17 W (pat) 30/15  - 17. Senat (Techn.Beschw.)
Karar Dilini Çevir:

ECLI:DE:BPatG:2017:191217B17Wpat30.15.0


BUNDESPATENTGERICHT



17 W (pat) 30/15
_______________
(Aktenzeichen)



Verkündet am
19. Dezember 2017





B E S C H L U S S

In der Beschwerdesache

betreffend das Patent 10 2005 007 533



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hat der 17. Senat (Technischer Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf
die mündliche Verhandlung vom 19. Dezember 2017 unter Mitwirkung des
Vorsitzenden Richters Dipl.-Phys. Dr. Morawek, der Richterinnen Eder und
Dipl.-Phys. Dr. Thum-Rung sowie des Richters Dipl.-Ing. Hoffmann

beschlossen:

1. Auf die Beschwerden der Einsprechenden 1 und 2 wird der
Beschluss der Patentabteilung 51 des Deutschen Patent- und
Markenamts vom 6. Mai 2015 aufgehoben.

Das deutsche Patent 10 2005 007 533 wird widerrufen.

2. Die Beschwerde der Patentinhaberin wird zurückgewiesen.

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G r ü n d e

I.

Auf die am 17. Februar 2005 beim Deutschen Patent- und Markenamt unter Bean-
spruchung einer britischen Priorität vom 18. Februar 2004 eingegangene Patent-
anmeldung 10 2005 007 533.9-51 der P… GmbH in
F…, C…, …, ist am 19. November 2010 durch Beschluss der Prü-
fungsstelle für Klasse G02B das Patent unter der Bezeichnung

„Objektträgervorrichtung“

erteilt worden. Veröffentlichungstag der Patenterteilung ist der 31. März 2011.

Gegen das Patent sind zwei Einsprüche erhoben worden. Die Einsprechenden
haben hinsichtlich des Patentgegenstandes mangelnde Neuheit, mangelnde erfin-
derische Tätigkeit sowie unzulässige Erweiterung geltend gemacht (§ 21 Abs. 1
Nr. 1 i. V. m. §§ 1, 3 und 4 sowie § 21 Abs. 1 Nr. 4 PatG).

Die Patentinhaberin hat dem Vorbringen der Einsprechenden widersprochen.

Die Patentabteilung 51 hat mit Beschluss vom 6. Mai 2015 das Patent beschränkt
aufrecht erhalten mit den Patentansprüchen 1 bis 7 gemäß Hilfsantrag 1, einge-
gangen am 6. Mai 2015, sowie Beschreibung und Zeichnungen gemäß Patent-
schrift. Den Gegenstand des erteilten Patentanspruchs 1 hat die Patentabteilung
als nicht neu beurteilt.

Gegen diesen Beschluss wenden sich die Einsprechenden 1 und 2 sowie die
Patentinhaberin mit der Beschwerde.

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Die Einsprechende 1 und Beschwerdeführerin 1 sowie die Einsprechende 2 und
Beschwerdeführerin 2 beantragten,

das angegriffene Patent im vollen Umfang zu widerrufen.

Die Patentinhaberin und Beschwerdeführerin 3 beantragte,

den angegriffenen Beschluss der Patentabteilung aufzuheben und

das Patent gemäß Hauptantrag im erteilten Umfang aufrechtzuer-
halten;

hilfsweise das Patent im Umfang des Hilfsantrags 1 vom
6. Mai 2015 mit den Ansprüchen 1 bis 7 beschränkt aufrechtzuer-
halten;

hilfsweise das Patent im Umfang des Hilfsantrags 2, überreicht in
der mündlichen Verhandlung, mit den Ansprüchen 1 bis 7 be-
schränkt aufrechtzuerhalten.

Im Einspruchs- und Einspruchsbeschwerdeverfahren sind unter anderem folgende
Druckschriften und Unterlagen genannt und eingereicht worden:

D4: Queensgate Instruments, „Digital Controllers NPS3330: Digital
Closed Loop Controller, NPS3110, NPS3220, NPS3330“, mit Copyright-
Vermerk 1997
D14: Queensgate Instruments, „NanoPositioning, Product Overview“,
Ref. No. NP0501, Feb/97
D20: JP 07-325623 A (bereits im Prüfungsverfahren genannt)
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D20a: englische Übersetzung der D20, übersetzt durch das vom japani-
schen Patentamt im Internet zu Verfügung gestellte automatische Überset-
zungsprogramm
D20b: deutsche Übersetzung der D20, eingereicht von der Einsprechen-
den 1.

In der mündlichen Verhandlung hat die Einsprechende 2 eine weitere Kopie der
Druckschrift D4 sowie ein gedrucktes Original der Druckschrift D14 eingereicht.

Die Patentinhaberin bestreitet die öffentliche Zugänglichkeit insbesondere der
Druckschrift D4 vor dem Prioritätstag des Streitpatents. Es bestünden Zweifel
daran, ob alle auf der letzten Seite der D4 genannten Firmen im Jahr 1997 exis-
tiert hätten. Aufgrund dieser falschen Angaben handle es sich bei D4 allenfalls um
einen Entwurf; es sei nicht davon auszugehen, dass D4 im genannten Jahr verteilt
wurde.

Hierzu hat sie folgende Unterlagen eingereicht:

P6: Screenshot einer Internetseite von
„companieshouse.gov.uk“ (britisches Handelsregister) zu
„Queensgate Instruments Limited“
P7: Registerauszüge zu „Queensgate Enterprises Limited“
P8: Schreiben von „Companies House“.

Nach Ansicht der Patentinhaberin ist der Gegenstand des jeweiligen Anspruchs 1
gemäß Hauptantrag und gemäß den Hilfsanträgen 1 und 2 neu und beruht auch
auf erfinderischer Tätigkeit.

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Der erteilte, geltende Patentanspruch 1 gemäß Hauptantrag lautet (unter Hinzufü-
gung einer Merkmalsgliederung):

„1. Objektträgervorrichtung zur Verbesserung der Genauigkeit der Posi-
tionierung eines Mikroskopobjektträgers, bestehend aus:
a) einem Objektträger (14) mit einer eingebauten Speichervorrich-
tung (28),
b) wobei der Objektträger (14) ein feststehendes Teil zum wahlweisen
Verbinden mit einem Mikroskop (12) und eine Plattform aufweist, und
c) die Plattform relativ zum feststehenden Teil beweglich ist,
d) ein Positionierungsmittel (22) zur Positionierung der beweglichen
Plattform relativ zum feststehenden Teil und
e) einen Regler zur Steuerung des Objektträgers (14), wobei
f) die Speichervorrichtung (28) für die Speicherung von Daten, die sich
auf die Positionierung der Plattform beziehen, vorgesehen ist und
g) der Regler (16) so gestaltet ist, dass er das Positionierungsmittel (22)
steuert und in der Lage ist, auf die Daten zuzugreifen, um Positionierungs-
fehler des Objektträgers (14) zu kompensieren.“

Gemäß dem Anspruch 1 nach Hilfsantrag 1 schließen sich hieran folgende Merk-
male an:

h) und wobei die Daten, die in der Speichervorrichtung (28) gespeichert
sind eine Fehlertabelle einschließen, die die Diskrepanzen zwischen einer
wirklichen Position, wie sie von Objektträgerkoordinaten angezeigt wird
und einer Position, die von Motorkoordinaten gezeigt wird, zeigt und
i) im Betrieb die Daten, die in der Fehlertabelle in der Speichervorrich-
tung (28) gespeichert sind zum Ausgleich der Diskrepanzen zwischen den
Motorkoordinaten und den Objektträgerkoordinaten benutzt werden.
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Im Anspruch 1 nach Hilfsantrag 2 ist gegenüber dem Anspruch 1 nach Hilfsan-
trag 1 das Merkmal d) ersetzt durch

d*) ein als Schrittmotor ausgeführtes Positionierungsmittel (22) zur Posi-
tionierung der beweglichen Plattform relativ zum feststehenden Teil und

Zu den jeweiligen nebengeordneten Patentansprüchen, den jeweiligen Unteran-
sprüchen und den weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.


II.

Die Beschwerden sind rechtzeitig eingegangen und auch sonst zulässig. Die Be-
schwerden der Einsprechenden 1 und 2 haben auch Erfolg, da die Gegenstände
des jeweiligen Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag und gemäß den Hilfsanträgen 1
und 2 nicht auf erfinderischer Tätigkeit beruhen. Die Beschwerde der Patentinha-
berin hat dagegen keinen Erfolg.

Die vorangegangenen Einsprüche 1 und 2 waren ebenfalls (unbestritten) zulässig.

1. Das Streitpatent betrifft eine Objektträgervorrichtung, und insbesondere
eine Objektträgervorrichtung zur Verbesserung der Positionierung eines Mikro-
skopobjektträgers (Patentschrift Abs. [0001]).

Mikroskopiersysteme mit motorisierten Mikroskopobjektträgern zur genauen Posi-
tionierung einer Probe, die untersucht werden soll, seien wohl bekannt. Normale
motorisierte Objektträger hätten einen Motor für die Bewegung des Objektträgers
in X-Richtung und einen für die Bewegung in Y-Richtung. Die Motoren würden mit-
tels eines Spezialreglers gesteuert, der an einen herkömmlichen Computer ange-
schlossen sei. Der Objektträger könne dann ein gewünschtes Stück in X- oder
Y-Richtung bewegt werden, entweder automatisch, durch eine Spezialsoftware,
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die auf dem Computer laufe, oder von Hand, mittels eines Joysticks, der für diesen
Zweck vorgesehen sei. Als Antwort auf eine Anweisung der Spezialsoftware oder
des Joysticks gebe der Regler einen Befehl an den entsprechenden Motor, den
Objektträger eine bestimmte Entfernung in die gewünschte Richtung zu bewegen.

Allerdings sei kein Motorantriebsmechanismus perfekt, und deshalb ergäben sich
Diskrepanzen zwischen der gewünschten X/Y-Position und der Position, die von
den Motoren angegeben wird. Zusätzliche Positionierungsfehler träten auf, weil es
schwierig sei, die X- und Y-Motoren auf zueinander perfekt rechtwinkligen Achsen
zu positionieren, und deshalb seien die X-Bewegung und die Y-Bewegung oft nicht
genau senkrecht. Zusätzlich verhalte sich jeder Motor unterschiedlich, und des-
halb zeige jeder motorisierte Objektträger unterschiedliche Diskrepanzen bei
unterschiedlichen Objektträgerpositionen (Abs. [0002], [0003]).

Üblicherweise würden Mikroskopobjektträger während des Aufstellens geeicht, so
dass Positionierungsdiskrepanzen ausgeglichen werden könnten. Die Eichdaten
würden im Computer gespeichert, und die Steuersoftware greife darauf zu um die
Diskrepanzen auszugleichen. Eine bekannte Druckschrift schlage einen Objektträ-
ger mit einer Speichereinrichtung vor, in dem Eichdaten mit Bezug auf ein Elektro-
nenmikroskop, in dem der Objektträger vorgesehen sei, abgelegt seien (Abs.
[0004], [0005]).

Allerdings könne die Bewegung eines motorisierten Objektträgers von einem
Mikroskopiersystem zu einem anderen, beispielsweise um einen defekten Objekt-
träger zu ersetzen, dazu führen, dass falsche Eichdaten verwendet würden, und
deshalb die Positionierung ungenau werde. Die Eichdaten könnten auch als Re-
sultat von Änderungen der Umweltvariablen wie Feuchtigkeit und Temperatur über
die Zeit sehr schnell ungenau werden (Abs. [0006], [0007]).

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Die vorliegende Erfindung habe die Absicht, eine Objektträgervorrichtung zur Ver-
fügung zu stellen, die die obengenannten Probleme überwindet oder zumindest
verringert (Abs. [0008]).

Dies soll gemäß der Streitpatentschrift dadurch erreicht werden, dass die Objekt-
trägervorrichtung folgendermaßen aufgebaut ist:

Die Objektträgervorrichtung besteht aus einem Objektträger mit einer eingebauten
Speichervorrichtung (Merkmal a), einem Positionierungsmittel und einem Regler
zur Steuerung des Objektträgers (Merkmal e). Der Objektträger weist ein festste-
hendes, mit einem Mikroskop verbindbares Teil auf sowie eine relativ zum festste-
henden Teil bewegliche Plattform (Merkmale b, c). Das Positionierungsmittel dient
zur Positionierung der beweglichen Plattform relativ zum feststehenden Teil (Merk-
mal d) und wird vom Regler gesteuert (teilweise Merkmal g). Die Speichervorrich-
tung dient zur Speicherung von Daten, die sich auf die Positionierung der Platt-
form beziehen (Merkmal f); insbesondere können die Daten eine speziell dem
Objektträger zugeordnete Fehlertabelle beinhalten, die Informationen über Posi-
tionierungsfehler des Objektträgers für verschiedene Motorkoordinaten enthält
(Abs. [0063]). Der Regler kann auf diese Daten zugreifen, um Positionierungsfeh-
ler des Objektträgers zu kompensieren (restlicher Teil des Merkmals g).

Der Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 1 ist auf die Art der gespeicherten Daten (Feh-
lertabelle mit Positionierungsfehlern) konkretisiert (Merkmal h) sowie darauf, dass
diese Daten im Betrieb zum Ausgleich von Positionierungsfehlern (Diskrepanzen
zwischen den Motorkoordinaten und den Objektträgerkoordinaten) benutzt werden
(Merkmal i).

Gemäß dem Anspruch 1 nach Hilfsantrag 2 ist zudem das Positionierungsmittel
als Schrittmotor ausgeführt (Merkmal d*).

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Als Fachmann ist hier ein Physiker oder ein Ingenieur der Elektrotechnik, Fein-
werktechnik oder verwandter Fachrichtungen anzusehen mit Erfahrung auf dem
Gebiet der Positionierungssysteme für die Mikroskopie einschließlich deren Rege-
lung.

2. Die Gegenstände des jeweiligen Patentanspruchs 1 gemäß Hauptantrag
und gemäß den Hilfsanträgen 1 und 2 beruhen nicht auf erfinderischer Tätigkeit.

Für diese Beurteilung sind die Druckschriften D4 und D20 von besonderer Bedeu-
tung.

2.1. Nach Ansicht des Senats bestehen bei vernünftiger Betrachtung keine
Zweifel daran, dass die Druckschrift D4 vor dem Prioritätstag des Streitpatents der
Öffentlichkeit zugänglich war.

Nach Art und Aufmachung der Druckschrift D4 handelt es sich um eine Produktin-
formation in Form eines gedruckten Prospekts. In der gut lesbaren Kopie der D4,
welche in der mündlichen Verhandlung eingereicht wurde, ist auf der letzten Seite
der Copyright-Vermerk „Queensgate Instruments Limited 1997“ eindeutig erkenn-
bar.
Für die Korrektheit dieser Angaben in D4 spricht auch der in der mündlichen Ver-
handlung im gedruckten Original eingereichte Prospekt D14, in welchem auf der
vorletzten Seite die in D4 abgehandelten, für Nano-Positionsgeräte vorgesehenen
„Digital Closed Loop Controllers“ NPS3110, NPS3220 und NPS3330 vorgestellt
werden; auf der letzten Seite der Original-D14 ist wiederum der Copyright-Vermerk
„Queensgate Instruments Limited 1997“ eindeutig erkennbar.

Für derartige Prospekte ist es typisch, dass sie zeitnah zu ihrem Druckdatum an
einen unbeschränkten Kundenkreis verteilt werden. Da zudem zwischen dem Da-
tum der D4 (1997) und dem Prioritätsjahr des Streitpatents (2004) mehrere Jahre
liegen, ist prima facie von der öffentlichen Zugänglichkeit auszugehen; vgl.
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Schulte, Patentgesetz, 10. Auflage, § 59 Rdn. 96 sowie Keukenschrijver/Busse,
PatG, 8. Aufl., § 3 Rdn. 204 (m. w. N.).

Nachdem auch keinerlei Anhaltspunkte für eine Manipulation der D4 ersichtlich
sind, hat der Senat keinen Zweifel daran, dass diese Druckschrift vor dem Priori-
tätstag des Streitpatents der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wurde.

Die von der Patentinhaberin und Beschwerdeführerin 3 eingereichten Auszüge
aus dem britischen Handelsregister P6 und P7 sowie das amtliche Schreiben P8
können diese Beurteilung nicht in Frage stellen.

P6, P7 und P8 betreffen Firmen, die zwar (unter anderem) die Bezeichnung
„Queensgate“ im Namen tragen, jedoch entweder bereits 1992 aufgelöst wurden
(P7, P8) oder erst im Jahre 2001 eingetragen wurden (P6). Diese Dokumente
sagen weder etwas über die Existenz noch über die Nicht-Existenz einer oder
mehrerer der auf der letzten Seite der D4 angegebenen Firmen im Jahre 1997
aus, zumal aus ihnen nicht hervorgeht, ob sie die vollständigen diesbezüglichen
Datenbestände wiedergeben (vgl. P8 „We may still hold records for this company
but they would be on a DVD of Archived Information ...“).

2.2. Die Gegenstände des jeweiligen Patentanspruchs 1 gemäß Hauptantrag
und gemäß den Hilfsanträgen 1 und 2 waren ausgehend vom aus der Druck-
schrift D20 Bekannten und unter Berücksichtigung der Hinweise in D4 für den
Fachmann naheliegend.

Die Druckschrift D20 beschreibt ein Verfahren und eine Vorrichtung zum Steuern
einer verschiebbaren (x,y)-Plattform, wie sie in Steppern und konfokalen Mikro-
skopsystemen verwendbar ist (Abstract, Abs. [0001]); auch die Plattform selbst ist
beschrieben, welche über Positionierungsmittel (D1, D2, D3; EC1, EC2, EC3)
gegenüber einer feststehenden Basis (20) positioniert wird (Fig. 12 und 15) und
somit in Verbindung mit der Basis einen Objektträger im Sinne des Streitpatents
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bildet – Merkmale c), d), e), teilweise a), b), g). Um eine Positionsregelung mit
Hilfe von teuren Laser-Interferenzsensoren zu vermeiden (Abstract, Fig. 15, Abs.
[0017] bis [0020]), schlägt D20 vor, die mit Hilfe einer Referenzmaske gemesse-
nen Abweichungen zwischen der realen Position und der Motorkoordinate für die
verschiedenen Koordinatenwerte der (x,y)-Plattform in einer Fehlertabelle („com-
pensation table“, Fig. 3) zu speichern – Merkmale f), h); im Betrieb wird dann
anhand dieser Fehlertabelle die Position korrigiert (Abstract, Abs. [0022] bis
[0024]) – Merkmal i). Dies wird über eine Verarbeitungseinheit (31) (Regler im
Sinne des Streitpatents) gesteuert (Fig. 1). Die Fehlertabelle ist in einem externen
Speicher (32) gespeichert, auf den von der Verarbeitungseinheit (31) (dem Regler)
zugegriffen wird (Fig. 1, Abs. [0038] ff.) – restlicher Teil des Merkmals g).

Im Unterschied zum Streitpatent ist in D20 die Speichervorrichtung nicht in den
Objektträger eingebaut, zudem ist ein wahlweises Verbinden des feststehenden
Teils des Objektträgers mit dem Mikroskop (im Sinne einer Austauschbarkeit) nicht
ausgewiesen.

Ein Fachmann, der stets bestrebt ist, bekannte Systeme wie die aus D20 be-
kannte Steuerung einer Objektträgervorrichtung im Hinblick auf Modularität mit
Austauschbarkeit von Modulen zu verbessern, konnte sich im Objektträgervorrich-
tungen und deren Steuerungen betreffenden Stand der Technik nach geeigneten
Anregungen hierzu umsehen und hierbei auf die Druckschrift D4 stoßen, welche
eine Steuerung für eine Präzisionsplattform betrifft.

D4 beschreibt Regler mit den Bezeichnungen NPS3110, NPS3220 und NPS3330,
die zum Steuern der „Nanometer Precision Mechanisms“ der Fa. Queensgate vor-
gesehen sind (S. 1 oben). Um eine hohe Präzision in der Positionierung zu errei-
chen, können kapazitive Positionssensoren i. V. m. Rückkopplung eingesetzt wer-
den; alternativ ist ein Betrieb als reine Steuerung möglich („open loop“, letzte Seite
unten). Sowohl im Regler als auch im Nanomechanismus ist ein EEPROM zur
Speicherung von elektronischen Datenblättern (EDS) vorhanden, was ein einfa-
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ches Austauschen von Plattformen („stages“) und Reglern gestattet (S. 1 li. Sp.
fünftletzter Punkt). Die EDS enthalten u. a. Kalibrierdaten, etwa für Rotationsfeh-
ler, und werden beim Einschalten von dem Nanomechanismus (d. h. von der
beweglichen Plattform) in den Regler eingelesen (S. 3 mittl. Sp. oben bis Mitte).

Für den Fachmann, der die Vorrichtung der D20 im Hinblick auf Modularität und
Austauschbarkeit von Modulen verbessern wollte, bot es sich an, gemäß der
Lehre der D4 den Speicher für Fehlerdaten nicht nur in der Steuereinheit, sondern
auch in der Plattform vorzusehen und diese Daten beim Einschalten in die Steuer-
einheit einzulesen, was ein einfaches Austauschen von Plattformen ermöglicht (D4
S. 1 li. Sp. fünftletzter Punkt, S. 3 mittl. Sp.).

Damit war auch der restliche Teil der Merkmale a) und b) für den Fachmann nahe-
liegend.

Bei der durch D20 in Verbindung mit D4 nahegelegten Vorrichtung handelt es sich
damit um eine Objektträgervorrichtung, in der ebenso wie beim Streitpatent durch
eine Fehlertabelle im Objektträger eine gute Genauigkeit der Positionierung erzielt
wird, also eine Verbesserung gegenüber dem in der Streitpatentschrift Abs. [0001]
bis [0005] beschriebenen Stand der Technik – Merkmal 1.

Somit beruhen die Vorrichtungen gemäß dem jeweiligen Anspruch 1 des Hauptan-
trags und des Hilfsantrags 1 nicht auf erfinderischer Tätigkeit.

Dass Schrittmotoren zur Positionierung in Mikroskopobjektträgern eingesetzt wer-
den können, war dem Fachmann aus seinem Fachwissen geläufig, was auch die
Streitpatentschrift selbst in Abs. [0023] bestätigt. Beim Einsatz von Schrittmotoren
in der Vorrichtung der D20 (Merkmal d*) handelt es sich um eine fachübliche Maß-
nahme, die eine erfinderische Tätigkeit nicht begründen kann.

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Somit war auch die Vorrichtung des Anspruchs 1 nach Hilfsantrag 2 für den Fach-
mann naheliegend.

3. Das Vorbringen der Patentinhaberin und Beschwerdeführerin 3 konnte nicht
zu einer anderen Beurteilung führen.

Die Patentinhaberin und Beschwerdeführerin 3 sieht die Unterschiede des Patent-
gegenstands zur D20 in den Merkmalen „Speicher im Objektträger“ und „wahlwei-
ses Verbinden“, welches eine mechanische und eine datentechnische Verbindung
umfasse. Durch diese Kombination werde die vorteilhafte, überraschende Wirkung
bzw. der Synergieeffekt eines geringen Kalibrieraufwands erzielt, da eine Kalibrie-
rung nur einmal durchgeführt werden müsse. Zudem könne der Objektträger aus-
getauscht werden und dann einfach weitergearbeitet werden; damit werde eine
hohe Verfügbarkeit sichergestellt, was für ein Massengerät wichtig sei.

Die grobe Vorrichtung der D20 mit dem großen Objektträger lege eine Austausch-
barkeit nicht nahe. Wenn ein Teil defekt sei, müsse die gesamte Maschine einge-
schickt und repariert werden.
Auch sei die in D20 Abs. [0021] angegebene Aufgabe eine völlig andere als beim
Streitpatent.

D4 S. 3 mittl. Spalte weise lediglich eine Austauschbarkeit zwischen Kanälen und
Steuerungen aus, jedoch keine wahlweise Verbindbarkeit mit Mikroskopen.
Der Fachmann habe keinen Anlass gehabt, ausgehend von D20, welche eine Aus-
tauschbarkeit nicht vorsehe, die Druckschrift D4 heranzuziehen. Zudem handle es
sich beim System der D4 (im Unterschied zu dem relativ einfachen System der
D20) um ein System mit hochgenauer piezoelektrischer Positionierung. Dies sei
zum Prioritätszeitpunkt des Streitpatents eine ganz andere technische Welt gewe-
sen als die der D20, so dass der Fachmann D4 schon aus diesem Grund nicht
herangezogen hätte. Wenn er aber D4 dennoch herangezogen hätte, dann hätte
er das in D4 ausgewiesene „closed loop“-System übernommen, das im Betrieb
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keinen Rückgriff auf eine Fehlertabelle erfordere. Zudem seien in dem Speicher
der D4 nur einzelne Werte („calibration data“) gespeichert, keine Fehlertabellen
wie im Streitpatent.

Außerdem lehre D4, einen Speicher für die Fehlerdaten sowohl in der Steuerung
als auch in der Plattform vorzusehen; im Streitpatent sei dagegen nur ein Speicher
in der Plattform vorhanden.

Dieser Argumentation war nicht zuzustimmen.

Eine der Aufgaben, die sich der Fachmann in der Regel zur Verbesserung von
bestehenden Systemen, auch bei dem aus D20 bekannten System stellt, ist die
modulare Ausgestaltung derart, dass ein Austausch von (z. B. defekten) Modulen
leicht möglich ist. D20 sagt nichts über die Größe des Objektträgers aus, so dass
der Fachmann durch die Größe nicht von derartigen Überlegungen abgehalten
wurde. Auch die in D20 genannte (andere) Aufgabe, welche im System der D20
bereits gelöst ist, spielt hierbei keine Rolle.

Da es, wie der Fachmann ohne Weiteres erkannte, für die Lösung der Aufgabe
„Austauschbarkeit“ nicht primär auf die Art der Positionierung ankommt, sah er
sich auf der Suche nach geeigneten Anregungen im gesamten Objektträgervor-
richtungen und deren Steuerung betreffenden Stand der Technik um, der sowohl
Positioniereinrichtungen mit mittleren Genauigkeiten wie in D20 als auch hochprä-
zise Nanopositioniereinrichtungen wie in D4 einschließt; diese war am Prioritätstag
des Streitpatents schon seit etwa sieben Jahren bekannt und stellte somit keinen
völlig neuartigen Stand der Technik mehr dar.

Ausgehend von der aus D20 bekannten Objektträgervorrichtung, in welcher eine
feststehende Basis zur Verbindung mit einem Mikroskop vorhanden ist, und in
welchem gezielt im Betrieb eine gespeicherte Fehlertabelle eingesetzt wird um
teure Sensoren zu vermeiden, konnte der auf Austauschbarkeit bedachte Fach-
- 16 -
mann der Druckschrift D4 die Lehre entnehmen, den Austausch eines Objektträ-
gers dadurch zu erleichtern, dass ein Speicher für Fehlerdaten nicht nur im Reg-
ler, sondern auch im Objektträger vorgesehen wird. Durch die Anwendung dieser
Lehre auf die Vorrichtung der D20 ergab sich eine Austauschbarkeit des Objekt-
trägers an seiner zur Verbindung mit einem Mikroskop vorgesehenen feststehen-
den Basis. Hierbei spielt es keine Rolle, zwischen welchen Einrichtungen der Ob-
jektträger der D4 ausgetauscht wird, und ob es sich bei den Fehlerdaten der D4
um eine Fehlertabelle handelt. Auch ob das System der D4 als „closed loop“- oder
als „open loop“-System ausgebildet ist (beide Betriebsarten sind übrigens in D4
möglich, vgl. dort die letzte Seite unten), ist ohne Belang für die Austauschbarkeit.
Die von der Patentinhaberin angeführten Vorteile (geringer Kalibrieraufwand, hohe
Verfügbarkeit usw.) ergaben sich bei dem genannten Vorgehen von selbst.

Zudem schließen die verteidigten Patentansprüche die Möglichkeit nicht aus,
zusätzliche Speicher für Fehlerdaten vorzusehen, etwa im Regler. Dass ein Feh-
lerdatenspeicher nur im Objektträger vorhanden sein soll, besagt der jeweilige An-
spruch 1 des Hauptantrags und der Hilfsanträge 1 und 2 nicht.

4. Der Anspruch 1 gemäß Hauptantrag hat keinen Bestand. Auch der jeweilige
Anspruch 1 gemäß den Hilfsanträgen 1 und 2 hat keinen Bestand.

Mit dem jeweiligen Anspruch 1 fallen auch die jeweiligen übrigen Ansprüche, da
die Patentinhaberin die Aufrechterhaltung des Patents nur im Umfang von An-
spruchssätzen mit den nicht rechtsbeständigen Patentansprüchen 1 begehrt hat
(BGH, GRUR 2007, 862 – Informationsübermittlungsverfahren II).

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Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Beschluss steht den am Beschwerdeverfahren Beteiligten das Rechtsmittel
der Rechtsbeschwerde zu. Da der Senat die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen hat, ist
sie nur statthaft, wenn gerügt wird, dass

das beschließende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war,
bei dem Beschluss ein Richter mitgewirkt hat, der von der Ausübung des Richteram-
tes kraft Gesetzes ausgeschlossen oder wegen Besorgnis der Befangenheit mit
Erfolg abgelehnt war,
einem Beteiligten das rechtliche Gehör versagt war,
ein Beteiligter im Verfahren nicht nach Vorschrift des Gesetzes vertreten war, sofern
er nicht der Führung des Verfahrens ausdrücklich oder stillschweigend zugestimmt
hat,
der Beschluss aufgrund einer mündlichen Verhandlung ergangen ist, bei der die Vor-
schriften über die Öffentlichkeit des Verfahrens verletzt worden sind, oder
der Beschluss nicht mit Gründen versehen ist.

Die Rechtsbeschwerde ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlusses beim
Bundesgerichtshof, Herrenstr. 45 a, 76133 Karlsruhe, durch einen beim Bundesgerichts-
hof zugelassenen Rechtsanwalt als Bevollmächtigten schriftlich einzulegen.


Dr. Morawek Eder Dr. Thum-Rung Hoffmann


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