17 W (pat) 18/15  - 17. Senat (Techn.Beschw.)
Karar Dilini Çevir:

BPatG 154 05.11 BUNDESPATENTGERICHT 17 W (pat) 18/15 _______________ (Aktenzeichen) Verkündet am 13. Dezember 2016 … B E S C H L U S S In der Beschwerdesache betreffend die Patentanmeldung 10 2013 001 774.2 - 53 … hat der 17. Senat (Technischer Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 13. Dezember 2016 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Dipl.-Phys. Dr. Morawek, der Richterin Eder, des Richters Dipl.-Ing. Baumgardt und des Richters Dipl.-Ing. Hoffmann beschlossen: Die Beschwerde wird zurückgewiesen. - 2 - G r ü n d e : I. Die vorliegende Patentanmeldung wurde am 31. Januar 2013 beim Deutschen Patent- und Markenamt eingereicht. Sie trägt die Bezeichnung „Verfahren zum Betreiben einer Funktionseinheit sowie Funktionseinheit“. Die Anmeldung wurde durch Beschluss der Prüfungsstelle für Klasse G 06 F des Deutschen Patent- und Markenamts in der Anhörung vom 27. Februar 2015 mit der Begründung zurückgewiesen, dass der jeweilige Gegenstand des Hauptan-spruchs des Hauptantrags sowie der Hilfsanträge nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe, weil er jeweils durch die Druckschrift D1 (s. u.) nahegelegt sei. Gegen diesen Beschluss ist die Beschwerde der Anmelderin gerichtet. In der Beschwerdebegründung vom 30. Juni 2015 hält die Anmelderin den Haupt-antrag und die bisherigen Hilfsanträge 1 bis 3 unverändert aufrecht und legt für den Hilfsantrag 4 eine etwas geänderte Anspruchsfassung vor. Dazu führt sie aus, dass der jeweils beanspruchte Gegenstand nicht nur neu sei, sondern auch auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe. Die Prüfungsstelle bleibe in ihrer Zurückwei-sungsbegründung eine saubere und stringente Argumentation schuldig, durch wel-che Merkmale oder an welchen Stellen der D1 der beanspruchte sequentielle Ablauf bei der Bedienung der Funktionseinheit 12 nahegelegt sein sollte. Die Prü-fungsstelle habe zwar in der Zurückweisungsbegründung sehr viel Text produziert, jedoch gingen aus dieser Aneinanderreihung keinerlei nachvollziehbare und inhalt-lich verständliche Argumente für ein Naheliegen hervor. Das mosaikartige Heraus-suchen, Zitieren und Aneinanderreihen von Wörtern aus der D1 sei keine Argu-mentation für den Mangel an erfinderischer Tätigkeit. Das bloße Erwähnen von Wörtern in der D1 reiche nicht aus, um den Fachmann zum Gegenstand des Patentanspruchs 1 bzw. des Nebenanspruchs 7 gemäß Hauptantrag zu führen. - 3 - Die Anmelderin stellt den Antrag, den angegriffenen Beschluss aufzuheben und das nachgesuchte Patent mit folgenden Unterlagen zu erteilen: gemäß Hauptantrag mit Patentansprüchen 1 bis 10 vom 30. Juni 2015, eingegangen am 6. Juli 2015, Beschreibung Seiten 1, 1a vom 08. Januar 2014, Sei-ten 2 bis 10 und 1 Blatt Zeichnung mit einer Figur, jeweils vom An-meldetag; gemäß Hilfsantrag 1 mit Patentansprüchen 1 bis 9 vom 30. Juni 2015, eingegangen am 6. Juli 2015, Beschreibung und Zeichnung mit Figur wie Hauptantrag; gemäß Hilfsantrag 2 mit Patentansprüchen 1 bis 9 vom 30. Juni 2015, eingegangen am 6. Juli 2015, Beschreibung und Zeichnung mit Figur wie Hauptantrag; gemäß Hilfsantrag 3 mit Patentansprüchen 1 bis 8 vom 30. Juni 2015, eingegangen am 6. Juli 2015, Beschreibung und Zeichnung mit Figur wie Hauptantrag; gemäß Hilfsantrag 4 mit Patentansprüchen 1 bis 5 vom 30. Juni 2015, eingegangen am 6. Juli 2015, Beschreibung und Zeichnung mit Figur wie Hauptantrag. - 4 - Gemäß Hauptantrag lautet der geltende Patentanspruch 1, mit der Merkmalsglie-derung aus dem Zurückweisungsbeschluss versehen: (a) 1. Verfahren zum Betreiben einer eine Spracheingabe-funktion aufweisenden Funktionseinheit (12), bei welchem die Spracheingabefunktion aktiviert wird, wenn mittels einer Gestenerfassungseinrichtung (14) der Funktionseinheit (12) wenigstens eine vorgebbare Geste eines Nutzers (10) der Funktionseinheit (12) erfasst wird, und bei welchem die Funktionseinheit (12) dem Nutzer (10) mittels der aktivierten Spracheingabefunktion eine Möglichkeit bereitstellt, durch wenigstens eine durch den Nutzer (10) bewirkte Sprachein-gabe in die Funktionseinheit (12) einen von einem Telefon-modul (36) der Funktionseinheit (12) ausgehenden Aufbau einer Telefonverbindung der Funktionseinheit (12) über ein Telefonnetz mit wenigstens einem Kommunikationsendgerät zu initiieren, dadurch gekennzeichnet, dass (b) als die vorgebbare Geste eine solche erfasst wird, bei wel-cher der Nutzer (10) wenigstens zwei Finger (38, 40) seiner Hand (42) abspreizt und einen (40) der abgespreizten Finger (38, 40) zu einem Ohr (24) des Nutzers (10) und den ande-ren (38) der abgespreizten Finger (38, 40) zu dem Mund (34) des Nutzers (10) führt, (c) wobei die Gestenerfassungseinrichtung (14) wenigstens eine Kamera (16) zum Erfassen von Bildern des Kopfes (18) des Nutzers (10) und eines Teils der Umgebung des Kopfes (18) - 5 - aufweist und wobei die vorgebbare Geste mittels der Ka-mera (16) erfasst wird. Zum auf eine entsprechende Funktionseinheit gerichteten Nebenanspruch 7 und den Unteransprüchen 2 bis 6 und 8 bis 10 des Hauptantrags wird auf die Akte ver-wiesen. Beim Hilfsantrag 1 wird der Patentanspruch 1 des Hauptantrags am Ende durch folgendes Merkmal eingeschränkt: (d) und wobei die Spracheingabefunktion beendet wird, wenn mittels der Gestenerfassungseinrichtung (14) erfasst wird, dass der Nutzer (10) den einen Finger (40) vom Ohr (24) und den anderen Finger (38) vom Mund (34) weg bewegt. Beim Hilfsantrag 2 wird der Patentanspruch 1 des Hauptantrags am Ende (an-stelle von Merkmal (d) des Hilfsantrags 1) durch folgendes Merkmal einge-schränkt: (e) und wobei dem Nutzer (10) mittels der aktivierten Sprachein-gabefunktion die Möglichkeit bereitgestellt wird, aus einer in einer Speichereinrichtung der Funktionseinheit (12) gespei-cherten und eine Mehrzahl von Auswahlmöglichkeiten um-fassenden Liste eine der Auswahlmöglichkeiten durch das Bewirken der Spracheingabe auszuwählen und den Aufbau der Telefonverbindung mit dem der ausgewählten Auswahl-möglichkeit zugeordneten Kommunikationsendgerät zu initi-ieren. Gemäß Hilfsantrag 3 umfasst der Patentanspruch 1 das Merkmal (d) des Hilfsan-trags 1 und das Merkmal (e) des Hilfsantrags 2. - 6 - Mit dem Hilfsantrag 4 wird der Patentanspruch 1 des Hilfsantrags 3 (d. h. mit den Merkmalen (d) und (e)) noch durch folgendes Merkmal weiter eingeschränkt: (f) und wobei als das Telefonmodul (36) ein Telefonmodul (36) eines mobilen Kommunikationsendgeräts und als die Ges-tenerfassungseinrichtung (14) eine Gestenerfassungseinrich-tung (14) eines Kraftwagens verwendet wird. Zu den jeweiligen Neben- und Unteransprüchen der Hilfsanträge wird wiederum auf die Akte verwiesen. Der Senat bemängelt in diesem Zusammenhang ausdrücklich, dass die in der Nie-derschrift über die Anhörung und im Zurückweisungsbeschluss referenzierte „Ein-gabe vom 18. Februar 2015“ der Anmelderin (betreffend den in der Anhörung geltenden Hauptantrag) nicht Bestandteil der elektronischen Amts-Akte geworden ist und dem Senat daher nicht zur Verfügung stand. Der Anmeldung soll die Aufgabe zugrundeliegen, ein Verfahren und eine Funkti-onseinheit für Spracheingabe und Gestensteuerung zu schaffen, bei welchen sich eine besonders intuitive und einfache Bedienung realisieren lässt (siehe Offenle-gungsschrift Absatz [0005] i. V. m. Absatz [0002]) – insbesondere für ein mobiles Kommunikationsendgerät oder einen Kraftwagen (Abs. [0023] / [0024]). Folgende Druckschriften sind im Laufe des Verfahrens entgegengehalten worden: D1 US 2012 / 239 642 A1 D2 DE 10 2008 051 756 A1 D3 US 2009 / 150 160 A1 D4 US 2004 / 260 564 A1 D5 JP 2007 – 249 021 A - 7 - II. Die Beschwerde ist rechtzeitig eingegangen und auch sonst zulässig. Sie hat je-doch keinen Erfolg, weil der Gegenstand des Patentanspruchs 1 in der Fassung nach Hauptantrag wie auch nach den vier Hilfsanträgen zumindest nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht; dabei werden solche Anspruchsmerkmale nicht berücksichtigt, die zur Lösung eines technischen Problems mit technischen Mitteln nicht beitragen (§§ 1 und 4 PatG). 1. Die vorliegende Patentanmeldung betrifft ein Eingabeverfahren mittels Spracherkennung, insbesondere für ein Kraftfahrzeug oder ein mobiles Kommuni-kationsendgerät, wobei die Spracherkennungsfunktion durch eine bestimmte vom Nutzer auszuführende Geste aktiviert wird; sowie eine entsprechend ausgerüstete Funktionseinheit (siehe Offenlegungsschrift insbes. Abs. [0029] / [0030]). Dabei war es aus dem Stand der Technik bereits bekannt, eine Spracheingabe-funktion z. B. zum Aufbau einer Telefonverbindung zu aktivieren, wenn eine vor-gebbare Geste erfasst wird (siehe z. B. Offenlegungsschrift Absatz [0002]). Zur Realisierung einer besonders intuitiven und einfachen Bedienung schlägt die Anmeldung eine ganz bestimmte Aktivierungs-Geste vor, nämlich die Bewegung der Hand des Benutzers zum Kopf, mit einem abgespreizten Finger (Daumen) zum Ohr hin und einem anderen abgespreizten Finger (dem kleinen Finger) zum Mund hin (siehe Figur); dies ist die typische, den meisten Benutzern vertraute Geste für „Telefonhörer“. Das insoweit spezifizierte Arbeitsverfahren bzw. die dafür ausgestattete Funktions-einheit werden durch zusätzliche Details, auch im Rahmen der Hilfsanträge, weiter ausgebildet: - 8 - – dass zur Gestenerfassung eine Kamera für Bilder des Kop-fes des Nutzers und eines Teils der Umgebung des Kopfes vorgesehen ist, – dass die Spracheingabefunktion (erst) dann beendet wird, wenn die „Telefonhörer“-Geste beendet wird, – dass zum Initiieren einer Telefonverbindung eine Liste mit einer Mehrzahl von Auswahlmöglichkeiten zur Auswahl mit-tels Spracheingabe angeboten wird, – und dass ggf. zur Gestenerfassung eine Gestenerfassungs-einrichtung eines Kraftfahrzeugs und als Telefonmodul ein mobiles Kommunikationsendgerät eingesetzt wird. Als Fachmann, der mit der Aufgabe betraut wird, eine besonders intuitive und ein-fache Bedienung für ein sprachgesteuertes Eingabegerät vorzusehen, ist hier ein Entwicklungsingenieur für Eingabegeräte mit Fachhochschul-Abschluss und mehr-jähriger Berufserfahrung anzusehen. 2. Der Hauptantrag hat keinen Erfolg, weil der Gegenstand seines Patentan-spruchs 1 nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht. 2.1 Das lässt sich allerdings nicht mit der von der Prüfungsstelle für den Zu-rückweisungsbeschluss herangezogenen Druckschrift D1 (US 2012 / 239 642 A1) begründen. Die dagegen gerichteten Argumente der Anmelderin sind berechtigt. Die Druckschrift D1 beschreibt eine Gesten-basierte Suche nach Medien (wie Video-, Audio-, Bild- oder Textdaten – siehe Absatz [0029]), beispielsweise auf einem mobilen elektronischen Gerät wie einem Smartphone oder Laptop (Absatz [0033]). Dabei versteht die Druckschrift unter „Gesten“ die Berührungen auf einem Touchscreen, Bewegungen vor einem Bewegungsdetektor wie z. B. ein Zeigen - 9 - (z. B. mit dem Finger), oder Bewegungen eines bewegungsempfindlichen Einga-begerätes (Maus, Beschleunigungssensor), Gesichtsausdrücke wie z. B. der Aus-druck des Mundes, Bewegungen oder Fokuspunkte der Augen, Fingerbewegun-gen – aber auch eine Spracheingabe (siehe Absatz [0046]). Deutlich wird etwa in Anspruch 6 der D1 formuliert, dass die zu erkennende Geste (a) eine bewegungs-basierte Eingabe, oder (b) eine sprachbasierte Eingabe sein kann. Wie jedoch die Anmelderin im Laufe des Verfahrens mehrfach aufgezeigt hat, ist der D1 an keiner Stelle entnehmbar, dass eine Spracheingabefunktion zunächst durch eine Bewegungsgeste aktiviert werden müsste. Hier ist schon fraglich, ob die in der D1 beschriebenen Optionen (nämlich wahlwei-se eine bewegungs- oder eine sprachbasierte Eingabe als zu erfassende „Geste“ vorzusehen) auch die Lehre nahelegen, zwei aufeinanderfolgende aber unter-schiedliche „Gesten“ zu erfassen, wobei die erste eine bewegungsbasierte Ein-gabe und die zweite eine Spracheingabe sein soll. Die Prüfungsstelle erklärt nicht, was den Fachmann veranlasst haben könnte, eine solche Reihenfolge vorzuse-hen. Aber selbst wenn man das als Möglichkeit unterstellte, fehlt in der D1 immer noch die mit Merkmal (a) beanspruchte Bedingung, dass die Spracheingabefunktion (erst dann) aktiviert wird, wenn eine bestimmte Geste erfasst wurde. Weder be-schreibt die D1 diese Bedingung konkret, noch liefert sie irgendeine Anregung oder einen Hinweis in dieser Richtung. Sonach nimmt D1 das Merkmal (a) entgegen den Ausführungen der Prüfungs-stelle nicht vorweg und legt es auch nicht nahe. Deshalb fehlt dem Zurückwei-sungsbeschluss eine tragfähige Begründung. 2.2 Das Merkmal (b) des Anspruchs 1 ist bei der Prüfung auf erfinderische Tätigkeit nicht zu berücksichtigen. - 10 - Merkmal (b) beschreibt die Form der Geste, mit welcher die Spracheingabefunk-tion des Merkmals (a) aktiviert werden soll: nämlich dass der Nutzer zwei Finger seiner Hand abspreizt und einen davon zu einem Ohr und den anderen zu seinem Mund führt („Telefonhörer“-Geste, siehe Figur). Diese bestimmte Geste wird in der Anmeldung als „besonders intuitiv“ beschrie-ben, bzw. als eine Geste, die „üblicherweise mit dem Führen eines Telefonge-sprächs assoziiert“ sei (siehe Offenlegungsschrift Absätze [0009] / [0010]). Irgend-welche technischen Überlegungen für die Wahl gerade dieser Geste liefert die Anmeldung nicht. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sind aber bei der Prüfung einer Erfindung auf erfinderische Tätigkeit nur diejenigen Anweisungen zu berücksichti-gen, die die Lösung eines technischen Problems mit technischen Mitteln bestim-men oder zumindest beeinflussen (BGH GRUR 2011, 125 – Wiedergabe topogra-fischer Informationen, Leitsatz b). So können beispielsweise Anweisungen zur Auswahl von Daten, deren technischer Aspekt sich auf die Anweisung beschränkt, hierzu Mittel der elektronischen Datenverarbeitung einzusetzen, bei der Beurtei-lung der erfinderischen Tätigkeit nicht berücksichtigt werden (BGH GRUR 2013, 275 – Routenplanung, Leitsatz a). Generell kann mit Merkmalen, die zu einer tech-nischen Problemlösung nichts beitragen, das Vorliegen einer erfinderischen Tätig-keit nicht begründet werden (vgl. 17 W (pat) 65/09, Beschluss vom 3. April 2014, II. Abschnitt 2.3; u. a.). Auch eine besonders ergonomische Gestaltung einer Be-nutzeroberfläche trägt zu einer technischen Problemlösung i. d. R. nicht bei (vgl. die Senatsentscheidungen 17 W (pat) 10/04 – Bedienoberfläche, Beschluss vom 5. September 2006, und 17 W (pat) 124/08, Beschluss vom 18. April 2013, m. w. N.). Nachdem im vorliegenden Fall die besondere Form der Geste (Merkmal (b)) wegen ihrer Bekanntheit (und der intuitiven Erinnerung der Nutzer daran), jedoch ersichtlich nicht aufgrund von technischen Überlegungen gewählt wurde, fällt sie - 11 - unter das zitierte Ausschlusskriterium. Die Form der Geste löst kein technisches Problem, sondern allenfalls ein Optimierungsproblem bezüglich der Benutzerak-zeptanz, für dessen nicht-technische Lösung ein Patentschutz grundsätzlich nicht vorgesehen ist. 2.3 Aus dem Stand der Technik war ein Verfahren gemäß den Merkmalen (a) und (c) des Patentanspruchs 1 des Hauptantrags vorbekannt. Als nächstliegenden Stand der Technik betrachtet der Senat die in Absatz [0002] der Anmeldung bereits aufgeführte Druckschrift D3 US 2009 / 150 160 A1 Sie beschreibt ein Spracherkennungssystem, bei dem durch die Erkennung von Gesten des Nutzers eine Liste mit möglichen Spracheingaben („recognition set“) ausgewählt werden kann, um die Spracherkennung zu vereinfachen (siehe z. B. Absätze [0061] / [0062]). Beispielsweise gemäß den Absätzen [0101] bis [0106] wird bei einer Anwendung im Kraftfahrzeug die Spracheingabefunktion aktiviert, wenn eine vorgegebene Geste des Nutzers (Absatz [0101] / Figur 10: motion of hand from left to right) erkannt wurde (erster Teil von Merkmal (a)). Der Begriff „Phone“ in Absatz [0102] macht deutlich, dass eine der möglichen Spracheingabe-funktionen in der Bedienung eines Telefongerätes besteht; durch die Sprachein-gabe „Call mom“ kann der Aufbau einer Telefonverbindung initiiert werden (Absatz [0131] – zweiter Teil von Merkmal (a)). Zur Erkennung der Geste ist eine Gesten-erfassungseinrichtung vorgesehen (Absatz [0127]: digital cameras – Merkmal (c)). 2.4 Somit legt die Druckschrift D3 den Gegenstand des Patentanspruchs 1 nach Hauptantrag zumindest nahe, weil das Merkmal (b) bei der Prüfung auf erfinderische Tätigkeit nicht zu berücksichtigen ist. 2.5 Mit dem Patentanspruch 1 fallen auch die übrigen Ansprüche des Hauptan-trags, weil über einen Antrag nur einheitlich entschieden werden kann. - 12 - 3. Die Hilfsanträge sind nicht günstiger zu beurteilen. 3.1 Zum Hilfsantrag 1 Der Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag 1 unterscheidet sich vom Patentan-spruch 1 des Hauptantrags durch das zusätzliche Merkmal (d) und wobei die Spracheingabefunktion beendet wird, wenn mittels der Gestenerfassungseinrichtung (14) erfasst wird, dass der Nutzer (10) den einen Finger (40) vom Ohr (24) und den anderen Finger (38) vom Mund (34) weg bewegt. Nach den Erläuterungen der Anmelderin (siehe Beschwerdebegründung Seite 4 Absatz 2) sei damit nicht „irgendeine“ zweite Geste zur Beendigung der Sprach-eingabe beansprucht, sondern es komme zusätzlich zum Ausdruck, dass die Spracheingabefunktion (genau) solange aktiviert gehalten werde, wie der Benut-zer die Aktivierungsgeste ausführe. Mit diesem zusätzlichen Merkmal kann jedoch das Vorliegen einer erfinderischen Tätigkeit nicht begründet werden. 3.1.1 Die Argumentation der Prüfungsstelle, dieses Merkmal sei – bezugneh-mend auf die oben in Abschnitt 2.2 erläuterte Rechtsprechung – bei der Prüfung auf erfinderische Tätigkeit nicht zu berücksichtigen, vermag allerdings nicht zu überzeugen. Die Prüfungsstelle argumentiert (siehe Zurückweisungsbeschluss Seite 10), die mit Merkmal (d) beanspruchte Maßnahme „entlastet den Benutzer von der Mühe, die Anzahl an Bedienelementen zum Bedienen der Vorrichtung aufwändig zu gestalten“. Das Merkmal diene damit ausschließlich der Erhöhung des Komforts für den Benutzer bei der Handhabung des Geräts. Das gelöste Problem sei damit - 13 - eine Adaptation des Programms an die menschlichen Möglichkeiten für ein schnelleres Beenden der Spracheingabe. Dieser Gedankengang ist nicht nachvollziehbar. Es dürfte wohl kaum der „Benut-zer“ sein, welcher die Anzahl an Bedienelementen zum Bedienen der Vorrichtung gestaltet. Unabhängig davon kann (!) einer Erhöhung des Komforts für den Benut-zer im Einzelfall durchaus ein technisches Problem zugrundeliegen. Dies trifft hier jedenfalls für die beanspruchte konkrete technische Ausgestaltung des Bedienver-fahrens zu. Der Stand der Technik macht bereits auf das Problem aufmerksam, dass eine Spracherkennung zur Vermeidung von Fehlbedienungen nicht ständig aktiviert sein sollte (vgl. D3 Absatz [0004], D4 Absätze [0005] / [0006]). Für das daraus erkennbare konkrete technische Problem, unbeabsichtigte Spracheinga-ben zu vermeiden, schlägt Merkmal (d) eine zumindest teilweise Lösung in Form einer Maßnahme vor, welche die Spracheingabefunktion gezielt nur solange akti-viert lässt, wie der Benutzer es vorgibt. Dabei ist hier die konkrete Lehre, wann und wodurch die Spracheingabe beendet wird, einem Patentschutz grundsätzlich zugänglich (während es die Form der Geste wiederum nicht wäre). 3.1.2 Die mit Merkmal (d) beanspruchte Maßnahme, die Spracheingabe solange aktiviert zu halten, wie die „Telefonhörer“-Geste ausgeführt wird, und dann zu be-enden, wenn die Geste beendet wird, lag jedoch für den Fachmann nahe. Eine solche Maßnahme ist nämlich schon von der Bedienung eines Telefongerä-tes mit separatem, i. d. R. durch ein Kabel verbundenem Hörer allgemein vertraut: das Telefongespräch wird typischerweise durch Aufnehmen des Hörers und Füh-ren an Ohr und Mund aktiviert und solange aktiviert gehalten, bis der Hörer zu-rückgelegt („aufgelegt“) wird. Davon abgesehen gibt die Druckschrift D5 (JP 2007 – 249 021 A) auch konkret die Lehre, für Spracheingabe einen „trigger key“ (Auslösetaste) vorzusehen, der für eine „push-to-talk“-Funktionalität (D5 Übersetzung Absatz [0006]: „performing - 14 - speaks after depressing the speech recognition trigger keys“) oder für eine „push-while-talk“-Funktionalität („performing the utterance while pressing the speech recognition trigger key“) ausgelegt sein kann. In Druckschrift D3 Absatz [0004] wird eine Auslösetaste für bestimmte Anwendungen als nachteilig beschrieben („… required button pushes … maybe cumbersome while a person is walking … or operating a motor vehicle“). Es lag daher für den Fachmann nahe, anstelle der in D5 beschriebenen Auslösetaste die aus Druckschrift D3 bekannte Auslösegeste einzusetzen. Dabei ergibt sich Merkmal (d) aus der genannten „push-while-talk“-Funktionalität (Spracheingabe solange aktiviert wie die Taste gedrückt ist, also übertragen: solange die Geste ausgeführt wird) ganz automatisch. 3.2 Zum Hilfsantrag 2 Der Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag 2 unterscheidet sich vom Patentan-spruch 1 des Hauptantrags durch das zusätzliche Merkmal (e) und wobei dem Nutzer (10) mittels der aktivierten Sprachein-gabefunktion die Möglichkeit bereitgestellt wird, aus einer in einer Speichereinrichtung der Funktionseinheit (12) gespei-cherten und eine Mehrzahl von Auswahlmöglichkeiten um-fassenden Liste eine der Auswahlmöglichkeiten durch das Bewirken der Spracheingabe auszuwählen und den Aufbau der Telefonverbindung mit dem der ausgewählten Auswahl-möglichkeit zugeordneten Kommunikationsendgerät zu initi-ieren. Auch dieses Merkmal lag aber für den Fachmann nahe, so dass auch der Hilfsan-trag 2 keinen Erfolg hat. Denn in der Druckschrift D3 wird bei einem Beispiel (Absatz [0077] ff.) aufgezeigt, dass die Liste von Kontakten des Nutzers in den Spracherkennungs-Datensatz aufgenommen werden kann, so dass dem Nutzer die Möglichkeit bereitgestellt - 15 - wird, aus dieser Kontaktliste einen Namen durch Spracheingabe auszuwählen. Dass auf eine solche Auswahl hin auch der Aufbau einer Telefonverbindung folgt, las der Fachmann im gegebenen Zusammenhang mit. Damit ergeben sich alle Aspekte des Merkmals (e) aus der Druckschrift D3, so dass der gesamte Gegen-stand des Patentanspruchs 1 nach Hilfsantrag 2 für den Fachmann ausgehend von Druckschrift D3 nahelag. 3.3 Zum Hilfsantrag 3 Gemäß Hilfsantrag 3 umfasst der Patentanspruch 1 das Merkmal (d) des Hilfsan-trags 1 und das Merkmal (e) des Hilfsantrags 2. Ihm bleibt ebenfalls der Erfolg versagt. Da beide Merkmale ((d): dass die Spracheingabefunktion (erst) dann beendet wird, wenn die „Telefonhörer“-Geste beendet wird; (e): dass zum Initiieren einer Telefonverbindung eine Liste mit einer Mehrzahl von Auswahlmöglichkeiten zur Auswahl mittels Spracheingabe angeboten wird) völlig unabhängig voneinander sind und deswegen auch kein kombinatorischer Effekt auftreten kann, ist die bean-spruchte Aggregation der Beiden in Verbindung mit dem Patentanspruch 1 des Hauptantrags nicht anders zu beurteilen als die jeweils um ein Einzelnes der Merkmale ergänzten Hilfsanträge 1 und 2. 3.4 Zum Hilfsantrag 4 Der Hilfsantrag 4 basiert auf Hilfsantrag 3, wobei im Patentanspruch 1 außer den genannten Merkmalen (d) und (e) noch folgendes Merkmal hinzukommt: (f) und wobei als das Telefonmodul (36) ein Telefonmodul (36) eines mobilen Kommunikationsendgeräts und als die Ges-tenerfassungseinrichtung (14) eine Gestenerfassungseinrich-tung (14) eines Kraftwagens verwendet wird. - 16 - Auch damit lässt sich das Vorliegen einer erfinderischen Tätigkeit nicht begrün-den, so dass der Hilfsantrag 4 gleichfalls ohne Erfolg bleibt. Denn die Druckschrift D3 beschreibt, wie bereits dargelegt, eine Gestenerfassung in einem Kraftwagen (siehe Figur 10 und die Absätze [0125] bis [0127]). Darüber hinaus kann das Telefonmodul gemäß Absatz [0128] ein über Bluetooth mit dem Fahrzeug verbundenes Mobiltelefon (cellular phone) sein. Nachdem somit die zusätzlichen Aspekte des Patentanspruchs 1 von Hilfsantrag 4 ebenfalls aus Druckschrift D3 hervorgehen, kann der Hilfsantrag 4 nicht anders als Hilfsantrag 3 beurteilt werden. Rechtsmittelbelehrung Gegen diesen Beschluss steht den am Beschwerdeverfahren Beteiligten das Rechtsmittel der Rechtsbeschwerde zu. Da der Senat die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen hat, ist sie nur statthaft, wenn gerügt wird, dass 1. das beschließende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war, 2. bei dem Beschluss ein Richter mitgewirkt hat, der von der Ausübung des Rich-teramtes kraft Gesetzes ausgeschlossen oder wegen Besorgnis der Befangenheit mit Erfolg abgelehnt war, 3. einem Beteiligten das rechtliche Gehör versagt war, 4. ein Beteiligter im Verfahren nicht nach Vorschrift des Gesetzes vertreten war, so-fern er nicht der Führung des Verfahrens ausdrücklich oder stillschweigend zuge-stimmt hat, 5. der Beschluss aufgrund einer mündlichen Verhandlung ergangen ist, bei der die Vorschriften über die Öffentlichkeit des Verfahrens verletzt worden sind, oder 6. der Beschluss nicht mit Gründen versehen ist. Die Rechtsbeschwerde ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlusses beim Bundesgerichtshof, Herrenstr. 45 a, 76133 Karlsruhe, durch einen beim Bundesgerichts-hof zugelassenen Rechtsanwalt als Bevollmächtigten schriftlich einzulegen. Dr. Morawek Eder Baumgardt Hoffmann Fa

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