17 W (pat) 24/15  - 17. Senat (Techn.Beschw.)
Karar Dilini Çevir:

BPatG 152
08.05

BUNDESPATENTGERICHT




17 W (pat) 24/15
_______________________
(Aktenzeichen)



B E S C H L U S S

In der Beschwerdesache

betreffend die Patentanmeldung 11 2008 004 166.0 - 53








hat der 17. Senat (Technischer Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts am
4. Mai 2017 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Dipl.-Phys. Dr. Morawek,
der Richterin Eder, des Richters Dipl.-Ing. Baumgardt und des Richters
Dipl.-Ing. Hoffmann

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beschlossen:

Auf die Beschwerde der Anmelderin wird der Beschluss der Prü-
fungsstelle für Klasse G 06 F des Deutschen Patent- und Marken-
amts vom 27. April 2015 aufgehoben und das Patent mit folgen-
den Unterlagen erteilt:

Patentansprüche 1 bis 10 vom 6. April 2017,
eingeg. am 10. April 2017,
Beschreibung Seiten 1 bis 8 vom 6. April 2017,
eingeg. am 10. April 2017,
sowie 5 Blatt Zeichnungen mit Figuren 1 bis 8,
eingeg. am 10. Juni 2011.

G r ü n d e

I.

Die vorliegende Patentanmeldung ist eine PCT-Anmeldung in nationaler Phase,
welche als WO 2010 / 71 631 A1 in englischer Sprache veröffentlicht wurde. Ihr
Anmeldetag ist der 15. Dezember 2008. In der deutschen Übersetzung
(DE 11 2008 004 166 T5) trägt sie die Bezeichnung
„Temperaturschwelleneinstellung auf Basis von Menschenerfassung“.
Die Anmeldung wurde durch Beschluss der Prüfungsstelle für Klasse G 06 F des
Deutschen Patent- und Markenamts vom 27. April 2015 zurückgewiesen, nach-
dem die Anmelderin angekündigt hatte, zu einer für den 24. April 2015 angesetz-
ten Anhörung nicht zu erscheinen. Zur Begründung des Zurückweisungsbeschlus-
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ses führte die Prüfungsstelle aus, dass der Gegenstand des Hauptanspruchs nicht
auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe, weil er durch die Zusammenschau der
Druckschriften D1 und D2 (s. u.) nahegelegt sei.
Gegen diesen Beschluss ist die Beschwerde der Anmelderin gerichtet. Sie hat ihr
Patentbegehren im Beschwerdeverfahren noch an die ursprüngliche Offenbarung
angepasst und die Unteransprüche klargestellt sowie eine überarbeitete Beschrei-
bung eingereicht. Sie stellt jetzt sinngemäß den Antrag (siehe Eingabe vom
6. April 2017),
den Beschluss der Prüfungsstelle vom 27. April 2015 aufzuheben
und die Patenterteilung auf Grundlage der folgenden Unterlagen
zu beschließen:
Patentansprüche 1 bis 10 vom 6. April 2017,
Beschreibung Seiten 1 bis 8 vom 6. April 2017,
sowie 5 Blatt Zeichnungen mit Figuren 1 bis 8,
eingeg. am 10. Juni 2011,
hilfsweise, einen Termin für eine mündliche Verhandlung anzube-
raumen.

Das geltende Patentbegehren lautet (mit einer redaktionellen Korrektur in An-
spruch 4 Zeile 3: „e“ in „eine zweiter“ gestrichen):
1. Ein System, das folgende Merkmale aufweist:

einen ersten Abstandssensor, der dazu eingestellt ist, einen
Menschen zu erfassen;
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Logik, die an den ersten Abstandssensor gekoppelt ist, wo-
bei die Logik eine Temperaturschwelle auf Basis dessen ein-
stellt, ob ein Mensch erfasst worden ist,

wobei die Logik konfiguriert ist, um die Temperaturschwelle
von einer ersten Temperaturschwelle auf eine zweite Tempe-
raturschwelle zu senken, wenn die Gegenwart eines Men-
schen erfasst wird,

und um die Temperaturschwelle von der zweiten Tempera-
turschwelle auf eine dritte Temperaturschwelle zu senken,
wenn nach einem vorbestimmten Zeitraum immer noch die
Gegenwart eines Menschen erfasst wird.

2. Das System gemäß Anspruch 1, das ferner einen Tempera-
tursensor aufweist, der an die Logik gekoppelt ist, wobei die
Logik einen Kühlmechanismus aktiviert, wenn der Tempera-
tursensor anzeigt, dass eine einem Bereich des ersten
Abstandssensors zugeordnete Temperatur die eingestellte
Temperaturschwelle überschreitet.

3. Das System gemäß Anspruch 2, bei dem der Kühlmechanis-
mus einen Mechanismus aufweist, der aus einer Gruppe
ausgewählt ist, die aus Prozessordrosselung und Lüfter-
steuerung besteht.

4. Das System gemäß Anspruch 1, bei dem das System einen
Notebook-Computer aufweist, der eine obere Oberfläche, an
die ein erster Abstandssensor passend gekoppelt ist, und
eine untere Oberfläche, an die eine zweiter Abstandssensor
passend gekoppelt ist, aufweist.
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5. Das System gemäß Anspruch 4, das ferner eine Mehrzahl
von Temperatursensoren und zumindest einen Temperatur-
sensor, der jedem der ersten und zweiten Abstandssensoren
zugeordnet ist, aufweist.

6. Das System gemäß Anspruch 1, bei dem die Logik konfigu-
riert ist, um die Temperaturschwelle von der dritten Tempe-
raturschwelle auf die zweite Temperaturschwelle zu erhöhen,
wenn die Gegenwart eines Menschen nicht mehr erfasst
wird, und um die Temperaturschwelle von der zweiten Tem-
peraturschwelle auf die erste Temperaturschwelle zu erhö-
hen, wenn die Gegenwart eines Menschen weiterhin nicht
erfasst wird.

7. Das System gemäß Anspruch 1, bei dem der Abstandssen-
sor einen kapazitiven Sensor aufweist.

8. Ein Verfahren, das folgende Schritte aufweist:

Erfassen, mit einem Sensor, der einem Computer zugeord-
net ist, ob sich ein Mensch in der Nähe des Sensors befin-
det;

ansprechend auf das Bestimmen des Menschen in der Nähe
des Sensors, Senken einer Temperaturschwelle durch eine
Steuerlogik von einer ersten Temperaturschwelle zu einer
zweiten Temperaturschwelle, und

wenn nach einem vorbestimmten Zeitraum immer noch die
Gegenwart des Menschen in der Nähe des Sensors erfasst
- 6 -
wird, Senken der Temperaturschwelle von der zweiten Tem-
peraturschwelle zu einer dritten Temperaturschwelle.

9. Das Verfahren gemäß Anspruch 8, das ferner den Schritt
aufweist, dass ansprechend auf das Bestimmens dessen,
dass der Mensch sich nicht mehr in der Nähe des Sensors
befindet, die Steuerlogik die Temperaturschwelle von der
dritten Temperaturschwelle auf die zweite Temperatur-
schwelle erhöht oder die Temperaturschwelle von der zwei-
ten Temperaturschwelle auf die erste Temperaturschwelle
erhöht.

10. Das Verfahren gemäß Anspruch 8, das ferner den Schritt
aufweist, dass die Steuerlogik erfasst, ob die Temperatur-
schwelle überschritten worden ist, und ansprechend auf ein
Erfassen dessen, dass die Temperaturschwelle überschritten
worden ist, bewirkt, dass zumindest entweder ein Einschal-
ten eines Lüfters, ein Erhöhen einer Lüftergeschwindigkeit
oder ein Drosseln einer CPU erfolgt.

In der Beschreibung wurde eine redaktionelle Korrektur auf Seite 6 Zeile 15 ange-
bracht (Bezugszeichen 72 in 70 geändert).

Als zugrundeliegende Aufgabe ist angegeben, ein System und ein Verfahren zum
Einstellen einer Temperaturschwelle zu schaffen (siehe geltende Beschreibung
Seite 2 Absatz 1). Dabei wird von dem Problem ausgegangen, dass der Kühl-
mechanismus eines Laptop-Computers diesen zwar ausreichend kühl hält, um
eine Funktionsstörung zu vermeiden, dass der Laptop dabei aber noch so warm
bleibt, dass ein menschlicher Benutzer das Berühren des Laptops als unange-
nehm empfindet (vgl. geltende Beschreibung Seite 1 Zeile 28 bis 30).
- 7 -
II.
Die Beschwerde wurde rechtzeitig eingelegt und ist auch sonst zulässig. Sie hat
Erfolg, da das Patentbegehren entgegen der Argumentation der Prüfungsstelle
durch den bekannt gewordenen Stand der Technik nicht nahegelegt ist, und auch
die übrigen Kriterien für eine Patenterteilung erfüllt sind (PatG §§ 1 bis 5, § 34).
1. Die vorliegende Patentanmeldung betrifft die Einstellung der Temperatur für
einen Kühlungsmechanismus insbesondere eines Laptops (wobei allerdings die
Patentansprüche nicht auf bestimmte zu kühlende Geräte, und nicht auf eine Küh-
lung beschränkt sind) in Abhängigkeit von der Anwesenheit eines Menschen.
Dabei war es bereits bekannt, dass der Benutzer eines Laptops sich durch die Ge-
rätewärme belästigt fühlt, wenn das Gerät bei ihm z. B. auf dem Schoß liegt (vgl.
die veröffentlichte deutsche Übersetzung DE 11 2008 004 166 T5, Absatz [0003]);
und es war im Stand der Technik bereits vorgeschlagen worden, Sensoren für die
Erfassung der Anwesenheit eines Benutzers einzusetzen und davon abhängig ggf.
die Gerätetemperatur durch stärkere Kühlung weiter zu reduzieren. Dies entspricht
dem jeweils ersten Teil der beiden unabhängigen Patentansprüche 1 und 8, wobei
mit dem anspruchsgemäßen Begriff „Temperaturschwelle“ die Sollvorgabe für
einen Kühlungsmechanismus bezeichnet ist (siehe Absatz [0019]). Wenn eine sol-
che „Temperaturschwelle“ anspruchsgemäß „zu senken“ ist, hat dies letztlich eine
Abkühlung des benutzten Gerätes auf eine entsprechend niedrigere Temperatur
zur Folge (Absatz [0021]).
Zur weiteren Verminderung der Wärmebelästigung für den Benutzer schlägt die
Anmeldung nun zusätzlich vor, die Temperaturschwelle ein zweites Mal auf eine
„dritte Temperaturschwelle“ zu senken, wenn nach einem vorbestimmten Zeitraum
immer noch die Gegenwart eines Menschen erfasst wird (Absatz [0031] – jeweils
letzter Absatz der unabhängigen Patentansprüche 1 und 8). Es leuchtet ein, dass
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die dadurch bei längerer Benutzung erzielte stärkere Kühlung den Benutzer bes-
ser vor der Geräteabwärme schützt.
Als Fachmann, der mit der Aufgabe betraut wird, die Gehäusetemperatur eines
kühlbaren technischen Gerätes so zu steuern, dass sie von einen Benutzer nicht
als unangenehm empfunden wird, dabei aber trotzdem eine möglichst gute Küh-
lung zu ermöglichen, ist ein Entwicklungsingenieur für Elektrogeräte mit Bachelor-
oder Master-Abschluss in der Elektrotechnik oder Mechatronik und mehrjähriger
Berufserfahrung im Bereich der Steuerung von Kühlmechanismen anzusehen.
2. Das geltende Patentbegehren ist zulässig. Die geltenden Patentansprüche
bleiben innerhalb des Rahmens der ursprünglichen Offenbarung, und die überar-
beitete Beschreibung ist daran angepasst. Auch andere Mängel liegen nicht vor.
2.1 Alle Merkmale des geltenden Patentbegehrens sind den ursprünglichen
Unterlagen unmittelbar und eindeutig zu entnehmen.
Der geltende Hauptanspruch basiert auf dem ursprünglichen Patentanspruch 1,
ergänzt um eine konkrete Absenkung der Temperaturschwelle und insbesondere
um eine „dritte“, noch niedrigere Temperaturschwelle, wenn ein Benutzer nach
einem vorbestimmten Zeitraum immer noch erfasst wird, so wie es der Figur 8 ent-
spricht und dem Absatz [0031] der WO 2010 / 71 631 A1 bzw. der Übersetzungs-
Schrift entnehmbar ist.
Ähnlich geht der nebengeordnete, auf ein entsprechendes Arbeitsverfahren ge-
richtete Patentanspruch 8 auf den ursprünglichen Anspruch 13 zurück, mit einer
gleichartigen Ergänzung basierend auf Absatz [0031] der WO 2010 / 71 631 A1
bzw. der Übersetzungs-Schrift.
Die Unteransprüche 2, 3 und 4 sind (bis auf die genannte redaktionelle Korrektur)
gegenüber den ursprünglichen Unteransprüchen unverändert.
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Der neue Unteranspruch 5 entspricht dem ursprünglichen Anspruch 6, mit Kor-
rektur einer erkennbar falschen Rückbeziehung.
Der neue Unteranspruch 6 geht auf den ursprünglichen Anspruch 7 zurück, nun
ergänzt um die Berücksichtigung der „dritten Temperaturschwelle“, wie es dem
Absatz [0032] der WO 2010 / 71 631 A1 bzw. der Übersetzungs-Schrift zu entneh-
men ist.
Der neue Unteranspruch 7 ist mit dem ursprünglichen Anspruch 9 identisch.
Der neue, nun auf den Verfahrensanspruch 8 zurückbezogene Unteranspruch 9
basiert auf dem ursprünglichen Anspruch 14, ebenfalls angepasst entsprechend
Absatz [0032] der WO 2010 / 71 631 A1 bzw. der Übersetzungs-Schrift. Der neue
Unteranspruch 10 stimmt mit dem ursprünglichen Anspruch 15 überein, mit ange-
passter Rückbeziehung.
2.2 Die Patentansprüche sind geeignet, klar und deutlich anzugeben, was
durch sie unter Schutz gestellt werden soll. An der Ausführbarkeit bestehen keine
Zweifel.
2.3 Die Beschreibung wurde unter Berücksichtigung des entgegengehaltenen
Standes der Technik in zulässiger Weise daran angepasst, wobei Beschreibungs-
teile von solchen Ausführungsformen, die nicht mehr unter die Patentansprüche
fallen (insbesondere Figur 7 und zugehörige Beschreibung), in dieser Hinsicht ge-
kennzeichnet wurden.
3. Der Gegenstand des geltenden Patentanspruchs 1 ist durch den bekannt
gewordenen Stand der Technik weder vorweggenommen noch nahegelegt.
3.1 Zur Argumentation der Prüfungsstelle ist zunächst zu bemerken, dass eine
„Zusammenschau“ zweier Druckschriften nicht per se als patenthindernd betrach-
tet werden kann. Denn es kommt nicht darauf an, ob eine zweite Druckschrift
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irgendwo ein Merkmal beschreibt, dass vielleicht „irgendwie“ im Sinne eines der
beanspruchten Merkmale verstanden werden könnte. Entscheidend ist vielmehr,
ob es für den Fachmann nahelag, insbesondere ob es eine Anregung gab, ein
Merkmal aus einer zweiten Druckschrift so in die aus der ersten Druckschrift
bekannte technische Lehre zu übernehmen, dass sich daraus die beanspruchte
Lehre ergibt. Der Begriff „Zusammenschau“ kann nicht mehr zum Ausdruck brin-
gen, als dass die beanspruchten Merkmale für sich gesehen bekannt gewesen
sein mögen; das genügt dem Kriterium des „Naheliegens“ aber noch nicht.
3.2 Die im Prüfungsverfahren zitierten Druckschriften
D1 JP 2007 / 220 003 A
D2 US 2005 / 273 208 A1
D3 US 2008 / 259 559 A1
stehen dem Gegenstand des geltenden Patentanspruchs 1 nicht entgegen.
Die Druckschrift D1 liegt als Abstract und in einer automatischen Übersetzung aus
dem Japanischen ins Englische (GoogleTranslate datiert 23.09.2013) vor. Dem
Abstract ist zu entnehmen, dass bei einem Laptop / Notebook (siehe Figur) Sen-
soren 20 vorgesehen sind, um zu erfassen, ob sich ein Mensch in der Nähe des
Sensors befindet. Wenn die Anwesenheit eines Menschen erkannt wird, werden
Maßnahmen ergriffen, um die Temperatur des Rechner-Gehäuses abzusenken.
Gemäß der übersetzten Beschreibung ist ein Temperatursensor 15 auf der Leiter-
karte 10 des Notebooks 1 vorgesehen, welcher zunächst über eine Logik 16 den
Einsatz der Kühlmechanismen (Ventilator 13, Taktfrequenz der CPU 11) steuert,
siehe insbes. Figur 2 und Absätze [0009] bis [0011] und [0013]. Allerdings ist
Absatz [0020] in etwa entnehmbar, dass die Kühlmechanismen nur eingesetzt
werden, wenn die Anwesenheit des Benutzers erfasst wurde. Insofern ist hier
schon nicht eindeutig die Lehre zu finden, dass zwei unterschiedliche Temperatur-
schwellen vorgesehen wären. Darüber hinaus ist keine „dritte Temperaturschwel-
- 11 -
le“ für eine weitere Absenkung „nach einem vorbestimmten Zeitraum“ beschrie-
ben.
Aus der Druckschrift D2 ist ein Kühlungssystem für elektronische Baugruppen 200
bekannt, welches verschiedene Kühlmechanismen mit jeweils unterschiedlichem
Zeitverhalten ansteuert, um den Kühleffekt zu optimieren (siehe z. B. Abs. [0071]).
Die Steuerung arbeitet mit einer Vorhersageeinheit 150, welche die zu erwartende
Temperatur, und damit auch die benötigte Kühl-Leistung, für die Zukunft vorher-
sagen soll. Gemäß Figur 7 wird zunächst bestimmt, ob die vorhergesagte Tempe-
ratur einen ersten Schwellwert überschreitet (S12). Wenn nein, ist keine Kühlung
erforderlich. Wenn ja, wird die Geschwindigkeit der Temperaturänderung bestimmt
(S14). Liegt diese über einem zweiten Schwellwert, wird ein „schneller“ Kühlme-
chanismus verwendet (S18: jet cooling d. h. „Düsen-Kühlvorrichtung“), andernfalls
genügt ein „langsamer“ Kühlmechanismus (S20: electric fan); siehe dazu auch die
Absätze [0071] bis [0075]. Es ist ersichtlich, dass diese Lehre mit der Lehre der
Anmeldung nahezu nichts zu tun hat, vor allem auch weil der zweite Schwellwert
keine Temperatur darstellt, sondern eine Temperaturänderungs-Geschwindigkeit.
Die Prüfungsstelle vermengt in ihrer Argumentation die Lehre der Figur 7 mit
Figur 8. Figur 8 betrifft jedoch ein anderes Ausführungsbeispiel, bei welchem nur
ein einziges Kühlsystem (electric fan) vorgesehen ist (siehe Abs. [0076] bis
[0085]). Dieses Kühlsystem hat die Besonderheit, dass seine Kühl-Leistung durch
die Differenz zwischen der Ist-Temperatur Tt und der Soll-Temperatur Td be-
stimmt wird, siehe die Absätze [0077] bis [0079]: die Ventilator-Drehzahl n wird
gemäß Formel (6) zu k * (Td - Tt) bestimmt (Schreibfehler in Formel (6) korrigiert).
Wenn die vorhergesagte Temperatur einen dritten Schwellwert überschreitet, wird
in diesem Ausführungsbeispiel die Soll-Temperatur Td gesenkt (S38), um die
Kühlleistung zeitweilig zu erhöhen; wenn die vorhergesagte Temperatur einen
vierten Schwellwert unterschreitet (Absatz [0082]: „at which unnecessary overcoo-
ling occurs“), wird die Soll-Temperatur Td heraufgesetzt (S42), um eine zu starke
Kühlung zu vermeiden (Absatz [0083]: „to avoid overcooling“). Wenn aber weder
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der dritte Schwellwert überschritten noch der vierte Schwellwert unterschritten ist,
wird wieder die „normale“ Solltemperatur Td eingestellt (S44).
Auch hier ist ohne weiteres ersichtlich, dass diese Lehre mit der Besonderheit der
vorliegenden Anmeldung nichts zu tun hat. Zwar wird nach der Lehre der D2 eine
Temperaturschwelle von einem Sollwert Td heruntergesetzt, aber nicht weil die
Gegenwart eines Menschen erfasst wird und deshalb die Gehäusetemperatur
abgesenkt werden soll, sondern um wegen starker Temperaturänderung kurzfristig
die Kühlleistung zu erhöhen.
Die Druckschrift D3 gibt die Lehre, zur Kühlungssteuerung die Gegenwart eines
Menschen zu erfassen basierend darauf, dass Tasten einer Tastatur gedrückt
werden. Dies betraf einen inzwischen nicht mehr weiterverfolgten Patentanspruch.
Keine dieser Druckschriften gibt dem Fachmann eine Anregung, über eine Absen-
kung der Kühlungs-Temperaturschwelle bei Erfassung der Anwesenheit eines
Menschen hinaus noch eine zweite Absenkung (auf eine „dritte Temperatur-
schwelle“) vorzunehmen (wenn die Anwesenheit eines Menschen nach einem vor-
bestimmten Zeitraum immer noch erfasst wird).
3.3 Der Senat hat auch die im PCT-Recherchebericht genannten und die in
Parallelverfahren vor anderen Patentämtern entgegengehaltenen Dokumente
herangezogen, insbesondere die Druckschriften:
US 6 760 649 B2
US 2002 / 152 406 A1
US 2006 / 193 113 A1
US 6 536 675 B1
Auch keines dieser Dokumente gibt irgendeinen Hinweis, über eine Absenkung
der Kühlungs-Temperaturschwelle bei Erfassung der Anwesenheit eines Men-
schen hinaus noch eine zweite Absenkung (auf eine „dritte Temperaturschwelle“)
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vorzunehmen, wenn die Anwesenheit eines Menschen nach einem vorbestimmten
Zeitraum immer noch erfasst wird.
Lediglich in der US 6 536 675 B1 ist überhaupt eine zweite Absenkung einer Tem-
peraturschwelle beschrieben, aber in einem völlig anderen Kontext: Die Druck-
schrift beschreibt eine Klimasteuerung für ein Hotel. Gemäß Spalte 11 insbeson-
dere Zeile 33 bis 39 wird die Temperatur eines Hotelzimmers 135 am Wochen-
ende abgesenkt (von 64F auf 62F), wenn die Anwesenheit eines Menschen über
12 Stunden nicht erfasst wird („unoccupied“), und auf eine dritte Temperatur-
schwelle abgesenkt („can be lowered another four degrees“), wenn eine Anwesen-
heit für weitere 4 Stunden nicht erfasst wird. Dies geschieht, um Heizenergie zu
sparen (Spalte 11 Zeile 39 / 40). Im Unterschied zur Anmeldung ist das Kriterium
hier jedoch die Abwesenheit eines Menschen, anstelle der beanspruchten Anwe-
senheit. Daher ist kein Weg erkennbar, wie der Fachmann ausgehend von dieser
Druckschrift zur beanspruchten Lehre hätte gelangen können.
4. Der geltende Patentanspruch 1 ist sonach gewährbar; für den nebengeord-
neten Verfahrensanspruch 8 gilt nichts anderes, da er i. W. dieselbe technische
Lehre betrifft. Die Unteransprüche 2 bis 7 und 9, 10 sind in Verbindung damit
ebenfalls gewährbar. Nach der von der Anmelderin durchgeführten Anpassung der
Beschreibung liegen für eine Patenterteilung geeignete Unterlagen vor.

Rechtsmittelbelehrung

Gegen diesen Beschluss steht den am Beschwerdeverfahren Beteiligten das Rechtsmittel
der Rechtsbeschwerde zu. Da der Senat die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen hat, ist
sie nur statthaft, wenn gerügt wird, dass

1. das beschließende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war,
2. bei dem Beschluss ein Richter mitgewirkt hat, der von der Ausübung des
Richteramtes kraft Gesetzes ausgeschlossen oder wegen Besorgnis der Befan-
genheit mit Erfolg abgelehnt war,
3. einem Beteiligten das rechtliche Gehör versagt war,
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4. ein Beteiligter im Verfahren nicht nach Vorschrift des Gesetzes vertreten war,
sofern er nicht der Führung des Verfahrens ausdrücklich oder stillschweigend
zugestimmt hat,
5. der Beschluss aufgrund einer mündlichen Verhandlung ergangen ist, bei der die
Vorschriften über die Öffentlichkeit des Verfahrens verletzt worden sind, oder
6. der Beschluss nicht mit Gründen versehen ist.

Die Rechtsbeschwerde ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlusses beim
Bundesgerichtshof, Herrenstr. 45 a, 76133 Karlsruhe, durch einen beim Bundesgerichts-
hof zugelassenen Rechtsanwalt als Bevollmächtigten schriftlich einzulegen.



Dr. Morawek Eder Baumgardt Hoffmann


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