17 W (pat) 23/15  - 17. Senat (Techn.Beschw.)
Karar Dilini Çevir:

BPatG 152
08.05

BUNDESPATENTGERICHT




17 W (pat) 23/15
_______________________
(Aktenzeichen)



B E S C H L U S S

In der Beschwerdesache

betreffend die Patentanmeldung 10 2011 106 052.2









hat der 17. Senat (Technischer Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts am
31. Juli 2017 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Dipl.-Phys. Dr. Morawek,
der Richterinnen Eder und Dipl.-Phys. Dr. Thum-Rung sowie des Richters
Dipl.-Phys. Dr. Forkel
- 2 -
beschlossen:

Auf die Beschwerde der Anmelderin wird der Beschluss der Prü-
fungsstelle für Klasse G 06 T des Deutschen Patent- und Marken-
amts vom 20. April 2015 aufgehoben und das Patent mit folgen-
den Unterlagen erteilt:

Patentansprüche 1 bis 11 und

Beschreibung Seiten 3 und 17 bis 19, jeweils vom 12. Juli 2017,

Beschreibung Seiten 1, 2, 4 bis 16, 20 und 21 vom 14. April 2015,

5 Blatt Zeichnungen mit Figuren 1 bis 7 vom 29. September 2011.


G r ü n d e

I.

Die vorliegende Patentanmeldung wurde am 30. Juni 2011 in englischer Sprache
beim Deutschen Patent- und Markenamt eingereicht. Sie beansprucht die Priorität
einer US-amerikanischen Patentanmeldung vom 6. Juli 2010 und trägt in der deut-
schen Übersetzung die Bezeichnung

„Schattenentfernung in einem durch eine fahrzeugbasierte Kamera erfassten Bild
unter Verwendung eines nichtlinearen beleuchtungsinvarianten Kerns“.

Die Prüfungsstelle für Klasse G 06 T hat am 20. April 2015 die Anmeldung aus den
Gründen des Bescheides vom 15. Dezember 2014 zurückgewiesen. In diesem
Bescheid ist ausgeführt, dass die Anmeldung aufgrund § 34 Abs. 4 PatG nicht
- 3 -
gewährbar sei, da die Lehre des (damals geltenden) Anspruchs 1 für den Fach-
mann nicht nacharbeitbar sei.

Gegen den Beschluss wendet sich die am 6. Mai 2015 eingegangene Beschwerde
der Anmelderin.

Der Vertreter der Anmelderin beantragt,

den angegriffenen Beschluss aufzuheben und das nachgesuchte
Patent mit folgenden Unterlagen zu erteilen:

Patentansprüche 1 bis 11 und
Beschreibung Seiten 3 und 17 bis 19, jeweils vom 12. Juli 2017,
Beschreibung Seiten 1, 2, 4 bis 16, 20 und 21 vom 14. April 2015
und
5 Blatt Zeichnungen mit Figuren 1 bis 7 vom 29. September 2011.

Im Prüfungsverfahren vor dem Deutschen Patent- und Markenamt sind folgende
Druckschriften genannt worden:

D1: Álvarez, José; López, Antonio; Baldrich, Ramon: “Shadow Resistant
Road Segmentation from a Mobile Monocular System”; Springer Berlin /
Heidelberg; 2007; Lecture Notes in Computer Science; Pattern
Recognition and Image Analysis; vol. 4478; Seiten 9-16; DOI:
10.1007/978-3-540-72849-8_2

D2: Finlayson, G., Hordley, S., Lu, C., Drew, M.: “On the removal of
shadows from images”; IEEE Trans. on Pattern Analysis and Machine
Intelligence; Jan. 2006; vol. 28(1), Seiten 59-68, DOI:
10.1109/TPAMI.2006.18

- 4 -
D3: Finlayson, Graham; Drew, Mark; Lu, Cheng: „Intrinsic Images by
Entropy Minimization”; Springer Berlin / Heidelberg, 2004; Computer
Vision - ECCV 2004; Lecture Notes in Computer Science; vol. 3023;
Seiten 582- 595; DOI: 10.1007/978-3-540-24672-5_46.

Der nunmehr geltende Patentanspruch 1 lautet:

„1. Verfahren zum Entfernen eines durch Beleuchtung erzeugten Schat-
tens (22, 24, 26) in einem erfassten Bild, wobei das Verfahren die Schritte
umfasst, dass:

(a) ein Eingangsbild einer Szene durch eine Bilderfassungseinrich-
tung (14) erfasst wird;

(b) jedes Pixel des erfassten Eingangsbilds an einem zweidimensionalen
logarithmischen Graphen als Chromatizitäts-Wert graphisch dargestellt
wird, wobei jedes Pixel eine Farbvariante von einem mehrerer Farbsätze
in dem logarithmischen Graphen umfasst;

(c) ein nichtlinearer beleuchtungsinvarianter Kern (50) als Funktion der
mehreren Farbsätze ermittelt wird;

(d) eine Beleuchtungsrichtung (40, 41, 42, 43, 45, 46, 47, 48, 49) für jeden
jeweiligen Farbsatz in dem logarithmischen Graphen ermittelt wird, wobei
die Beleuchtungsrichtung (40, 41, 42, 43, 45, 46, 47, 48, 49) für jeden je-
weiligen Farbsatz an jedem jeweiligen Schnittpunkt zwischen einer jeweili-
gen Beleuchtungsrichtung (40, 41, 42, 43, 45, 46, 47, 48, 49) eines Farb-
satzes und dem nichtlinearen beleuchtungsinvarianten Kern (50) orthogo-
nal zu dem nichtlinearen beleuchtungsinvarianten Kern (50) ist;

- 5 -
(e) ein Log-Chromatizität-Wert jedes graphisch dargestellten Pixels auf
den nichtlinearen beleuchtungsinvarianten Kern (50) projiziert wird, wobei
der nichtlineare beleuchtungsinvariante Kern (50) in Farbsatzbereiche auf-
geteilt wird, wobei die Farbsatzbereiche jeweils mit einer Abweichung
eines spezifischen Farbsatzes in Verbindung stehen, wobei jedes gra-
phisch dargestellte Pixel an dem nichtlinearen beleuchtungsinvarianten
Kern (50) einen Farbwert der jeweiligen Pixel des Eingangsbilds darstellt,
wobei das jeweilige Pixel auf einen beleuchtungsinvarianten Bildbereich
abgebildet wird;

(f) Ränder in dem Eingangsbild identifiziert werden;

(g) Ränder in dem beleuchtungsinvarianten Bildbereich identifiziert wer-
den;

(h) die im Schritt (f) und (g) identifizierten Ränder verglichen werden;

(i) in Ansprechen auf einen in dem Eingangsbild identifizierten Rand und
ein Nichtvorhandensein eines in Korrelation stehenden Rands in dem
beleuchtungsinvarianten Bildbereich ermittelt wird, ob ein Schattenrand
vorliegt; und

(j) ein schattenreduziertes Bild für eine Szenenanalyse durch ein fahr-
zeugsichtbasiertes System erzeugt wird.“

Die geltenden Patentansprüche 2 bis 11 lauten:

„2. Verfahren nach Anspruch 1, wobei Schritt (d) ferner umfasst, dass der
nichtlineare beleuchtungsinvariante Kern (50) ausgewählt wird, der eine
wesentliche Trennung der Distanz zwischen dem spezifischen Farbsatz
- 6 -
und anderen Farbsätzen bereitstellt, die auf den nichtlinearen beleuch-
tungsinvarianten Kern (50) projiziert werden.

3. Verfahren nach Anspruch 2, wobei das Auswählen des nichtlinearen
beleuchtungsinvarianten Kerns (50) eine Distanz zwischen den projizier-
ten Werten der Farbvarianten in dem spezifischen Farbsatz wesentlich
minimiert.

4. Verfahren nach Anspruch 1, wobei der logarithmische Graph eine
logarithmische Blau-Grün-Achse und eine logarithmische Rot-Grün-Achse
umfasst.

5. Verfahren nach Anspruch 1,
wobei das Identifizieren von Rändern in dem Eingangsbild und dem
beleuchtungsinvarianten Bildbereich ferner die Schritte umfasst,
dass:
Gradienten von Rändern aus dem Eingangsbild ermittelt werden;
und
Gradienten von Rändern aus dem beleuchtungsinvarianten Bildbereich
ermittelt werden.

6. Verfahren nach Anspruch 5,
wobei das Vergleichen der identifizierten Ränder des Eingangsbilds mit
den identifizierten Rändern in dem beleuchtungsinvarianten Bildbereich
den Schritt umfasst, dass der Gradient des Eingangsbilds und der Gra-
dient des beleuchtungsinvarianten Bildbereichs mit mindestens einem
Schwellenwert verglichen werden.

7. Verfahren nach Anspruch 6,
wobei der Schritt des Ermittelns, ob ein Schattenrand vorliegt, ferner die
Schritte umfasst, dass:
- 7 -
ermittelt wird, ob der Gradient des Eingangsbilds größer als ein erster
Schwellenwert ist; und
ermittelt wird, ob der Gradient des beleuchtungsinvarianten Bildbereichs
kleiner als ein zweiter Schwellenwert ist.

8. Verfahren nach Anspruch 6,
wobei das Vergleichen des Gradienten des Eingangsbilds und des Gra-
dienten des beleuchtungsinvarianten Bildbereichs mit mindestens einem
Schwellenwert ferner den Schritt umfasst, dass:
eine Gradientendifferenz zwischen dem Gradienten des Eingangsbilds
und dem Gradienten des beleuchtungsinvarianten Bildbereichs berechnet
wird.

9. Verfahren nach Anspruch 8, wobei das Berechnen einer Gradientendif-
ferenz die folgenden Schritte umfasst:
Ermitteln eines Gradientenbetrags des Eingangsbilds;
Ermitteln eines Gradientenbetrags des beleuchtungsinvarianten
Bildbereichs; und
Berechnen der Gradientendifferenz durch Subtrahieren des Gra-
dientenbetrags des beleuchtungsinvarianten Bildbereichs von dem Gra-
dientenbetrag des Eingangsbilds.

10. Verfahren nach Anspruch 9,
wobei der Schritt des Ermittelns, ob ein Schattenrand vorhanden ist, ferner
den Schritt umfasst, dass ermittelt wird, ob die Gradientendifferenz größer
als ein vorbestimmter Schwellenwert ist.

11. Verfahren nach Anspruch 1,
wobei die Schritte (f) - (i) für jeden Farbkanal durchgeführt werden.“

Zu den weiteren Einzelheiten wird auf die Akte verwiesen.
- 8 -
II.

Die Beschwerde ist frist- und formgerecht eingereicht und auch sonst zulässig. Sie
hat Erfolg, da ein Patent nach dem nunmehr geltenden Antrag erteilt werden kann.

1. Die Patentanmeldung betrifft Schattenentfernung in einem durch eine fahr-
zeugbasierte Kamera erfassten Bild unter Verwendung eines nichtlinearen be-
leuchtungsinvarianten Kerns.

Gemäß S. 2 Abs. 3 der geltenden Beschreibung soll der Patentanmeldung die Auf-
gabe zugrunde liegen, ein Verfahren zur Entfernung eines durch Beleuchtung
erzeugten Schattens in Bildern anzugeben, welches auch mit Serienkameras
durchgeführt werden kann, die keine schmalbandigen Sensoren aufweisen.

Die Anmeldung geht aus von mit einer Kamera aufgenommenen Bildern, die
(unter anderem) eine Straße zeigen. Die Kamera liefert für jedes Pixel einen RGB
(Rot, Grün, Blau) – Farbwert. Die zu einer zusammenhängenden Straßenoberflä-
che bzw. einem freien Fahrpfad gehörigen Farbwerte bilden einen Farbsatz; ande-
re Bildbereiche (die andere lichtstreuende Oberflächen einer Szene abbilden) ge-
hören zu anderen Farbsätzen.
Die Straßenbereiche können Schatten enthalten, die Fehler bei der automatischen
Detektion von Objekten verursachen und daher herausgefiltert werden sollen (Of-
fenlegungsschrift Abs. [0002]).
Gemäß Abs. [0018] bis [0028] i. V. m. Fig. 4 werden aus den RGB-Farbwerten
jedes Pixels zwei Chromatizitätswerte (c1, c2) berechnet, wobei c1 = R/G das Ver-
hältnis des roten Farbwerts R zum grünen Farbwert G und c2 = B/G das Verhältnis
des blauen Farbwerts B zum grünen Farbwert G angibt. Stellt man diese Werte in
einem doppelt logarithmischen Diagramm („zweidimensionaler logarithmischer
Graph“, Fig. 4) dar, so liegen die Werte für jeden Farbsatz ungefähr auf einer zu-
gehörigen Geraden (vgl. die vier Geraden 40 bis 43 in Fig. 4). Für eine ideale
Kamera (mit schmalbandigen Farbsensoren) hängt die Richtung der Geraden nur
- 9 -
von den Kamerasensoren ab, sie ist für die verschiedenen Farbsätze gleich
(Fig. 4). Für billige (breitbandige) Kamerasensoren, welche die einzelnen Farben
nicht so gut trennen, können die Geradenrichtungen für unterschiedliche Farbsät-
ze unterschiedlich sein (Fig. 5).
Auf welchen Punkt einer solchen Geraden der Chromatizitätswert eines Pixels zu
liegen kommt, hängt von den Beleuchtungsbedingungen für das Pixel ab. Um den
Einfluss der Beleuchtungsbedingungen zu eliminieren, wird eine „lineare beleuch-
tungsinvariante Achse“ (44 in Fig. 4) definiert, die senkrecht zur Geradenrichtung
verläuft. Projiziert man die Werte des Farbsatzes entlang der zugehörigen Gera-
denrichtung auf diese Achse, so erhält man (im Wesentlichen) immer denselben
projizierten Wert, der unabhängig von den Beleuchtungsbedingungen ist, also
auch unabhängig von etwaigen Schatten (Abs. [0027]).
Das ursprüngliche Bild (30 in Fig. 3, mit Schatten) kann anhand der projizierten
Werte in einen beleuchtungsinvarianten Bildbereich abgebildet werden, in dem
Schatten eliminiert sind (32 in Fig. 3), etwa dadurch, dass für jedes Pixel der ur-
sprüngliche Farbwert durch den projizierten Wert im Log-Chromatizität-Diagramm
ersetzt wird (letzte drei Sätze in Abs. [0027]). Ränder bzw. Kanten im beleuch-
tungsinvarianten Bild und im ursprünglichen Farbbild werden identifiziert, vergli-
chen und damit Schattenränder im ursprünglichen Bild ermittelt (das sind Ränder,
die nur im ursprünglichen Bild, jedoch nicht im beleuchtungsinvarianten Bild vor-
handen sind, vgl. Abs. [0030]). Anhand dieser Ränder können Schatten im ur-
sprünglichen Bild eliminiert werden (Abs. [0029]; Details in den darauf folgenden
Absätzen).

Da im Log-Chromatizität-Diagramm für billige, nicht ideale Kamerasensoren die
Geradenrichtungen („Beleuchtungsrichtungen“) für die verschiedenen Farbsätze
unterschiedlich sind (Fig. 5, Abs. [0039]), wird in der vorliegenden Anmeldung
keine lineare, im Wesentlichen beleuchtungsinvariante Achse ermittelt, sondern
ein nichtlinearer beleuchtungsinvarianter Kern (Ellipse 50 in Fig. 6), den die den
einzelnen Farbsätzen zugeordneten Geraden jeweils senkrecht schneiden (Fig. 6,
Abs. [0040]). Jedem Farbsatz ist im beleuchtungsinvarianten Kern ein Gebiet
- 10 -
(region of interest, 52 bis 57 in Fig. 6) zugeordnet, in dem die Projektionswerte des
Farbsatzes (aus Projektionen entlang der dem Farbsatz zugeordneten Geraden)
liegen (Abs. [0047]). Für jedes Pixel wird dessen zugehöriger Farbwert auf den
beleuchtungsinvarianten Kern projiziert (senkrecht und damit entlang der Gera-
denrichtung = „Beleuchtungsrichtung“ des zugehörigen Farbsatzes), was einen
Farbwert für eine Abbildung auf einen beleuchtungsinvarianten Bildbereich ergibt
(Abs. [0048]).

Entsprechend dem oben Erläuterten soll folgender Verfahrensablauf unter Schutz
gestellt werden, der zum Entfernen eines durch Beleuchtung erzeugten Schattens
in einem erfassten Bild dient:

- ein Eingangsbild einer Szene wird durch eine Bilderfassungseinrichtung
(Kamera) erfasst (Merkmal (a));
- der Farbwert jedes Pixels ist eine Farbvariante, die zu einem mehrerer
möglicher Farbsätze gehört; dieser Farbwert wird gemäß einem zwei-
dimensionalen logarithmischen Graphen (in einem logarithmischen Chro-
matizitätsdiagramm, vgl. Fig. 4, 5 und 6) dargestellt (Merkmal (b)); in die-
sem Diagramm verlaufen die Werte jedes Farbsatzes ungefähr entlang
einer Geraden, wobei aufgrund der Verwendung einer billigen Kamera die
zu den verschiedenen Farbsätzen gehörenden Geraden nicht parallel,
sondern divergent sind;
- in dem logarithmischen Chromatizitätsdiagramm wird für jeden Farbsatz
eine „Beleuchtungsrichtung“ ermittelt (das ist die Richtung der Geraden,
entlang welcher die Werte jedes Farbsatzes ungefähr verlaufen), und als
Funktion der mehreren Farbsätze wird ein nichtlinearer beleuchtungs-
invarianter Kern („50“ in Fig. 6) ermittelt, wobei jede „Beleuchtungsrich-
tung“ den Kern senkrecht schneidet (Merkmale (c), (d));
- der nichtlineare beleuchtungsinvariante Kern wird in Farbsatzbereiche
eingeteilt, deren jeder mit der Farbabweichung (umfassend mehrere Farb-
varianten) eines spezifischen Farbsatzes verknüpft ist, und der Log-Chro-
- 11 -
matizität-Wert jedes (gemäß Merkmal (b) graphisch dargestellten) Pixels
wird senkrecht (und damit entlang der „Beleuchtungsrichtung“ des zugehö-
rigen Farbsatzes) auf den Kern projiziert, wodurch sich ein Farbwert des
Pixels für eine Abbildung auf einen beleuchtungsinvarianten Bildbereich
ergibt (Merkmal (e));
- in dem Eingangsbild und ebenso in dem beleuchtungsinvarianten Bildbe-
reich werden Ränder (Kanten) identifiziert (Merkmale (f), (g));
- durch Vergleich der identifizierten Ränder werden Schattenränder des
Eingangsbilds ermittelt anhand von Rändern, die im Eingangsbild, jedoch
nicht in dem beleuchtungsinvarianten Bildbereich vorhanden sind (Merk-
male (h) und (i));
- anhand der identifizierten Schattenränder wird ein schattenreduziertes
Bild für eine Szenenanalyse durch ein fahrzeugsichtbasiertes System er-
zeugt (Merkmal (j)).

Als Fachmann sieht der Senat hier einen Ingenieur der Fachrichtung Informatik,
Informationstechnik oder Elektrotechnik mit guten Kenntnissen in der Bildverarbei-
tung und Erfahrung auf dem Gebiet der kamerabasierten Objektdetektion, insbe-
sondere für Fahrerassistenzsysteme an.

2. Die unter Schutz gestellte Lehre ist in den Anmeldeunterlagen so deutlich
und vollständig offenbart, dass ein Fachmann sie ausführen kann (§ 34 Abs. 4
PatG).

Insbesondere konnte der Fachmann den Anmeldeunterlagen eine in sich konsis-
tente Lehre zur Ermittlung einer beleuchtungsinvarianten Achse und einer zu
dieser jeweils senkrechten „Beleuchtungsrichtung“ entnehmen.

Diese Unterlagen zeigen im Hinblick auf die „Beleuchtungsrichtung“ und die be-
leuchtungsinvariante Achse das Folgende (siehe auch oben unter 1.).

- 12 -
In einem Log-Chromatizität-Diagramm liegen die Chromatizitätswerte der Pixel
eines Bildes für jeden zu einer Oberfläche (z. B. „Straße“) gehörigen Farbsatz
(unter verschiedenen Beleuchtungsbedingungen) auf einer zum Farbsatz gehöri-
gen Geraden mit der Steigung bzw. Richtung e (englische Anmeldeunterlagen
Abs. [0020] bis [0023]). Für eine ideale Kamera haben die Geraden für die ver-
schiedenen Farbsätze dieselbe Richtung e (Fig. 4 mit den Geraden 40, 41, 42 und
43; Abs. [0024] der englischen Anmeldeunterlagen). Aus den weiteren Angaben
(Definition einer beleuchtungsinvarianten Achse (44 in Fig. 4) senkrecht zur
„Beleuchtungsrichtung“ und Projektion der Werte für eine gegebene Oberfläche,
d.h. für den zugehörigen Farbsatz in einen einzigen Punkt auf der beleuchtungs-
invarianten Achse, unabhängig von der Beleuchtung) entnimmt der Fachmann,
dass in Fig. 4 unter der „Beleuchtungsrichtung“ die (zur beleuchtungsinvarianten
Achse 44 senkrechte) Richtung e der Geraden im Log-Chromatizität-Diagramm zu
verstehen ist, entlang welcher die zu verschiedenen Beleuchtungsbedingungen
gehörenden Werte für den jeweiligen Farbsatz verlaufen.

Mit diesem Verständnis des Ausdrucks „Beleuchtungsrichtung“ stimmt auch die
Beschreibung in Abs. [0034] der englischen Anmeldeunterlagen überein, wobei
der nichtlineare beleuchtungsinvariante Kern (der gemäß der Lehre der Anmel-
dung an die Stelle der vorher beschriebenen linearen beleuchtungsinvarianten
Achse tritt) senkrecht ist zur Beleuchtungsrichtung jedes Farbsatzes am jeweiligen
Schnittpunkt (für reale Kameras sind die Beleuchtungsrichtungen der einzelnen
Farbsätze unterschiedlich, Abs. [0033] i. V. m Fig. 5). Dass die schematische
Fig. 6 nicht für alle zu den einzelnen Farbsätzen gehörenden Geraden bzw.
Beleuchtungsrichtungen ein genau senkrechtes Schneiden des nichtlinearen
Kerns (50) zeigt (für die mit „52“ und „56“ bezeichneten Gebiete verläuft der
Schnitt eher etwas schräg zur Senkrechten), beeinträchtigt das Verständnis des
Fachmanns der insoweit eindeutigen Beschreibung in Abs. [0034] nicht.

Schließlich ist davon auszugehen, dass der Fachmann anhand der Hinweise in
den Anmeldeunterlagen und unter Berücksichtigung des ihm bekannten Standes
- 13 -
der Technik (vgl. die Druckschriften D2 und D3) in der Lage war, nach der Ermitt-
lung eines nichtlinearen invarianten Kerns mit dazu senkrechten Beleuchtungs-
richtungen im Log-Chromatizitätsdiagramm auch einen Schattenrand im Ein-
gangsbild zu bestimmen und ein schattenreduziertes Bild gemäß Merkmal (j) zu
berechnen; vgl. hierzu Abs. [0026] bis [0031] der englischen Anmeldeunterlagen.

3. Die Vorrichtung gemäß dem Anspruch 1 ist neu gegenüber dem belegten
Stand der Technik und beruht auf erfinderischer Tätigkeit.

Dies ergibt sich aus der Würdigung der zum Stand der Technik genannten Druck-
schriften.

Die Druckschrift D2 beschreibt in Kap. 2 das in der Offenlegungsschrift Abs. [0018]
bis [0028] i. V. m. Fig. 4 der vorliegenden Anmeldung dargestellte Bildverarbei-
tungsverfahren, wobei hergeleitet wird, dass für ein mit einer idealen Kamera auf-
genommenes Bild die Werte für die verschiedenen streuenden Oberflächen (ver-
schiedene Farbsätze) in einem zweidimensionalen Log-Chromatizitätsdiagramm
entlang von parallelen Geraden verlaufen (Fig. 1 (a)); auch für eine Kamera mit
breitbandigen Sensoren gilt dies näherungsweise (Fig. 1 (c)).
Im Log-Chromatizitätsdiagramm kann ein Satz von parallelen Geraden gefunden
werden, der die Daten im Sinne von geringsten Fehlerquadraten annähert (Fig. 1
(b) und (c) mit der Beschreibung auf S. 62 ab Mitte li. Sp.); bei der Ermittlung der
parallelen Geraden werden somit die Daten aller Farbsätze berücksichtigt. Zu der
Richtung e der parallelen Geraden („Beleuchtungsrichtung“ in der Nomenklatur
der vorliegenden Anmeldung) gehört eine dazu senkrechte Gerade (Fig. 1 (a) mit
Beschreibung; „lineare beleuchtungsinvariante Achse“ in der Nomenklatur der
vorliegenden Anmeldung).

Durch Projektion der Chromatizitätswerte entlang der Geradenrichtung e (Be-
leuchtungsrichtung) auf die dazu senkrechte beleuchtungsinvariante Achse ergibt
sich in D2 für jede Oberfläche bzw. jeden Farbsatz im Wesentlichen ein für den
- 14 -
Farbsatz charakteristischer Punkt auf der beleuchtungsinvarianten Achse. Damit
kann schließlich ein beleuchtungsinvariantes Grauwertbild ohne Schatten berech-
net werden (D2 S. 61 re. Sp. vorle. Abs. mit Gl. (9) sowie Fig. 2 (d) mit S. 62 li. Sp.
le. Abs. bis re. Sp. Abs. 1; vgl. in der vorliegenden Anmeldung Fig. 3 Nr. 32), das
jedoch im Wesentlichen keine Farbinformation mehr enthält (Kap. 3 Abs. 1).

Um ein Bild zu erzeugen, das schattenfrei ist, aber ansonsten dem ursprünglichen
Farbbild entspricht, werden Schattenränder extrahiert, und anhand des Vergleichs
von Schattenrändern im ursprünglichen Bild und im beleuchtungsinvarianten Bild
werden Schatten im ursprünglichen Bild entfernt (Kap. 4, insbesondere Kap. 4.2
mit Fig. 4); dabei werden im vom ursprünglichen Bild abgeleiteten Gradientenbild
die gefundenen Schattenränder auf Null gesetzt, und das so modifizierte Gradien-
tenbild wird für die drei Farbkanäle integriert (Kap. 4.1).

Die Druckschrift D1 betrifft schattenresistente Straßensegmentierung in von einer
monokularen Kamera aufgenommenen Bildern. D1 baut auf D2 auf (Ref. [4] in D1)
und verwendet das in D2 beschriebene Verfahren bis zur Erzeugung einer Abbil-
dung in einem beleuchtungsinvarianten Bildbereich, jedoch ohne hieraus ein
schattenloses Farbbild zu erzeugen, was sehr aufwändig wäre (S. 10 le. Abs.).
Ausgehend von zur Straße gehörigen Saatpunkten werden Straßenbereiche durch
ein „region growing“ – Verfahren über die Betrachtung der Ähnlichkeit benachbar-
ter Punkte zu bereits als „Straße“ klassifizierten Punkten ermittelt. Dieses Verfah-
ren wurde auf ein Intensitätsbild (Helligkeitsbild), auf ein Farbbild und auf ein
beleuchtungsinvariantes Bild angewendet. Die Ergebnisse zeigen, dass sich das
beleuchtungsinvariante Bild für die Segmentierung der Straße am besten eignet
(S. 14 le. Abs.).

In der Druckschrift D3 werden mit einem Verfahren wie in D2 beschrieben Schat-
ten in einem aufgenommenen Bild entfernt, unter Betrachtung des Log-Chromati-
zitätsdiagramms, mit Ermittlung einer linearen invarianten Richtung bzw. Achse
und einer dazu senkrechten Beleuchtungsrichtung sowie einer hierauf aufbauen-
- 15 -
den Schattenentfernung. Die lineare invariante Achse wird jedoch in D3 anders als
in D2 ermittelt: Es werden mehrere mögliche Richtungen für die lineare invariante
Achse untersucht, und für jede mögliche Richtung werden die Chromatizitätswerte
der Pixel entlang der zur möglichen Richtung senkrechten Beleuchtungsrichtung
auf die mögliche Achse projiziert, vgl. Fig. 1. Sodann wird die Entropie der sich
ergebenden Verteilung auf der möglichen Achse berechnet (Fig. 3(c)). Die zur Ver-
teilung mit der geringsten Entropie gehörende Achse wird als lineare beleuch-
tungsinvariante Achse ausgewählt. In der Beschreibung zu Fig. 1 ist für eine Men-
ge von Bildern realer Farbflächen erläutert, dass für die korrekte lineare beleuch-
tungsinvariante Achse die Projektionspunkte enge Peaks bilden, die gut voneinan-
der getrennt sind und jeweils einer Farbfläche entsprechen (Fig. 1 (a)); die ent-
spricht einer geringen Entropie der Verteilung. Wird andererseits eine „fal-
sche“ Richtung der linearen beleuchtungsinvarianten Achse gewählt, so sind die
projizierten Punkte auf dieser Achse breit verstreut, was zu einer hohen Entropie
der Verteilung führt (Fig. 1 (b)). Auch für reale Kamerabilder lassen sich mit dieser
Methode gute Ergebnisse erzielen (Fig. 8).

Das Verfahren der D3 verwendet somit ebenso wie die Verfahren der D2 und D1
eine gerade verlaufende (lineare) beleuchtungsinvarianten Achse.

Keine der genannten Druckschriften gibt einen Hinweis darauf, von diesem Prinzip
abzugehen und in dem Log-Chromatizitätsdiagramm anstelle einer linearen be-
leuchtungsinvarianten Achse einen nichtlinearen beleuchtungsinvarianten Kern zu
verwenden, den die Beleuchtungsrichtungen der verschiedenen Farbsätze jeweils
senkrecht schneiden.

Das Verfahren des Patentanspruchs 1 ist somit neu.

Die oben beschriebene Vorgehensweise war zudem für den Fachmann nicht von
sich aus naheliegend.

- 16 -
Sie beruht vielmehr auf der Erkenntnis, dass sich ein beleuchtungsinvarianter
nichtlinearer Kern im Gegensatz zu einer linearen Achse besonders gut an unter-
schiedliche Beleuchtungsrichtungen verschiedener Farbsätze anpassen lässt, was
auch für billige Kameras mit relativ breitbandigen Sensoren eine gute Trennung
der beleuchtungsinvarianten Werte für die einzelnen Farbsätze ermöglicht.

Dem beanspruchten Verfahren ist damit auch eine erfinderische Tätigkeit nicht
abzusprechen.

4. Der Patentanspruch 1 ist gewährbar.

Die abhängigen Patentansprüche 2 bis 11 sind ebenfalls gewährbar.

Auch die übrigen Voraussetzungen für eine Patenterteilung sind erfüllt.


Rechtsmittelbelehrung

Gegen diesen Beschluss steht den am Beschwerdeverfahren Beteiligten das Rechtsmittel
der Rechtsbeschwerde zu. Da der Senat die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen hat, ist
sie nur statthaft, wenn gerügt wird, dass

das beschließende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war,
bei dem Beschluss ein Richter mitgewirkt hat, der von der Ausübung des Richteramtes
kraft Gesetzes ausgeschlossen oder wegen Besorgnis der Befangenheit mit Erfolg
abgelehnt war,
einem Beteiligten das rechtliche Gehör versagt war,
ein Beteiligter im Verfahren nicht nach Vorschrift des Gesetzes vertreten war, sofern er
nicht der Führung des Verfahrens ausdrücklich oder stillschweigend zugestimmt
hat,

- 17 -
der Beschluss aufgrund einer mündlichen Verhandlung ergangen ist, bei der die Vor-
schriften über die Öffentlichkeit des Verfahrens verletzt worden sind, oder
der Beschluss nicht mit Gründen versehen ist.

Die Rechtsbeschwerde ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlusses beim
Bundesgerichtshof, Herrenstr. 45 a, 76133 Karlsruhe, durch einen beim Bundesgerichts-
hof zugelassenen Rechtsanwalt als Bevollmächtigten schriftlich einzulegen.


Dr. Morawek Eder Dr. Thum-Rung Dr. Forkel

Ko



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