17 W (pat) 26/16  - 17. Senat (Techn.Beschw.)
Karar Dilini Çevir:

BPatG 154
05.11

BUNDESPATENTGERICHT



17 W (pat) 26/16
_______________
(Aktenzeichen)



Verkündet am
28. September 2017





B E S C H L U S S

In der Beschwerdesache

betreffend die Patentanmeldung 10 2013 004 373.5 - 53








hat der 17. Senat (Technischer Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf
die mündliche Verhandlung vom 28. September 2017 unter Mitwirkung des
Vorsitzenden Richters Dipl.-Phys. Dr. Morawek, der Richterin Eder, des Richters
Dipl.-Ing. Baumgardt und des Richters Dipl.-Ing. Hoffmann

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beschlossen:

1. Den Anmelderinnen wird wegen der versäumten Frist zur Zah-
lung der Beschwerdegebühren Wiedereinsetzung in den vori-
gen Stand gewährt.
2. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.


G r ü n d e :

I.
Die vorliegende Patentanmeldung wurde am 12. März 2013 unter Inanspruch-
nahme der Prioritäten zweier chinesischer Voranmeldungen vom 12. März 2012
und 26. März 2012 beim Deutschen Patent- und Markenamt in deutscher Sprache
eingereicht. Sie trägt die Bezeichnung
„Informationsverarbeitungsverfahren, Verfahren zum Ansteuern einer
Bildsammeleinheit und elektrische Vorrichtung“.
Die Anmeldung wurde durch Beschluss der Prüfungsstelle für Klasse G 06 F des
Deutschen Patent- und Markenamts in der Anhörung vom 20. Januar 2016 mit der
Begründung zurückgewiesen, dass der Gegenstand des Hauptanspruchs des
Hauptantrags sowie der (damaligen) Hilfsanträge 1 bis 4 mangels erfinderischer
Tätigkeit nicht gewährbar sei, da er durch die Druckschrift D1 (bzw. beim Hilfsan-
trag 2: durch die Zusammenschau der Druckschriften D1 und D2) nahegelegt sei.
Gegen diesen Beschluss, der laut Empfangsbekenntnis am 1. Februar 2016 bei
der Vertreterin der Anmelderinnen einging, ist eine am 25. Februar 2016 einge-
gangene Beschwerde gerichtet. Es wurde eine einzige Beschwerdegebühr ent-
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richtet. Die Betreffzeile des Beschwerdeschriftsatzes lautete: „L… (B…)
Co., Ltd B… L… Ltd.“.
Auf den gerichtlichen Hinweis vom 10. Juni 2016, dass bei zwei Anmelderinnen
die Entrichtung von zwei Beschwerdegebühren erforderlich sei, haben die Anmel-
derinnen mit Schreiben vom 27. Juni 2016 beantragt, die gezahlte Beschwerde-
gebühr der „ersten“ Anmelderin, nämlich der „L… (B…) Co., Ltd.“ zuzuord-
nen. Dies komme der durch die Beschwerde zum Ausdruck gebrachten Willenser-
klärung am nächsten. Mit Schreiben vom 29. Juni 2016 wurde Antrag auf Wieder-
einsetzung in die Frist zur Einlegung der Beschwerde und Zahlung der Beschwer-
degebühr gemäß § 123 PatG beantragt. Die Frist sei ohne Verschulden versäumt
worden. Der Zurückweisungsbeschluss sei am 1. Februar 2016 zugestellt worden.
Damit ende die Frist zur Einlegung der Beschwerde gegen den Beschluss am
1. März 2016.
Die Unterlagen zur Einreichung der Beschwerde und Zahlung der Beschwerdege-
bühr seien von der Patentanwaltssekretärin, Frau Andrea S…, unter der
Anleitung der Patentanwältin Frau L1… vorbereitet worden. Hinsichtlich der
Höhe der zu zahlenden Beschwerdegebühr habe die Patentanwaltssekretärin vor
Ausfertigung der Zahlungsanweisung mündlich Rücksprache mit der Fachabtei-
lung der Patentanwaltskanzlei genommen. Diese Fachabteilung sei ausschließlich
mit Patentanwaltsfachangestellten besetzt und ihr obliege die Fristennotierung,
Fristenkontrolle und Formalsachbearbeitung von Patentangelegenheiten. Frau
S… habe die vorbereiteten Unterlagen in der dann so eingereichten Form
am 25. Februar 2016 zur Unterschrift vorgelegt. Unmittelbar nachdem Frau Pa-
tentanwältin L1… den Schriftsatz und die Zahlungsanweisung unterzeichnet
habe, aber noch vor dem Absenden, sei ihr aufgefallen, dass es für die vorlie-
gende Patentanmeldung zwei Anmelderinnen gebe und dass daher die Zahlungs-
anweisung korrigiert werden müsse. Dies habe sie mit der Sekretärin besprochen
und diese angewiesen, die Zahlungsanweisung neu zu fertigen, wobei beide An-
melderinnen anzugeben seien und die Beschwerdegebühr in Höhe von 400 Euro
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für beide Anmelderinnen, d. h. in Höhe von 200 Euro je Anmelderin, zu zahlen sei.
Diese Änderung sollte noch am selben Tag vorgenommen werden.
Die Sekretärin habe eine neue Zahlungsanweisung ausgestellt und der Patentan-
wältin am Nachmittag des 25. Februar 2016 zur Unterschrift vorgelegt. Nach Un-
terschrift habe die Sekretärin die Unterschriftenmappe mit den unterschriebenen
Unterlagen zum Fertigmachen der Amtspost von der Patentanwältin zurückerhal-
ten. Die ursprünglich falsche Zahlungsanweisung habe sich zu diesem Zeitpunkt
nicht in der Unterschriftenmappe befunden, so dass die Sache für die Patentan-
wältin erledigt war und alles seine Ordnung zu haben schien.
Beim Fertigmachen der Amtspost sei es dann zu dem Versehen gekommen, bei
dem die ursprüngliche falsche Zahlungsanweisung wieder zu den Unterlagen
gelangt und anstelle der korrigierten Zahlungsanweisung eingereicht worden sei.
Eine mögliche Erklärung sei, dass die Sekretärin die ursprünglich falsche Zah-
lungsanweisung zwar aus der Unterschriftenmappe herausgenommen habe, aber
noch auf ihrem Schreibtisch liegen hatte. Beim nochmaligen Prüfen und Zusam-
menstellen der Unterlagen müsse die Verwechslung geschehen sein. Es scheine
so, dass die korrigierte Zahlungsanweisung mit der Unterschrift der Patentanwältin
im Papierkorb gelandet sei, während die ursprünglich falsche Zahlungsanweisung,
die ja ebenfalls schon unterschrieben war, zu den einzureichenden Unterlagen
gelangt sei. Möglicherweise sei das Versehen zumindest teilweise mit Rücken-
schmerzen, einem ärztlichen Behandlungstermin und großer Belastung der Sek-
retärin zu erklären. Genauer lasse sich dies aber heute nicht mehr erklären.
Zur Glaubhaftmachung werde eine eidesstattliche Erklärung der Patentanwalts-
sekretärin Frau S… beigefügt. Frau S… sei seit langem als Patent-
anwaltssekretärin tätig, seit 1992 für Frau Patentanwältin L1… Sie führe alle
zu einem Patentanwaltssekretariat gehörenden Aufgaben aus, habe große Erfah-
rung, sei stets zuverlässig und gewissenhaft, geschult und auf neuestem Stand.
Die Fristennotierung und letzte Kontrolle der Fristen unterstehe der Verantwortung
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der Fachabteilung in der Kanzlei, die eigentliche Erledigung der Fristen erfolge
aber durch die persönlich zugeordneten Sekretärinnen. Da im vorliegenden Fall
Schriftsatz und Zahlungsanweisung von der Patentanwältin unterschrieben war,
habe es für die Fachabteilung keinen Grund zur Beanstandung gegeben.
Von dem Versäumnis habe die vortragende Patentanwältin Kenntnis erhalten
durch die Mitteilung des Gerichts vom 10. Juni 2016, eingegangen am
13. Juni 2016. Der Antrag auf Wiedereinsetzung erfolge daher innerhalb der
gesetzlich vorgeschriebenen Frist. Die versäumte Handlung werde durch Einrei-
chen der beigefügten Zahlungsanweisung nachgeholt.
Auf einen Zwischenhinweis des Senats, dass mit der Gewährung der Wiederein-
setzung in die versäumte Frist zu rechnen sei, haben die Anmelderinnen nunmehr
mit ihrer Beschwerdebegründung vom 19. Mai 2017 und einer Eingabe vom
20. September 2017 einen Hauptantrag und fünf Hilfsanträge eingereicht und
erläutern, dass die jeweiligen Gegenstände dieser Anspruchssätze durch den
ermittelten, zwischenzeitlich durch den Senat ergänzten Stand der Technik nicht
vorweggenommen und auch nicht nahegelegt seien.
Zur mündlichen Verhandlung sind die Anmelderinnen – wie angekündigt – nicht
erschienen. In der mündlichen Verhandlung hat der Senat die Druckschrift D7
(s. u.) eingeführt. Aus den schriftlichen Eingaben der Beschwerdeführerinnen
ergeben sich sinngemäß die Anträge,
1. die Wiedereinsetzung in die Frist zur Einlegung der Be-
schwerde und Zahlung der Beschwerdegebühr gemäß § 123
PatG zu gewähren;
2. die Entscheidung der Prüfungsstelle aufzuheben und ein Pa-
tent auf der Grundlage der neu eingereichten Unterlagen
gemäß Hauptantrag bzw. hilfsweise gemäß einem der Hilfsan-
träge 1 bis 5 zu erteilen, wobei die Seiten 4 bis 8 der Be-
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schreibung gestrichen werden und die Seiten 10 ff. der Be-
schreibung und die Figuren unverändert sind.

Gemäß Hauptantrag lautet der geltende Patentanspruch 1 (mit einer Merkmals-
gliederung ähnlich wie im Zurückweisungsbeschluss):
(Ha) 1. Informationsverarbeitungsverfahren, das auf eine
elektrische Vorrichtung mit mindestens einer Verarbeitungs-
einheit angewendet wird,
(Hb) wobei die elektrische Vorrichtung eine Vielzahl von Verwen-
dungsmodi hat und ferner eine Vielzahl von Sensoreinheiten
umfasst,
(Hc) wobei die Vielzahl der Sensoreinheiten mindestens einen
ersten Gravitationssensor und einen Abstandssensor um-
fasst, und
(Hd) wobei die elektrische Vorrichtung einen ersten Körper, einen
zweiten Körper und eine Schwenkachse aufweist, die den
ersten Körper mit dem zweiten Körper verbindet;
(He) der zweite Körper um 360 Grad bezüglich des ersten Kör-
pers mittels der Schwenkachse schwenkbar ist, und
(Hf) die Vielzahl der Verwendungsmodi mindestens einen Note-
book-Verwendungsmodus, einen Panel-Verwendungsmo-
dus, einen Zelt-Verwendungsmodus und einen Stand-Ver-
wendungsmodus umfasst,
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(Hg) wobei der erste Verwendungsmodus einer aus der Vielzahl
der Verwendungsmodi ist;
wobei das Verfahren folgende Schritte umfasst:
(Hh) Erlangen von Daten, die von der Vielzahl der Sensoreinhei-
ten erfasst werden, durch die Verarbeitungseinheit,
(Hi) wobei die erfassten Daten mindestens einen ersten einge-
schlossenen Winkel zwischen einer Sensorachse des ersten
Gravitationssensors und einer Gravitationsrichtung und einen
Abstand zu einem Objekt umfassen, den der Abstands-
sensor erfasst; und
(Hj) Beurteilen, ob sich die elektrische Vorrichtung in einem ers-
ten Verwendungsmodus befindet, gemäß einer Kombination
des ersten eingeschlossenen Winkels und des Abstands.
Zu den nebengeordneten, auf eine dafür eingerichtete „elektrische Vorrichtung“
und auf ein davon unabhängiges „Verfahren zum Ansteuern von Bildsammelein-
heiten“ gerichteten Ansprüchen 11 und 13, sowie zu den Unteransprüchen 2 bis
10, 12, 14 und 15 wird auf die Akte verwiesen.

Die Hilfsanträge 1, 2 und 3 unterscheiden sich hinsichtlich des nebengeordneten
Anspruchs 16 und eventueller Unteransprüche voneinander. Der für alle drei An-
träge identische Patentanspruch 1 ist aus den ursprünglichen Ansprüchen 1, 2
und 12 zusammengestellt, er lautet:
(1a) 1. Informationsverarbeitungsverfahren, das auf eine
elektrische Vorrichtung mit mindestens einer Verarbeitungs-
einheit angewendet wird,
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(1b) wobei die elektrische Vorrichtung eine Vielzahl von Verwen-
dungsmodi hat und ferner eine Vielzahl von Sensoreinheiten
umfasst,
wobei das Verfahren folgende Schritte umfasst:
(1c) Erlangen von Daten, die von der Vielzahl der Sensoreinhei-
ten gesammelt werden, durch die Verarbeitungseinheit; und
(1d) Beurteilen, ob sich die elektrische Vorrichtung in einem ers-
ten Verwendungsmodus befindet, gemäß den erlangten Da-
ten, die von der Vielzahl der Sensoreinheiten gesammelt
werden; wobei der erste Verwendungsmodus einer aus der
Vielzahl der Verwendungsmodi ist;
(1e) wobei die elektrische Vorrichtung einen ersten Körper, einen
zweiten Körper und eine Schwenkachse aufweist, die den
ersten Körper mit dem zweiten Körper verbindet;
(1f) der zweite Körper um 360 Grad bezüglich des ersten Kör-
pers mittels der Schwenkachse schwenkbar ist;
(1g) und die Vielzahl der Verwendungsmodi mindestens einen
Notebook-Verwendungsmodus, einen Panel-Verwendungs-
modus, einen Zelt-Verwendungsmodus und einen Stand-
Verwendungsmodus umfasst;
(1h) wobei die Verarbeitungseinheit ein Betriebssystem der elek-
trischen Vorrichtung steuert, so dass das Betriebssystem der
elektrischen Vorrichtung auf den ersten Verwendungsmodus
abgestimmt wird, wenn die Verarbeitungseinheit bestimmt,
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dass sich die elektrische Vorrichtung in dem ersten Verwen-
dungsmodus befindet.
Zu den jeweiligen Neben- und Unteransprüchen wird erneut auf die Akte verwie-
sen.

Der Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag 4 unterscheidet sich vom angegebenen
Patentanspruch 1 der Hilfsanträge 1 bis 3 durch folgende zusätzliche, nach Merk-
mal (1h) angefügte Merkmale:
(4i) wobei, wenn der erste Verwendungsmodus der Panel-Com-
puter-Verwendungsmodus ist, das Betriebssystems, das in
der elektrischen Vorrichtung abläuft, durch die Verarbei-
tungseinheit gegenwärtig auf ein Android-Betriebssystem
geschaltet wird
und/oder
(4j) wenn der erste Verwendungsmodus der Notebook-Verwen-
dungsmodus ist, das Betriebssystem, das in der elektrischen
Vorrichtung abläuft, durch die Verarbeitungseinheit gegen-
wärtig auf ein Windows-Betriebssystem geschaltet wird.
Zu den jeweiligen Neben- und Unteransprüchen des Hilfsantrags 4 wird wieder auf
die Akte verwiesen.

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Der einzige Patentanspruch 1 des Hilfsantrags 5 lautet:
(5a) 1. Verfahren zum Ansteuern von Bildsammeleinheiten,
(5b) das auf eine elektrische Vorrichtung angewendet wird, die
mehrere Bildsammeleinheiten, einen ersten Körper, auf dem
eine Anzeigeeinheit angeordnet ist, einen zweiten Körper
und eine Schwenkachse umfasst, die den ersten Körper mit
dem zweiten Körper verbindet,
(5c) wobei der erste Körper um 360 Grad bezüglich des zweiten
Körpers mittels der Schwenkachse schwenkbar ist,
(5d) die Bildsammeleinheiten eine erste Bildsammeleinheit und
eine zweite Bildsammeleinheit auf zwei einander gegenüber-
liegenden Rändern der Anzeigeeinheit umfassen
(5e) und die elektrische Vorrichtung eine Vielzahl von Verwen-
dungsmodi hat, die mindestens einen Notebook-Verwen-
dungsmodus, einen Panel-Verwendungsmodus, einen Zelt-
Verwendungsmodus und einen Stand-Verwendungsmodus
umfassen,
wobei das Verfahren folgende Schritte umfasst:
(5f) Beurteilen, in welchem Verwendungsmodus sich die elektri-
sche Vorrichtung unter der Vielzahl der Verwendungsmodi
befindet, und Erlangen eines Beurteilungsergebnisses; und
(5g) gemäß einem spezifizierten Verwendungsmodus, in dem
sich die elektrische Vorrichtung befindet, der durch das Beur-
teilungsergebnis angegeben ist, Ansteuern der Bildsammel-
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einheiten in einer Weise, die auf den spezifizierten Verwen-
dungsmodus abgestimmt ist,
(5h) wobei der erste Körper eine erste Oberfläche, auf der sich
die Anzeigeeinheit befindet, und eine zweite Oberfläche auf-
weist, die der ersten Oberfläche gegenüberliegt, und
(5i) der zweite Körper eine dritte Oberfläche, die eine Eingabe-
vorrichtung umfasst, und eine vierte Oberfläche aufweist, die
der dritten Oberfläche gegenüberliegt,
(5j) wobei der erste Körper um 360 Grad bezüglich des zweiten
Körpers geschwenkt wird, um den Verwendungsmodus der
elektrischen Vorrichtung zu ändern
(5k) und die Verwendungsmodi mindestens zwei aus einem Note-
book-Modus, wobei ein eingeschlossener Winkel zwischen
der ersten Oberfläche und der dritten Oberfläche innerhalb
eines Bereichs von 0° bis 180° liegt, einem Panel-Modus,
wobei der eingeschlossene Winkel 360° beträgt, einem Zelt-
Modus, wobei der eingeschlossene Winkel innerhalb eines
Bereichs von 180° bis 360° liegt und eine gemeinsame Seite
zwischen der ersten Oberfläche und der dritten Oberfläche
nach oben geht, und einem Stand-Modus umfassen, wobei
der eingeschlossene Winkel innerhalb des Bereichs von 180°
bis 360° liegt und die dritte Oberfläche nach unten zeigt;
(5l) wobei die erste Bildsammeleinheit auf einer oberen Seite der
Anzeigeeinheit, die sich weit weg von der gemeinsamen
Seite befindet, angeordnet ist
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(5m) und die zweite Bildsammeleinheit auf einer unteren Seite der
Anzeigeeinheit, die sich in der Nähe der gemeinsamen Seite
befindet, angeordnet ist
(5n) und das Ansteuern der einen oder mehreren Bildsammelein-
heiten in einer Weise, die auf den spezifizierten Verwen-
dungsmodus abgestimmt ist, Folgendes umfasst:
(5o) wenn das Beurteilungsergebnis angibt, dass sich die elektri-
sche Vorrichtung in dem Notebook-Modus oder dem Stand-
Modus befindet, befindet sich die erste Bildsammeleinheit in
einem Betriebszustand, während sich die zweite Bildsam-
meleinheit in einem geschlossenen Zustand befindet;
(5p) wenn das Beurteilungsergebnis angibt, dass sich die elektri-
sche Vorrichtung in dem Zelt-Modus befindet, befindet sich
die erste Bildsammeleinheit in dem geschlossenen Zustand,
während sich die zweite Bildsammeleinheit in dem Betriebs-
zustand befindet; und
(5q) wenn das Beurteilungsergebnis angibt, dass sich die elektri-
sche Vorrichtung in dem Panel-Modus befindet, befindet sich
mindestens eine aus der ersten Bildsammeleinheit und der
zweiten Bildsammeleinheit in dem Betriebszustand.
Eine eindeutige Aufgabenstellung ist in der Anmeldung nicht angegeben. Der
Beschreibung (siehe insbesondere die Absätze [0007] bis [0009]) ist in etwa ent-
nehmbar, dass bei einem mehrteiligen elektrischen Gerät, dessen Teile gegenei-
nander verschwenkbar sind, eine automatische Anpassung der Betriebsweise an
die verschiedenen Verwendungsmodi (entsprechend den Stellungen der ver-
schwenkbaren Teile) erfolgen soll.
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Folgende Druckschriften sind im Laufe des Verfahrens entgegengehalten worden:
D1 WO 2010 / 28 399 A1
D2 US 2011 / 320 405 A1
D3 US 2010 / 245 209 A1
D4 US 2010 / 298 032 A1
D5 GB 2 434 274 A
D6 US 2006 / 284 855 A1
D7 KR 10 2005 0026 143 A


II.
Die Beschwerden sind zulässig, sie haben jedoch keinen Erfolg, weil der jeweilige
Gegenstand des Patentanspruchs 1 in der Fassung nach Hauptantrag wie auch
nach den fünf Hilfsanträgen nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht (§§ 1
und 4 PatG).


1. Die Beschwerdegebühren für die beiden Beschwerden sind nicht rechtzeitig
eingegangen. Auch eine Zuordnung der nur einmal gezahlten Beschwerdegebühr
zu einer der beiden Beschwerdeführerinnen war nicht möglich. Den Beschwerde-
führerinnen war jedoch Wiedereinsetzung in die versäumte Frist zur Zahlung der
Beschwerdegebühren zu gewähren (§ 123 PatG).
a) Die Anmelderinnen und Beschwerdeführerinnen haben den angefochtenen
Beschluss des Patentamts am 1. Februar 2016 erhalten. Damit endet die einmo-
natige Beschwerdefrist (§ 73 Abs. 2 Satz 1 PatG) am 1. März 2016. Zwar ging der
Beschwerdeschriftsatz am 25. Februar 2016 und damit innerhalb der Beschwer-
defrist ein. Die ebenfalls innerhalb dieser Frist zu entrichtenden Beschwerdege-
bühren für zwei Beschwerdeführerinnen in Höhe von 400 Euro (§ 2 Abs. 1
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PatKostG, Gebührentatbestand 401 300) ist nicht eingegangen. Eingegangen ist
lediglich eine Gebührenzahlung in Höhe von 200 Euro.
Die Pflicht zur Entrichtung einer Gebühr gilt aber für jeden einzelnen Antragsteller,
d. h. dass bei mehreren Beschwerdeführern, die jeder für sich oder gemeinsam
mit anderen eine Beschwerde einlegen, jeder für seine Beschwerde eine Be-
schwerdegebühr zu entrichten hat (vgl. Schulte, PatG, 9. Aufl., § 2 PatKostG,
Rdnr. 10 und Anlage zu § 2 PatKostG, Vorbemerkung). Da laut Zahlungsanwei-
sung und laut Beschwerdeschriftsatz die Beschwerden für beide Anmelderinnen
eingelegt werden sollten, hätte jede von ihnen eine eigene Beschwerdegebühr zu
entrichten gehabt.
b) Eine Zuordnung der nur einmal gezahlten Beschwerdegebühr zu einer der
beiden Beschwerdeführerinnen war nicht möglich.
Die Anmelderinnen haben mit der Zahlungsanweisung vom 25. Februar 2016 eine
Beschwerdegebühr in Höhe von 200 Euro innerhalb der Beschwerdefrist einge-
zahlt und dabei die Namen beider Anmelderinnen angegeben.
Eine eindeutige Zuordnung dieser Zahlung zu einer der beiden Beschwerdeführe-
rinnen ist nicht möglich. Eine Überprüfung sowohl des Beschwerdeschriftsatzes
als auch der Zahlungsanweisung auf ihren Inhalt führt nicht dazu, dass einer der
beiden Anmelderinnen eine Präferenz eingeräumt werden kann (BGH GRUR
2015, 1255 – Mauersteinsatz), da der Beschwerdeschriftsatz die beiden Anmelde-
rinnen gleichmäßig und ohne Bevorzugung nennt.
c) Der Antrag auf Wiedereinsetzung in die versäumte Frist zur Zahlung der
Beschwerdegebühr nach § 123 PatG ist begründet.
Die Anmelderinnen haben innerhalb von 2 Monaten nach Wegfall des Hindernis-
ses einen schriftlichen Antrag auf Wiedereinsetzung in die versäumte Frist gestellt.
Die Tatsachen, die den Antrag auf Wiedereinsetzung tragen sollen, sind vorgetra-
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gen und glaubhaft gemacht worden, die versäumte Handlung ist nachgeholt wor-
den.
Die Frist zur Zahlung der Beschwerdegebühr ist ohne Verschulden versäumt wor-
den.
Der Verschuldensmaßstab im Rahmen des § 123 PatG ist lediglich die von einem
ordentlichen Rechtsanwalt bzw. Patentanwalt (Schulte, a. a. O., § 123 Rdnr. 92)
zu fordernde übliche Sorgfalt. Das Verschulden eines Bevollmächtigten steht dem
Verschulden des Verfahrensbeteiligten gleich. Allerdings schließt nur das Ver-
schulden der Partei oder ihres Bevollmächtigten eine Wiedereinsetzung aus. Ver-
schulden Dritter, insbesondere des Büropersonals, wird dem Verfahrensbeteiligten
oder seinem Vertreter nicht zugerechnet (vgl. Schulte, a. a. O., § 123 Rdnr. 67, 69,
75, 80).
Ein anwaltlicher Vertreter hat die Pflicht, dass Gebühren, von deren Entrichtung
die Wirksamkeit einer Verfahrenshandlung abhängig ist, rechtzeitig und in richtiger
Höhe entrichtet werden (Schulte, a. a. O., § 123 Rdnr. 121). Höhe der Gebühr,
Zulässigkeit des Zahlungsweges sowie Gewähr für die Rechtzeitigkeit der Zahlung
für den gewählten Zahlungsweg hat ein Anwalt grundsätzlich selbst zu prüfen
(Schulte, a. a. O.). Diesem Erfordernis ist die handelnde Vertreterin der Beschwer-
deführerinnen nachgekommen, denn ihr fiel – zwar nach Unterzeichnung der fal-
schen Zahlungsanweisung, aber vor deren Absendung – auf, dass es vorliegend
zwei Anmelderinnen gebe und deshalb die Zahlungsanweisung korrigiert werden
müsse.
Es ist dabei nicht zu beanstanden, dass die Vertreterin ihre Sekretärin angewiesen
hat, diesen Fehler zu korrigieren, und diesen nicht selbst korrigiert hat. Ein der
Partei zuzurechnendes Verschulden ihres Anwalts an der Fristversäumung ist
grundsätzlich nicht gegeben, wenn der Anwalt einer Kanzleiangestellten, die sich
bisher als zuverlässig erwiesen hat, eine konkrete Einzelanweisung erteilt, die bei
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Befolgung die Fristwahrung gewährleistet hätte. Dass eine konkrete Einzelanwei-
sung befolgt wird, darauf darf sich ein Anwalt verlassen (vgl. Schulte, a. a. O.,
§ 123 Rdnr. 91). Zudem hat die Anwaltssekretärin die Unterlagen zur Einreichung
der Beschwerde und Zahlung der Beschwerdegebühr unter der Anleitung der Pa-
tentanwältin vorbereitet und hinsichtlich der Höhe der zu zahlenden Beschwerde-
gebühr mit der sog. Fachabteilung mündlich Rücksprache gehalten. Damit liegt
insgesamt auch kein der Vertreterin vorwerfbares Verschulden hinsichtlich der
internen Kanzleiorganisation vor.


2. Die Beschwerde hat aber keinen Erfolg, weil der jeweilige Gegenstand des
Patentanspruchs 1 sowohl in der Fassung nach Hauptantrag als auch in der Fas-
sung der Hilfsanträge als für den Fachmann naheliegend beurteilt werden muss.
2.1 Die vorliegende Patentanmeldung betrifft ein zweiteiliges elektronisches
Kommunikationsgerät (siehe insbesondere Figur 2, Figur 18; vgl. Offenlegungs-
schrift Absatz [0061] letzter Satz: Mobiltelefon, Notebook-Computer o. ä.), wobei
sich der eine Teil, der einen Bildschirm aufweist, gegen den anderen Teil um bis
zu 360 Grad verschwenken lässt. Daraus definiert die Anmeldung vier verschie-
dene „Verwendungsmodi“: nämlich eine Verwendung als Notebook (Figur 2a /
18a), als handgehaltenes Tablett („Panel-Computer“ Figur 2b / 18b), oder als
Stand-Display im „Zelt-Verwendungsmodus“ (Figur 2c / 18c) oder im „Stand-Ver-
wendungsmodus“ (Figur 2d / 18d). Die Modi unterscheiden sich durch die Anord-
nung der beiden Gehäuseteile, d. h. messtechnisch: durch den Winkel der Ver-
schwenkung der beiden Gehäuseteile gegeneinander (z. B. durch den Winkel der
beiden Gehäuseteile gegen die Gravitationsrichtung), oder auch durch den Ab-
stand der beiden Gehäuseteile voneinander.
Anmeldungsgemäß wird nun vorgeschlagen, Sensoreinheiten vorzusehen, um die
Anordnung der beiden Gehäuseteile gegeneinander zu erfassen. Dadurch wird es
möglich, den „Betriebszustand der elektrischen Vorrichtung“ an den momentanen
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Verwendungsmodus anzupassen, wie beispielsweise die Anzeige entsprechend
auszurichten oder die Orientierung bei einer Eingabe zu berücksichtigen (vgl. Of-
fenlegungsschrift Absatz [0008]).
In diesem Umfeld ist der Patentanspruch 1 des Hauptantrags i. W. darauf gerich-
tet, dass die Sensoren mindestens einen Gravitationssensor und einen Abstands-
sensor umfassen (siehe Offenlegungsschrift Absatz [0097] ff. – Merkmal (Hc)). Die
Tabellen 3 und 4 (Offenlegungsschrift Seite 12) zeigen den Zusammenhang auf,
was für einen „ersten eingeschlossenen Winkel“ (als den gegenüber der Schwer-
kraftsrichtung gemessenen Lagewinkel des Basisteiles, d. h. des Gehäuseteiles
ohne Display) und was für einen Abstand der beiden Teile voneinander die vier
Verwendungsmodi jeweils zur Folge haben. Davon ausgehend lässt sich der
momentane Verwendungsmodus der elektrischen Vorrichtung bestimmen (Merk-
male (Hh), (Hi), (Hj)).
Der für die Hilfsanträge 1 bis 3 identische Patentanspruch 1 lässt demgegenüber
offen, was für Sensoren verwendet werden. Stattdessen ist er darauf gerichtet,
das Betriebssystem des Gerätes auf den ermittelten Verwendungsmodus abzu-
stimmen (siehe Offenlegungsschrift Absatz [0140] – Merkmal (1h)). Mit den
Merkmalen (4i) und (4j) des Patentanspruchs 1 nach Hilfsantrag 4 kommt noch
hinzu, dass konkret für einen Panel-Verwendungsmodus auf ein Android-Betriebs-
system und für einen Notebook-Verwendungsmodus auf ein Windows-Betriebs-
system geschaltet werden soll (siehe Offenlegungsschrift Abs. [0141] / [0142]).
Der Hilfsantrag 5 ist mit seinem einzigen Patentanspruch auf eine andere Ausfüh-
rungsform gerichtet, bei welcher das beschriebene zweiteilige elektronische Gerät
an zwei gegenüberliegenden Seiten des Bildschirm-Geräteteiles je eine Kamera
aufweisen soll (Merkmale (5b), (5d) – siehe Figur 19a Bezugszeichen 110). Diese
Kameras sollen entsprechend dem ermittelten Verwendungsmodus in Betrieb oder
außer Betrieb genommen werden (siehe Offenlegungsschrift Absatz [0225] –
Merkmale (5n), (5o), (5p) und (5q)).
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Als Fachmann, der mit der Aufgabe betraut wird, eine automatische Anpassung
der Betriebsweise an die verschiedenen Verwendungsmodi (entsprechend den
verschiedenen Stellungen der gegeneinander verschwenkbaren Teile eines zwei-
teiligen elektronischen Gerätes) zu ermöglichen, sieht der Senat einen Entwick-
lungs-Ingenieur für elektronische Kleingeräte mit Bachelor- oder Master-Abschluss
in einem Bereich der Elektrotechnik an.
2.2 Der Hauptantrag hat keinen Erfolg, weil der Gegenstand seines Patentan-
spruchs 1 nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht.
2.2.1 Von besonderer Bedeutung dafür ist die Druckschrift
D3 US 2010 / 245 209 A1.
Aus ihr ist ein Informationsverarbeitungsverfahren für eine mobile elektrische Vor-
richtung 102 bekannt, mit zwei Gehäuseteilen 106 und 110 (mit den Displays 108
und 112), welche über eine Schwenkachse 114 miteinander verbunden sind und
um bis zu 360° gegeneinander verschwenkt werden können (Fig. 1, Abs. [0017],
Abs. [0021] Mitte – Merkmale (Ha), (Hd), (He)). Ferner sind Sensoren für die Posi-
tion der Gehäuseteile und den Verschwenkungswinkel beschrieben (Abs. [0024]).
Der Betrieb ist in verschiedenen Verwendungsmodi möglich: Notebook-Verwen-
dungsmodus 104 („laptop“), Buch-Verwendungsmodus 118, Zelt-Verwendungs-
modus 122 („presentation display“), Doppel-Display-Modus 126 und Panel-Ver-
wendungsmodus 130 („tablet display“), siehe Absätze [0018] bis [0021] (Merk-
male (Hb), teilw. (Hf) – ein „Stand-Verwendungsmodus“ gemäß Figur 18d der
Anmeldung ist hier nicht erwähnt). Gemäß Abs. [0025] bestimmt ein „position con-
troller“ 140 den Verwendungsmodus („can determine a display posture of …
device 102“) aus dem Positionswinkel zwischen den Gehäuseteilen oder aus der
Orientierung der beiden Gehäuseteile (Merkmale (Hg), (Hh); jedoch (Hi), (Hj) nur
teilweise), um die Displays abgestimmt auf den erkannten Verwendungsmodus
anzusteuern (Abs. [0028] „The position controller 140 can then initiate feed-
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back 208 that correlates to …“ / „video feedback, display feedback“). Als mögliche
Sensoren sind in Absatz [0038] ein „binding sensor 142“ für Positionsdaten, wel-
che den Winkel zwischen den Gehäuseteilen beschreiben (claim 4), und „housing
position sensors 144“ z. B. in Form von Beschleunigungssensoren (accelerome-
ters 146) zur Bestimmung der Orientierung eines Gehäuseteiles (claim 6) angege-
ben. Somit sind hier die Merkmale (Hc), (Hi), (Hj) und auch (Hf) nur zum Teil ver-
wirklicht.
2.2.2 Die Unterschiede des Gegenstandes des Patentanspruchs 1 nach Haupt-
antrag zur Lehre der D3 sind nicht geeignet, das Vorliegen einer erfinderischen
Tätigkeit zu begründen.
So nennt die D3 zwar nicht den „Stand-Verwendungsmodus“ gemäß Figur 18d der
Anmeldung. Sie kennt aber außer den anderen drei beanspruchten Modi (Merk-
mal (Hf) – Figuren 18a, 18b, 18c der Anmeldung) noch weitere Modi wie einen
Buch-Verwendungsmodus 118 oder einen Doppel-Display-Modus 126: Der
„Stand-Verwendungsmodus“ seinerseits ist in ähnlichem Zusammenhang aus der
Druckschrift D4 (US 2010 / 298 032 A1) vorbekannt (siehe dort: elektrische Vor-
richtung aus zwei Gehäuseteilen 101, 102, welche über eine Schwenkachse 195
miteinander verbunden sind, wobei Sensoren den Verwendungsmodus erfassen –
gemäß Abstract, Abs. [0072], [0044]; Figur 2, Figur 9A: Panel-Modus / Figur 3b,
Figur 6 bis 8: Zelt-Modus / Figur 10, 11: Stand-Modus / Figur 9B: voll geöffnet).
Eine bestimmte Auswahl von Verwendungsmodi, welche durch die Sensoren
erkannt werden sollen, im Sinne einer Vorgabe für den Benutzer gemäß Merk-
mal (Hf) stellt angesichts dessen nur eine handwerkliche Maßnahme des Fach-
manns dar.
Ähnliches gilt für die Auswahl der zu verwendenden Sensoren i. S. d. Merkmals
(Hc). Hierzu sind aus der Druckschrift D3 ein „binding sensor 142“ für den Winkel
zwischen den Gehäuseteilen und Beschleunigungssensoren (accelerometers 146)
zur Bestimmung der Orientierung eines Gehäuseteiles bekannt. Die Druck-
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schrift D4 nennt insbesondere Abstandssensoren (siehe Absatz [0119] „distance“,
„optical“; Abs. [0123] und ff.). Stattdessen nun i. S. v. Merkmal (Hc) einen Gravi-
tationssensor und einen Abstandssensor vorzusehen, stellt nicht mehr als eine
fachmännische Auswahl aus einer kleinen Menge an sich bekannter Möglichkeiten
dar, die den Rahmen des üblichen Arbeitens des hier zuständigen Fachmanns
nicht überschreitet.
Die Merkmale (Hi) und (Hj) leiten sich aus der Wahl der Sensoren ab und stellen
keine Besonderheit mehr dar, weil die Auswertung der Sensordaten zur Bestim-
mung des momentanen Verwendungsmodus „an sich“ aus D3 wie auch aus D4
vorbekannt war.
Damit verbleibt dem Patentanspruch 1 nach Hauptantrag nichts, was über übli-
ches fachmännisches Abwägen und Handeln hinausginge.
2.2.3 Mit dem Patentanspruch 1 fällt der gesamte Hauptantrag, weil über einen
Antrag nur einheitlich entschieden werden kann.
2.3 Auch die Hilfsanträge 1, 2 und 3 sind nicht patentfähig, weil der Gegen-
stand ihres (identischen) Patentanspruchs 1 nicht auf einer erfinderischen Tätig-
keit beruht.
2.3.1 Die Merkmale (1a) bis (1g) des für alle drei Hilfsanträge übereinstimmen-
den Patentanspruchs 1 unterscheiden sich in ihrer Formulierung zwar z. T. erheb-
lich vom Anspruch 1 des Hauptantrags; insbesondere besteht keine Beschrän-
kung mehr auf die Art der Sensoren.
Dennoch sind diese Merkmale nicht anders als beim Hauptantrag gerichtet auf ein
Informationsverarbeitungsverfahren für ein zweiteiliges elektronisches Kommuni-
kationsgerät, dessen einer Teil, der einen Bildschirm aufweist, sich gegen den
anderen Teil um bis zu 360 Grad verschwenken lässt (Merkmale (1a), (1e), (1f)).
Gemäß den Merkmalen (1b), (1c) und (1d) sind Sensoren vorgesehen, um aus
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der Lage und Relativposition der beiden Gehäuseteile zueinander den momenta-
nen „Verwendungsmodus“ zu bestimmen. Ein solches Gerät war, wie bereits dar-
gelegt, aus der Druckschrift D3 oder D4 vorbekannt.
Merkmal (1g) zählt die vier oben genannten Verwendungsmodi auf, wie sie in Fi-
gur 2 bzw. Figur 18 der Anmeldung dargestellt sind; drei davon waren aus D3,
andere drei aus D4 vorbekannt.
2.3.2 Darüber hinaus weist der Patentanspruch 1 der Hilfsanträge 1, 2 und 3
noch folgendes zusätzliches Merkmal auf:
(1h) wobei die Verarbeitungseinheit ein Betriebssystem der elek-
trischen Vorrichtung steuert, so dass das Betriebssystem der
elektrischen Vorrichtung auf den ersten Verwendungsmodus
abgestimmt wird, wenn die Verarbeitungseinheit bestimmt,
dass sich die elektrische Vorrichtung in dem ersten Verwen-
dungsmodus befindet.
Eine solche Lehre war im gegebenen Kontext jedoch vorbekannt, beispielsweise
aus der Druckschrift
D7 KR 10 2005 0026 143 A.
Dieser Druckschrift ist die Lehre zu entnehmen (siehe Abstract), bei einem Com-
puter mit mehreren Verwendungsmodi („convertible computer“) das Betriebssys-
tem zu bestimmen abhängig davon, welcher Verwendungsmodus erkannt wird
(dort konkret: notebook computer mode oder tablet computer mode).
Weil die aus D3 oder D4 bekannten Computer von der gleichen Situation mehrerer
Verwendungsmodi ausgehen und bereits den momentanen Verwendungsmodus
automatisch bestimmen, um Funktionen des Gerätes entsprechend dem erkann-
ten Modus anzusteuern, lag es für den Fachmann nahe, die Lehre der Druck-
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schrift D7 auf die Computer der D3 oder D4 zu übertragen und nicht nur (wie dort
beschrieben) z. B. die Anzeige, sondern auch das Betriebssystem auf den erkann-
ten Verwendungsmodus abzustimmen. Damit gelangte der Fachmann aber zum
Merkmal (1h), ohne dass es einer erfinderischen Tätigkeit bedurft hätte.
2.3.3 Mit dem Patentanspruch 1 fällt jeweils der gesamte Hilfsantrag, weil über
einen Antrag nur einheitlich entschieden werden kann.
2.4 Der Hilfsantrag 4 ist nicht günstiger zu beurteilen.
Der Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag 4 baut auf dem Patentanspruch 1 der
Hilfsanträge 1 bis 3 auf und enthält zusätzlich die Merkmal (4i) und (4j), dass im
Falle der Erkennung eines Panel-Computer-Verwendungsmodus auf ein Android-
Betriebssystem geschaltet werden soll, und im Falle der Erkennung eines Note-
book-Verwendungsmodus auf ein Windows-Betriebssystem.
Nachdem die Verwendungsmodus-abhängige Betriebssystem-Wahl jedoch, wie
dargelegt, aus der Druckschrift D7 bekannt war, kann die konkrete Vorgabe von
„Android“ für Panel-Computer bzw. „Windows“ für Notebook-Computer nur als für
den Fachmann naheliegend angesehen werden. Denn wie dem Fachmann ver-
traut ist, sind das genau die Betriebssysteme, mit denen die genannten Compu-
tersysteme, für sich allein betrachtet, typischerweise ausgeliefert werden.
2.5 Der Hilfsantrag 5 muss ebenfalls ohne Erfolg bleiben, weil der Gegenstand
seines einzigen Patentanspruchs nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht.
Nach der damit beanspruchten Ausführungsform soll das beschriebene zweiteilige
elektronische Gerät an zwei gegenüberliegenden Seiten des Bildschirm-Geräte-
teiles je eine Kamera aufweisen, welche beide entsprechend dem jeweils ermittel-
ten Verwendungsmodus in Betrieb oder außer Betrieb genommen werden sollen.
Auch eine solche Ausführungsform lag für den Fachmann jedoch nahe.
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So beschreibt z. B. die Druckschrift D4 eine elektrische Vorrichtung 100, die einen
ersten Körper 101, auf dem eine Anzeigeeinheit 151a angeordnet ist, einen zwei-
ten Körper 102 und eine Schwenkachse 195 umfasst, die den ersten Körper mit
dem zweiten Körper verbindet (Merkmale (5h), (5i)); ferner können eine Ka-
mera 121 (Figur 1) oder laut Absatz [0041] auch „mindestens zwei Kameras“ vor-
gesehen sein (Merkmal (5b)). Zwar ist hier der erste Körper gegenüber dem
zweiten Körper an der Schwenkachse 195 wohl nur um 180 Grad schwenkbar; der
Fachmann kennt aber im gegebenen Zusammenhang auch Anordnungen mit
360 Grad Schwenkbereich (siehe z. B. Druckschrift D3 – Merkmale (5c), (5j)
naheliegend). Auch nach der Lehre der D4 hat die beschriebene elektrische Vor-
richtung eine Vielzahl von Verwendungsmodi, die hier u. a. einen Panel-Verwen-
dungsmodus (Figur 2, Figur 9a), einen Zelt-Verwendungsmodus (Figur 6 bis 8)
und einen Stand-Verwendungsmodus (Figur 10 / 11) umfassen (wobei die Defini-
tionen gemäß Merkmal (5k) Anwendung finden); ein Notebook-Verwendungsmo-
dus ist nicht explizit beschrieben, liegt für derartige Geräte aber ebenfalls nahe
(vgl. Druckschrift D3 – Merkmal (5e)). D4 lehrt auch, aufgrund von Sensordaten
den Verwendungsmodus zu erfassen (siehe z. B. (Absatz [0044]), um die Benut-
zeroberfläche entsprechend anzusteuern (Abs. [0102], [0121] – Merkmal (5f),
teilw. (5g)). Der Fachmann liest hier mit, dass im Fall der Verwendung der Kame-
ras auch diese entsprechen dem Verwendungsmodus angesteuert werden müs-
sen (Merkmal (5a), (5n); Rest von Merkmal (5g)).
Hingegen gibt die Druckschrift D4 keine Lehre, wo und wie die Kameras anzuord-
nen wären (Merkmale (5d), (5l), (5m) fehlen), und entsprechend auch keine An-
leitung, welche Kamera in welchem Modus aktiv- oder ausgeschaltet werden sollte
(Merkmale (5o), (5p), (5q) fehlen).
Die beanspruchte Anordnung (Merkmale (5d), (5l), (5m)) – siehe Offenlegungs-
schrift Figur 19a: Kameras 110), nämlich mittig im oberen und unteren Randbe-
reich des Bildschirms, entspricht aber genau dem, was der Fachmann erwartet
hätte: schon lange vor dem Prioritätstag der Anmeldung hatten Notebooks oder
Laptops eine Kamera mittig oberhalb des Bildschirms; die Auswahl der Position für
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die aus Druckschrift D4 bekannte zweite Kamera erforderte dann nur ein Abwägen
der jeweiligen Vor- und Nachteile, ging also über „handwerkliche“ Überlegungen
nicht hinaus, wobei eine Anordnung mittig am anderen Rand nahelag. Mit den
Merkmalen (5d), (5l), (5m) lässt sich das Vorliegen einer erfinderischen Tätigkeit
daher nicht begründen.
Das gilt in vergleichbarer Weise auch für die Merkmale (5o), (5p) und (5q), welche
ganz konkret darauf gerichtet sind, im Notebook- und im Stand-Modus die obere
Kamera zu aktivieren und die untere abzuschalten; im Zelt-Modus umgekehrt die
andere Kamera (die am Gelenke sitzt und deswegen jetzt oben angeordnete ist)
zu aktivieren und die erste Kamera abzuschalten; und im Panel-Modus mindes-
tens eine von beiden zu aktivieren.
Die grundsätzliche Idee, Kameras je nach Verwendungsmodus ein- oder auszu-
schalten, war dem Fachmann schon geläufig – siehe z. B. Druckschrift D5
(GB 2 434 274 A): eine oder mehrere Kameras (Seite 12 Zeile 22 bis 24), Erken-
nung des Verwendungsmodus (claim 8 bis 11), Ansteuerung und ggf. An- oder
Abschalten vom Kameras entsprechend dem Verwendungsmodus (Seite 14
Zeile 30 bis Seite 15 Zeile 8, u. a. „when the phone is … used ... the camera is
disabled“).
Die konkrete Lehre der Merkmale (5o), (5p) und (5q) ergibt sich dabei zwangsläu-
fig bei näherer Betrachtung der jeweiligen Modi, weil in den erstgenannten drei
Modi jeweils die oben angeordnete Kamera ein- und die untenliegende abge-
schaltet wird, während im vierten Modus (Panel-Modus) beide frei liegen und
ersichtlich keine Gründe bestehen, eine bestimmte von beiden zu bevorzugen
oder auszuschalten.
Nach alledem geht die Lehre des einzigen Patentanspruchs des Hilfsantrags 5 mit
keinem seiner Merkmale über übliches fachmännisches Denken und Handeln
hinaus.

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Rechtsmittelbelehrung

Gegen diesen Beschluss steht den am Beschwerdeverfahren Beteiligten das Rechtsmittel
der Rechtsbeschwerde zu. Da der Senat die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen hat, ist
sie nur statthaft, wenn gerügt wird, dass

1. das beschließende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war,
2. bei dem Beschluss ein Richter mitgewirkt hat, der von der Ausübung des Rich-
teramtes kraft Gesetzes ausgeschlossen oder wegen Besorgnis der Befangenheit
mit Erfolg abgelehnt war,
3. einem Beteiligten das rechtliche Gehör versagt war,
4. ein Beteiligter im Verfahren nicht nach Vorschrift des Gesetzes vertreten war,
sofern er nicht der Führung des Verfahrens ausdrücklich oder stillschweigend
zugestimmt hat,
5. der Beschluss aufgrund einer mündlichen Verhandlung ergangen ist, bei der die
Vorschriften über die Öffentlichkeit des Verfahrens verletzt worden sind, oder
6. der Beschluss nicht mit Gründen versehen ist.

Die Rechtsbeschwerde ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlusses beim
Bundesgerichtshof, Herrenstr. 45 a, 76133 Karlsruhe, durch einen beim Bundesgerichts-
hof zugelassenen Rechtsanwalt als Bevollmächtigten schriftlich einzulegen.



Dr. Morawek Eder Baumgardt Hoffmann


Fa


Full & Egal Universal Law Academy