17 W (pat) 33/15  - 17. Senat (Techn.Beschw.)
Karar Dilini Çevir:

BPatG 152
08.05

BUNDESPATENTGERICHT




17 W (pat) 33/15
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(Aktenzeichen)



B E S C H L U S S

In der Beschwerdesache

betreffend die Patentanmeldung 10 2010 051 109.9 - 53










hat der 17. Senat (Technischer Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts am
22. Mai 2017 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Dipl.-Phys.
Dr. Morawek, der Richterin Eder, der Richterin Dipl.-Phys. Dr. Thum-Rung und
des Richters Dipl.-Ing. Hoffmann
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beschlossen:

Auf die Beschwerde der Anmelderin wird der Beschluss der Prü-
fungsstelle für Klasse G06Q des Deutschen Patent- und Marken-
amtes vom 15. Juni 2015 aufgehoben und das Patent mit folgen-
den Unterlagen erteilt:

Patentansprüche 1 bis 8 vom 13. April 2017,
Beschreibung Seiten 1 bis 11 vom 13. April 2017,
2 Blatt Zeichnungen mit Figuren 1 bis 5 vom 11. November 2010.


G r ü n d e

I.

Die vorliegende Patentanmeldung wurde am 11. November 2010 beim Deutschen
Patent- und Markenamt eingereicht.

Sie trägt nunmehr die Bezeichnung:

„Verfahren mit einem Testobjekt zur Entdeckung und Ermittlung von
Potentialen zur Energiegewinnung für Energy-Harvester“.

Die Anmeldung wurde durch Beschluss der Prüfungsstelle für Klasse G06Q des
Deutschen Patent- und Markenamtes mit der Begründung zurückgewiesen, dass
der damals geltende Hauptanspruch mangels Neuheit seiner Lehre nicht gewähr-
bar sei.
Gegen diesen Beschluss ist die Beschwerde der Anmelderin gerichtet. Mit der Be-
schwerdebegründung hat sie einen Satz Ansprüche (1 bis 8) als Hauptantrag und
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einen Satz Ansprüche (1 bis 8) als Hilfsantrag eingereicht. Zur Begründung führt
sie aus, dass Anspruch 1 nach Hauptantrag und Anspruch 1 nach Hilfsantrag ge-
genüber der D1 neu seien und auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhten.
Auf einen Hinweis des Senats hin hat die Anmelderin ihr Patentbegehren klar-
gestellt und die Beschreibung angepasst
Die Anmelderin beantragt nunmehr sinngemäß,
den angegriffenen Beschluss aufzuheben und das nachgesuchte
Patent mit folgenden Unterlagen zu erteilen:

Patentansprüche 1 bis 8 vom 13. April 2017,
Beschreibung Seiten 1 bis 11 vom 13. April 2017,
2 Blatt Zeichnungen mit Figuren 1 bis 5 vom 11. November 2010.

Das geltende Patentbegehren, hier bezüglich des Hauptanspruchs mit einer mögli-
chen Gliederung versehen, lautet:

1. (A) Verfahren zur Entdeckung und Ermittlung von Potentialen zur Energie-
gewinnung für Energy-Harvester in einem bestehenden Umfeld,
(a) wobei wenigstens ein Testobjekt bereit gestellt wird, welches mit ver-
schiedenen Sensoren zur Erfassung von für die Energiegewinnung
durch Energy-Harvester relevanten physikalischen Größen, einem
Microcontroller und einer Kommunikationsschnittstelle zur online-
und/oder offline-Kommunikation mit einer zentralen Datenverarbei-
tungseinheit ausgerüstet ist,
(b) wobei das wenigstens eine Testobjekt in der Datenverarbeitungsein-
heit über eine Kommunikationsverbindung zwischen dem Testobjekt
und der Datenverarbeitungseinheit erfasst wird und bei der Erfas-
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sung umgebungsspezifische Parameter und Materialkonstanten ein-
gestellt werden, und
(c) wobei das Testobjekt nach einer Positionierung in dem bestehenden
Umfeld in diesem so bewegt bzw. transportiert wird wie ein Objekt,
das später mit einem geeigneten Energy-Harvester ausgerüstet wer-
den soll,
(d) wobei von den Sensoren über einen vorgegebenen Testzeitraum die
von diesen erfassbaren physikalischen Daten ermittelt und an die
zentrale Datenverarbeitungseinheit über eine Online- oder eine Off-
line-Verbindung übermittelt und von dieser hinsichtlich der im Umfeld
verfügbaren Energiegewinnungspotentiale für Energy-Harvester aus-
gewertet werden und
(e) wobei anhand der Energiegewinnungspotentiale ein geeigneter
Energy-Harvestertyp für das vermessene bestehende Umfeld aus-
gewählt wird.

2. Verfahren nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass bei der Erfas-
sung des jeweiligen Testobjektes von der Datenverarbeitungseinheit für das
Umfeld und das Testobjekt spezifische Parameter, wie Masse des Test-
objektes, Beleuchtungsart im Umfeld, Materialkonstanten, abgespeichert
werden.

3. Verfahren nach Anspruch 1 oder 2, dadurch gekennzeichnet, dass bei der
Erfassung des jeweiligen Testobjektes von der Datenverarbeitungseinheit
eine online-Verbindung, insbesondere eine Funkverbindung, mit dem jewei-
ligen Testobjekt aufgebaut wird.

4. Verfahren nach Anspruch 1, 2 oder 3, dadurch gekennzeichnet, dass die
Übermittlung der Sensordaten vom jeweiligen Testobjekt zur Datenverarbei-
tungseinheit online, insbesondere über eine Funkverbindung, erfolgt.

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5. Verfahren nach Anspruch 1, 2 oder 3, dadurch gekennzeichnet, dass die
jeweiligen Sensordaten in einem Speicher des Testobjektes gespeichert
und offline zur Datenverarbeitungseinheit übermittelt werden.

6. Verfahren nach einem oder mehreren der Ansprüche 1 bis 4, dadurch ge-
kennzeichnet, dass die online-Kommunikation zwischen der Datenverarbei-
tungseinheit und den Testobjekten über wenigstens einen stationären Kno-
ten erfolgt, welcher mit einem Controller, einer Kommunikationsschnittstelle
zur online-Kommunikation mit der Datenverarbeitungseinheit und einer
Kommunikationsschnittstelle zur online-Kommunikation mit den zugeord-
neten Testobjekten ausgerüstet ist.

7. Verfahren nach Anspruch 6, dadurch gekennzeichnet, dass jeder stationäre
Knoten nur mit einem Teil der Testobjekte in Kommunikationsverbindung
tritt.

8. Verfahren nach einem der Ansprüche 1 bis 7, dadurch gekennzeichnet,
dass das jeweilige Testobjekt einen Temperatur- und/oder Beschleuni-
gungs- und/oder Lichtintensitätssensor aufweist.

Dem Patentbegehren liegt die Aufgabe zugrunde, eine Lösung zu schaffen, mit
der ein bestehendes Umfeld bzw. eine bestehende Umgebung im Hinblick auf die
geeignete Anwendung von Energy-Harvestern untersucht und ausgewertet wer-
den kann (siehe geltende Beschreibung Seite 3, Absatz [0004]).

Im Recherche- und Prüfungsverfahren vor dem Deutschen Patent- und Marken-
amt wurden folgende Druckschriften genannt:

D1: US 2010 / 0 271 199 A1,
D2: DE 10 2008 053 200 A1.

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II.

Die Beschwerde wurde rechtzeitig eingelegt und ist auch sonst zulässig. Sie hat
Erfolg, da das geltende Patentbegehren durch den bekannt gewordenen Stand
der Technik nicht vorweggenommen oder nahegelegt ist und auch die übrigen Kri-
terien für eine Patenterteilung erfüllt sind (PatG §§ 1 bis 5, § 34).

1. Die vorliegende Patentanmeldung betrifft ein Verfahren mit einem Test-
objekt zur Entdeckung und Ermittlung von Potentialen zur Energiegewinnung für
Energy-Harvester in einem bestehenden Umfeld (geltende Beschreibung Seite 1,
Absatz [0001]).
Gemäß der Beschreibungseinleitung würden gegenwärtig Energy-Harvester für
Ladungsvorrichtungen nach einer empirischen Auswahl (Trial and Error) verwen-
det. Bei guter Beleuchtung werde zum Beispiel ein Solar-Harvester getestet, bei
häufig vibrierenden Ladungsvorrichtungen ein Vibrations-Harvester. Sollte sich
dabei herausstellen, dass vom Harvester in der jeweiligen Applikation nicht genü-
gend Energie geliefert werden kann, obliege es dem Anwender, wie er weiter ver-
fahre. Dieser könne den Harvester dann an einer anderen Stelle einsetzen, einen
leistungsfähigeren Harvester oder eine andere Harvester-Art verwenden. Damit
sei der Erfolg des Einsetzens von Harvestern von der Erfahrung und Fähigkeit des
Anwenders abhängig (vgl. geltende Beschreibung Seite 2, Absatz [0003]).
In der vorliegenden Anmeldung wird ein Verfahren vorgestellt, mit dem ein beste-
hendes Umfeld bzw. eine bestehende Umgebung im Hinblick auf die geeignete
Anwendung von Energy-Harvestern untersucht und ausgewertet werden kann.

Nach dem Verfahren des Anspruchs 1 soll die Entdeckung und Ermittlung von
Potentialen zur Energiegewinnung für Energy-Harvester in einem bestehenden
Umfeld (Merkmal (A)) erfolgen. Hierfür wird ein Testobjekt mit Sensoren zur
Erfassung von für die Energiegewinnung durch Energy-Harvester relevanten
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physikalischen Größen, mit einem Microcontroller und einer Kommunikations-
schnittstelle zur online- und/oder offline-Kommunikation mit einer zentralen Daten-
verarbeitungseinheit verwendet (Merkmal (a)). Das Testobjekt wird in der Daten-
verarbeitungseinheit über die Kommunikationsverbindung erfasst und bei der
Erfassung werden umgebungsspezifische Parameter und Materialkonstanten ein-
gestellt (Merkmal (b)). Nachdem das Testobjekt in dem bestehenden Umfeld
positioniert wurde, wird es in diesem so bewegt wie ein Objekt, das später mit
einem geeigneten Energy-Harvester ausgerüstet werden soll (Merkmal (c)). Wäh-
rend dieser Bewegung erfolgt die Ermittlung physikalischer Daten über Sensoren,
die Übermittlung dieser Daten an die zentrale Datenverarbeitungseinheit und die
Auswertung der im Umfeld verfügbaren Energiegewinnungspotentiale für Energy-
Harvester (Merkmal (d)). Entsprechend der Auswertung wird anschließend ein
geeigneter Energy-Harvestertyp für das vermessene bestehende Umfeld ausge-
wählt (Merkmal (e)).

Als Fachmann für eine derartige Lehre sieht der Senat einen Diplom-Ingenieur mit
mehrjähriger Erfahrung im Bereich des Energy-Harvesting und der zugehörigen
Messtechnik an.

2. Der Erteilungsantrag verlässt nicht den Rahmen der ursprünglichen Offen-
barung.

Der neue Anspruch 1 ergibt sich aus dem ursprünglichen Anspruch 1 sowie aus
S. 4 zweiter Absatz und Fig. 1 der ursprünglichen Beschreibung.
Anspruch 2 geht aus dem ursprünglichen Anspruch 2 und aus S. 4 zweiter Absatz
der ursprünglichen Beschreibung hervor.
Die Ansprüche 3 bis 8 entsprechen den ursprünglichen Ansprüchen 3 bis 8, wobei
die Rückbeziehungen angepasst wurden.
Die Beschreibung wurde an die geänderten Ansprüche angepasst, redaktionell
überarbeitet und der Stand der Technik wurde aufgenommen.

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3. Das Verfahren des Anspruchs 1 ist neu gegenüber dem belegten Stand der
Technik und beruht auf erfinderischer Tätigkeit.

Die Druckschrift D1 beschreibt ein System und ein Verfahren zur Langzeitüberwa-
chung von Objekten wie bspw. einer Brücke, einer Einrichtung der Landwirtschaft
oder eines Ackers (Zusammenfassung, Absatz [0021], Fig. 5). Hierfür wird ein
autonomes Abtastmodul verwendet, das u. a. mit Sensoren, einem Speicher,
einem Prozessor, einer Kommunikationseinheit und einer Stromversorgung aus-
gestattet ist (Absatz [0029], Fig. 1). Mit den Sensoren werden die Umgebungsbe-
dingungen aufgezeichnet bzw. Materialveränderungen überwacht (Absätze [0021],
[0022], [0038] ff.), die ermittelten Daten werden über die Kommunikationseinheit
an eine Basis-Station übertragen (Absätze [0021], [0022], [0052]-[0054], Fig. 2)
und in dieser ausgewertet (Absatz [0023]). Für die Stromversorgung ist eine Batte-
rie vorgesehen, die über einen Energy-Harvester wiederaufgeladen wird (Fig. 1).
Der Energy-Harvester wird entsprechend den Umgebungsbedingungen ausge-
wählt (Absätze [0061]-[0070]).

Die Ermittlung von Potentialen zur Energiegewinnung mit Hilfe eines Testobjekts,
welches in einem Umfeld bewegt wird, die vorhandenen Energiegewinnungspo-
tentiale aufzeichnet, und zur Auswahl eines geeigneten Energy-Harvesters an
eine Datenverarbeitungseinheit übermittelt, ist der D1 nicht zu entnehmen.

Aus der D2 ist eine Vorrichtung zur Überwachung der Lagerung und des
Transports von Gütern zu entnehmen (Zusammenfassung). Die Vorrichtung kann
bspw. an der Verpackung angebracht sein (Fig. 3) und verfügt über Sensoren,
eine Stromversorgung, eine Logik, einen Speicher und eine Datenübertragungs-
schnittstelle (Absätze [0024], [0025], Fig. 1). Mit den Sensoren werden die Um-
weltbedingungen gemessen, gespeichert und in der Logik ausgewertet (Absät-
ze [0028]-[0030]). Aufgrund der ermittelten Daten kann der Zustand der Ware an-
gezeigt werden (Absatz [0030]). Die Vorrichtung besitzt eine eigene Energiequelle,
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die über eine Antenne mit zugehöriger Spule aufgeladen werden kann (Ab-
satz [0025]).

Eine Auswahl eines geeigneten Energy-Harvesters aufgrund der von einem Test-
objekt, welches in einem Umfeld bewegt wird, aufgezeichneten Energiepotentiale
ist der D2 nicht zu entnehmen.

Somit waren aus dem belegten Stand der Technik zwar Verfahren bekannt, mit
denen Umweltbedingungen aufgezeichnet werden und mit denen eine autarke
Stromversorgung über einen Energy-Harvester erfolgt.
Keiner der im Verfahren genannten Druckschriften zeigt jedoch das Positionieren
und das Bewegen eines Testobjekts in einem Umfeld zum Aufzeichnen der Ener-
giegewinnungspotentiale sowie die anschließende Auswahl eines geeigneten
Energy-Harvesters aufgrund der ermittelten Daten.

Eine solche Lehre war dem Fachmann durch diese Druckschriften auch nicht
nahegelegt.

4. Der Anspruch 1 ist somit gewährbar. Die abhängigen Ansprüche 2 bis 8 be-
treffen nicht selbstverständliche Ausgestaltungen des Verfahrens und sind eben-
falls gewährbar.

Auch die übrigen Voraussetzungen für eine Patenterteilung sind erfüllt.

Rechtsmittelbelehrung

Gegen diesen Beschluss steht den am Beschwerdeverfahren Beteiligten das Rechtsmittel
der Rechtsbeschwerde zu. Da der Senat die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen hat, ist
sie nur statthaft, wenn gerügt wird, dass

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1. das beschließende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war,
2. bei dem Beschluss ein Richter mitgewirkt hat, der von der Ausübung des
Richteramtes kraft Gesetzes ausgeschlossen oder wegen Besorgnis der Befan-
genheit mit Erfolg abgelehnt war,
3. einem Beteiligten das rechtliche Gehör versagt war,
4. ein Beteiligter im Verfahren nicht nach Vorschrift des Gesetzes vertreten war,
sofern er nicht der Führung des Verfahrens ausdrücklich oder stillschweigend
zugestimmt hat,
5. der Beschluss aufgrund einer mündlichen Verhandlung ergangen ist, bei der die
Vorschriften über die Öffentlichkeit des Verfahrens verletzt worden sind, oder
6. der Beschluss nicht mit Gründen versehen ist.

Die Rechtsbeschwerde ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlusses beim
Bundesgerichtshof, Herrenstr. 45 a, 76133 Karlsruhe, durch einen beim Bundesgerichts-
hof zugelassenen Rechtsanwalt als Bevollmächtigten schriftlich einzulegen.


Dr. Morawek Eder Dr. Thum-Rung Hoffmann

Ko



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