17 W (pat) 17/15  - 17. Senat (Techn.Beschw.)
Karar Dilini Çevir:

BPatG 154
05.11

BUNDESPATENTGERICHT



17 W (pat) 17/15
_______________
(Aktenzeichen)



Verkündet am
14. Februar 2017





B E S C H L U S S

In der Beschwerdesache

betreffend die Patentanmeldung 10 2005 048 230.9 - 53








hat der 17. Senat (Technischer Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf
die mündliche Verhandlung vom 14. Februar 2017 unter Mitwirkung des
Vorsitzenden Richters Dipl.-Phys. Dr. Morawek, der Richterin Eder, des Richters
Dipl.-Ing. Baumgardt und des Richters Dipl.-Ing. Hoffmann

beschlossen:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
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G r ü n d e

I.

Die vorliegende Patentanmeldung wurde am 7. Oktober 2005 beim Deutschen
Patent- und Markenamt eingereicht. Sie trägt die Bezeichnung
„Eingabevorrichtung für ein Kraftfahrzeug“.
Die Anmeldung wurde durch Beschluss der Prüfungsstelle für Klasse G 06 F des
Deutschen Patent- und Markenamts in der Anhörung vom 13. Februar 2015 mit
der Begründung zurückgewiesen, dass der Gegenstand des Hauptanspruchs des
(damaligen) Hauptantrags mangels erfinderischer Tätigkeit nicht gewährbar sei,
weil er durch die Druckschrift D1 (s. u.) nahegelegt sei. Auch die Gegenstände
des jeweiligen Hauptanspruchs der Hilfsanträge 1 und 2 seien mangels erfinderi-
scher Tätigkeit nicht gewährbar, da sie durch die Zusammenschau der Druck-
schriften D1 und D2 (s. u.) nahegelegt seien.
Gegen diesen Beschluss ist die Beschwerde der Anmelderin gerichtet.
Sie beschränkt sich mit der Beschwerdebegründung vom 18. März 2015 zunächst
auf den Hilfsantrag 1 (jetzt Hauptantrag) und den Hilfsantrag 2 (jetzt Hilfsantrag 1).
Sie lässt weiterhin Zweifel erkennen, ob der Übersetzung der japanisch-sprachi-
gen D1 die von der Prüfungsstelle behauptete Lehre tatsächlich entnehmbar sei.
Selbst unter dieser Annahme ließen die unterschiedlichen Zielsetzungen bzw.
Aufgaben der Entgegenhaltungen D1 und D2 jedoch nicht erkennen, aufgrund
welcher Motivation der zuständige Durchschnittsfachmann die Lehre dieser beiden
Entgegenhaltungen kombinieren sollte. Es sei nicht ersichtlich, wie die Verschieb-
barkeit von Bedienelementen gemäß D1 und die Zuordnung von verschiedenen
haptischen Feedbacks zu verschiedenen Bedienelementen gemäß D2 den
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zuständigen Durchschnittsfachmann zu einer Zusammenschau der beiden Entge-
genhaltungen D1 und D2 anregen könnten.
Mit Schriftsatz vom 13. Februar 2017 reicht sie zusätzlich die Hilfsanträge 2, 3 und
4 ein, welche sie in der mündlichen Verhandlung näher erläutert. Insbesondere
liege ein Problem darin, dass die Unterscheidung, ob die erste oder die zweite
Funktion bedient werde, und ob demgemäß der Touchscreen gemäß der ersten
oder gemäß der zweiten Auslenkungsart ausgelenkt werden solle, für die erste
Funktion und Auslenkungsart erst beim Beenden der Berührung getroffen werden
könne. Da beim leichten Berühren der Finger dann aber schon vom Touchscreen
abgehoben sei, könne er die Auslenkung nicht mehr erfühlen. Deshalb sei der
Hilfsantrag 2 auf ein „Drücken“ des Touchscreens gerichtet, weil beim Drücken der
Finger fester aufgesetzt werde und beim Beenden des Drückens noch lang genug
mit dem Touchscreen in Berührverbindung stehe.
Bezüglich des im Ladungszusatz des Senats verwendeten Begriffs „Aggregation“
trägt die Anmelderin vor, dass eine Argumentation ausgehend von zwei Merkmals-
gruppen, die zur Lösung unterschiedlicher Aufgaben dienten, wobei aber kein
synergetischer Effekt erkennbar sei, im Widerspruch zu den Vorgaben des Bun-
desgerichtshofs in Bezug auf die Aneinanderreihung von Merkmalen stehe; dazu
verweist sie auf die Entscheidungen X ZR 74/11 und X ZR 79/12 Randnum-
mer 31 ff.
Die Anmelderin stellt den Antrag,
den angegriffenen Beschluss aufzuheben und das nachgesuchte
Patent mit folgenden Unterlagen zu erteilen:
gemäß Hauptantrag mit
Patentansprüchen 1 bis 11 vom 10. Dezember 2013 (dort bezeich-
net als Hilfsantrag),
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Beschreibung Seiten 1 bis 14 und
11 Blatt Zeichnungen mit Figuren 1 bis 19, jeweils vom Anmelde-
tag;
gemäß Hilfsantrag 1 mit
Patentansprüchen 1 bis 5 vom 13. Februar 2015 (dort bezeichnet
als Hilfsantrag 2),
Beschreibung und Zeichnungen wie Hauptantrag;
gemäß Hilfsantrag 2 mit
Patentansprüchen 1 bis 5 vom 13. Februar 2017,
Beschreibung und Zeichnungen wie Hauptantrag;
gemäß Hilfsantrag 3 mit
Patentanspruch 1 vom 13. Februar 2017,
Beschreibung und Zeichnungen wie Hauptantrag;
gemäß Hilfsantrag 4 mit
Patentanspruch 1 vom 13. Februar 2017,
Beschreibung und Zeichnungen wie Hauptantrag.
Ferner regt sie die Zulassung der Rechtsbeschwerde an zu der Frage, ob es eine
hinreichende Bedingung für eine Aggregation sei, dass zwei Merkmalsgruppen je
eine unterschiedliche Aufgabe zugeordnet werden kann, oder ob es hinreichend
ist, wenn die in Rede stehenden Merkmalsgruppen in ihrer Gesamtheit zu einer
Lösung der Aufgabe beitragen würden. Zudem stelle sich die Frage, ob zulässig
ein Merkmal verallgemeinert werden kann, wenn auf Beispiele für die Ausführung
Bezug genommen wird.
- 5 -
Gemäß Hauptantrag lautet der geltende Patentanspruch 1 (mit der Merkmalsglie-
derung aus dem Zurückweisungsbeschluss):
(a) 1. Eingabevorrichtung (4), insbesondere für ein Kraftfahr-
zeug,
(b) wobei die Eingabevorrichtung (4) ein Display (12) zur opti-
schen Darstellung zumindest eines Bedienelementes (55,
56, 80), dem eine erste Funktion sowie zumindest eine
zweite von der ersten Funktion verschiedene Funktion zuge-
ordnet ist, und einen über dem Display (12) angeordneten
Touchscreen (11) zum Erkennen einer Berührung des
Touchscreens (11) im Bereich des Bedienelementes (55, 56,
80) umfasst, und
(c) wobei die Eingabevorrichtung (4) eine Steuerung (10) zur
Entscheidung über die Bedienung der ersten Funktion oder
der zweiten Funktion in Abhängigkeit der Dauer einer Berüh-
rung des Touchscreens (11) im Bereich des Bedienelemen-
tes (55, 56, 80) aufweist,
(d) wobei die Eingabevorrichtung (4) einen Aktor (13) zur Aus-
lenkung des Touchscreens (11) bei einer erkannten Bedie-
nung des Bedienelementes (55, 56, 80) aufweist, und
(e) wobei der Touchscreen (11) bei einer erkannten Bedienung
des Bedienelementes (55, 56, 80) in Bezug auf die erste
Funktion gemäß einer ersten Auslenkungsart und bei einer
erkannten Bedienung des Bedienelementes (55, 56, 80) in
Bezug auf die zweite Funktion gemäß einer zweiten von der
ersten Auslenkungsart verschiedenen Auslenkungsart aus-
lenkbar ist.
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Zu den Nebenansprüchen 6, 9 und 11 sowie den Unteransprüchen 2 bis 5, 7, 8
und 10 wird auf die Akte verwiesen.
Gemäß Hilfsantrag 1 lautet der einzige unabhängige Patentanspruch (mit Markie-
rung der Unterschiede zum Patentanspruch 1 gemäß Hauptantrag, und einer
daran angelehnten Merkmalsgliederung):
(a1) 1. Eingabevorrichtung (4), insbesondere für ein Kraftfahr-
zeug,
(b1) wobei die Eingabevorrichtung (4) ein Display (12) zur opti-
schen Darstellung zumindest eines Bedienelementes (55,
56, 80), dem eine erste Funktion für eine Einstellung in dem
Kraftfahrzeug sowie zumindest eine zweite von der ersten
Funktion verschiedene Funktion zugeordnet ist, und einen
über dem Display (12) angeordneten Touchscreen (11) zum
Erkennen einer Berührung des Touchscreens (11) im Be-
reich des Bedienelementes (55, 56, 80) umfasst, und
(c) wobei die Eingabevorrichtung (4) eine Steuerung (10) zur
Entscheidung über die Bedienung der ersten Funktion oder
der zweiten Funktion in Abhängigkeit der Dauer einer Berüh-
rung des Touchscreens (11) im Bereich des Bedienelemen-
tes (55, 56, 80) aufweist,
(d) wobei die Eingabevorrichtung (4) einen Aktor (13) zur Aus-
lenkung des Touchscreens (11) bei einer erkannten Bedie-
nung des Bedienelementes (55, 56, 80) aufweist, und
(e) wobei der Touchscreen (11) bei einer erkannten Bedienung
des Bedienelementes (55, 56, 80) in Bezug auf die erste
Funktion gemäß einer ersten Auslenkungsart und bei einer
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erkannten Bedienung des Bedienelementes (55, 56, 80) in
Bezug auf die zweite Funktion gemäß einer zweiten von der
ersten Auslenkungsart verschiedenen Auslenkungsart aus-
lenkbar ist.
Zu den Unteransprüchen 2 bis 5 wird wiederum auf die Akte verwiesen.
Gemäß Hilfsantrag 2 lautet der einzige unabhängige Patentanspruch (mit einer
soweit wie möglich übereinstimmenden Merkmalsgliederung und Markierung der
Unterschiede zum Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag 1):
(a2) 1. Kraftfahrzeug (1) mit einer Eingabevorrichtung (4) für
ein Kraftfahrzeug,
(b2) wobei die Eingabevorrichtung (4) ein Display (12) zur opti-
schen Darstellung zumindest eines Bedienelementes (55,
56, 80), dem eine erste Funktion für eine Einstellung in dem
Kraftfahrzeug (1) sowie zumindest eine zweite von der ersten
Funktion verschiedene Funktion zugeordnet ist, wobei die
Eingabevorrichtung (4) und einen über dem Display (12) an-
geordneten Touchscreen (11) zum Erkennen eines Drückens
auf den einer Berührung des Touchscreens (11) im Bereich
des Bedienelementes (55, 56, 80) umfasst, und
(c2) wobei die Eingabevorrichtung (4) eine Steuerung (10) zur
Entscheidung über die Bedienung der ersten Funktion oder
der zweiten Funktion in Abhängigkeit der Dauer eines Drü-
ckens auf den einer Berührung des Touchscreens (11) im
Bereich des Bedienelementes (55, 56, 80) aufweist,
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(d) wobei die Eingabevorrichtung (4) einen Aktor (13) zur Aus-
lenkung des Touchscreens (11) bei einer erkannten Bedie-
nung des Bedienelementes (55, 56, 80) aufweist, und
(e) wobei der Touchscreen (11) bei einer erkannten Bedienung
des Bedienelementes (55, 56, 80) in Bezug auf die erste
Funktion gemäß einer ersten Auslenkungsart und bei einer
erkannten Bedienung des Bedienelementes (55, 56, 80) in
Bezug auf die zweite Funktion gemäß einer zweiten von der
ersten Auslenkungsart verschiedenen Auslenkungsart aus-
lenkbar ist.
Zu den Unteransprüchen 2 bis 5 wird nochmals auf die Akte verwiesen.
Gemäß Hilfsantrag 3 lautet der einzige Patentanspruch (mit einer soweit wie
möglich übereinstimmenden Merkmalsgliederung und Markierung der Unter-
schiede zum Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag 2):
(a2) 1. Kraftfahrzeug (1) mit einer Eingabevorrichtung (4),
(b2) wobei die Eingabevorrichtung (4) ein Display (12) zur opti-
schen Darstellung zumindest eines Bedienelementes (55,
56, 80), dem eine erste Funktion für eine Einstellung in dem
Kraftfahrzeug (1) sowie zumindest eine zweite von der ersten
Funktion verschiedene Funktion zugeordnet ist, wobei die
Eingabevorrichtung (4) einen über dem Display (12) ange-
ordneten Touchscreen (11) zum Erkennen eines Drückens
auf den Touchscreen (11) im Bereich des Bedienelemen-
tes (55, 56, 80) umfasst,
(c2) wobei die Eingabevorrichtung (4) eine Steuerung (10) zur
Entscheidung über die Bedienung der ersten Funktion oder
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der zweiten Funktion in Abhängigkeit der Dauer eines Drü-
ckens auf den Touchscreen (11) im Bereich des Bedienele-
mentes (55, 56, 80) aufweist,
(d) wobei die Eingabevorrichtung (4) einen Aktor (13) zur Aus-
lenkung des Touchscreens (11) bei einer erkannten Bedie-
nung des Bedienelementes (55, 56, 80) aufweist, und
(e3) wobei der Touchscreen (11) bei einer erkannten Bedienung
des Bedienelementes (55, 56, 80) in Bezug auf die erste
Funktion gemäß einer ersten Auslenkungsart und bei einer
erkannten Bedienung des Bedienelementes (55, 56, 80) in
Bezug auf die zweite Funktion gemäß einer zweiten von der
ersten Auslenkungsart verschiedenen und unterscheidbaren
Auslenkungsart auslenkbar ist,
(f3) wobei ein Drücken auf den Touchscreen (11) im Bereich des
Bedienelementes (55, 56, 80) als Bedienung der ersten
Funktion interpretierbar ist, wenn das Drücken auf den
Touchscreen (11) nicht länger als ein Grenzwert andauert,
und als Bedienung der zweiten Funktion interpretierbar ist,
wenn das Drücken auf den Touchscreen (11) länger als der
Grenzwert andauert,
(g3) wobei der Grenzwert zwischen 0,5s und 5s liegt,
(h3) und wobei die Dauer der Auslenkung kürzer ist als der
Grenzwert.
Gemäß Hilfsantrag 4 lautet der einzige Patentanspruch (mit einer soweit wie
möglich übereinstimmenden Merkmalsgliederung und Markierung der Unter-
schiede zum einzigen Patentanspruch des Hilfsantrags 3):
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(a2) 1. Kraftfahrzeug (1) mit einer Eingabevorrichtung (4),
(b2) wobei die Eingabevorrichtung (4) ein Display (12) zur opti-
schen Darstellung zumindest eines Bedienelementes (55,
56, 80), dem eine erste Funktion für eine Einstellung in dem
Kraftfahrzeug (1) sowie zumindest eine zweite von der ersten
Funktion verschiedene Funktion zugeordnet ist, wobei die
Eingabevorrichtung (4) einen über dem Display (12) ange-
ordneten Touchscreen (11) zum Erkennen eines Drückens
auf den Touchscreen (11) im Bereich des Bedienelemen-
tes (55, 56, 80) umfasst,
(c2) wobei die Eingabevorrichtung (4) eine Steuerung (10) zur
Entscheidung über die Bedienung der ersten Funktion oder
der zweiten Funktion in Abhängigkeit der Dauer eines Drü-
ckens auf den Touchscreen (11) im Bereich des Bedien-
elementes (55, 56, 80) aufweist,
(d4) wobei die Eingabevorrichtung (4) einen Aktor (13) zur zwi-
schen 20 ms und 150 ms andauernden Auslenkung des
Touchscreens (11) bei einer erkannten Bedienung des Be-
dienelementes (55, 56, 80) aufweist, und
(e3) wobei der Touchscreen (11) bei einer erkannten Bedienung
des Bedienelementes (55, 56, 80) in Bezug auf die erste
Funktion gemäß einer ersten Auslenkungsart und bei einer
erkannten Bedienung des Bedienelementes (55, 56, 80) in
Bezug auf die zweite Funktion gemäß einer zweiten von der
ersten Auslenkungsart verschiedenen und unterscheidbaren
Auslenkungsart auslenkbar ist,
- 11 -
(f3) wobei ein Drücken auf den Touchscreen (11) im Bereich des
Bedienelementes (55, 56, 80) als Bedienung der ersten
Funktion interpretierbar ist, wenn das Drücken auf den
Touchscreen (11) nicht länger als ein Grenzwert andauert,
und als Bedienung der zweiten Funktion interpretierbar ist,
wenn das Drücken auf den Touchscreen (11) länger als der
Grenzwert andauert,
(g3) wobei der Grenzwert zwischen 0,5s und 5s liegt,.
(h3) und wobei die Dauer der Auslenkung kürzer ist als der
Grenzwert.
Der Anmeldung soll die Aufgabe zugrunde liegen, eine Eingabevorrichtung mit
einem Touchscreen zu verbessern (siehe Offenlegungsschrift Absatz [0008]). Es
sei wünschenswert, eine besonders gut für Kraftfahrzeuge geeignete Eingabevor-
richtung zu schaffen. Letzteres nennt die Anmelderin im Schriftsatz vom 13. Feb-
ruar 2017 (Seite 3 unten) ebenfalls als zugrundeliegende Aufgabe.


II.
Die rechtzeitig eingelegte Beschwerde ist zulässig. Sie hat jedoch keinen Erfolg,
weil der Gegenstand des Patentanspruchs 1 weder in der Fassung nach Hauptan-
trag noch in der Fassung der Hilfsanträge 1, 2 oder 4 auf einer erfinderischen
Tätigkeit beruht (§ 4 PatG), und in der Fassung nach Hilfsantrag 3 unzulässig
erweitert ist (§ 38 PatG).
1. Die vorliegende Patentanmeldung betrifft eine Eingabevorrichtung mit
einem Touchscreen, insbesondere für ein Kraftfahrzeug (siehe Offenlegungsschrift
Absätze [0001], [0044] / [0045] und Figur 1).
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In der Offenlegungsschrift wird begrifflich unterschieden zwischen dem „Display“
(12) als einer Bild-Anzeigevorrichtung und dem „Touchscreen“ (11), der ersicht-
lich als eine separate Baugruppe ausgelegt sein soll (siehe Figur 4 und z. B.
Absatz [0045]: „…einen über dem Display 12 angeordneten und mit dem Ge-
häuse 15 verbundenen Touchscreen 11“). Insofern ist der Begriff „Touchscreen“ in
der Anmeldung als eine berührungsempfindliche Eingabefläche zu verstehen, so
wie sie im Stand der Technik oft als „Touch Panel“ bezeichnet ist (und nicht als
berührungsempfindlicher Bildschirm).
Die Anmeldung geht aus von Bedienelementen, die auf dem Display dargestellt
werden und deren Berührung von dem Touchscreen erkannt wird, und lehrt
zunächst die Auslösung zweier unterschiedlicher Bedienfunktionen durch ein und
dasselbe Bedienelement, indem die Dauer der Betätigung unterschieden wird:
So sind z. B. gemäß Figur 6 / 7 zwei Berührfelder 55 und 56 zur Veränderung der
Radio-Empfangsfrequenz vorgesehen. Wird eines der Felder kurz („nicht länger
als ein Grenzwert“) gedrückt, wird die Frequenz entsprechend erhöht oder ernied-
rigt; wird dasselbe Feld jedoch lang („länger als ein Grenzwert“) gedrückt, wird die
aktuelle Frequenz gespeichert (siehe Abs. [0050] / [0051]). Die Figuren 11 / 12
und 13 / 14 zeigen weitere Beispiele. Das Steuerverfahren zur Unterscheidung der
Betätigungsdauer ist der Figur 8 i. V. m. Absatz [0052] entnehmbar.
Darüber hinaus soll durch einen auf das Gehäuse 15 wirkenden Aktor 13 – in
Form einer gesteuerten Auslenkung des Touchscreens – eine fühlbare Rückmel-
dung an den Benutzer erfolgen, wobei den beiden Bedienfunktionen eines Bedien-
elementes jeweils ein unterschiedliches fühlbares Signal zugeordnet ist (Absatz
[0053] i. V. m. Figuren 9 und 10); dadurch erhält der Benutzer eine Rückmeldung,
welche der beiden Funktionen vom System erkannt worden ist (siehe Absatz
[0013] letzter Satz).
Mit den Hilfsanträgen kommen Details hinzu, insbesondere genaue Zeitrahmen für
den Grenzwert, anhand dessen „kurze“ von „langer“ Betätigung unterschieden
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wird, und für die Dauer der fühlbaren Rückmeldung als Dauer der Auslenkung des
Touchscreens.
Der Hauptantrag umfasst noch Nebenansprüche, die auf eine andere ursprünglich
beschriebene Ausführungsform gerichtet sind; darauf kommt es jedoch nicht mehr
an, wie sich aus dem Folgenden ergibt.
Als Fachmann, der mit der Aufgabe betraut wird, eine Eingabevorrichtung mit
einem Touchscreen zu verbessern, sieht der Senat einen Entwicklungsingenieur
für Touchscreen-Eingabevorrichtungen mit Fachhochschul-Abschluss und mehr-
jähriger Berufserfahrung an.
2. Im Laufe des Verfahrens sind zum Stand der Technik die folgenden Druck-
schriften benannt worden:
D1 JP 2004 / 38 260 A
D2 US 2004 / 75 676 A1
D3 US 2005 / 168 449 A1
D4 EP 1 560 102 A1
2.1 Zur Druckschrift D1 wurde vom Prüfer in der Anhörung vom 13. Feb-
ruar 2015 eine Übersetzung in die englische Sprache eingeführt, welche jedoch
nicht vollständig in die Akte aufgenommen ist (es finden sich nur die ungeraden
Seiten 1, 3 und 5). Die Anmelderin äußert Zweifel an der Korrektheit der Überset-
zung, insbesondere ob entnommen werden kann, dass die Dauer der Berührung
eines Touchscreens zur Unterscheidung zweier Bedienfunktionen herangezogen
wird. Der Senat hat daher eine neue Übersetzung von der Internet-Seite des japa-
nischen „National Center for Industrial Property Information and Training“ (INPIT)
aus dem November 2016 herangezogen (https://www4.j-platpat.inpit.go.jp/cgi-bin/
tran_web_cgi_ejje?u=http://www4.j-platpat.inpit.go.jp/eng/translation/...).
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Dieser Übersetzung lässt sich, in Verbindung mit dem englischsprachigen „Patent
Abstract of Japan“ und den Figuren und deren Bezugszeichen, nach Überzeugung
des Senats Folgendes entnehmen:
(1) D1 bezieht sich u. a. auf eine Eingabevorrichtung für ein Kraftfahrzeug
(siehe Abstract „in-vehicle control part“ sowie die Absätze [0002], [0022] – Merk-
male (a), (a1), (a2)).
(2) Die Eingabevorrichtung kann aus einem Display 9 mit Touch Panel 8 beste-
hen (siehe Absätze [0002], [0016], [0026 [0031] / [0032]). Gemäß Figur 2 werden
Bedienelemente AAA bis III auf dem Display angezeigt, deren zugeordnete Funk-
tion durch Berühren ausgelöst werden kann (siehe Absätze [0031] / [0032] und
Figur 3: Step 33 bis Step 37 – Teil der Merkmal (b), (b1), (b2)). Dass das Touch
Panel „über“ dem Display angeordnet sein kann, ergänzt der Fachmann aufgrund
seines Fachwissens (weiterer Teil der Merkmale (b), (b1), (b2)). Ebenso ist ent-
nehmbar, dass eine auslösbare Funktion „für eine Einstellung in dem Kraftfahr-
zeug“ vorgesehen ist (siehe Abstract „in-vehicle control part“ sowie Absätze
[0022], [0024] – weiterer Teil der Merkmale (b1) und (b2)).
(3) Die Eingabevorrichtung weist eine Steuerung (CPU 1) auf (Absatz [0022]).
Diese trifft eine Unterscheidung, ob ein Bedienfeld des Touchscreens lang oder
kurz gedrückt ist (Figur 3 Step 36). Falls die Dauer geringer ist als eine bestimmte
Zeit, wird die dem Bedienfeld zugeordnete Funktion ausgeführt (Figur 3 Step 37);
falls die Dauer über eine bestimmte Zeit hinausgeht, wird noch geprüft, ob das
Bedienfeld bereits links oben angeordnet ist (Figur 3 Step 38) – falls nein, wird das
Bedienfeld des Touchscreens an diese erste Position verschoben (Figur 3
Step 39 – vgl. Figur 2B mit Figur 2A). Siehe dazu Absatz [0008]: „within predeter-
mined time to push“ / „the long push beyond predetermined time was performed“;
Absatz [0010]: „The distinction of being a long push should just measure the time
which continues being pushed by a timer etc.“; Absätze [0032] bis [0034]: “It
detects whether the finger separated from the touch panel face in predetermined
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time … and when a finger separates in predetermined time, the application
currently assigned to the button and key is started (Step 37)“ – “if it goes through
predetermined time, when pushing, the key judges whether it is a head
(Step 38)“ – “the button and key which were instructed will be moved to a top posi-
tion (Step 39)“; Claim 1: “less than predetermined time pushed“ / “a long push
beyond predetermined time“. Damit ist erkennbar, dass einem Bedienelement des
Touchscreens zwei verschiedene Funktionen (Funktionsausführung oder Ver-
schiebung an erste Position) zugeordnet sind, wobei die Entscheidung über die
Ausführung der ersten oder zweiten Funktion in Abhängigkeit der Dauer der Be-
rührung erfolgt (Merkmal (c) / (c2), (f3), sowie Rest der Merkmale (b), (b1), (b2)).
Irgendeine Form einer fühlbaren Auslenkung des Touchscreens als Rückmeldung
an den Benutzer lässt sich der D1 jedoch nicht entnehmen.
2.2 Die Druckschrift D2 zeigt für berührungsempfindliche Eingabegeräte wie
Touchpad (= Touch Panel) oder Touchscreen ein „haptisches Feedback“, d. h.
fühlbare Eingabe-Rückmeldungen. Konkret bezieht sich die Erläuterung von
Figur 7 (Absatz [0053] ff.) auf ein Touchpad 16, und Figur 8 beschreibt einen
Touchscreen 82 (in Absatz [0072] auch als „display screen 82“ bezeichnet), auf
welchen die Vorschläge bezüglich eines haptischen Feedbacks in ähnlicher Weise
wie für das Touchpad 16 anwendbar sind (Absatz [0074] Satz 1).
Neben der Möglichkeit, einen Cursor auf dem Bildschirm durch Fingerbewegung
zu steuern, sind in Figur 7 auch Bedienfelder 74 und Berührflächen 72a, 72b
gezeigt. In der dazugehörigen Beschreibung, insbesondere den Absätzen [0064]
bis [0069] werden fälschlicherweise für die Bedienfelder das Bezugszeichen 64
und für die Berührflächen die Bezugszeichen 62a und 62b verwendet. Nach
Behebung dieses offensichtlichen Fehlers entnimmt der Fachmann hier die Lehre,
dass den Bedienelementen 64 = 74, welche das Aussehen eines Tastknopfs („but-
ton“) haben, bestimmte Funktionen wie „Run a Program“, „Close“, „Forward“ oder
„Back“ zugeordnet sein können, die durch Berühren aktiviert werden (Abs. [0067]
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„which the user can point to“ i. V. m. Abs. [0064] „which region he or she is contac-
ting on the pad“, Abs. [0065] „by placing a finger … within the region“). Dabei kann
jeder Funktion eine unterschiedliche Art der haptischen Rückmeldung zugeordnet
sein (Abs. [0068] „…regions 64 can each be associated with haptic sensations“
i. V. m. Abs. [0069] „Furthermore, the user is preferably able to assign particular
haptic sensations to particular areas …“). Dies ist gemäß Abs. [0074] auch auf
einen Touchscreen anwendbar und entspricht den Merkmalen (d) und (e) bzw.
(e3), ohne dass der Fachmann sich hier auf einen bewegbaren Cursor beschränkt
sähe. Allerdings enthält D2 keinen Hinweis auf die Zuordnung von zwei verschie-
denen Funktionen zu einem Bedienfeld.
2.3 Aus der Druckschrift D3 ist eine Eingabevorrichtung für ein Kraftfahrzeug
entnehmbar (claim 5), welche ein Display (3) zur optischen Darstellung zumindest
eines Bedienelementes (Figur 3: Tasten A bis E) und ein über dem Display ange-
ordnetes Touch Panel (4) zum Erkennen einer Berührung im Bereich der Bedien-
elemente umfasst (Absatz [0029], [0033] bis [0035]). Dabei wird die Dauer der
Berührung eines Bedienelementes gemessen, um zwischen einer kurzen Berüh-
rung (Figur 2 S214 „Yes“; Absatz [0042]) und einer langen Berührung (Figur 2
S216 „Yes“; Absatz [0042], [0047]) zu unterscheiden; hier allerdings nicht, um
zwei unterschiedliche Funktionen auszulösen, sondern in beiden Fällen dieselbe
Funktion (S226 genauso wie S238 „accepts button deciding operation“), entweder
wenn der Benutzer das Bedienelement kurz berührt, oder wenn er es lang berührt,
ohne seinen Finger von der Stelle wegzubewegen. Als Beispiel für einen Grenz-
wert zur Unterscheidung von „kurz“ und „lang“ ist in Absatz [0043] 250 ms angege-
ben. Weiterhin ist hier noch eine Vibrationseinheit 5 unter dem Touch Panel vorge-
sehen, um dem Benutzer eine unterschiedliche – und unterscheidbare – fühlbare
Rückmeldung zur Erkennung der Auswahl eines Bedienelementes (Figur 4A:
Pattern VP1) und zur Funktionsauslösung (Figur 4B: Pattern VP2) zu signalisieren
(siehe dazu die Absätze [0067] / [0068] i. V. m. Figur 2 S204, S206 / S218 / S232).
Durch die beschriebenen Maßnahmen soll die Bedienung eines Touchscreens im
Fahrzeug sicherer gemacht werden (siehe Absätze [0007] bis [0011]).
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2.4 Die Druckschrift D4 ist in der Anmeldung in Absatz [0045] als Referenz für
die Ausgestaltung eines Aktors zur fühlbaren Rückmeldung angegeben. Sie
stammt von der Anmelderin selbst und beschreibt eine Eingabevorrichtung für ein
Kraftfahrzeug in Form eines Touchscreens (Figur 4: Display 17, darüber angeord-
netes Touchpad 16 – wie in der vorliegenden Anmeldung als „Touch-
screen“ bezeichnet – mit Bedienfläche 16A), auf welchem durch Berühren oder
Drücken zu betätigende Bedienelemente (z. B. Figur 15: 141 bis 145) dargestellt
sind, um „Einstellungen in dem Kraftfahrzeug“ vorzunehmen (Figur 15 bis 20, Abs.
[0064] ff.), wobei der Touchscreen durch einen Aktor 18 ausgelenkt werden kann
zur fühlbaren Bestätigung der Erkennung einer Befehlseingabe (siehe Absätze
[0056], [0060]). Gemäß Abs. [0053] bzw. Abs. [0060] ist es für den Einsatz in
Kraftfahrzeugen von Vorteil, wenn statt nur einer Berührung des Touchpads erst
ein (bewusst ausgeübter, stärkerer) Druck als Eingabe erkannt wird. Damit sind
hier die Merkmale (a), (b) und (d), bzw. (a1) / (b1) und (a2) / (b2) vorbeschrieben,
mit Ausnahme des Aspekts, dass einem Bedienelement zwei verschiedene Funk-
tionen zugeordnet wären.
Darüber hinaus lehrt D4 Details für die Gestaltung der fühlbaren Rückmeldung an
den Benutzer. Die Figuren 12 und 13 i. V. m. Abs. [0061] / [0062] zeigen unter-
schiedliche Bewegungsmuster für die Auslenkung M eines Touchscreens. Gemäß
Absatz [0061] soll die Dauer der Auslenkung zwischen 50 ms und 800 ms, insbe-
sondere zwischen 100 ms und 400 ms liegen.
3. Dem Hauptantrag kann nicht gefolgt werden, weil der Gegenstand seines
Patentanspruchs 1 nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht.
3.1 Die diesbezügliche Begründung der Prüfungsstelle im Zurückweisungsbe-
schluss ist jedoch auch für den Senat nicht nachvollziehbar. Im Beschluss ist aus-
geführt (siehe Seite 5 Absatz 1), der Fachmann würde, ausgehend von Druck-
schrift D1, die D2 hinzuziehen, da „auch die Druckschrift 2 ([0057]) von Priorisie-
rungen von Bedienelementen in Menüs“ handele. Was allerdings damit gemeint
- 18 -
sein könnte, und was dazu dem Absatz [0057] der D2 zu entnehmen sein soll,
verbleibt im Dunkeln, insbesondere da weder in der Druckschrift D1 noch in der
Anmeldung von einer „Priorisierung“ von Menüelementen die Rede ist (vgl. Be-
schwerdebegründung vom 18. März 2015, Seite 7/8).
3.2 Wie ausgeführt (s. o. Abschnitt 2.1), zeigt die Druckschrift D1 eine Eingabe-
vorrichtung für ein Kraftfahrzeug mit den Merkmalen (a), (b) und (c) des Patentan-
spruchs 1 gemäß Hauptantrag. Ein Hinweis auf einen Aktor zur Auslenkung des
Touchscreens im Sinne der Merkmale (d) und (e) ist der D1 nicht zu entnehmen.
3.3 Dem Fachmann war es jedoch geläufig, dass – gerade unter den schwieri-
gen Bedienungsbedingungen in einem Kraftfahrzeug – eine Berühr-Eingabe feh-
leranfällig sein kann und durch eine fühlbare Rückmeldung für den Benutzer er-
leichtert wird (vgl. etwa D3 Abs. [0011] / [0021], [0022]; D4 Abs. [0073]).
Daher hatte der Fachmann jeden Anlass, auf die problematische Eingabesituation
zu reagieren und die bekannten Vorschläge aufzugreifen – insbesondere die Ein-
gabevorrichtung für ein Kraftfahrzeug gemäß Druckschrift D1 bei einer erkannten
Bedienung durch eine fühlbare Rückmeldung in Form eines Aktors, der auf das
Touch Panel wirkt, zu verbessern, so wie es beispielsweise die Druckschrift D4
bereits lehrt (siehe D4 Figur 3 / 4 und zugehörige Beschreibung, insbesondere
Abs. [0055] / [0056] – Merkmal (d)).
3.4 Darüber hinaus war es dem Fachmann vertraut, dass zur fühlbaren Rück-
meldung an den Bediener eines Touchscreens mit einem Aktor unterschiedliche
(vor allem: unterscheidbare) Bewegungsmuster erzeugt werden können (vgl. D2
Abs. [0059] / [0060]; D3 Figur 4a / 4b; D4 Figur 12 / 13 und insbes. Abs. [0061] /
[0062]).
Wenn nun gemäß der Lehre der Druckschrift D1 einem Bedienelement zwei ver-
schiedene Funktionen zugeordnet sein sollen, dann drängt es sich dem Fachmann
geradezu auf, dass der Benutzer eine (unterscheidbare) fühlbare Rückmeldung
- 19 -
erhalten sollte, je nachdem welche der beiden Funktionen er ausgewählt hat. Das
gilt umso mehr, als die Druckschrift D2 für ein Touchpad oder einen Touchscreen
bereits konkret vorschlägt, unterschiedlichen Funktionen unterschiedliche fühlbare
Rückmeldungen zuzuordnen (s. o. Abschnitt 2.2)). Dieses Ziel führt den Fach-
mann zwangsläufig zu der Maßnahme nach Merkmal (e), die fühlbare Rückmel-
dung derart auszulegen, dass das Touch Panel bei Erkennung der ersten Funktion
gemäß einer ersten Auslenkungsart und bei Erkennung der zweiten Funktion
gemäß einer zweiten, von der ersten Auslenkungsart verschiedenen Auslenkungs-
art ausgelenkt wird.
3.5 Sonach gelangte der Fachmann ausgehend von der Lehre der Druckschrift
D1, veranlasst durch das bekannte Problem der Fehleranfälligkeit von Berühr-Ein-
gaben in Fahrzeugen, bei Anwendung der Lehre der Druckschrift D4 und Hinzu-
nahme seines Fachwissens über fühlbare Rückmeldungen ohne erfinderisches
Zutun zu einer Eingabevorrichtung gemäß den Merkmalen (a) bis (e).
Der Patentanspruch 1 gemäß Hauptantrag ist daher nicht gewährbar, weil sein
Gegenstand nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht.
Mit dem Patentanspruch 1 fällt der gesamte Hauptantrag, da über einen Antrag
nur einheitlich entschieden werden kann.
3.6 Dass der Senat die Merkmale des Patentanspruchs 1 gemäß Hauptantrag
darüber hinaus als Aggregation der Lehre der Druckschriften D1 und D2 ansieht,
so wie es auch im Zurückweisungsbeschluss des Europäischen Patentamts in
einer Nachanmeldung zum Ausdruck kommt („Agglomeration“, siehe Entschei-
dung der Prüfungsabteilung über die europäische Anmeldung Nr. 06 806 027.6
vom 19. Mai 2010), ohne dass der Rahmen der Rechtsprechung des Bundesge-
richtshofs verlassen würde, kann hier offen bleiben.
- 20 -
4. Die Hilfsanträge 1 und 2 sind nicht anders zu beurteilen.
4.1 Der Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag 1 unterscheidet sich vom Patent-
anspruch 1 nach Hauptantrag nur in zwei Details, die sich aus den herangezo-
genen Druckschriften bereits ergeben; das Vorliegen einer erfinderischen Tätigkeit
kann damit nicht begründet werden.
So ist der Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag 1 nunmehr gemäß Merkmal (a1)
unmittelbar auf eine „Eingabevorrichtung für ein Kraftfahrzeug“ gerichtet, während
er nach Hauptantrag auf eine „Eingabevorrichtung insbesondere für ein Kraftfahr-
zeug“ gerichtet war. Nachdem aber die Druckschriften D1, D3 und D4 sich mit Ein-
gabevorrichtungen für Kraftfahrzeuge befassen, erlaubt die vorgenommene Ein-
schränkung keine unterschiedliche Beurteilung.
Dasselbe gilt für den Unterschied in Merkmal (b1), dass die erste Funktion „für
eine Einstellung in dem Kraftfahrzeug“ vorgesehen ist – denn das ist bei den
Funktionen der Druckschriften D1, D3 und D4 ebenso der Fall.
4.2 Auch die zwei über geringförmige Umformulierungen hinausgehenden
Unterschiede des Patentanspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 2 gegenüber dem Patent-
anspruch 1 des Hilfsantrags 1 können das Vorliegen einer erfinderischen Tätigkeit
nicht begründen.
4.2.1 Der Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag 2 ist gemäß Merkmal (a2) auf ein
„Kraftfahrzeug mit einer Eingabevorrichtung“ gerichtet. Der Senat sieht diese
Anspruchsfassung als zulässig an, weil das den ursprünglichen Unterlagen als
mögliche Ausführungsform der Erfindung zu entnehmen ist. Sie führt aber nicht zu
einer anderen Beurteilung, weil sich ein solches Kraftfahrzeug etwa aus der Lehre
der entgegengehaltenen Druckschrift D1 in gleicher Weise ergibt.
4.2.2 Die Merkmale (b2) und (c2) unterscheiden sich von den Merkmalen (b1)
und (c) des Hilfsantrags 1 darin, dass sie anstelle einer „Berührung des Touch-
- 21 -
screens“ nun explizit auf das Erkennen „eines Drückens auf den Touch-
screen“ gerichtet sind.
Die Anmelderin hat hierzu ausgeführt, dass die Unterscheidung anhand der
Berührdauer, ob der Touchscreen gemäß der ersten oder gemäß der zweiten
Auslenkungsart ausgelenkt werden solle, für die „kurze“ Berührung erst beim
Beenden der Berührung getroffen werden könne. Da beim leichten Berühren der
Finger dann aber schon vom Touchscreen abgehoben sei, könne er die Auslen-
kung nicht mehr erfühlen. Beim „Drücken“ werde der Finger hingegen fester auf-
gesetzt und stehe beim Beenden des Drückens noch lang genug mit dem Touch-
screen in Berührverbindung.
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist jedoch bei der Prüfung auf
erfinderische Tätigkeit nicht ausschließlich von einem solchen, der Anmeldung
vielleicht zu entnehmenden Problem auszugehen; es ist vielmehr auch zu erwä-
gen, ob die Bewältigung eines zum Aufgabenkreis des Fachmanns gehörenden
(anderen) Problems dessen Lösung nahegelegt hat (BGH GRUR 2011, 607
– Kosmetisches Sonnenschutzmittel III).
Das ist vorliegend der Fall: Wie ausgeführt (s. o. Abschnitt 2.4), gibt Druck-
schrift D4 die Lehre, dass es für den Einsatz in Kraftfahrzeugen von Vorteil ist,
wenn statt nur einer Berührung des Touchpads erst ein bewusst ausgeübter, stär-
kerer Druck als Eingabe erkannt wird. Dies führt den Fachmann – im Kontext der
Ergänzung der Eingabevorrichtung aus Druckschrift D1 um eine fühlbare Rück-
meldung gemäß D4 – bereits zum Beschränken der Eingabe-Erkennung auf eine
Druckbetätigung, so wie es die Merkmale (b2) und (c2) nunmehr beanspruchen.
Eine derartige Ausgestaltung lag daher für den Fachmann nahe, auch ohne dass
er sich mit dem von der Anmelderin vorgetragenen zusätzlichen Problem hätte
auseinandersetzen müssen. Die beanspruchte Beschränkung auf eine Druck-
Erkennung erfordert sonach keine Beurteilung als erfinderische Tätigkeit.
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5. Der Hilfsantrag 3 ist nicht gewährbar, weil der Gegenstand seines einzigen
Patentanspruchs durch das am Ende eingefügte Merkmal (h3) unzulässig erwei-
tert ist.
5.1 Das Merkmal (h3) des Patentanspruchs lautet: „und wobei die Dauer der
Auslenkung kürzer ist als der Grenzwert.“
Dabei bezieht sich der Begriff „Grenzwert“ auf das Merkmal (f3), in dem er als
Zeitwert eingeführt wurde, der zur Unterscheidung der Betätigungsdauer als „kurz“
(„wenn des Drücken auf den Touchscreen (11) nicht länger als ein Grenzwert
andauert“) oder „lang“ („wenn das Drücken auf den Touchscreen (11) länger als
der Grenzwert andauert“) heranzuziehen ist. Dieser Grenzwert soll, wie bereits im
ursprünglichen Unteranspruch 7 angegeben, gemäß Merkmal (g3) „zwischen 0,5s
und 5s“ liegen.
5.2 Dass die Dauer der Auslenkung des Touchscreens kürzer als der genannte
Grenzwert für die Unterscheidung der Betätigungsdauer sein soll, ist in der Anmel-
dung jedoch nicht offenbart; das Merkmal (h3) stellt daher eine unzulässige Erwei-
terung dar.
Die Anmelderin verweist zur Offenbarung auf Absatz [0012] der Anmeldung,
wonach die Auslenkung „insbesondere nach 20 ms bis 150 ms“ beendet sein soll.
Es ist offensichtlich, dass der damit offenbarte Zeitraum tatsächlich „kürzer“ ist als
der im Bereich 0,5s bis 5s liegende Grenzwert.
Das neue Merkmal (h3) ist jedoch so zu verstehen, dass eine zeitliche Beziehung,
d. h. eine Abhängigkeit zwischen der Dauer der Auslenkung und dem Grenzwert
für die Unterscheidung der Betätigungsdauer bestehen soll: Wenn als Grenz-
wert 0,5s vorgegeben wird, soll die Auslenkung maximal 0,5s betragen; wenn aber
als Grenzwert 5s vorgegeben wird, darf die Auslenkung ebenfalls bis zu 5s
andauern.
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Eine solche zeitliche Beziehung lässt sich der Anmeldung an keiner Stelle entneh-
men. Es kann dahinstehen, ob angesichts der einzigen Fundstelle in Abs. [0012]
„insbesondere nach 20 ms bis 150 ms“ eine Verallgemeinerung in der Form „von 0
bis 0,5s“ oder „von 0 bis 5s“ zulässig sein könnte. Denn die im Merkmal (h3) vor-
genommene zeitliche Verknüpfung der Zeit für die Auslenkung mit der Zeit für die
Unterscheidung der Betätigungsdauer geht darüber hinaus und findet in den
ursprünglichen Unterlagen keine Stütze.
6. Schließlich ist auch der Hilfsantrag 4 nicht gewährbar, weil der Gegenstand
seines einzigen Patentanspruchs nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht.
6.1 Der einzige Patentanspruch gemäß Hilfsantrag 4 ist auf ein Kraftfahrzeug
mit einer Eingabevorrichtung nach den Merkmalen (a2), (b2) und (c2) gerichtet,
wie sie schon vom Hilfsantrag 2 bekannt sind. Ferner ist ein Aktor zur Auslenkung
des Touchscreens bei einer erkannten Bedienung des Bedienelementes vorgese-
hen, wie bereits als Merkmal (d) bekannt, wobei hier zusätzlich die Auslenkung als
„zwischen 20 ms und 150 ms andauernd“ vorgegeben wird (Merkmal (d4)).
Gemäß Merkmal (e3) soll die vorgesehene unterschiedliche Auslenkung für die
erste Funktion und die zweite Funktion auch noch „unterscheidbar“ sein. Mit Merk-
mal (f3) wird der oben in Abschnitt 5.1 erläuterte Grenzwert für die Unterschei-
dung der Druckdauer eingeführt, welcher gemäß Merkmal (g3) „zwischen 0,5s und
5s“ liegen soll.
6.2 Der einzige Patentanspruch gemäß Hilfsantrag 4 geht demnach aus von
einem Kraftfahrzeug mit einer Eingabevorrichtung gemäß Druckschrift D1, welche
speziell für die Anwendung in einem Fahrzeug verbessert ist durch die Anwen-
dung der Lehre der Druckschrift D4 (Erkennung von Druck statt Berührung, und
Aktor für fühlbare Ausgabe, s. o. Abschnitt 4.2.2 und Abschnitt 3.3 – Merkmale
(a2), (b2), (c2) und Merkmal (d4) teilweise). Ein „Grenzwert“ für die Unterschei-
dung der Druckdauer im Sinne des Merkmals (f3) ergab sich für den Fachmann
- 24 -
schon aus Druckschrift D1 (siehe z. B. Absatz [0008] „within predetermined time“ /
„beyond predetermined time“).
Wie zuvor ausgeführt, lag es für den Fachmann nahe, der ersten Funktion und der
zweiten Funktion unterschiedliche, unterscheidbare Auslenkungsarten zuzuordnen
(s. o. Abschnitt 3.4 – Merkmal (e3)).
Über dieses bereits als naheliegend Beurteilte hinaus ist der einzige Patentan-
spruch nach Hilfsantrag 4 somit darauf gerichtet, dass gemäß Merkmal (d4) die
Dauer der Auslenkung „zwischen 20 ms und 150 ms“ liegen soll, und dass gemäß
Merkmal (g3) der Grenzwert zur Unterscheidung der Druckdauer zwischen der
ersten und der zweiten Funktion „zwischen 0,5s und 5s“ liegen soll.
6.3 Diese explizite Vorgabe der Zeiträume für die beiden Parameter beruht
jedoch nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit, sondern ist Ausfluss von routinemä-
ßigem fachmännischem Handeln; daher lag der Gegenstand des einzigen Patent-
anspruchs gemäß Hilfsantrag 4 mit allen seinen Merkmalen für den Fachmann
nahe.
Denn ausgehend von der Lehre der Druckschrift D1, eine erste Funktion von einer
zweiten Funktion durch die Dauer des Drucks auf ein Bedienelement zu unter-
scheiden, unter Anwendung der Lehre der Druckschrift D4, eine zeitlich definierte
Auslenkung des Touchscreens als fühlbare Rückmeldung vorzusehen, ergab sich
für den Fachmann die Fragestellung, welche konkreten Zeitwerte für diese beiden
Parameter gewählt werden sollten. Die Anmeldung lehrt hierzu in Merkmal (g3)
„zwischen 0,5s und 5s“, und in Merkmal (d4) „zwischen 20 ms und 150 ms“.
Der Anmeldung sind aber keine Gründe oder Kriterien zu entnehmen, warum
gerade diese definierten Parameterbereiche beansprucht sind. Eine letztlich nach
Belieben getroffene Auswahl eines bestimmten Bereichs wäre für sich grundsätz-
lich nicht geeignet, eine erfinderische Leistung zu begründen (vgl. BGH GRUR
2004, 47 – Blasenfreie Gummibahn I). Mangels anderer Anhaltspunkte kann nur
- 25 -
angenommen werden, dass die gewählten Parameter für die zu lösende Aufgabe
einer verbesserten Bedienbarkeit optimiert wurden.
6.3.1 Die Wahl eines geeigneten Grenzwertes zur Unterscheidung zwischen „kur-
zem“ und „langem“ Drücken wird in der Beschreibung der Anmeldung lediglich in
den Absätzen [0014] und [0053] angesprochen, und zwar nur als Vorgabe ohne
jede Erläuterung: „Der Grenzwert liegt zwischen 0,5s und 5s, insbesondere in
etwa bei 1s bis 2s.“ Ausgehend von der Frage, welche Werte im Hinblick auf die
Bedienbarkeit überhaupt brauchbar sind, wird der Fachmann aber ganz zwangs-
läufig in die Nähe dieses Bereichs gelangen. Ein zu kleiner Wert würde es dem
Benutzer schwer machen, ein „kurzes“ Drücken auszuführen. Ein zu langer Wert
strapaziert die Geduld des Benutzers in unnötiger Weise, falls er ein „langes“ Drü-
cken eingeben will. Die beanspruchten Eckwerte stellen in etwa den Kompromiss-
bereich dar, den der Fachmann sich durch einige Versuche erarbeiten wird. Dabei
kommt es auf die exakten Zahlenwerte nicht an, sie können nur als grundsätzli-
cher Rahmen für den gewählten Bereich verstanden werden. Um diesen aufzufin-
den, ist aber nur übliches fachmännisches Handeln erforderlich, keine erfinderi-
sche Tätigkeit.
6.3.2 Nichts anderes gilt für die zu wählende Dauer der Auslenkung des Touch-
screens als fühlbare Rückmeldung. Hierzu findet sich, ebenfalls unbegründet, die
einzige Vorgabe in Absatz [0012] der Anmeldung: „Die Auslenkung wird in vorteil-
hafter Ausgestaltung der Erfindung nach einer bestimmten Zeit, insbesondere
nach 20 m bis 150 ms, beendet“. Auch hier wird der Fachmann durch einige Ver-
suche einen Zeitbereich ermitteln, der einerseits lang genug ist, um vom Benutzer
bemerkt zu werden, und andererseits so kurz ist, dass der Benutzer nicht verwirrt
oder belästigt wird. Die Druckschrift D4 schlägt in Absatz [0061] für die Dauer der
Auslenkung zwischen 50 ms und 800 ms, insbesondere zwischen 100 ms und
400 ms vor. Der von der Anmelderin beanspruchte Zeitraum ist zwar etwas kürzer,
liegt aber nicht so weit ab, dass darin eine erfinderische Tätigkeit erkannt werden
könnte.
- 26 -
III.

Für die von der Anmelderin angeregte Zulassung der Rechtbeschwerde besteht
keine Veranlassung.
Die Frage einer „hinreichenden Bedingung für eine Aggregation“ ist nicht entschei-
dungserheblich, s. o. Abschnitte 3.5 / 3.6.
Auch auf die Frage nach der Zulässigkeit von Verallgemeinerungen kommt es
nicht an. Als unzulässig wurde nicht eine Verallgemeinerung der offenbarten Para-
meter-Werte beurteilt, sondern die Herstellung einer zeitlichen Beziehung zwi-
schen zwei Parametern, wie sie in den ursprünglichen Unterlagen keine Stütze
findet (s. o. Abschnitt 5.2).
Rechtsmittelbelehrung

Gegen diesen Beschluss steht den am Beschwerdeverfahren Beteiligten das Rechtsmittel
der Rechtsbeschwerde zu. Da der Senat die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen hat, ist
sie nur statthaft, wenn gerügt wird, dass

1. das beschließende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war,
2. bei dem Beschluss ein Richter mitgewirkt hat, der von der Ausübung des
Richteramtes kraft Gesetzes ausgeschlossen oder wegen Besorgnis der Befan-
genheit mit Erfolg abgelehnt war,
3. einem Beteiligten das rechtliche Gehör versagt war,
4. ein Beteiligter im Verfahren nicht nach Vorschrift des Gesetzes vertreten war,
sofern er nicht der Führung des Verfahrens ausdrücklich oder stillschweigend
zugestimmt hat,
5. der Beschluss aufgrund einer mündlichen Verhandlung ergangen ist, bei der die
Vorschriften über die Öffentlichkeit des Verfahrens verletzt worden sind, oder
6. der Beschluss nicht mit Gründen versehen ist.

- 27 -
Die Rechtsbeschwerde ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlusses beim
Bundesgerichtshof, Herrenstr. 45 a, 76133 Karlsruhe, durch einen beim Bundesgerichts-
hof zugelassenen Rechtsanwalt als Bevollmächtigten schriftlich einzulegen.



Dr. Morawek Eder Baumgardt Hoffmann


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