17 W (pat) 31/15  - 17. Senat (Techn.Beschw.)
Karar Dilini Çevir:

BPatG 154
05.11

BUNDESPATENTGERICHT



17 W (pat) 31/15
_______________
(Aktenzeichen)



Verkündet am
4. Juli 2017





B E S C H L U S S

In der Beschwerdesache

betreffend die Patentanmeldung 10 2013 100 855.0 - 53








hat der 17. Senat (Technischer Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf
die mündliche Verhandlung vom 4. Juli 2017 unter Mitwirkung des Vorsitzenden
Richters Dipl.-Phys. Dr. Morawek, der Richterin Eder, des Richters
Dipl.-Ing. Baumgardt und des Richters Dipl.-Ing. Hoffmann
- 2 -
beschlossen:

Auf die Beschwerde der Anmelderin wird der Beschluss der Prü-
fungsstelle für Klasse G 06 F des Deutschen Patent- und Marken-
amts vom 19. Juni 2015 aufgehoben und das Patent mit folgenden
Unterlagen erteilt:

Patentansprüche 1 bis 9 und
Beschreibung Seiten 1, 1a bis 5, jeweils überreicht in der mündli-
chen Verhandlung,
Beschreibung Seiten 6 bis 21 und
3 Blatt Zeichnungen mit Figuren 1 bis 3, jeweils vom Anmeldetag.


G r ü n d e

I.

Die vorliegende Patentanmeldung wurde am 29. Januar 2013 beim Deutschen
Patent- und Markenamt in deutscher Sprache eingereicht unter der Bezeichnung

„ Eingabegerät und Verfahren zur Vergrößerung eines Anzeigebildes “

Die Anmeldung wurde durch Beschluss der Prüfungsstelle für Klasse G 06 F des
Deutschen Patent- und Markenamts in der Anhörung vom 19. Juni 2015 mit der
Begründung zurückgewiesen, dass der jeweilige Gegenstand des Hauptanspruchs
des Hauptantrags und der (damals geltenden) drei Hilfsanträge mangels erfinde-
rischer Tätigkeit nicht gewährbar sei, weil er sich in naheliegender Weise aus der
Druckschrift D1 (s. u.) ergebe.
- 3 -
Gegen diesen Beschluss ist die Beschwerde der Anmelderin gerichtet. Sie hat im
Beschwerdeverfahren ein geändertes Patentbegehren eingereicht und die Be-
schreibung daran angepasst und stellt den Antrag,

den angefochtenen Beschluss aufzuheben und das nachgesuchte
Patent mit folgenden Unterlagen zu erteilen:

Patentansprüche 1 bis 9 und Beschreibung Seiten 1, 1a bis 5, je-
weils überreicht in der mündlichen Verhandlung,
Beschreibung Seiten 6 bis 21 und 3 Blatt Zeichnungen mit Figu-
ren 1 bis 3, jeweils vom Anmeldetag.

Das geltende Patentbegehren lautet, hier bei den unabhängigen Patentansprü-
chen 1, 4, 6 und 9 mit einer Merkmalsgliederung versehen, und mit einer redaktio-
nellen Korrektur in Merkmal (6f) („Kombinationstasten-Signale“):

(1a) 1. Verfahren zur Vergrößerung eines Anzeigebildes
eines Computers (9), auf dem eine Anwendungssoftware
installiert ist, die eine Softwarelupe zur Verfügung stellt,

(1b) mittels eines Eingabegeräts (1), das eine Steuereinheit (10),
eine Eingabeeinheit (12) mit einer Funktionstaste (120) und
eine Verbindungsschnittstelle (14) aufweist,

(1c) wobei die Eingabeeinheit (12) über die Steuereinheit (10) mit
der Verbindungsschnittstelle (14) gekoppelt ist und wobei
das Eingabegerät (1) über die Verbindungsschnittstelle (14)
an den Computer (9) angeschlossen ist,

wobei bei dem Verfahren:
- 4 -
(1d) die Anwendungssoftware eine Versionsinformation des Be-
triebssystems empfängt und einen die Versionsinformation
enthaltenden Mitteilungsbefehl erzeugt,

(1e) das Eingabegerät (1) den Mitteilungsbefehl des Compu-
ters (9) empfängt (S101), wobei der Mitteilungsbefehl einen
Hinweis gibt, ob das Betriebssystem des Computers eine
Systemlupe zur Verfügung stellt (S103);

(1f) wobei, wenn das Betriebssystem die Systemlupe zur Verfü-
gung stellt, in Reaktion auf ein Drücken der Funktionstas-
te (120) die Steuereinheit (10) des Eingabegeräts (1) dem
Computer (9) eine erste Vergrößerungsanweisung erteilt
(S105), durch die die Systemlupe des Betriebssystems zur
Vergrößerung des Anzeigebildes aktiviert wird (S107),

(1g) wobei die erste Vergrößerungsanweisung ein Kombinations-
tasten-Signal zum Aktivieren der Systemlupe, ein Zeitverzö-
gerungssignal und ein Kombinationstasten-Signal zur Ein-
stellung der Systemlupe enthält; und

(1h) wobei, wenn das Betriebssystem keine Systemlupe zur Ver-
fügung stellt, in Reaktion auf ein Drücken der Funktionstas-
te (120) die Steuereinheit (10) des Eingabegeräts (1) dem
Computer (9) eine zweite Vergrößerungsanweisung erteilt
(S109), durch die die Softwarelupe zur Vergrößerung des
Anzeigebildes aktiviert wird (S111).

2. Verfahren nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet,
dass die Anwendungssoftware die zweite Vergrößerungsan-
weisung empfängt und die Softwarelupe aktiviert.
- 5 -
3. Verfahren nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet,
dass es sich bei der zweiten Vergrößerungsanweisung um
Maustastensignale oder vom Hersteller vorgegebene Befehle
handelt.

(4a) 4. Verfahren zur Vergrößerung eines Anzeigebildes
eines Computers (9), auf dem eine Anwendungssoftware
installiert ist, die eine Softwarelupe zur Verfügung stellt,

(4b) mittels eines Eingabegeräts, das eine Steuereinheit (10),
eine Eingabeeinheit (12) mit einer Funktionstaste (120) und
eine Verbindungsschnittstelle (14) aufweist,

(4c) wobei die Eingabeeinheit (12) über die Steuereinheit (10) mit
der Verbindungsschnittstelle (14) gekoppelt ist und wobei
das Eingabegerät (1) über die Verbindungsschnittstelle (14)
an den Computer (9) angeschlossen ist,

wobei bei dem Verfahren:

(4d) die Anwendungssoftware eine Versionsinformation des Be-
triebssystems empfängt und einen die Versionsinformation
enthaltenden Mitteilungsbefehl erzeugt,

(4e) das Eingabegerät (1) den Mitteilungsbefehl des Compu-
ters (9) empfängt, wobei der Mitteilungsbefehl einen Hinweis
gibt, ob das Betriebssystem des Computers (9) eine System-
lupe zur Verfügung stellt;

(4f) ein Einstellungswert vorgesehen ist;
- 6 -
(4g) wobei, wenn das Betriebssystem die Systemlupe zur Verfü-
gung stellt, die Steuereinheit (10) des Eingabegeräts (1) dem
Computer (9) in Reaktion auf ein Drücken der Funktionstas-
te (120) und gemäß dem Einstellungswert eine erste oder
eine zweite Vergrößerungsanweisung erteilt,

(4h) wobei der Einstellungswert bestimmt, ob die erste oder die
zweite Vergrößerungsanweisung zur Vergrößerung des An-
zeigebildes eingesetzt wird;

(4i) wobei, wenn das Betriebssystem keine Systemlupe zur Ver-
fügung stellt, in Reaktion auf ein Drücken der Funktionstas-
te (120) die Steuereinheit (10) des Eingabegeräts (1) dem
Computer (9) die zweite Vergrößerungsanweisung erteilt;
und

(4j) wobei die Systemlupe des Betriebssystems durch die erste
Vergrößerungsanweisung aktiviert wird, um das Anzeigebild
zu vergrößern, wobei die Softwarelupe durch die zweite Ver-
größerungsanweisung aktiviert wird, um das Anzeigebild zu
vergrößern,

(4k) und wobei die erste Vergrößerungsanweisung ein Kombina-
tionstasten-Signal zum Aktivieren der Systemlupe, ein Zeit-
verzögerungssignal und ein Kombinationstasten-Signal zur
Einstellung der Systemlupe enthält.

5. Verfahren nach Anspruch 4, dadurch gekennzeichnet,
dass es sich bei der zweiten Vergrößerungsanweisung um
Maustastensignale oder vom Hersteller vorgegebene Befehle
handelt.
- 7 -
(6a) 6. Verfahren zur Vergrößerung eines Anzeigebildes ei-
nes Computers (9), auf dem eine Anwendungssoftware
installiert ist, die eine Softwarelupe zur Verfügung stellt,

(6b) mittels eines Eingabegeräts, das eine Steuereinheit (10),
eine Eingabeeinheit (12) mit einer Funktionstaste (120) und
eine Verbindungsschnittstelle (14) aufweist,

(6c) wobei die Eingabeeinheit (12) über die Steuereinheit (10) mit
der Verbindungsschnittstelle (14) gekoppelt ist und wobei
das Eingabegerät (1) über die Verbindungsschnittstelle (14)
an den Computer (9) angeschlossen ist,

wobei bei dem Verfahren:

(6d) festgestellt wird, ob das Betriebssystem des Computers (9)
eine Systemlupe zur Verfügung stellt (S203) anhand eines
von dem Computer (9) gesendeten und über die Verbin-
dungsschnittstelle (14) empfangenen Übertragungssignals;

(6e) wobei, wenn das Betriebssystem die Systemlupe zur Verfü-
gung stellt, in Reaktion auf ein Drücken der Funktionstas-
te (120) die Steuereinheit (10) des Eingabegeräts (1) dem
Computer (9) eine erste Vergrößerungsanweisung erteilt
(S205), durch die der Computer (9) die Systemlupe des Be-
triebssystems zur Vergrößerung des Anzeigebildes aktiviert
(S207),


(6f) wobei die erste Vergrößerungsanweisung ein Kombinations-
tasten-Signal zum Aktivieren der Systemlupe, ein Zeitverzö-
- 8 -
gerungssignal und ein Kombinationstasten-Signale zur Ein-
stellung der Systemlupe enthält; und

(6g) wobei, wenn das Betriebssystem keine Systemlupe zur Ver-
fügung stellt, in Reaktion auf ein Drücken der Funktionstas-
te (120) die Steuereinheit (10) des Eingabegeräts (1) dem
Computer (9) eine zweite Vergrößerungsanweisung erteilt
(S209), durch die die Softwarelupe zur Vergrößerung des
Anzeigebildes aktiviert wird (S211).

7. Verfahren nach Anspruch 6, dadurch gekennzeichnet,
dass die Anwendungssoftware die Softwarelupe aktiviert,
wenn diese die zweite Vergrößerungsanweisung empfängt.

8. Verfahren nach Anspruch 6, dadurch gekennzeichnet,
dass es sich bei der zweiten Vergrößerungsanweisung um
Maustastensignale oder vom Hersteller vorgegebene Befehle
handelt.

(9a) 9. Eingabegerät (1) zur Vergrößerung eines Anzeige-
bildes eines Computers (9), das Folgendes aufweist:

(9b) eine Steuereinheit (10); eine Eingabeeinheit (12), die an die
Steuereinheit (10) angeschlossen ist und eine Funktionstas-
te (120) aufweist; und eine Verbindungsschnittstelle (14), die
an die Steuereinheit (10) angeschlossen ist;

(9c) wobei auf dem Computer (9) eine Anwendungssoftware in-
stalliert ist, die eine Softwarelupe zur Verfügung stellt, und
die Anwendungssoftware eine Versionsinformation eines Be-
- 9 -
triebssystems des Computers (9) empfängt und einen die
Versionsinformation enthaltenden Mitteilungsbefehl erzeugt,

(9d) wobei, wenn die Verbindungsschnittstelle (14) des Eingabe-
geräts (1) mit dem Computer (9) verbunden ist, die Steuer-
einheit (10) den Mitteilungsbefehl empfängt und erfasst, ob
das Betriebssystem des Computers (9) eine Systemlupe zur
Verfügung stellt;

(9e) wobei, wenn das Betriebssystem die Systemlupe zur Verfü-
gung stellt, in Reaktion auf ein Drücken der Funktionstas-
te (120) die Steuereinheit (10) des Eingabegeräts (1) dem
Computer (9) eine erste Vergrößerungsanweisung erteilt,
durch die die Systemlupe des Betriebssystems zur Vergrö-
ßerung des Anzeigebildes des Computers (9) aktiviert wird,

(9f) wobei die erste Vergrößerungsanweisung ein Kombinations-
tasten-Signal zum Aktivieren der Systemlupe, ein Zeitverzö-
gerungssignal und ein Kombinationstasten-Signal zur Ein-
stellung der Systemlupe enthält; und

(9g) wobei, wenn das Betriebssystem keine Systemlupe zur Ver-
fügung stellt, in Reaktion auf ein Drücken der Funktionstas-
te (120) die Steuereinheit (10) des Eingabegeräts (1) dem
Computer (9) eine zweite Vergrößerungsanweisung erteilt,
durch die die Softwarelupe zur Vergrößerung des Anzeige-
bildes aktiviert wird.

Dem Patentbegehren soll gemäß der geltenden Beschreibung (Seite 1 Zeile 19
bis 21) – sinngemäß – die Aufgabe zugrundeliegen, ein Eingabegerät und ein
Verfahren zur Vergrößerung eines Anzeigebildes eines Computers zu schaffen,
- 10 -
das durch einfache Maßnahmen möglicherweise auftretende Schwierigkeiten beim
genauen Betrachten von Zeichnungen und Schriftzeichen auf einem Bildschirm
vermeidet.


II.

Die Beschwerde wurde rechtzeitig eingelegt und ist auch sonst zulässig. Sie hat
auch Erfolg, da das geltende Patentbegehren durch den bekannt gewordenen
Stand der Technik nicht vorweggenommen oder nahegelegt ist und auch die übri-
gen Kriterien für eine Patenterteilung erfüllt sind (PatG §§ 1 bis 5, § 34).

1. Die vorliegende Patentanmeldung betrifft ein Verfahren zur Vergrößerung
eines Anzeigebildes eines Computers sowie ein dafür ausgelegtes Eingabegerät.

Die Anmeldung geht aus von einem – aus dem Stand der Technik bekannten –
Programm bzw. Programmmodul, durch welches das Anzeigebild auf einem Bild-
schirm in einem Ausschnitt vergrößert werden kann (in der Anmeldung durchgän-
gig als „Lupe“ bezeichnet). Dies sei von Bedeutung insbesondere für „Kurzsich-
tige, Altersweitsichtige bzw. Schwachsichtige o. ä. sowie denjenigen, die die
Zeichnungen und die Schriftzeichen auf dem Bildschirm browsen bzw. genau be-
obachten müssen“ (Offenlegungsschrift Absatz [0002]).

Ein solches Lupenprogramm ist bei manchen Betriebssystemen schon als Sys-
tem-Programm vorhanden („Systemlupe“); die Anmeldung nennt dazu beispiels-
weise Windows Vista. Ältere Betriebssysteme weisen i. d. R. kein solches System-
programm auf (vgl. Absatz [0019]); jedoch kann zur Abhilfe auf Anwendungspro-
gramme zurückgegriffen werden, die eine ähnliche Lupenfunktion bereitstellen
(„Softwarelupe“).
- 11 -
Nach dem Stand der Technik müsste sich der Computer-Benutzer nun darum
kümmern, ob das von ihm verwendete Betriebssystem eine „Systemlupe“ zur Ver-
fügung stellt, oder ob er ein eigenes Lupenprogramm („Softwarelupe“) starten
muss, und welche Steuerbefehle an das jeweilige Programm zu übermitteln sind.

Hier will die Anmeldung dem Benutzer das Leben erleichtern, indem sie vor-
schlägt, die erforderlichen Maßnahmen als Arbeitsschritte auf die Steuereinheit
eines Eingabegerätes (z. B. Tastatur, Computer-Maus oder Grafiktablett, siehe
Absatz [0017]) zu verlagern.

Grundsätzlich geht die Anmeldung davon aus, dass das Eingabegerät eine Funkti-
onstaste aufweist, welche als „Vergrößerungstaste“ dient, d. h. der Benutzer
drückt diese Taste, wenn er eine Vergrößerung wünscht (siehe Absätze [0022],
[0027], [0047], [0048]). Die beanspruchte Idee besteht nun darin, dass das Einga-
begerät unterscheidet, ob das aktive Betriebssystem eine Systemlupe bereitstellt
oder nicht, und eine (davon abhängige, i. d. R. unterschiedliche) Folge von Tas-
tensignalen beim Drücken der Vergrößerungstaste abgibt, wodurch entweder die
erkannte Systemlupe aktiviert wird oder andernfalls die Softwarelupe.

Dabei ist gemäß Patentanspruch 1 vorgesehen, dass ein Anwendungsprogramm,
welches die Softwarelupe zur Verfügung stellt, einen Mitteilungsbefehl an das Ein-
gabegerät sendet, welcher „einen Hinweis gibt“, ob das Betriebssystem eine Sys-
temlupe zur Verfügung stellt. Alternativ ist der nebengeordnete Patentanspruch 6
darauf gerichtet, dass diese Feststellung anhand der Schnittstellen-Übertragungs-
signale, also ohne expliziten Mitteilungsbefehl getroffen werden kann.

Der nebengeordnete Patentanspruch 4 basiert auf Anspruch 1 und sieht darüber
hinaus einen „Einstellwert“ vor, mit welchem der Benutzer festlegen kann, ob ggf.
trotz einer erkannten Systemlupe dennoch die Softwarelupe verwendet werden
soll (siehe dazu Offenlegungsschrift Abs. [0023] / [0024]).
- 12 -
Während mit den Patentansprüchen 1 bis 8 die skizzierten unterschiedlichen
Arbeitsverfahren beansprucht werden, ist der Nebenanspruch 9 auf ein dafür vor-
gesehenes Eingabegerät gerichtet, das den Mitteilungsbefehl des Patentan-
spruchs 1 erkennt und auswertet.

Als Fachmann, der mit der hier zugrundeliegenden Aufgabe betraut wird, die Be-
dienbarkeit eines Computers hinsichtlich der Vergrößerungsfunktion zu erleich-
tern, ist ein Entwicklungsingenieur für Computer-Ein- und Ausgabegeräte und für
deren Treiber-Software mit Fachhochschul-Abschluss und mehrjähriger Berufser-
fahrung anzusehen.

2. Das geltende Patentbegehren ist zulässig. Die nunmehr geltenden Patent-
ansprüche bleiben innerhalb des Rahmens der ursprünglichen Offenbarung. Die
Beschreibung ist entsprechend angepasst. Auch andere Mängel liegen nicht vor.

2.1 Zum Patentanspruch 1

Der geltende Patentanspruch 1 geht zurück auf den ursprünglichen Patentan-
spruch 1 bzw. auf Figur 1, unter Hinzunahme der Merkmale der ursprünglichen
Unteransprüche 2 (Merkmal (1d)) und 5 (Merkmal (1g)). Die Details des Eingabe-
gerätes gemäß den Merkmalen (1b) und (1c) stützen sich auf Figur 3 und die zu-
gehörige Beschreibung (Offenlegungsschrift Abs. [0044] bis [0046]).

Die Klarstellung, dass „in Reaktion auf ein Drücken der Funktionstaste (120)“ eine
erste bzw. eine zweite Vergrößerungsanweisung erteilt wird (Merkmale (1f), (1h)),
wurde erforderlich, weil die ursprüngliche Formulierung „wobei … eine Funktions-
taste so gedrückt wird, dass das Eingabegerät dem Computer eine erste“ bzw.
„zweite Vergrößerungsanweisung erteilt“, in hohem Maße missverständlich ist.
Z. B. aus Absatz [0011] („Durch Drücken einer Funktionstaste gibt das Eingabege-
rät dem Computer eine erste bzw. eine zweite Vergrößerungsanweisung ab“), und
weil eine konkrete entgegenstehende Lehre nirgendwo angegeben ist, lässt sich
- 13 -
jedoch ableiten, dass die Anmeldung nicht eine Lehre für zwei unterschiedliche
Arten des Drückens auf die Funktionstaste („so gedrückt wird, dass …“) gibt, son-
dern dass dasselbe Drücken der Funktionstaste eine erste oder aber eine zweite
Vergrößerungsanweisung auslöst abhängig von der zuvor gestellten Bedingung
(„wenn das Betriebssystem eine“ / „keine Systemlupe unterstützt“).

2.2 Zum Patentanspruch 4

Beim nebengeordneten Patentanspruch 4 stimmen die Merkmale (4a) bis (4e), (4i)
und (4k) mit den Merkmalen (1a) bis (1e), (1h) und (1g) des Patentanspruchs 1
i. W. überein. Das Merkmal (4j) führt Teile der Merkmale (1f) und (1h) zusammen.

An die Stelle des Hauptteils von Merkmals (1f) treten hier die Merkmale (4f), (4g)
und (4h), welche zusätzlich noch auf einen „Einstellungswert“ gerichtet sind, der
im Falle einer erkannten Systemlupe trotzdem die Verwendung einer Softwarelupe
ermöglicht. Dies entspricht der Lehre des ursprünglichen Nebenanspruchs 7 und
ist in den Absätzen [0023] und [0024] näher erläutert.

2.3 Zum Patentanspruch 6

Der nebengeordnete Patentanspruch 6 geht zurück auf den ursprünglichen Pa-
tentanspruch 12. Er stimmt in seinen Merkmalen (6a) bis (6c) und (6e) bis (6g) mit
den Merkmalen (1a) bis (1c) und (1f) bis (1h) des Patentanspruchs 1 i. W. über-
ein.

Das Merkmal (6d) ist im Unterschied zu dem „Mitteilungssignal“ gemäß den Merk-
malen (1d) und (1e) des Patentanspruchs 1 hier darauf gerichtet, dass „anhand
eines von dem Computer (9) gesendeten und über die Verbindungsschnittstel-
le (14) empfangenen Übertragungssignals“ festgestellt wird, ob das Betriebssys-
tem des Computers eine Systemlupe zur Verfügung stellt. Dies entspricht der
- 14 -
Lehre des ursprünglichen Nebenanspruchs 12 und ist in Figur 2 und den Absät-
zen [0032] bis [0037] näher erläutert.

2.4 Zum Patentanspruch 9

Der nebengeordnete Patentanspruch 9 entspricht dem ursprünglichen Patentan-
spruch 17, mit i. W. denselben Ergänzungen und Anpassungen wie beim Patent-
anspruch 1. Die Merkmale (9a) bis (9c) beanspruchen die Lehre der Merkma-
le (1a) bis (1d) des Verfahrens nach dem geltenden Patentanspruch 1 aus der
Perspektive eines dafür ausgelegten Eingabegerätes. Die Merkmale (9d) bis (9g)
stimmen i. W. mit den Merkmalen (1e) bis (1h) des Anspruchs 1 überein.

2.5 Der Unteranspruch 2 entspricht dem zweiten Teil des ursprünglichen Unter-
anspruchs 3. Die Unteransprüche 3, 5 und 8 stimmen mit den ursprünglichen An-
sprüchen 6, 10 und 16 überein, unter Anpassung der Rückbeziehungen. Der Un-
teranspruch 7 entspricht dem zweiten Teil des ursprünglichen Unteranspruchs 13.

2.6 Die Beschreibung wurde in zulässiger Weise daran angepasst, unter Be-
rücksichtigung der Druckschriften D3 und D4 (s. u.) als nahekommender Stand
der Technik.

3. Der Gegenstand der unabhängigen Patentansprüche ist durch den entge-
gengehaltenen Stand der Technik weder vorweggenommen noch nahegelegt.

Folgende Druckschriften wurden im Laufe des Verfahrens zitiert:

D1 US 2010 / 70 912 A1
D2 CN 202 472 583 U
D3 US 2009 / 94 550 A1
D4 US 6 909 423 B2
D5 WO 2012 / 34 524 A1 = US 2013 / 31 277 A1 (D5tr)
- 15 -
D6 WO 2012 / 155 573 A1 = EP 2 770 440 A1 (D6tr)
D7 US 2010 / 281 184 A1
D8 Microsoft OS Descriptors Overview, Version vom 19. Novem-
ber 2012, in Datei: „OS_Desc_Ext_Prop.zip“, https://msdn.
microsoft.com/de-de/windows/hardware/gg463179, abgeru-
fen im März 2017.

3.1 Der Zurückweisungsbeschluss für den damaligen Hauptantrag wurde allein
mit der Druckschrift D1 begründet. Die Argumentation der Prüfungsstelle ist je-
doch nicht nachvollziehbar.

Die D1 befasst sich mit Details eines Bildschirmvergrößerungsprogramms unter
einem Windows-Betriebssystem (siehe Absatz [0002] und Zusammenfassung):
hier soll der Vergrößerungsbereich verschwenkt oder verschoben („panning“) wer-
den können. Gemäß Figur 2 beruht das Programm auf verschiedenen Programm-
Modulen, nämlich einem ausführbaren Programm (magnify.exe) und einem zuge-
ordneten Treiberprogramm (magnification.dll), welche mit Modulen des Betriebs-
systems (wisptis.exe, win32k.sys, dwm.exe) zusammenarbeiten (siehe Absät-
ze [0028] bis [0030]). Mit einem Eingabegerät 110, das beispielsweise eine Maus
sein kann (siehe Absatz [0017]), wird der Bildschirm-Cursor bewegt. Bestimmte
Programmkomponenten verfolgen die Cursor-Bewegung und steuern darüber die
Vergrößerung eines Bildschirmbereichs. Das Vergrößerungs-Programm kann in
drei verschiedenen Modi arbeiten: dem Vollbildschirm-Modus 220, dem Linsen-
Modus 230 und dem Legacy-Modus 240 (siehe Absatz [0028]). Der Legacy-Mo-
dus 240 stellt eine Bildschirm-Vergrößerung mit reduzierter Funktionalität bereit,
wenn bestimmte Dienste (Services) des Betriebssystems, wie z. B. dwm.exe, nicht
zur Verfügung stehen, wie es beispielsweise beim Windows-Logon-Vorgang der
Fall ist.

Insoweit kann das in D1 beschriebene Bildschirmvergrößerungsprogramm als die
„Systemlupe“ der Anmeldung verstanden werden. D1 nennt auch Anwendungs-
- 16 -
programme, die alternativ eine solche Vergrößerung bereitstellen können (Ab-
satz [0002]: „single application“ = „Softwarelupe“). Jedoch findet sich in D1 nichts
darüber, wie wahlweise ein System- oder ein Anwendungs-Vergrößerungspro-
gramm aktiviert würde. Insbesondere fehlt eine Lehre, dass der Computer einen
Hinweis an das Eingabegerät senden würde, ob das Betriebssystem eine System-
lupe besitzt oder nicht. Es ist nicht einmal ein Hinweis zu finden, dass die Aktivie-
rung des Lupenprogramms durch das Eingabegerät erfolgen könnte.

Im Zurückweisungsbeschluss (Seite 8 oben) verweist der Prüfer zu den entspre-
chenden Merkmalen (dass der Computer einen Hinweis an das Eingabegerät sen-
den soll, ob das Betriebssystem eine Systemlupe besitzt oder nicht) auf die Ab-
sätze [0028]), [0027]) und [0022] („In some contexts (e.g., during logon) such
components may not be available and the rendering component 160 produces the
magnified view.“). Hier ist aber allenfalls eine Unterscheidung entnehmbar, ob alle
Services des Betriebssystems verfügbar sind (mit einer ggf. darauf folgenden Akti-
vierung des Legacy Modus). Selbst wenn man diese Unterscheidung, die ja im
Computer erfolgt, mit der anmeldungsgemäßen Unterscheidung im Eingabegerät,
ob eine Systemlupe verfügbar ist oder nicht, gleichsetzen wollte (was schon sehr
fragwürdig erscheint) – so ändert das nichts daran, dass gemäß D1 nicht das Ein-
gabegerät davon abhängig unterschiedliche Anweisungen erteilt und damit unter-
schiedliche Vergrößerungsprogramme aktiviert. Die Druckschrift D1 steht sonach
nicht entgegen.

3.2 Auch die übrigen zitierten Druckschriften nehmen die nunmehr beanspruch-
te Lehre nicht vorweg und legen sie auch nicht nahe.

Aus Druckschrift D2 ist eine Computer-Maus bekannt, die einen Touchscreen mit
Tastenfeldern hat, wobei eines der Tastenfelder für die Funktionalität „amplifica-
tion“ vorgesehen ist (in der Beschreibung auch als „zoom key 2“ oder „enlarge-
ment key 2“ bezeichnet). Dies könnte möglicherweise als Nachweis dienen, dass
Eingabegeräte mit Tasten zum Aktivieren einer „Zoom-Funktion“ bekannt waren.
- 17 -
Eine Unterscheidung der zu sendenden Tastencodes abhängig vom Betriebs-
system des Computers wird in D2 jedoch weder erwähnt noch angeregt.

Die D3 beschreibt ein Bildvergrößerungsprogramm (siehe Figur 5A/ 5B, 6A/ 6B),
welches unter einem Windows-Betriebssystem läuft. Gemäß Absatz [0007] sind
Anwendungs-Lupenprogramme (im Sinne einer „Software-Lupe“) bekannt, die
aber unterschiedlich arbeiten und unterschiedliche Tasten („hot key“) oder Tasten-
kombination zur Aktivierung benutzen. Das in D3 vorgeschlagene Lupenprogramm
benutzt gemäß den Absätzen [0009], [0034] („the Windows operating system
executes a window zooming process“) und [0046] Teile des Betriebssystems, so
dass es für unterschiedliche Anwendungsprogramme genutzt werden kann. Daher
könnte es als „Systemlupe“ zu verstehen sein. Zur Aktivierung ist eine besondere
Taste („hot key“) oder Tastenkombination definiert, die auf dem Eingabegerät des
Computers gedrückt werden muss (Absätze [0034], [0037]: z. B. „Ctrl“ + „Page
Up“). Gemäß Absatz [0034] Zeile 12 kann der „hot key“ ausdrücklich auch eine
einzelne Taste („single key“) im Sinne der beanspruchten „Funktionstaste“ des
Eingabegeräts sein. Damit ist die Situation vorbeschrieben, von der die Anmel-
dung ausgeht. Es ist jedoch keine Prüfung beschrieben, ob das Betriebssystem
überhaupt eine Systemlupe aufweist, und auch kein entsprechender Hinweis des
Computers an das Eingabegerät. Ferner gibt D3 keine Anregung, dass das Ein-
gabegerät abhängig vom Vorhandensein einer System- oder Softwarelupe unter-
schiedliche Vergrößerungsanweisungen an den Computer senden sollte.

Die Druckschrift D4 beschreibt ein Eingabegerät (keypad, siehe Figur 3 / Figur 8),
welches beim Anschluss an einen Computer von diesem ein „Signal“ (Spalte 4
Zeile 4) erhält oder einen Datenaustausch mit ihm durchführt (Spalte 4 Zeile 52),
um davon abhängig das Betriebssystem des Computers zu bestimmen und das
Eingabegerät in einen mit dem erkannten Betriebssystem kompatiblen Betriebs-
modus zu bringen (siehe D4 Zusammenfassung, Spalte 4 Zeile 3 bis 8, Zeile 50
bis 61). Jedoch wird hier kein Rückschluss auf das Vorhandensein einer „System-
- 18 -
lupe“ gezogen, und entsprechend wird auch keine Sendung von konkreten, ggf.
unterschiedlichen Vergrößerungsanweisungen gelehrt.

Ähnliche Lehren zur Erkennung des Betriebssystems eines angeschlossenen
Computers sind den vorveröffentlichten Druckschriften D5 und D6 entnehmbar
(zum besseren Verständnis wurden die nachveröffentlichten Übersetzungen D5tr
und D6tr herangezogen), ohne dass aber ein darüber hinausgehender Bezug zum
Gegenstand der Anmeldung herstellbar wäre.

Die Druckschrift D7 wurde zu einem vormals geltenden Hilfsantrag entgegenge-
halten. Aus ihr ist ein Eingabegerät (Maus 1) bekannt, welches „eine Reihe von
Kombinationstasten-Signalen“ oder „Maustastensignale“ speichern und auf Tas-
tendruck abgeben kann, siehe dort insbesondere Zusammenfassung / Ab-
satz [0020].

Die Druckschrift D8 stammt von der Fa. Microsoft und diente hinsichtlich der Be-
griffe OS_Descriptors und OS_STRING zur Erläuterung, dass die Lehre der Ab-
sätze [0031] bis [0034] der Anmeldung zumindest missverständlich formuliert ist.

Zusammenfassend ist keiner dieser Druckschriften eine Lehre entnehmbar, dass
ein Eingabegerät abhängig von einer Erkennung des Betriebssystems des ange-
schlossenen Computers auf das Drücken einer Funktionstaste hin ggf. unter-
schiedliche Vergrößerungsanweisungen an den Computer senden sollte. Wenn
auch der Fachmann diesbezüglich aus den zitierten Schriften die eine oder andere
Anregung erhält, so wären in jedem Fall mehrere gedankliche Schritte erforderlich
gewesen, um bis hin zur Lehre eines der unabhängigen Patentansprüche 1, 4, 6
und 9 zu gelangen. Die beanspruchte Lehre lag daher für den Fachmann nicht
nahe.

4. Die geltenden Patentansprüche 1, 4, 6 und 9 sind sonach gewährbar. Die
Unteransprüche 2, 3, 5, 7 und 8 sind in Verbindung mit dem jeweils übergeordne-
- 19 -
ten Anspruch ebenfalls gewährbar. Nach der von der Anmelderin durchgeführten
Anpassung der Beschreibung liegen für eine Patenterteilung geeignete Unterlagen
vor.


Rechtsmittelbelehrung

Gegen diesen Beschluss steht den am Beschwerdeverfahren Beteiligten das
Rechtsmittel der Rechtsbeschwerde zu. Da der Senat die Rechtsbeschwerde nicht
zugelassen hat, ist sie nur statthaft, wenn gerügt wird, dass

1. das beschließende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war,
2. bei dem Beschluss ein Richter mitgewirkt hat, der von der Ausübung des
Richteramtes kraft Gesetzes ausgeschlossen oder wegen Besorgnis der
Befangenheit mit Erfolg abgelehnt war,
3. einem Beteiligten das rechtliche Gehör versagt war,
4. ein Beteiligter im Verfahren nicht nach Vorschrift des Gesetzes vertreten
war, sofern er nicht der Führung des Verfahrens ausdrücklich oder still-
schweigend zugestimmt hat,
5. der Beschluss aufgrund einer mündlichen Verhandlung ergangen ist, bei
der die Vorschriften über die Öffentlichkeit des Verfahrens verletzt worden
sind, oder
6. der Beschluss nicht mit Gründen versehen ist.
- 20 -
Die Rechtsbeschwerde ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlus-
ses beim Bundesgerichtshof, Herrenstr. 45 a, 76133 Karlsruhe, durch einen beim
Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt als Bevollmächtigten schriftlich
einzulegen.


Dr. Morawek Eder Baumgardt Hoffmann

Ko



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