17 W (pat) 22/15  - 17. Senat (Techn.Beschw.)
Karar Dilini Çevir:

BPatG 154
05.11

BUNDESPATENTGERICHT



17 W (pat) 22/15
_______________
(Aktenzeichen)



Verkündet am
11. Juli 2017





B E S C H L U S S

In der Beschwerdesache

betreffend die Patentanmeldung 10 2013 017 582.8-53








hat der 17. Senat (Technischer Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf
die mündliche Verhandlung vom 11. Juli 2017 unter Mitwirkung des Richters
Dipl.-Ing. Baumgardt als Vorsitzendem, der Richterin Eder, der Richterin
Dipl.-Phys. Dr. Thum-Rung und des Richters Dipl.-Ing. Hoffmann
- 2 -
beschlossen:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.


G r ü n d e

I.

Die vorliegende Patentanmeldung wurde am 15. Oktober 2013 beim Deutschen
Patent- und Markenamt eingereicht. Sie trägt die Bezeichnung:

„Verfahren zur automatischen adaptiven Generierung von hörbarem
Sound in Abhängigkeit von einem Systemzustand einer
Maschine und/oder eines Fahrzeugs“.

Die Anmeldung wurde durch Beschluss der Prüfungsstelle für Klasse G06N in der
Anhörung vom 6. Februar 2015 zurückgewiesen. Die Prüfungsstelle führt zur Be-
gründung der Zurückweisung aus, dass der Patentanspruch 1 mangels einer erfin-
derischen Tätigkeit für seinen Gegenstand nicht gewährbar sei.

Gegen diesen Beschluss ist die Beschwerde der Anmelderin gerichtet.

Die Vertreterin der Anmelderin ist – wie angekündigt – zur mündlichen Verhand-
lung nicht erschienen.

Sie beantragt (sinngemäß), den Beschluss aufzuheben und das nachgesuchte
Patent mit folgenden Unterlagen zu erteilen:
- 3 -
gemäß Hauptantrag mit
- Patentansprüchen 1 – 10 vom 06. Februar 2015,
- Beschreibung Seiten 1 – 11 vom 15. Oktober 2013 = Anmel-
detag,
- 5 Blatt Zeichnungen mit Figuren 1 – 9 vom Anmeldetag;

gemäß Hilfsantrag mit
- Patentansprüchen 1 – 10 vom 27. April 2015,
- im Übrigen wie Hauptantrag.

Der geltende Patentanspruch 1 nach Hauptantrag (hier mit einer denkbaren
Gliederung versehen) lautet:

(A) 1. Verfahren zur automatischen adaptiven Generierung von hörbarem
Sound in Abhängigkeit von einem Systemzustand eines Fahrzeugs in
Form eines Elektroautos, Hybridautos oder E-Bikes,
wobei
(a) der Systemzustand mindestens eine Drehzahl und/oder eine Ge-
schwindigkeit und/oder eine Beschleunigung und/oder eine Ein-
gangsleistung enthält, und diese den Systemzustand dokumentie-
rende/n Komponente/n einen Eingangsraum bildet/en
und
(b) dass ein Zusammenhang zwischen wenigstens einer Komponente
des Eingangsraumes und einem jeweils dazugehörig zu generie-
renden Sound durch ein regelbasiertes Fuzzy-System (RBFS),
auch als Fuzzy-Inferenzsystem bezeichnet, eingestellt wird
und
(c) die Generierung des Sounds (auch Ausgangssound genannt) aus
einer Menge von Basis-Sounds durch anteilige Überlagerung
erfolgt und mindestens die Eigenschaften Lautstärke und Abspiel-
geschwindigkeit aller Basis-Sounds zusammen die Menge der
- 4 -
Ausgangsgrößen (Ausgangsraum) des regelbasiertes Fuzzy-Sys-
tem darstellen,
und
(d) für die Erweiterung der Menge der Ausgangsgrößen die Basis-
Sounds in Frequenzbänder zerlegt werden und die Lautstärke
jedes Frequenzbandes einzeln als Eigenschaft und somit als
separate Ausgangsgröße verwendet wird,
und wobei
(e) psychoakustische Eigenschaften der Basissounds in Form von
Lautheit, Rauhigkeit und Schärfe einzeln oder in Kombination zum
Einsatz kommen,
wobei
(f) für die Komponenten des Eingangsraumes jeweils geeignete Men-
gen an Fuzzy-Termen in einer Abbildungsvorschrift definiert wer-
den
und wobei
(g) das regelbasierte Fuzzy-System, welches die komplette nichtline-
are mehrdimensionale Abbildung des Eingangsraumes auf den
Ausgangsraum beschreibt, durch eines der folgenden Verfahren
definiert wird:
(g1) durch einen rein expertenbasierten Ansatz als System von
WENN-DANN-Regeln durch einen Experten,
(g2) durch einen expertenbasierten Ansatz ergänzt um ein Lern-
verfahren zum Erzeugen und/oder Anpassen des Systems
von WENN-DANN-Regeln auf der Basis von Beispieldaten
und/oder Bewertungsdaten,
(g3) durch einen datenbasierten Ansatz, der zuerst ein Klassifika-
tionssystem auf der Basis von Beispieldaten und/oder Be-
wertungsdaten erzeugt und aus diesem das System von
Wenn-Dann-Regeln extrahiert wird, und dass diese Abbil-
- 5 -
dungsvorschrift in einem Entwurfsprogramm modelliert und
in einer parametrischen Form verlustfrei abgespeichert wird,
wobei
(h) Drehzahl, Beschleunigung und Bremsvorgänge und die Effizienz
des Motorarbeitspunktes hörbar gestaltet werden
und
(i) bei zunehmender Drehzahl des Motors ein bestimmter Motor-
sound lauter und/oder hinsichtlich der Frequenz höher wird, beim
normalen mittleren Beschleunigen ein Beschleunigungssound lau-
ter hörbar ist und beim starken Beschleunigen der Beschleuni-
gungssound komplett dominiert und der Motorsound nahezu ver-
schwindet.

Zu den übrigen Ansprüchen nach Hauptantrag wird auf die Akte verwiesen.

Der geltende Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag (ebenfalls mit einer denkbaren
Gliederung und gekennzeichneten Unterschieden zu Anspruch 1 nach Hauptan-
trag versehen) lautet:

(A) 1. Verfahren zur automatischen adaptiven Generierung von hörbarem
Sound in Abhängigkeit von einem Systemzustand eines Fahrzeugs in
Form eines Elektroautos, Hybridautos oder E-Bikes,
wobei
(a) der Systemzustand mindestens eine Drehzahl und/oder eine Ge-
schwindigkeit und/oder eine Beschleunigung und/oder eine Ein-
gangsleistung enthält, und diese den Systemzustand dokumentie-
rende/n Komponente/n einen Eingangsraum bildet/en
und
(b) dass ein Zusammenhang zwischen wenigstens einer Komponente
des Eingangsraumes und einem jeweils dazugehörig zu generie-
- 6 -
renden Sound durch ein regelbasiertes Fuzzy-System (RBFS),
auch als Fuzzy-Inferenzsystem bezeichnet, eingestellt wird
und
(c) die Generierung des Sounds (auch Ausgangssound genannt) aus
einer Menge von Basis-Sounds durch anteilige Überlagerung
erfolgt und mindestens die Eigenschaften Lautstärke und Abspiel-
geschwindigkeit aller Basis-Sounds zusammen die Menge der
Ausgangsgrößen (Ausgangsraum) des regelbasiertes Fuzzy-Sys-
tem darstellen,
und
(d) für die Erweiterung der Menge der Ausgangsgrößen die Basis-
Sounds in Frequenzbänder zerlegt werden und die Lautstärke
jedes Frequenzbandes einzeln als Eigenschaft und somit als
separate Ausgangsgröße verwendet wird,
und wobei
(e) psychoakustische Eigenschaften der Basissounds in Form von
Lautheit, Rauhigkeit und Schärfe einzeln oder in Kombination zum
Einsatz kommen,
wobei
(f) für die Komponenten des Eingangsraumes jeweils geeignete Men-
gen an Fuzzy-Termen in einer Abbildungsvorschrift definiert wer-
den
und wobei
(g) das regelbasierte Fuzzy-System, welches die komplette nichtline-
are mehrdimensionale Abbildung des Eingangsraumes auf den
Ausgangsraum beschreibt, durch eines der folgenden Verfahren
definiert wird:
(g1) durch einen rein expertenbasierten Ansatz als System von
WENN-DANN-Regeln durch einen Experten,
(g2) durch einen expertenbasierten Ansatz ergänzt um ein Lern-
verfahren zum Erzeugen und/oder Anpassen des Systems
- 7 -
von WENN-DANN-Regeln auf der Basis von Beispieldaten
und/oder Bewertungsdaten,
(g3) durch einen datenbasierten Ansatz, der zuerst ein Klassifika-
tionssystem auf der Basis von Beispieldaten und/oder Be-
wertungsdaten erzeugt und aus diesem das System von
Wenn-Dann-Regeln extrahiert wird, und dass diese Abbil-
dungsvorschrift in einem Entwurfsprogramm modelliert und
in einer parametrischen Form verlustfrei abgespeichert wird,
wobei
(h) Drehzahl, Beschleunigung und Bremsvorgänge und die Effizienz
des Motorarbeitspunktes hörbar gestaltet werden
und
(i) bei zunehmender Drehzahl des Motors ein bestimmter Motor-
sound lauter und/oder hinsichtlich der Frequenz höher wird, beim
normalen mittleren Beschleunigen ein Beschleunigungssound lau-
ter hörbar ist und beim starken Beschleunigen der Beschleuni-
gungssound komplett dominiert und der Motorsound nahezu ver-
schwindet
und
(j) dass eine Überlappung von Zugehörigkeitsfunktionen für einen
Übergang mit spezieller Charakteristik sorgen derart, dass durch
steile Funktionsverläufe ein abrupter Übergang und durch weniger
steile Funktionsverläufe ein weicher Übergang gestaltet wird.

Zu den übrigen Ansprüchen nach Hilfsantrag wird auf die Akte verwiesen.

Im Verfahren sind folgende Druckschriften genannt worden:

D1: Hermann, Thomas [u. a.]: The Sonification Handbook. Berlin: Logos Verlag,
2011. 1,3,5-7,9-11,13,15-20,25,30,31,36,42-45,99,114,115,118,125,126,
- 8 -
129,130,133-135,166-167,173,177,195-213,262-270,309-311,321-323,383-
400,408-410. – ISBN 978-3-8325-2819-5.
http://sonification.de/handbook/download/TheSonificationHandbook-
HermannHuntNeuhoff-2011.pdf [abgerufen am 16.09.2014];
D2: CHAMARD, Jean-Christophe; Roussarie, Vincent: Design of Electric or
Hybrid vehicle alert sound system for pedestrian. In: Acoustics 2012
Nantes, April 2012, S. 1691–1695.
http://hal.archives-ouvertes.fr/hal-00811353 [abgerufen am 17.09.2014];
D3: Cadiz, Rodrigo; Kendall, Gary: Fuzzy Logic Control Tool Kit: Real-time
Fuzzy Control for Max/MSP and Pd. In: Proceedings of International Com-
puter Music Conference, 2006, S. 341–346. – ISSN 0-9713192-4-3.
http://quod.lib.umich.edu/cgi/p/pod/dod-idx/fuzzy-logic-control-tool-kit-real-
time-fuzzy-control-for.pdf? c=icmc;idno=bbp2372.2006.072 [abgerufen am
17.09.2014];
D4: US 5 880 392 A;
D5: US 5 635 903 A;
D6: Misdariis, Nicolas [u. a.]: Do electric cars have to make noise? An emble-
matic opportunity for designing sounds and soundscapes. In: Acoustics
2012 Nantes, 23.04.2012, S. 1045–1050.
http://hal.archives-ouvertes.fr/hal-00810920 [abgerufen am 18.09.2014];
D7: Fuzzy-Regler. In: Wikipedia, der freien Enzyklopädie. Bearbeitungsstand:
21.09.2012. URL:
http://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Fuzzy-Regler&oldid=108355466
[abgerufen am 18.09.2014];
D8: Electric vehicle warning sounds. In: Wikipedia, the free encyclopedia. Bear-
beitungsstand: 19.09.2012. URL:
http://en.wikipedia.org/w/index.php?title=Electric_vehicle_warning_sounds&
oldid=513556484 [abgerufen am 18.09.2014];
D9: Additive Synthesis. In: Wikipedia, the free encyclopedia. Bearbeitungs-
stand: 04.09.2013;
D10: EP 1 865 494 A1.
- 9 -
Zu den Einzelheiten wird auf die Akte verwiesen.


II.

Die Beschwerde wurde frist- und formgerecht eingelegt und ist auch sonst zuläs-
sig. Sie hat jedoch keinen Erfolg, da das beanspruchte Verfahren des Patentan-
spruchs 1 nach Hauptantrag und auch das beanspruchte Verfahren des Patentan-
spruchs 1 nach Hilfsantrag nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhen (§ 4
PatG).


1. Die vorliegende Patentanmeldung betrifft ein Verfahren zur automatischen
adaptiven Generierung von hörbarem Sound in Abhängigkeit von einem System-
zustand einer Maschine und/oder eines Fahrzeugs (Offenlegungsschrift, Absatz
[0001]).

Gemäß der Anmeldung seien eine eindimensionale sowie eine mehrfach eindi-
mensionale Abhängigkeit einer Soundgenerierung von einer Einflussgröße
bekannt. Diese würden jedoch die realen Gegebenheiten nicht wiedergeben.
Gehe man von n kontinuierlichen Eingangsgrößen (Eingangsraum) und m konti-
nuierlichen Parametern von gegebenen Basis-Sounds (Samples), die die Fusion
der Basis-Sounds definieren (Ausgangsraum), aus, dann brauche es eine kom-
plette nichtlineare mehrdimensionale Abbildung des n-dimensionalen Eingangs-
raums auf den m-dimensionalen Ausgangsraum (vgl. Offenlegungsschrift, Absatz
[0003]).

Der Anmeldung soll die Aufgabe zugrundeliegen, ein Verfahren zur automati-
schen adaptiven Generierung von hörbarem Sound in Abhängigkeit von einem
Systemzustand einer Maschine und/oder eines Fahrzeugs zu entwickeln und dafür
die nichtlineare mehrdimensionale Abbildung so zu entwerfen, dass bei der
- 10 -
Soundgenerierung logische Zielkriterien umgesetzt werden können, die einerseits
künstlerischen Ursprungs sind, andererseits aber auch formale technische oder
andere sachliche (z. B. gesetzliche) Richtlinien bedienen (Offenlegungsschrift,
Absatz [0005]).

Zur Lösung dieser Aufgabe schlägt der Patentanspruch 1 nach Hauptantrag ein
Verfahren zur automatischen adaptiven Generierung von hörbarem Sound in Ab-
hängigkeit von einem Systemzustand eines Fahrzeugs in Form eines Elektroau-
tos, Hybridautos oder E-Bikes (Merkmal (A)) vor. Der Systemzustand enthält eine
Drehzahl und/oder eine Geschwindigkeit und/oder eine Beschleunigung und/oder
eine Eingangsleistung, wobei diese einen Eingangsraum bilden (Merkmal (a)), und
ein Zusammenhang zwischen wenigstens einer Komponente des Eingangsrau-
mes und einem jeweils dazugehörig zu generierenden (Basis)-Sound durch ein
regelbasiertes Fuzzy-System (RBFS – auch als Fuzzy-Inferenzsystem bezeichnet)
eingestellt wird (Merkmal (b)). Der Ausgangssound wird durch die anteilige Über-
lagerung aus einer Menge von Basis-Sounds gebildet, wobei die Eigenschaften
wie Lautstärke und Abspielgeschwindigkeit aller Basis-Sounds zusammen die
Menge der Ausgangsgrößen (Ausgangsraum) des regelbasierten Fuzzy-System
darstellen (Merkmal (c)). Zur Erweiterung der Menge der Ausgangsgrößen werden
die Basis-Sounds in Frequenzbänder zerlegt, und die Lautstärke jedes Frequenz-
bandes wird einzeln als Eigenschaft und somit als separate Ausgangsgröße ver-
wendet (Merkmal (d)). Dabei kommen psychoakustische Eigenschaften der Basis-
sounds in Form von Lautheit, Rauhigkeit und Schärfe einzeln oder in Kombination
zum Einsatz (Merkmal (e)) und für die Komponenten des Eingangsraumes werden
jeweils geeignete Mengen an Fuzzy-Termen in einer Abbildungsvorschrift definiert
(Merkmal (f)).

Das regelbasierte Fuzzy-System, welches die komplette nichtlineare mehrdimen-
sionale Abbildung des Eingangsraumes auf den Ausgangsraum beschreibt, wird
dabei durch eines der folgenden Verfahren definiert (Merkmal (g)):
- 11 -
- durch einen rein expertenbasierten Ansatz als System von WENN-DANN-
Regeln durch einen Experten (Merkmal (g1));
- durch einen expertenbasierten Ansatz ergänzt um ein Lernverfahren zum
Erzeugen und/oder Anpassen des Systems von WENN-DANN-Regeln auf
der Basis von Beispieldaten und/oder Bewertungsdaten (Merkmal (g2));
- durch einen datenbasierten Ansatz, wobei zuerst ein Klassifikationssystem
auf der Basis von Beispieldaten und/oder Bewertungsdaten erzeugt und
aus diesem das System von Wenn-Dann-Regeln extrahiert wird, und diese
Abbildungsvorschrift in einem Entwurfsprogramm modelliert und in einer
parametrischen Form verlustfrei abgespeichert wird (Merkmal (g3)).
Ausgehend von dem gewählten Verfahren wird die Drehzahl, die Beschleunigung,
die Bremsvorgänge und die Effizienz des Motorarbeitspunktes hörbar gestaltet
(Merkmal (h)), wobei bei zunehmender Drehzahl des Motors ein bestimmter Mo-
torsound lauter und/oder hinsichtlich der Frequenz höher wird, beim normalen
mittleren Beschleunigen ein Beschleunigungssound lauter hörbar wird und beim
starken Beschleunigen der Beschleunigungssound komplett dominiert und der Mo-
torsound nahezu verschwindet (Merkmal (i)).

Zusätzlich ist in Anspruch 1 nach Hilfsantrag angegeben, dass eine Überlappung
von Zugehörigkeitsfunktionen für einen Übergang mit spezieller Charakteristik
sorgt, wobei durch steile Funktionsverläufe ein abrupter Übergang und durch
weniger steile Funktionsverläufe ein weicher Übergang gestaltet wird (Merk-
mal (j)).

Als Fachmann, der mit der Aufgabe betraut wird, ein Verfahren zum Generieren
eines Fahrzeugsounds zu verbessern, ist ein Informatiker oder Elektroingenieur
mit mehrjähriger Erfahrung im Bereich der Sounderzeugung – insbesondere auf
dem Fachgebiet der Soundmodellierung bei Fahrzeugen – anzusehen.
- 12 -
2. Der Gegenstand des jeweiligen Patentanspruchs 1 nach Haupt- und Hilfs-
antrag beruht nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.

Als im Stand der Technik besonders relevant sieht der Senat die Druckschrif-
ten D2 und D10 an.

2.1. Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 nach Hauptantrag beruht nicht auf
einer erfinderischen Tätigkeit

Aus der D2 (S. 1692 oben und linke Spalte) ist die Generierung eines Ausgabe-
sounds für elektrisch betriebene Fahrzeuge zu entnehmen, wobei der Ausgabe-
sound aus mehreren Samples, d. h. Basissounds, in Abhängigkeit eines Fahr-
zeugzustands (S. 1692 linke Spalte und S. 1693 linke Spalte „Synthesis method“)
erzeugt wird (Merkmal (A)).

Dabei wird der Fahrzeugzustand (Systemzustand) über verschiedene Fahrzeug-
parameter wie bspw. Geschwindigkeit und Beschleunigung ermittelt und diese
werden als Eingangswerte für die Generierung des Ausgabesounds verwendet
(S. 1693 linke Spalte, insbes. erste Fig. – Merkmal (a)).

Aus diesen Systemzuständen und den Basissounds (samples) wird mit Hilfe einer
Rechenvorschrift ein Ausgangssound erzeugt (Kap. 2.2 – teilweise Merkmal (b)),
wobei der Ausgangssound durch Überlagerung der den einzelnen Systempara-
metern zugeordneten Basissounds, welche als einzelne Frequenzspektren vorlie-
gen, variiert (Kap. 2.2; insbes. Fig. 1–3 rechte Spalte) und dabei eine Lautstärke-
anpassung entsprechend der Parameter, bspw. der Geschwindigkeit, erfolgt
(S. 1693; insbes. letzte Tabelle in der rechten Spalte bis S. 1694 linke Spalte oben
– teilweise Merkmale (c) und (d)).
- 13 -
Schließlich ist die Berücksichtigung der Systemzustände, d. h. der Geschwindig-
keit oder der Beschleunigung und die entsprechende Gestaltung des Ausgangs-
sounds, in der Druckschrift (Kap. 2.2; insbes. letzte Tabelle – teilweise Merk-
male (h) und (i)) beschrieben.

Der restliche Teil der Merkmale (h) und (i) betrifft die Gestaltung des Ausgabe-
sounds im Hinblick auf das menschliche Hörvermögen. So ist angegeben, dass
Eigenschaften wie Drehzahl, Beschleunigung, Bremsvorgänge und die Effizienz
des Motorarbeitspunktes hörbar gestaltet werden (Merkmal (h)) und dass bei
zunehmender Drehzahl die Frequenz höher wird, beim Beschleunigen ein Be-
schleunigungssound lauter hörbar wird und beim starken Beschleunigen der Be-
schleunigungssound komplett dominiert und der Motorsound nahezu verschwindet
(Merkmal (i)).
Demnach findet hier eine Anpassung an das Hörempfinden statt, wobei die gene-
rierten Ausgabesounds bei dem Hörer eine entsprechende Assoziation bewirken.
Damit tragen diese Teile der Merkmale (h) und (i) nicht zur Lösung eines techni-
schen Problems mit technischen Mitteln bei und sind bei der Prüfung auf erfinderi-
sche Tätigkeit nicht zu berücksichtigen.
(Vgl. BGH GRUR 2015, 1184 – Entsperrbild; „Bei der Prüfung der erfinderischen
Tätigkeit bleiben Anweisungen, die die Vermittlung bestimmter Inhalte betreffen
und damit darauf zielen, auf die menschliche Vorstellung oder Verstandestätigkeit
einzuwirken, als solche außer Betracht“).

Die Merkmale (f), (g), die sich konkret auf den Einsatz eines Fuzzy-Systems
beziehen, sind ebenso wie die restlichen Teile der Merkmale (b), (c) und (d), die
ein Fuzzy-System als Rechenvorschrift beanspruchen, nicht aus der D2 zu ent-
nehmen. Diesbezüglich ist der Anmelderin (s. Beschwerde vom 27.04.2015) zuzu-
stimmen.
Ebenso ist die Abhängigkeit von psychoakustischen Eigenschaften der Basis-
sounds nicht gezeigt (Merkmal (e)).
- 14 -
Auf welche Weise genau anhand der Eingangsparameter wie Geschwindigkeit
und Beschleunigung die Zusammensetzung des Basissounds zu einem Aus-
gangssound berechnet wird (vgl. auf S. 1693 linke Spalte das Kapitel „Synthesis
method“ mit Figur), lässt D2 offen. Der Fachmann, der nach einem geeigneten
Berechnungssystem suchte, und der stets bestrebt ist, möglichst flexible, anpas-
sungsfähige Systeme zu verwenden, hatte Veranlassung, sich überall dort nach
Lösungen umzusehen, wo ein Sounderzeugungssystem mit flexiblen Berech-
nungsmethoden, wie bspw. mit einer nichtlinearen mehrdimensionalen Abbildung,
zum Einsatz kommt. Dabei gelangte er ohne weiteres zur D10, die ein Motor-
sounderzeugungssystem offenbart.

In der D10 ist die Generierung eines Sounds in Abhängigkeit von einem Fahrzu-
stand gezeigt (Fig. 1, Fig. 2, Absätze [0011]–[0013], [0027]–[0029] – Merkmal (A)).
Dabei werden die Fahrzustände über Sensoren (Fig. 2, Absatz [0028]: engine
speed, accelerator, vehicle speed) erfasst, und die Sensorwerte stellen die Ein-
gangsgrößen in einem Eingangsraum (Fig. 4, Absätze [0031], [0032]) dar, aus
denen durch anteilige Überlagerung und Aufteilung in einzelne Frequenzbänder
(Absätze [0030]–[0034], [0040]) ein Fahrzeugsound generiert bzw. berechnet wird.
Für diese Berechnungen kann ein Fuzzy-Inferenzsystem (Absatz [0054]) verwen-
det werden (restlicher Teil der Merkmale (b), (c) und (d)).
Weiterhin ist die Verwendung eines Fuzzy-Interferenzsystems beschrieben, bei
dem eine Tabelle für die Bestimmung der Transformationscharakteristiken für die
Erzeugung des Ausgangssounds aus den Basis-Sounds (Absätze [0054] und
[0103]) und somit eine Menge an Fuzzy-Termen in einer Abbildungsvorschrift ver-
wendet werden (Merkmal (f)).

Die Abbildungsvorschriften des Systems ergeben sich aus vorgegebenen Wenn-
Dann-Regeln (Fig. 7a bis 7c und Absätze [0041]–[0044] sowie Fig. 21a bis 21d
und Absätze [0145]–[0149]). Damit sind auch die Merkmale (g) und (g1) zu ent-
nehmen. Da die Merkmale (g1), (g2) und (g3) als alternative Möglichkeiten („durch
- 15 -
eines der folgenden Verfahren“) beansprucht werden, erübrigt es sich auf die
Merkmale (g2) und (g3) einzugehen.

Weiterhin ist beschrieben, dass Eigenschaften wie bspw. Rauheit usw. in das Aus-
gangsgeräusch einfließen können (Absatz [0152] – teilweise Merkmal (e)).
Auch hier betrifft der restliche Teil des Merkmals die Gestaltung des Ausgabe-
sounds im Hinblick auf das menschliche Hörvermögen – insbesondere im Hinblick
auf die psychoakustischen Eigenschaften – und ist somit bei der Prüfung auf erfin-
derische Tätigkeit nicht zu berücksichtigen (vgl. BGH GRUR 2015, 1184 – Ent-
sperrbild, s. oben).

Für den Fachmann bot es sich an, das in der D2 verwendete Berechnungssystem
durch ein Fuzzy-System nach dem Vorbild der D10 zu ersetzen, da diese Systeme
eine flexiblere Berechnung bzw. Generierung ermöglichen und somit einen besser
an das menschliche Hörempfinden angepassten Ausgangssound erzeugen.

Somit ergaben sich alle Merkmale des Hauptanspruchs nach Hauptantrag, die bei
der Prüfung auf erfinderische Tätigkeit zu berücksichtigen sind, aus der nahelie-
genden Anwendung der Lehre der D10 auf das in D2 beschriebene Verfahren.

2.2. Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 nach Hilfsantrag beruht ebenfalls
nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.

Bei der Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit wird im Folgenden nur das neu
aufgenommene Merkmal (j) betrachtet. Zu den übrigen Merkmalen wird auf die
obigen Ausführungen verwiesen.

Gemäß diesem Merkmal wird durch die Überlappung von Zugehörigkeitsfunktio-
nen mit einem steilen Funktionsverlauf ein abrupter Übergang und mit einem
weniger steilen Funktionsverlauf ein weicher Übergang gestaltet.
- 16 -
In D10 werden Wenn-Dann-Regeln in Abhängigkeit von verschiedenen, auf die
Eingangsparameter bezogenen Fahrzeugzuständen (geringe/hohe Motordrehzahl,
geringe/hohe Beschleunigung, geringe/hohe Fahrzeuggeschwindigkeit) aufge-
stellt, die in dem verwendeten Fuzzy-Inferenzsystem implementiert werden (Ab-
sätze [0146]–[0149]). Wie dem in derartigen Systemen bewanderten Fachmann
bekannt war, werden hierbei Zugehörigkeitsfunktionen für die einzelnen Fahrzeug-
zustände definiert. Es lag im Bereich üblichen fachmännischen Handelns, je nach
gewünschter Charakteristik die Zugehörigkeitsfunktionen geeignet zu wählen.
Dass hierbei steile Funktionsverläufe zu abrupten Übergängen und weniger steile
Funktionsverläufe zu weicheren Übergängen der Zugehörigkeit zu den einzelnen
Fahrzeugzuständen führen, ist eine reine Selbstverständlichkeit.
Damit war auch Merkmal (j) naheliegend.

Somit ergaben sich alle Merkmale des Hauptanspruchs nach Hilfsantrag, die bei
der Prüfung auf erfinderische Tätigkeit zu berücksichtigen sind, aus der nahelie-
genden Anwendung der Lehre der D10 auf das in D2 beschriebene Verfahren.


3. Ebenso wie Anspruch 1 nach Hauptantrag und nach Hilfsantrag sind auch
die weiteren Ansprüche 2 bis 10 nach Hauptantrag und 2 bis 10 nach Hilfsantrag
nicht gewährbar, da über einen Antrag nur einheitlich entschieden werden kann
(BGH GRUR 1997, 120 – Elektrisches Speicherheizgerät).
- 17 -
Rechtsmittelbelehrung

Gegen diesen Beschluss steht den am Beschwerdeverfahren Beteiligten das Rechtsmittel
der Rechtsbeschwerde zu. Da der Senat die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen hat, ist
sie nur statthaft, wenn gerügt wird, dass

1. das beschließende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war,
2. bei dem Beschluss ein Richter mitgewirkt hat, der von der Ausübung des Rich-
teramtes kraft Gesetzes ausgeschlossen oder wegen Besorgnis der Befangenheit
mit Erfolg abgelehnt war,
3. einem Beteiligten das rechtliche Gehör versagt war,
4. ein Beteiligter im Verfahren nicht nach Vorschrift des Gesetzes vertreten war,
sofern er nicht der Führung des Verfahrens ausdrücklich oder stillschweigend
zugestimmt hat,
5. der Beschluss aufgrund einer mündlichen Verhandlung ergangen ist, bei der die
Vorschriften über die Öffentlichkeit des Verfahrens verletzt worden sind, oder
6. der Beschluss nicht mit Gründen versehen ist.

Die Rechtsbeschwerde ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlusses beim
Bundesgerichtshof, Herrenstr. 45 a, 76133 Karlsruhe, durch einen beim Bundesgerichts-
hof zugelassenen Rechtsanwalt als Bevollmächtigten schriftlich einzulegen.


Baumgardt Eder Dr. Thum-Rung Hoffmann


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