, jedoch nicht im beleuch-
tungsinvarianten Bild vorhanden sind, vgl. Offenlegungsschrift Abs. [0032]). An-
hand dieser Ränder können Schatten im ursprünglichen Bild eliminiert werden (Of-
fenlegungsschrift Abs. [0031]; Details in den darauf folgenden Absätzen).

Für billige, nicht ideale Kamerasensoren können die Geradenrichtungen für die
verschiedenen Farbsätze unterschiedlich sein (Fig. 5). In einer nicht mehr bean-
spruchten Ausführungsform (Fig. 6) wird daher die (zur Geradenrichtung senk-
rechte) beleuchtungsinvariante Achse nur anhand des oder der zur Straße gehöri-
gen Farbsätze ermittelt (Fig. 6).

Das nunmehr beanspruchte Verfahren ist in Abs. [0058] der Offenlegungsschrift
i. V. m. Fig. 8 erläutert. Im dort gezeigten Fall liegen die beiden (etwa parallelen)
Geraden für zwei der Farbsätze (eine schräge Gerade mit sternförmigen Punkten
für den freien Fahrpfad bzw. die Straße, eine zweite schräge Gerade mit rautenför-
migen Punkten für einen anderen Farbsatz) derart, dass sich bei Projektion ent-
lang der Geradenrichtung auf eine dazu senkrechte Achse in beiden Fällen unge-
fähr derselbe Projektionspunkt ergeben würde, d. h. eine Trennung der beiden
Farbsätze anhand der projizierten Punkte wäre nicht möglich. Daher wird als
beleuchtungsinvariante Achse nicht die zur Geradenrichtung senkrechte Achse
gewählt, sondern die beleuchtungsinvariante Achse (79) wird derart bestimmt,
dass die senkrecht auf sie projizierten Punkte des Farbsatzes des freien Pfads
- 10 -
(sternförmige Punkte) in einem Cluster nahe beieinander liegen und relativ weit
von den projizierten Punkten anderer Farbsätze entfernt sind, während die pro-
jizierten Farbwerte der anderen Farbsätze im Wesentlichen gestreut werden. Zu
dieser Achse gehört auch eine dazu senkrechte Richtung für die Projektion.

Die beleuchtungsinvariante Achse kann in einem Offline-Prozess anhand von vor-
her unter verschiedenen Beleuchtungsbedingungen gespeicherten Farbmustern
ermittelt werden (englische Anmeldeunterlagen Abs. [0042]).
Die zur beleuchtungsinvarianten Achse senkrechte Richtung (entlang welcher pro-
jiziert wird) wird in der Anmeldung „Beleuchtungsrichtung“ (illumination direction)
oder „Lichtrichtung“ (light direction) genannt. Diese Richtung im Log-Chromatizi-
tätsdiagramm kann von den zu den einzelnen Farbsätzen gehörigen Geraden
etwas abweichen.

Entsprechend dem oben Erläuterten soll folgender Verfahrensablauf unter Schutz
gestellt werden, der zum Erzeugen eines schattenreduzierten Bildes dient, um
einen freien Fahrpfad zu erkennen:

- ein Eingangsbild einer Szene wird durch eine Bilderfassungseinrichtung
(Kamera) erfasst (Merkmal (a));
- der Farbwert jedes Pixels, der zu einem von mehreren möglichen Farb-
sätzen gehört, wird gemäß einem zweidimensionalen logarithmischen
Graphen (in einem logarithmischen Chromatizitätsdiagramm, vgl. Fig. 4, 5,
6 und 8) dargestellt; in diesem Diagramm verlaufen die Werte jedes Farb-
satzes ungefähr entlang einer Geraden, wobei aufgrund der Verwendung
einer billigen Kamera die zu den verschiedenen Farbsätzen gehörenden
Geraden nicht genau parallel, sondern etwas divergent sind (Merkmal (b));
- ein spezifischer, zu einem verbundenen Straßenbereich gehöriger Farb-
satz in dem logarithmischen Graphen wird ausgewählt (Merkmal (c));
- 11 -
- in dem logarithmischen Chromatizitätsdiagramm wird eine lineare be-
leuchtungsinvariante Achse ausgewählt, welche im Wesentlichen die pro-
jizierten Farbwerte des spezifischen Farbsatzes gruppiert (d. h. diese lie-
gen eng beieinander) und die projizierten Farbwerte der anderen Farb-
sätze streut; senkrecht zu dieser beleuchtungsinvarianten Achse wird eine
„Beleuchtungsrichtung“ (siehe oben) ermittelt (Merkmale (d), (e));
- der Log-Chromatizität-Wert jedes (gemäß Merkmal (b) graphisch darge-
stellten) Pixels des spezifischen Farbsatzes wird auf die lineare beleuch-
tungsinvariante Achse projiziert, wodurch sich ein Farbwert des Pixels für
eine Abbildung auf einen beleuchtungsinvarianten Bildbereich ergibt
(Merkmal (f));
- in dem Eingangsbild und ebenso in dem beleuchtungsinvarianten Bild-
bereich werden Ränder (Kanten) identifiziert (Merkmale (g), (h));
- durch Vergleich der identifizierten Ränder werden Schattenränder des
Eingangsbilds ermittelt anhand von Rändern, die im Eingangsbild, jedoch
nicht in dem beleuchtungsinvarianten Bildbereich vorhanden sind (Merk-
male (i) und (j));
- anhand der identifizierten Schattenränder wird ein schattenreduziertes
Bild für eine Szenenanalyse durch ein fahrzeugsichtbasiertes System er-
zeugt (Merkmal (k)).

Als Fachmann sieht der Senat hier einen Ingenieur der Fachrichtung Informatik,
Informationstechnik oder Elektrotechnik mit guten Kenntnissen in der Bildverarbei-
tung und Erfahrung auf dem Gebiet der kamerabasierten Objektdetektion, insbe-
sondere für Fahrerassistenzsysteme an.


2. Die unter Schutz gestellte Lehre ist in den Anmeldeunterlagen so deutlich
und vollständig offenbart, dass ein Fachmann sie ausführen kann (§ 34 Abs. 4
PatG).
- 12 -
Insbesondere konnte der Fachmann den Anmeldeunterlagen eine in sich konsis-
tente Lehre zur Ermittlung einer beleuchtungsinvarianten Achse und einer zu die-
ser jeweils senkrechten „Beleuchtungsrichtung“ entnehmen.

Diese Unterlagen zeigen im Hinblick auf die „Beleuchtungsrichtung“ und die be-
leuchtungsinvariante Achse das Folgende (siehe auch oben unter 1.).

In einem Log-Chromatizität-Diagramm liegen die Chromatizitätswerte der Pixel
eines Bildes für jeden zu einer Oberfläche (z. B. „Straße“) gehörigen Farbsatz (un-
ter verschiedenen Beleuchtungsbedingungen) auf einer zum Farbsatz gehörigen
Geraden mit der Steigung bzw. Richtung e (englische Anmeldeunterlagen Abs.
[0022] bis [0025]). Für eine ideale Kamera haben die Geraden für die verschie-
denen Farbsätze dieselbe Richtung e (Fig. 4 mit den Geraden 40, 41, 42 und 43;
Abs. [0026] der englischen Anmeldeunterlagen). Aus den weiteren Angaben (Defi-
nition einer beleuchtungsinvarianten Achse (44 in Fig. 4) senkrecht zur „Beleuch-
tungsrichtung“ und Projektion der Werte für eine gegebene Oberfläche, d. h. für
den zugehörigen Farbsatz in einen einzigen Punkt auf der beleuchtungsinvarian-
ten Achse, unabhängig von der Beleuchtung) entnimmt der Fachmann, dass in
Fig. 4 unter der „Beleuchtungsrichtung“ die (zur beleuchtungsinvarianten Achse 44
senkrechte) Richtung e der Geraden im Log-Chromatizität-Diagramm zu verste-
hen ist, entlang welcher die zu verschiedenen Beleuchtungsbedingungen gehö-
renden Werte für den jeweiligen Farbsatz verlaufen.
Sollen im Fall einer billigen Kamera Schatten lediglich in einem freien Pfad elimi-
niert werden, so wird entsprechend im Log-Chromatizität-Diagramm nur für den/
die zugehörigen Farbsätze eine invariante Achse und eine hierzu senkrechte, der
zum freien Pfad gehörigen Geradenrichtung entsprechende „Beleuchtungsrich-
tung“ definiert (Fig. 6, Abs. [0036] der englischen Anmeldeunterlagen).
In der Ausführungsform der Fig. 8, welche dem nunmehr Beanspruchten zugrunde
liegt, wird im Log-Chromatizität-Diagramm die beleuchtungsinvariante Achse (79)
derart bestimmt, dass die senkrecht auf sie projizierten Punkte des Farbsatzes
des freien Pfads (Straße) in einem Cluster nahe beieinander liegen und relativ weit
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von den projizierten Punkten anderer Farbsätze entfernt sind. Auch zu dieser Ach-
se (79) gehört eine dazu senkrechte „Beleuchtungsrichtung“ (englische Unterlagen
Abs. [0052]).

Schließlich ist davon auszugehen, dass der Fachmann anhand der Hinweise in
den Anmeldeunterlagen und unter Berücksichtigung des ihm bekannten Standes
der Technik (vgl. die Druckschriften D2 und D4) in der Lage war, nach der Ermitt-
lung einer invarianten Achse mit einer dazu senkrechten Beleuchtungsrichtung im
Log-Chromatizitätsdiagramm auch einen Schattenrand im Eingangsbild zu bestim-
men und ein schattenreduziertes Bild gemäß Merkmal (k) zu berechnen; vgl. hier-
zu Abs. [0028] bis [0033] der englischen Unterlagen.


3. Die Vorrichtung gemäß dem Anspruch 1 ist neu gegenüber dem belegten
Stand der Technik und beruht auf erfinderischer Tätigkeit.

Dies ergibt sich aus der Würdigung der zum Stand der Technik genannten Druck-
schriften.

Die Druckschrift D2 beschreibt in Kap. 2 das in der Offenlegungsschrift Abs. [0020]
bis [0030] i. V. m. Fig. 4 der vorliegenden Anmeldung dargestellte Bildverarbei-
tungsverfahren, wobei hergeleitet wird, dass für ein mit einer idealen Kamera auf-
genommenes Bild die Werte für die verschiedenen streuenden Oberflächen (ver-
schiedene Farbsätze) in einem zweidimensionalen Log-Chromatizitätsdiagramm
entlang von parallelen Geraden verlaufen (Fig. 1 (a)); auch für eine Kamera mit
breitbandigen Sensoren gilt dies näherungsweise (Fig. 1 (c)).
Im Log-Chromatizitätsdiagramm kann ein Satz von parallelen Geraden gefunden
werden, der die Daten im Sinne von geringsten Fehlerquadraten annähert (Fig. 1
(b) und (c) mit der Beschreibung auf S. 62 ab Mitte li. Sp.); bei der Ermittlung der
parallelen Geraden werden somit die Daten aller Farbsätze berücksichtigt. Zu der
Richtung e der parallelen Geraden („Beleuchtungsrichtung“ in der Nomenklatur
- 14 -
der vorliegenden Anmeldung) gehört eine dazu senkrechte Gerade (Fig. 1 (a) mit
Beschreibung; „lineare beleuchtungsinvariante Achse“ in der Nomenklatur der vor-
liegenden Anmeldung).
Durch Projektion der Chromatizitätswerte entlang der Geradenrichtung e (Be-
leuchtungsrichtung) auf die dazu senkrechte beleuchtungsinvariante Achse ergibt
sich für jede Oberfläche bzw. jeden Farbsatz im Wesentlichen ein für den Farbsatz
charakteristischer Punkt auf der beleuchtungsinvarianten Achse. Damit kann
schließlich ein beleuchtungsinvariantes Grauwertbild ohne Schatten berechnet
werden (D2 S. 61 re. Sp. vorle. Abs. mit Gl. (9) sowie Fig. 2 (d) mit S. 62 li. Sp.
le. Abs. bis re. Sp. Abs. 1; vgl. in der vorliegenden Anmeldung Fig. 3 Nr. 32), das
jedoch im Wesentlichen keine Farbinformation mehr enthält (Kap. 3 Abs. 1).
Um ein Bild zu erzeugen, das schattenfrei ist, aber ansonsten dem ursprünglichen
Farbbild entspricht, werden Schattenränder extrahiert, und anhand des Vergleichs
von Schattenrändern im ursprünglichen Bild und im beleuchtungsinvarianten Bild
werden Schatten im ursprünglichen Bild entfernt (Kap. 4, insbesondere Kap. 4.2
mit Fig. 4); dabei werden im vom ursprünglichen Bild abgeleiteten Gradientenbild
die gefundenen Schattenränder auf Null gesetzt, und das so modifizierte Gradien-
tenbild wird für die drei Farbkanäle integriert (Kap. 4.1).

Durch die Bestimmung der Beleuchtungsrichtung und der linearen beleuchtungsin-
varianten Achse über die Annäherung im Sinne von geringsten Fehlerquadraten
werden alle Farbsätze in gleichwertiger Weise berücksichtigt; eine besondere Be-
handlung eines speziellen Farbsatzes (etwa eines Straßen-Farbsatzes) im Gegen-
satz zu den anderen Farbsätzen ist D2 nicht zu entnehmen.

Die Druckschrift D1 betrifft schattenresistente Straßensegmentierung in von einer
monokularen Kamera aufgenommenen Bildern. D1 baut auf D2 auf (Ref. [4] in D1)
und verwendet das in D2 beschriebene Verfahren bis zur Erzeugung einer Abbil-
dung in einem beleuchtungsinvarianten Bildbereich, jedoch ohne hieraus ein
schattenloses Farbbild zu erzeugen, was sehr aufwändig wäre (S. 10 le. Abs.).
Ausgehend von zur Straße gehörigen Saatpunkten werden Straßenbereiche durch
- 15 -
ein „region growing“ - Verfahren über die Betrachtung der Ähnlichkeit benachbar-
ter Punkte zu bereits als „Straße“ klassifizierten Punkten ermittelt (Kap. 3). Dieses
Verfahren wurde auf ein Intensitätsbild (Helligkeitsbild), auf ein Farbbild und auf
ein beleuchtungsinvariantes Bild angewendet. Die Ergebnisse zeigen, dass sich
das beleuchtungsinvariante Bild für die Segmentierung der Straße am besten eig-
net (S. 14 le. Abs.).

In der Druckschrift D4 werden mit einem Verfahren wie in D2 beschrieben Schat-
ten in einem aufgenommenen Bild entfernt, unter Betrachtung des Log-Chromati-
zitätsdiagramms, mit Ermittlung einer invarianten Richtung bzw. Achse und einer
dazu senkrechten Beleuchtungsrichtung und einer hierauf aufbauenden Schatten-
entfernung. Die invariante Achse wird jedoch in D4 anders als in D2 ermittelt: Meh-
rere mögliche Richtungen für die invariante Achse werden untersucht, wobei je-
weils die Chromatizitätswerte der Pixel entlang der zur möglichen Richtung senk-
rechten Beleuchtungsrichtung auf die mögliche Achse projiziert werden (Fig. 1),
und die Entropie der sich ergebenden Verteilung auf der möglichen Achse wird
berechnet (Fig. 3 (c)). Die zur Verteilung mit der geringsten Entropie gehörende
Achse wird als beleuchtungsinvariante Achse ausgewählt. In der Beschreibung zu
Fig. 1 ist als zugehörige Theorie für eine Menge von Bildern realer Farbflächen
erläutert, dass für die korrekte beleuchtungsinvariante Achse die Projektions-
punkte enge Peaks bilden, die gut voneinander getrennt sind und jeweils einer
Farbfläche entsprechen (Fig. 1 (a)); dies entspricht einer geringen Entropie der
Verteilung. Wird andererseits eine „falsche“ Richtung der beleuchtungsinvarianten
Achse gewählt, so sind die projizierten Punkte auf dieser Achse breit verstreut,
was zu einer hohen Entropie der Verteilung führt (Fig. 1 (b)). Auch für reale Kame-
rabilder lassen sich mit dieser Methode gute Ergebnisse erzielen (Fig. 8).

Das Verfahren der D4 führt somit zu einer beleuchtungsinvarianten Achse, welche
die Farbwerte der einzelnen Farbsätze im Wesentlichen gut voneinander trennt,
wobei die Werte jedes einzelnen Farbsatzes im Wesentlichen eng beieinander lie-
gen (gruppiert sind).
- 16 -
D3 liegt weiter vom Gegenstand des geltenden Anspruchs 1 ab als D1, D2 und
D4.

Keiner der genannten Druckschriften ist die Lehre zu entnehmen, in einem Verfah-
ren zur Schattenreduzierung in einem durch eine Kamera aufgenommenen Bild,
welches Verfahren die Bestimmung einer Beleuchtungsrichtung und einer linearen
beleuchtungsinvarianten Achse in einem Log-Chromatizitätsdiagramm umfasst,
die beleuchtungsinvariante Achse in dem Log-Chromatizitätsdiagramm derart zu
bestimmen, dass die auf die beleuchtungsinvariante Achse projizierten Farbwerte
für einen spezifischen (auf in Verbindung stehende Farbwerte einer Straße bezo-
genen) Farbsatz gruppiert werden und gleichzeitig die Farbwerte der übrigen
Farbsätze im Wesentlichen gestreut werden.

Eine solche Vorgehensweise war auch für den Fachmann nicht von sich aus nahe-
liegend.

Damit ist das Verfahren des Patentanspruchs 1 zum einen neu. Zum anderen ist
der beanspruchten Vorgehensweise auch eine erfinderische Tätigkeit nicht abzu-
sprechen.


4. Der Patentanspruch 1 ist gewährbar.

Die abhängigen Patentansprüche 2 bis 7 sind ebenfalls gewährbar.

Auch die übrigen Voraussetzungen für eine Patenterteilung sind erfüllt.

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Rechtsmittelbelehrung

Gegen diesen Beschluss steht den am Beschwerdeverfahren Beteiligten das Rechtsmittel
der Rechtsbeschwerde zu. Da der Senat die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen hat, ist
sie nur statthaft, wenn gerügt wird, dass

das beschließende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war,
bei dem Beschluss ein Richter mitgewirkt hat, der von der Ausübung des Richteramtes
kraft Gesetzes ausgeschlossen oder wegen Besorgnis der Befangenheit mit Erfolg
abgelehnt war,
einem Beteiligten das rechtliche Gehör versagt war,
ein Beteiligter im Verfahren nicht nach Vorschrift des Gesetzes vertreten war, sofern er
nicht der Führung des Verfahrens ausdrücklich oder stillschweigend zugestimmt
hat,
der Beschluss aufgrund einer mündlichen Verhandlung ergangen ist, bei der die Vor-
schriften über die Öffentlichkeit des Verfahrens verletzt worden sind, oder
der Beschluss nicht mit Gründen versehen ist.

Die Rechtsbeschwerde ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlusses beim
Bundesgerichtshof, Herrenstr. 45 a, 76133 Karlsruhe, durch einen beim Bundesgerichts-
hof zugelassenen Rechtsanwalt als Bevollmächtigten schriftlich einzulegen.


Dr. Morawek Eder Dr. Thum-Rung Dr. Forkel


Fa


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