17 W (pat) 15/15  - 17. Senat (Techn.Beschw.)
Karar Dilini Çevir:

BPatG 154
05.11

BUNDESPATENTGERICHT



17 W (pat) 15/15
_______________
(Aktenzeichen)



Verkündet am
6. Juli 2017





B E S C H L U S S

In der Beschwerdesache

betreffend die Patentanmeldung 10 2005 012 641.3








hat der 17. Senat (Technischer Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf
die mündliche Verhandlung vom 6. Juli 2017 unter Mitwirkung des Vorsitzenden
Richters Dipl.-Phys. Dr. Morawek, der Richterinnen Eder und
Dipl.-Phys. Dr. Thum-Rung sowie des Richters Dipl.-Phys. Dr. Forkel
- 2 -
beschlossen:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.


G r ü n d e

I.

Die vorliegende Patentanmeldung, die eine japanische Priorität vom
19. März 2004 in Anspruch nimmt, wurde am 18. März 2005 beim Deutschen
Patent- und Markenamt eingereicht. Sie trägt die Bezeichnung

„Verfahren zur Unterstützung eines Verdrahtungs-Designs, das Verfahren
einsetzende Unterstützungseinrichtung, und Computer-lesbares Medium“.

Die Anmeldung wurde durch Beschluss der Prüfungsstelle für Klasse G06F des
Deutschen Patent- und Markenamtes in der Anhörung vom 5. Februar 2015
zurückgewiesen. Zur Begründung führte die Prüfungsstelle aus, dass der Gegen-
stand des (damaligen) Patentanspruches 1 nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit
beruhe.

Gegen diesen Beschluss ist die Beschwerde der Anmelderin gerichtet.

Die Anmelderin stellte den Antrag,

den angegriffenen Beschluss aufzuheben und das nachgesuchte
Patent mit folgenden Unterlagen zu erteilen:

gemäß Hauptantrag mit
Patentansprüchen 1–4 vom 13.07.2015,
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Beschreibung Seiten 1, 3, 15–22, 24–28, 30–35, 37–44 vom
Anmeldetag,
Seiten 2, 4, 8, 9, 11 vom 22.12.2006,
Seiten 2a, 23 vom 13.09.2011,
Seiten 10, 12–14, 29, 36 vom 26.01.2015,
11 Blatt Zeichnungen mit Figuren 1–11C vom Anmeldetag;

gemäß Hilfsantrag mit
Patentansprüchen 1–4 vom 13.07.2015,
im Übrigen wie Hauptantrag.

Im Prüfungsverfahren vor dem Deutschen Patent- und Markenamt wurde auf die
Druckschriften

D1: EP 1 130 527 A2,

D2: EP 1 275 565 A1,

D3: US 2002/0029135 A1

und

D4: EP 1 351 168 A1

hingewiesen.

Vom Senat wurden zusätzlich die Druckschriften

D5: NOZAKI, H.; KAWAKITA, Y.; INOUE, T.; WANG, D.; CHOW, C.;
KOMINAMI, Y.; KAJI, M.: Predicting the Bending Life of Wire Harnesses by
CAE Analysis, SAE technical papers, 2003
- 4 -
und

D6: INOUE, T.; KAWAKITA, Y.; KAWABE, H.; KOHTAKE, Y.; FURUSYO, M.;
OHUCHI, K.; KAJI, M.: The Development of a Method to Estimate the Bending
Reliability of Wiring Harness, SAE technical papers, 2000

eingeführt.

Zu den Einzelheiten wird auf die Akte verwiesen.

Der geltende Patentanspruch 1 gemäß Hauptantrag, hier mit einer möglichen
Gliederung versehen, lautet:

M0 Computerimplementiertes Verfahren zur Optimierung eines Verdrah-
tungs-Designs eines Kabelbaums, umfassend die Schritte:

M1 Bereitstellen (S201) eines Finite-Elemente-Modells des Kabelbaums,
wobei das Finite-Elemente-Modell als elastischer Körper mit mehre-
ren kombinierten Balkenelementen (C1-C7) ausgebildet ist, welche
die Linearität beibehalten;

M2 Bereitstellen eines Bewertungspunktes und eines Steuerpunktes an
dem Finite-Elemente-Modell;

M3 Festlegen (S202) mindestens einer Schnittfläche, einer Länge, einer
Elastizität oder einer Dichte als physikalische Eigenschaften und von
Freiheitsgraden von Einschränkungen des Kabelbaums in den axia-
len Richtungen und in Richtungen um die Achsen auf der Basis einer
Form eines an den Kabelbaum angesetzten Halterungsteils bei dem
Finite-Elemente-Modell;
- 5 -
M4 Festsetzen (S203) einer Größe und Richtung einer an dem Steuer-
punkt anzusetzenden Kraft;

M5 Berechnen (S204) einer prädiktiven Form (1b-1z) des Finite-Ele-
mente-Modells, die sich in einem physikalisch ausgeglichenen Zu-
stand befindet, auf Grundlage der physikalischen Eigenschaften, der
festgesetzten Kraft und der Freiheitsgrade, als eine Ausgangsform
des Finite-Elemente-Modells;

M6 Ausführen eines Einstellvorgangs (S205), der die an den Steuer-
punkt angelegte Kraft so ändert, dass die Größe der Kraft um einen
vorbestimmten Wert (Δf) inkrementiert wird, während die Richtung
der Kraft konstant gehalten wird;

M7 Berechnen (S206) einer prädiktiven Form des Finite-Elemente-Mo-
dells, die sich in einem physikalisch ausgeglichenen Zustand befin-
det, als eine geänderte Form des Finite-Elemente-Modells, unter Be-
rücksichtigung einer in dem Einstellvorgang (S205) geänderten
Größe der Kraft;

M8 Berechnen (S207) einer Reaktion an dem Bewertungspunkt der prä-
diktiven Form, wobei die Beziehung zwischen der Reaktion und der
an dem Steuerpunkt angesetzten Kraft erkannt wird;

M9 Vergleichen (S208) der Reaktion mit einem vorbestimmten Schwel-
lenwert;

M10 Wiederholen der Schritte des Ausführens eines Einstellvor-
gangs (S205), des Berechnens (S206) einer geänderten prädiktiven
Form, des Berechnens (S207) einer Reaktion und des Verglei-
chens (S208), wenn in dem Schritt des Vergleichens (S208) festge-
- 6 -
stellt wird, dass die berechnete Reaktion kleiner ist als der Schwel-
lenwert (S208: NEIN), und

M11 Ausgabe (S209) eines Vergleichsergebnisses des Reaktionsver-
gleichsvorgangs,

M11.1 wobei auf der Basis des Vergleichsresultats des Ausgabe-
schritts (S209) eine Erfassung des Bewegungsbereichs des Steuer-
punkts, eine Festlegung einer Montierbarkeit des Halterungsteils an
dem Bewertungspunkt, oder eine Bewertung der Haltbarkeit des Hal-
terungsteils, das an dem Bewertungspunkt angebracht werden soll,
durchgeführt wird,

M11.2 wobei der Ausgabevorgang (S209) als das Vergleichsergebnis die
prädiktive Form in einem Zustand ausgibt, in welchem die Reaktion
mit dem Schwellenwert übereinstimmt, und

M11.3 jedes Mal, wenn die Schritte des Ausführens eines Einstellvorgan-
ges (S205), des Berechnens (S206) einer geänderten prädiktiven
Form und des Berechnens (S207) einer Reaktion wiederholt werden,
das Verformungsverhalten der prädiktiven Form sukzessive in dem
Ausgabevorgang (S209) ausgegeben wird.

In Hinblick auf den nebengeordneten Patentanspruch 4 und die abhängigen Pa-
tentansprüche 2 und 3 wird auf den Akteninhalt verwiesen.

Der Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag unterscheidet sich von Patentan-
spruch 1 gemäß Hauptantrag lediglich durch das Merkmal (M11.3´), das Merk-
mal (M11.3) ersetzen soll:
- 7 -
M11.3´ „jedes Mal, wenn die Schritte des Ausführens eines Einstellvorgan-
ges (S205), des Berechnens (S206) einer geänderten prädiktiven
Form und des Berechnens (S207) einer Reaktion wiederholt werden,
das Verformungsverhalten der prädiktiven Form sukzessive in einer
Anzeigeeinheit (23) angezeigt wird.“

Zu den übrigen Patentansprüchen und den weiteren Einzelheiten wird auf die Akte
verwiesen.

Die Anmelderin trägt vor, dass mit Hilfe des beanspruchten Verfahrens zur Opti-
mierung eines Verdrahtungsdesigns eines Kabelbaums vorhergesagt werden kön-
ne, ob bei der Montage eines Kabelbaums mit einer bestimmten Vorhersageform
durch Verformung Belastungsgrenzen von Halterungsteilen überschritten werden,
so dass Brüche auftreten können. Zu diesem Zweck werde der Kabelbaum mit
einem Finite-Elemente-Modell modelliert. Mit dem vorgestellten Verfahren könne
ermittelt werden, wie das Design eines Kabelbaums aussehen müsse, damit die-
ser beim Entfalten in einem Fahrzeug unbeschädigt untergebracht werden könne.
Ein wichtiges Ziel der Erfindung bestehe darin, festzustellen, an welchen Stellen
Halterungspunkte angebracht werden könnten und zu erreichen, dass möglichst
wenig Halterungspunkte notwendig seien.

Die jeweiligen Gegenstände des Patentanspruchs 1 gemäß Haupt- und Hilfsan-
trag seien unter Berücksichtigung der eingeführten Druckschriften neu und beruh-
ten auch auf erfinderischer Tätigkeit.


II.

Die Beschwerde wurde rechtzeitig eingelegt und ist auch sonst zulässig. Sie hat
jedoch keinen Erfolg, da die jeweiligen Gegenstände des Patentanspruchs 1
- 8 -
gemäß Haupt- und Hilfsantrag nicht auf erfinderischer Tätigkeit beruhen (§ 1
Abs. 1 in Verbindung mit § 4 Satz 1 PatG).

1. Der Gegenstand der Anmeldung betrifft ein automatisches Verfahren zur
Optimierung eines Verdrahtungsdesigns eines Kabelbaums sowie eine entspre-
chende Computereinrichtung (Offenlegungsschrift, Absatz [0001]).

Ausweislich der Anmeldung seien Fahrzeuge mit mehreren elektrischen Teilen
versehen, die miteinander über einen Kabelbaum als geradlinige Anordnung ver-
bunden seien, wobei mehrere gerade Teile, z. B. Strom- oder Kommunikationslei-
tungen in einem Bindeteil, etwa einer Isolierung zusammengebündelt seien und
ein äußeres Verstärkungsteil, z. B. ein Tape vorgesehen sei. An den Endabschnit-
ten eines Kabelbaums seien Verbinder vorgesehen, die mit elektrischen Teilen
verbunden seien. Weiterhin seien verschiedene Arten von Clips und ein Verzwei-
gungspunkt an Abschnitten des Kabelbaums vorhanden. Die Abzweigleitungen
des Kabelbaums, welche dessen Abschnitte bildeten und die sich von dessen
Endabschnitten zum Verzweigungspunkt erstreckten, wiesen grundsätzlich eine
unterschiedliche Anzahl und unterschiedliche Arten von Leiterbauteilen auf. Dicke,
Länge und Dichte dieser Abzweigleitungen seien verschieden (Offenlegungs-
schrift, Absatz [0002]).

Das Design zur Verdrahtung eines solchen Kabelbaums in einem Fahrzeug sei in
vielen Fällen so durchgeführt worden, dass Berechnungen unter Verwendung
einer Universal-Software durchgeführt worden seien (CAD und CAE) oder auf
Grundlage der Erfahrung und des Wissens des Entwerfers. Da eine geradlinige
Anordnung, wie z. B. ein Kabelbaum sehr verschieden ausgebildet sein könne, sei
es nicht ausreichend, nur die Universal-Software einzusetzen, und sich nur auf die
Erfahrung eines Entwerfers zu verlassen. Es sei nämlich sehr schwierig, die
geradlinige Anordnung so zu entwerfen, dass die Steifigkeit der geradlinigen An-
ordnung in Bezug auf eine Biegung und eine Verbindung jedes ihrer Abschnitte
exakt vorausgesehen werden könne (Offenlegungsschrift, Absatz [0003]).
- 9 -
Eine Aufgabe wird in der Anmeldung direkt nicht genannt. Aus der Beschwerde-
begründung (Seite 4, zweiter Absatz) geht aber hervor, dass die der Anmeldung
zugrundeliegende Aufgabe darin bestehen soll, ein Verfahren anzugeben, mit dem
eine optimale Form eines Kabelbaums so bestimmt werden kann, dass ein Schwel-
lenwert für die Belastung maximal gerade erreicht wird, und ein Bruch während der
Montage vermieden sowie eine ausreichende Dauerfestigkeit gewährleistet werden
kann.

Als Fachmann, der mit der Aufgabe betraut wird, ein Verfahren zur Optimierung
des Verdrahtungs-Designs eines Kabelbaums zu verbessern, ist ein Ingenieur der
Fachrichtung Maschinenbau mit mehrjähriger Berufserfahrung in der strukturierten
Verkabelung im Anlagen- und Maschinenbau anzusehen, der darüber hinaus über
fundierte Kenntnisse im Computer Aided Engineering (CAE) mechanischer Bau-
teile und in der Anwendung der Finite-Elemente-Analyse (FEA) verfügt.

2. Die jeweiligen Gegenstände des Patentanspruchs 1 gemäß Haupt- und
Hilfsantrag beruhen nicht auf erfinderischer Tätigkeit.

2.1 Der Patentanspruch 1 bedarf der Auslegung.

Zur Lösung der oben genannten Aufgabe schlägt der Patentanspruch 1 gemäß
Hauptantrag ein Optimierungsverfahren vor, welches der Ermittlung eines opti-
mierten Verdrahtungs-Designs eines Kabelbaums dient. Das Optimierungsverfah-
ren wird auf einem Computer ausgeführt und ist demnach als Computerprogramm
implementiert (Merkmal M0).

Im beanspruchten Verfahren wird zunächst ein Finite-Elemente-Modell bereitge-
stellt, das den Kabelbaum beschreibt. Für das Modell wird angenommen, dass der
Kabelbaum aus einem elastischen Körper besteht, dass der Kabelbaum eine
Kombination von Balkenelementen darstellt und dass jedes dieser Balkenele-
mente seine Geradlinigkeit bzw. Linearität beibehält (Merkmal M1).
- 10 -
Weiterhin werden am Finite-Elemente-Modell sowohl ein Steuer- als auch ein Be-
wertungspunkt vorgegeben (Merkmal M2). Während der Steuerpunkt den Ort
angibt, an dem im Modell des Kabelbaums eine Kraft ansetzt, gibt der Bewer-
tungspunkt den Ort im Modell an, an dem die (physikalische) Reaktion auf die
Krafteinwirkung ermittelt wird (Offenlegungsschrift, Absatz [0019] u. a.).

Die physikalischen Eigenschaften des Kabelbaums werden in der Optimierung
durch die Parameter Schnittfläche und Länge des Kabelbaums sowie durch die
Elastizität und Dichte des verwendeten Materials berücksichtigt. Außerdem wer-
den im Finite-Elemente-Modell die durch die spezielle Form eines an den Kabel-
baum angesetzten Halterungsteils verursachten Einschränkungen in den jeweili-
gen Freiheitsgraden für die Bewegung des Kabelbaums in axialen Richtungen und
in Richtungen um die Achsen festgelegt (Merkmal M3), d. h. für Translationen ent-
lang der Achsen eines definierten Koordinatensystems sowie für Drehungen um
diese Achsen (Fig. 2). Bei dem Halterungsteil kann es sich um einen Kabelverbin-
der oder einen ortsfesten Clip handeln (Offenlegungsschrift, Absatz [0108] u. a.).

Für die Optimierung werden weiterhin Größe und Richtung der Kraft eingestellt,
die am vorgegebenen Steuerpunkt ansetzen soll (Merkmal M4). So wird der Kraft,
die z. B. an einer Verbindungsstelle des Kabelbaums angreifen soll, ein Anfangs-
wert zugewiesen (Offenlegungsschrift, Absatz [0112]).

Laut Merkmal M5 soll auf Grundlage der vorgegebenen physikalischen Eigen-
schaften, der festgelegten Kraft und der (eingeschränkten) Freiheitsgrade eine
prädiktive Form des Finite-Elemente-Modells berechnet werden, die sich in einem
physikalisch ausgeglichenen Zustand befindet. Die ermittelte Form soll eine Aus-
gangsform des Finite-Elemente-Modells bilden. Der Fachmann wird die prädiktive
Form als prognostiziertes Strukturmodell des Kabelbaums auslegen, das sich aus
dem numerischen Ansatz der finiten Elemente ergibt. Das Strukturmodell beruht
auf der Annahme, dass sich innere und äußere Kräfte des Kabelbaums im Gleich-
gewicht befinden.
- 11 -
Merkmal M6 sieht vor, dass die am Steuerpunkt angesetzte Kraft allmählich geän-
dert wird. Dabei wird die Größe der Kraft um einen vorbestimmten Wert (Δf) inkre-
mentell verändert, wobei die Richtung der Kraft beibehalten wird.

Unter Berücksichtigung der neu eingestellten Größe der Kraft wird eine veränder-
te, prädiktive Form des Finite-Elemente-Modells bestimmt. Ein physikalisch ausge-
glichener Zustand wird angenommen, d. h. der Kabelbaum befindet sich im stati-
schen Gleichgewicht (Merkmal M7).

Gemäß Merkmal M8 wird am Bewertungspunkt der prädiktiven Form eine Reak-
tion auf die Krafteinwirkung berechnet, wobei die Beziehung zwischen der Reak-
tion und der am Steuerpunkt angesetzten Kraft abgeleitet werden kann. Bei der
Reaktion kann es sich insbesondere um eine Spannung, eine Reaktionskraft oder
ein Moment handeln (Offenlegungsschrift, Absatz [0070]).

Merkmal M9 sieht vor, dass die ermittelte Reaktion mit einem vorbestimmten
Schwellenwert verglichen wird. Als Schwellenwert wird z. B. die Obergrenze für
die Haltbarkeit des Verbinders eingestellt, der am Bewertungspunkt angebracht ist
(Offenlegungsschrift, Absatz [0119]).

Die Verfahrensschritte M6 bis M9, d. i. Einstellung der Kraft, Berechnung der prä-
diktiven Form, Berechnung einer Reaktion und Vergleich werden durchgeführt, so
lange die berechnete Reaktion kleiner als der Schwellenwert ist (z. B. Figur 10
– Merkmal M10).

Falls festgestellt wird, dass der Schwellenwert erreicht oder überschritten ist, wird
das Ergebnis eines Vergleichs zwischen Reaktion und Schwellenwert ausgegeben
(Merkmal M11). Anhand des Vergleichsresultats ist es möglich, den Bewegungs-
bereich des Steuerpunkts zu erkennen, eine Entscheidung bezüglich der Montier-
barkeit des Halterungsteils am Bewertungspunkt zu treffen oder die Haltbarkeit
des Halterungsteils zu bewerten (Offenlegungsschrift, [0124] – Merkmal M11.1).
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Im Ergebnis wird die prädiktive Form in einem Zustand ausgegeben, in welchem
die Reaktion mit dem Schwellenwert übereinstimmt (Merkmal M11.2) bzw. der
Schwellenwert für die Belastung maximal gerade erreicht wird und ein Bruch wäh-
rend der Montage vermieden werden kann, sowie eine ausreichende Dauerfestig-
keit gewährleistet werden kann (Seite 4, zweiter Absatz der Beschwerdebegrün-
dung). Merkmal M11.3 sieht vor, dass jedes Mal, wenn die Verfahrensschritte M6,
M7 und M8 wiederholt werden, das Verformungsverhalten der prädiktiven Form
nach und nach im Rahmen eines Ausgabevorgangs ausgegeben wird.

Merkmal M11.3´ des Patentanspruchs 1 nach Hilfsantrag unterscheidet sich von
Merkmal M11.3 nach Hauptantrag inhaltlich lediglich durch das Teilmerkmal,
wonach die jeweiligen Verformungen der prädiktiven Form aufeinanderfolgend in
einer Anzeigeeinheit angezeigt werden (Offenlegungsschrift; Figur 11B).

2.2 Zur Beurteilung der beanspruchten Lehre sind die Druckschriften D5 und
D4 von besonderer Bedeutung.

Bei der Druckschrift D5, die als nächstliegender Stand der Technik anzusehen ist,
handelt es sich um einen Fachartikel über die Anwendung der CAE (Computer
Aided Engineering) Analyse zur Vorhersage der Haltbarkeit von Kabelbäumen
gegenüber Verbiegungen. Der Artikel befasst sich insbesondere mit Krümmungen
an Batteriekabeln, die durch vom Motor verursachte Auslenkungen bzw. Verschie-
bungen wiederholt hervorgerufen werden und die bis zum Kabelbruch führen kön-
nen. Die Resultate aus der Finite-Elemente-Methode belegen einen Zusammen-
hang zwischen den am Batteriekabel erzeugten Spannungsänderungen und dem
Auftreten eines Kabelbruchs (Abstract).

Damit führt die Druckschrift D5 den Fachmann zu einem computerimplementierten
Verfahren, mit dem das Verdrahtungs-Design eines Kabelbaums bereits in einem
frühen Entwurfsstadium optimal eingestellt werden kann. Im bekannten Verfahren
wird eine CAE-Analyse angewandt, um die Anordnung eines Batteriekabelbaums
- 13 -
zu simulieren und dessen Betriebssicherheit zu untersuchen (Abstract; Seite 137,
linke Spalte, erster Absatz; Figur 7; Seite 140, rechte Spalte, sechstes Aufzäh-
lungszeichen). Das offenbarte Verfahren dient somit der Optimierung eines Kabel-
baumdesigns (Merkmal M0).

Im Verfahren der Druckschrift D5 wird die Finite-Elemente-Methode angewandt,
um Biegeprofile des Batteriekabelbaums zu erzeugen (Seite 137, linke Spalte, ers-
ter Absatz), was zwangsläufig die Vorgabe eines geeigneten Berechnungsmo-
dells, also eines Finite-Elemente-Modells voraussetzt (teilweise Merkmal M1).

Für das zugrundeliegende Berechnungsmodell wird sowohl ein Bewertungs- als
auch Steuerpunkt i. S. d. Anmeldung festgelegt. In der linken Darstellung der
Figur 7 ist der Bewertungspunkt durch den Punkt einer maximalen Krümmung des
simulierten Batteriekabelbaums gegeben (eingekreist); im simulierten Kabelbaum
der Figur 10 befindet sich der Bewertungspunkt am unteren Kabelende (einge-
kreist), wo die maximale Spannungsänderung infolge der Vibration der Anordnung
auftritt. Bei dem Punkt handelt es sich offensichtlich um den Übergang zum Motor
(möglicherweise zum Anlasser). Der Steuerpunkt, d. h. der Ort, an dem eine Kraft
angreift, findet sich in der Figur 7 am rechten Ende des simulierten Kabels, wäh-
rend er sich in der Figur 10 am Kabelende auf Seiten des Motors befindet (Merk-
mal M2). Die Kraft geht auf Motorvibrationen zurück und zeigt sich in Form der
auftretenden Krümmungen und Spannungsänderungen (Abstract; „The relative
displacement of the engine causes the battery cable to bend repeatedly.“).

Die in der CAE Analyse berücksichtigte Kraft wirkt im Wesentlichen in Richtung
des Batteriekabels, ihre Größe wird entsprechend einer Auslenkung des Batterie-
kabels bis zu einer Amplitude variiert (Seite 137, Figuren 7 und 10; Seite 139,
Figur 18). Merkmal M4 geht damit aus der Druckschrift D5 hervor.

Prognostizierte Strukturmodelle werden für verschiedene Auslenkungen des Bat-
teriekabelbaums (innerhalb einer Amplitude), d. h. für verschiedene am Steuer-
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punkt des Kabels angreifende Kräfte berechnet, welche unterschiedliche Krüm-
mungen hervorrufen (Figuren 7, 10, 18 und 21). Der Fachmann wird erkennen,
dass die jeweils ermittelten Formen auf der Annahme eines statischen Gleichge-
wichts am Batteriekabelbaum beruhen, wobei die physikalischen Eigenschaften
des Kabelbaums naturgemäß eine wichtige Rolle spielen (Seite 135, rechte
Spalte, erster Absatz, siehe PVC-Isolierung mit verdrillten Kupferleitungen). Die
auf der bekannten CAE-Analyse beruhende Profilsimulation startet bei einer Aus-
gangsform des Kabelbaums (z. B. Figuren 7, 18 unterster Verlauf) und wird bis zu
einem Zustand maximaler Krümmung fortgesetzt (z. B. Figuren 7, 18 oberster Ver-
lauf – teilweise Merkmal M5, Merkmal M7). Dabei liest der Fachmann in der
Druckschrift D5 mit, dass die in der CAE-Analyse angenommenen Werte der Aus-
lenkung in diskreten Schritten vorgegeben werden und somit auch die für die
jeweilige Auslenkung ursächliche Kraft in Inkrementen eingestellt wird, wobei ihre
Richtung beibehalten wird (Merkmal M6).

Am Bewertungspunkt eines prognostizierten Strukturmodells (z. B. Kreise in Fi-
gur 10) wird eine (physikalische) Reaktion berechnet. In der Druckschrift D5 han-
delt es sich hierbei um die in den simulierten Batteriekabelbäumen infolge einer
Krafteinwirkung hervorgerufenen Krümmungen bzw. Spannungsänderungen
(„Strain change“ – z. B. Figuren 10, 11). Dass sich in den Resultaten nicht nur die
Abhängigkeit der Spannungsänderung von der Krümmung des Batteriekabels wie-
derspiegelt, sondern ebenso die Abhängigkeit der Spannungsänderung von der
jeweils gewählten Auslenkung bzw. einwirkenden Kraft, ist selbstverständlich
(Merkmal M8).

Ein Vergleich der im Bewertungspunkt auftretenden Reaktion bzw. Spannungsän-
derung mit einem zuvor gesetzten Schwellenwert i. S. d. Merkmals M9 geht aus
Druckschrift D5 nicht unmittelbar und eindeutig hervor.

Die Druckschrift D5 lehrt, die Profilsimulation bzw. die Ermittlung der Strukturmo-
delle nacheinander für solche Auslenkungen fortzusetzen (vgl. Fig. 7), die sich
- 15 -
innerhalb einer Amplitude bewegen, was letztendlich in einer Limitierung der
berechneten Spannungsänderungen resultiert. Wiederholt werden somit die am
Steuerpunkt angreifenden Kräfte festgelegt und die prädiktive Form inklusive auf-
tretender Reaktion berechnet (teilweise Merkmal M10). Dass die genannten
Schritte nur dann wiederholt werden, wenn ein Vergleich i. S. d. Merkmals M9
ergibt, dass die im Bewertungspunkt auftretende Reaktion bzw. Spannungsände-
rung kleiner als der zuvor gesetzte Schwellenwert ist, ist der Druckschrift D5 aller-
dings nicht direkt zu entnehmen (restlicher Teil von Merkmal M10).

Das Ergebnis der Profilsimulation des Batteriekabelbaums (d. h. die Werte für
Auslenkung, Krümmung, Spannungsänderung und Haltbarkeit) wird ausgegeben
und graphisch dargestellt (Figuren 7–11; Figuren 18–22 – teilweise Merkmal M11).
Hierbei wird u. a. ein räumlicher Bereich ermittelt und angezeigt, in dem sich der
Steuerpunkt hin und her bewegt (z. B. Figuren 7 und 10, siehe „Amplitude“) sowie
die Haltbarkeit des Kabels am Bewertungspunkt beurteilt (vgl. Fig. 9, 11, 20 – teil-
weise Merkmal M11.1).

Außerdem wird das Verformungsverhalten der jeweiligen prognostizierten Struk-
turmodelle für die eingestellten Auslenkungen bzw. angreifenden Kräfte wiederge-
geben (Figuren 7, 10, 18 und 21 – Merkmal M11.3). Insbesondere werden diejeni-
gen Strukturmodelle dargestellt, die mit einem Grenzwert korrespondieren (der
allerdings durch die Amplitude der Auslenkung gegeben ist – teilweise Merk-
mal M11.2), die die größten Spannungsänderungen aufweisen und daher der
experimentell ermittelten Bruchspannung des Kabelbaums am nächsten kommen
(z. B. Figur 7, linke Darstellung; siehe oberste Form). Dass das Verformungsver-
halten des Batteriekabelbaums auf einer Anzeigeeinheit, z. B. einem Computer-
bildschirm dargestellt werden kann, liest der Fachmann in der Druckschrift D5 mit
(Merkmal M11.3´).

Die Ausgabe eines Resultats des anspruchsgemäßen Vergleichs zwischen Reak-
tion und Schwellenwert (restlicher Teil von Merkmal M11), die Bewertung der Halt-
- 16 -
barkeit eines Halterungsteils auf Basis des Vergleichsresultats (restlicher Teil von
Merkmal M11.1) und die Ausgabe der prädiktiven Form für einen Zustand, in dem
Reaktion und Schwellenwert übereinstimmen (restlicher Teil von Merkmal M11.2)
gehen aus Druckschrift D5 nicht hervor.

Die Druckschrift D4 offenbart ein Verfahren zur Optimierung des Designs einer
Verkabelung in einem Fahrzeug (Spalte 26, Zeilen 6–16; Absatz [0101]). Insbe-
sondere werden die Lage von Halteklemmen zur Führung eines zusammenge-
setzten Steuerkabels und dessen Haltbarkeit optimiert (Absätze [0116]; [0120]
– teilweise Merkmal M0).

Auch das Verfahren der Druckschrift D4 beinhaltet eine Anwendung der Finite-Ele-
mente-Methode (Absatz [0031]). Das zugrundeliegende Modell zur Beschreibung
der Verkabelung beruht auf der Annahme eines elastischen Körpers, der sich aus
einer Mehrzahl von geradlinigen Balkenelementen zusammensetzt (Absatz
[0009]). Dem Fachmann ist hierbei geläufig, dass die in der Berechnung verwen-
deten Biege- und Drehsteifigkeiten der Balkenelemente (Absatz [0008]) von der
Elastizität des zu modellierenden Körpers bzw. Steuerkabels abhängig sind (rest-
licher Teil von Merkmal M1).

Die bekannte numerische Analyse benötigt eine Mehrzahl von physikalischen Ein-
gabeparametern, z. B. die Länge der Verkabelung (Absatz [0078]) oder Biege-
und Drehsteifigkeiten (die bekanntlich von der Elastizität abhängen – Absatz
[0071]). Außerdem werden die Form von Halteklemmen bzw. Halterungsteilen zur
Befestigung der Verkabelung und die dadurch verbliebenen Freiheitsgrade in der
Bewegung des Kabels festgelegt (Absätze [0107] bis [0109]; Fig. 18–20 – Merk-
mal M3).

Die Berechnung der prognostizierten Strukturmodelle, d. h. der prädiktiven For-
men beruht nicht nur auf den genannten physikalischen Parametern, sondern
ebenso auf den durch Halteklemmen vorgegebenen Freiheitsgraden. Für eine
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vibrierende Anordnung einer Verkabelung sind die Resultate aus Finite-Elemente-
Analysen in den Figuren 21 bis 26 dargestellt (vgl. Absätze [0110], [0111] – restli-
cher Teil von Merkmal M5).

Dabei werden die optimalen Bedingungen zur Anbringung von Halteklemmen
angenähert. Hierzu zählt z. B. die Festlegung optimaler Positionen der Halteklem-
men (Absätze [0113] bis [0116]), die an Bewertungspunkten des Kabels montiert
werden sollen.

Das Verformungsverhalten der Verkabelung wird auf der Anzeigeeinheit eines
CAD-Systems dargestellt ([0130] – Merkmal M11.3´).

2.3 Die Würdigung dieses Materials aus dem Stand der Technik ergibt, dass
ausgehend vom aus der Druckschrift D5 Bekannten die mit dem jeweiligen Pa-
tentanspruch 1 gemäß Haupt- und Hilfsantrag beanspruchten Gegenstände mit all
ihren Merkmalen für den Fachmann nahegelegen haben. Damit kann dahingestellt
bleiben, ob der jeweilige Patentanspruch 1 Merkmale enthält, die nicht die Lösung
eines technischen Problems mit technischen Mitteln bestimmen oder beeinflussen
und somit bei der Prüfung der erfinderischen Tätigkeit nicht zu berücksichtigen
sind (BGH GRUR 2011, 125 – Wiedergabe topografischer Informationen).

Aufgrund des in der Druckschrift D5 gegebenen Hinweises, die dort offenbarte
Technik zur Vorhersage der Haltbarkeit von Kabelbäumen auf kompliziertere Ka-
belbäume mit mehr Befestigungen übertragen zu wollen (Seite 140, Abschnitt 4
– „Conclusion“, siebtes Aufzählungszeichen), hatte der Fachmann Veranlassung,
sich überall dort nach Lösungen umzuschauen, wo effektive numerische Analy-
semethoden für Verkabelungen in Fahrzeugen zum Einsatz kommen.

Hierbei konnte er auf die Druckschrift D4 stoßen, die die Simulation eines aus
zwei Kabeln zusammengesetzten Getriebesteuerkabels in einem Fahrzeug lehrt
(Absatz [0101]), bei dem eines der Kabel aus einer Mehrzahl verdrillter Litzen
- 18 -
besteht (Absatz [0047]), so dass das hier betrachtete Steuerkabel zumindest über
einen kabelbaumähnlichen Aufbau verfügt.

Für den Fachmann lag es auf der Hand, das aus der Druckschrift D5 bekannte
Analyseverfahren für Kabelbäume um eine Simulation von Verkabelungen mit
Befestigungselementen nach dem Vorbild der Druckschrift D4 zu erweitern, da
gerade letztere nicht bloß auf einer Anwendung der Finite-Elemente-Methode
beruht, sondern darüber hinaus die Analyse vibrierender Kabelanordnungen (Ab-
sätze [0111] ff.) mit Halteklemmen bzw. Halterungsteilen ermöglicht.

Von einer solchen kombinierten Lehre unterscheiden sich die jeweiligen Lehren
nach dem Patentanspruch 1 gemäß Haupt- und Hilfsantrag im Wesentlichen nur
noch dadurch, dass ein Vergleich zwischen einer Reaktion und einem vorbe-
stimmten Schwellenwert stattfinden soll (Merkmal M9), dass die anspruchsge-
mäße Iteration so lange durchgeführt werden soll, so lange diese Reaktion kleiner
als der Schwellenwert ist (restlicher Teil von Merkmal M10) und dass Ausgabe
und Bewertung der Ergebnisse auf dem Resultat des in Merkmal M9 angeführten
Vergleichs beruhen bzw. diesen betreffen sollen (restlicher Teil der Merkmale M11
bis M11.2).

Da der Fachmann stets bestrebt ist, die Haltbarkeit von Verkabelungen in Fahr-
zeugen gegenüber Vibrationen quantitativ zu erfassen und zu bewerten, bot es
sich für ihn an, insbesondere die an den „kritischen“ Befestigungsstellen, wie den
in der Druckschrift D4 beschriebenen Halterungsteilen (Absätze [0024], [0110] ff.,
Fig. 21, siehe „Clamp 1“, „Clamp 2“) auftretenden Spannungsänderungen bzw.
Reaktionskräfte zu analysieren. Dem Fachmann ist geläufig, dass eine solche
Analyse die Vorgabe einer tolerierbaren Haltbarkeitsgrenze am jeweils betrachte-
ten Halterungsteil erfordert, mit der die dort berechneten Spannungen bzw. Reak-
tionskräfte in Beziehung gesetzt bzw. verglichen werden (Merkmal M9). Dass die
Einführung und Anwendung solcher Schwellenwerte in Finite-Elemente-Methoden
bereits vor dem Prioritätszeitpunkt der Patentanmeldung bekannt war, wird u. a. in
- 19 -
der Druckschrift D4 gezeigt (Absatz [0120]; Fig. 30, siehe „Fatigue Limit of One
Million Cycles for Durability“). Hierbei stellt es aus Sicht des Fachmannes eine
Selbstverständlichkeit dar, den Vergleich zwischen berechneten Spannungsände-
rungen bzw. Reaktionskräften und Schwellenwert nicht nur für eine einzige Aus-
lenkung, sondern für eine Mehrzahl aufeinander folgender Auslenkungen sukzes-
sive vorzunehmen und dies sinnvollerweise so lange, bis die simulierten Span-
nungsänderungen bzw. Reaktionskräfte den vorgegebenen Schwellenwert erreicht
haben, wodurch eine maximal zulässige Belastung des Kabelbaums bzw. des Hal-
terungsteils angezeigt wird (restlicher Teil von Merkmal M10). Es lag im Griffbe-
reich des Fachmannes, sich die Vergleichsergebnisse in Form der errechneten
Strukturmodelle sukzessive ausgeben zu lassen und hier insbesondere demjeni-
gen Zustand besondere Beachtung zu schenken, in dem Spannungsänderungen
bzw. Reaktionskräfte in der Nähe des Schwellenwerts liegen (restlicher Teil der
Merkmale M11, M11.2), um dann auf Grundlage der Vergleichsergebnisse die bei
den auftretenden Motorvibrationen noch zulässigen Kabelanordnungen zu finden
und zu bewerten, wobei die jeweils anzubringenden Halterungsteile in besonderer
Weise berücksichtigt werden (restlicher Teil von Merkmal M11.1).

Demnach können auch die Merkmale M9 bis M11.3 bzw. M11.3´ das Vorliegen
einer erfinderischen Tätigkeit nicht begründen.

Der Einwand der Anmelderin, das in Merkmal M6 angesprochene Inkrementieren
einer an den Steuerpunkt angelegten Kraft sei in der Druckschrift D5 nicht offen-
bart, vermochte nicht zu überzeugen. So sind die jeweiligen Änderungen der Aus-
lenkung des Batteriekabels gleichbedeutend mit einer sich schrittweise ändernden
Kraft, die z. B. in Figur 7 der Druckschrift D5 am rechten Ende des simulierten Bat-
teriekabels angreift, in dessen Richtung wirkt und am Kabel Verkrümmungen her-
vorruft. Dem Fachmann ist in diesem Zusammenhang geläufig, dass unter der
Annahme eines linear-elastischen Verhaltens des Batteriekabels die einwirkende
Kraft nahezu linear von der Auslenkung abhängt.
- 20 -
Die Anmelderin argumentiert in Hinblick auf Merkmal M8, dass in der Lehre der
Druckschrift D5 eine Abhängigkeit der Spannungsänderung von der einwirkenden
Kraft nicht aktiv erfasst werde. Der Einwand der Anmelderin geht bereits deshalb
fehl, weil schon aus den berechneten Strukturmodellen der Druckschrift D5 (vgl.
Fig. 7) eine Relation zwischen Krümmung des Batteriekabelbaums am Bewer-
tungspunkt und der zugehörigen Auslenkung hervorgeht, in der sich gleicherma-
ßen die Beziehung zwischen Spannungsänderung und eingestellter Kraft wieder-
spiegelt. Die Spannungsänderung im Bewertungspunkt stellt hierbei die Reaktion
des Kabelbaums auf die einwirkende Kraft dar.

Zwar ist der Auffassung der Anmelderin zuzustimmen, dass die Druckschrift D5
keinerlei Vergleich zwischen einer Reaktion und einem vorbestimmten Schwellen-
wert offenbart (Merkmal M9). Jedoch gehört die Festlegung eines solchen Schwel-
lenwerts, der mit den relevanten mechanischen Größen in Beziehung gesetzt wird,
um die Haltbarkeit eines elastischen Körpers, z. B. eines Kabelbaums gegenüber
Verformungen zu untersuchen, zum fachmännischen Wissen und Können.

Außerdem macht die Anmelderin geltend, dass die Druckschrift D5 kein iteratives
Verfahren i. S. d. Merkmals M10 lehre. Die Frage, ob das betreffende Merkmal
aus der Druckschrift D5 hervorgeht, kann aber dahingestellt bleiben, da das wie-
derholte Berechnen prädiktiver Formen bis zu einem Schwellenwert ausgehend
von der Druckschrift D5 zumindest nahegelegt ist.

Nach allem waren für den Fachmann lediglich fachgemäße Überlegungen erfor-
derlich, um in Kenntnis der Druckschriften D5 und D4 zu einem Verfahren mit
sämtlichen Merkmalen des Patentanspruchs 1 in der Fassung von Haupt- und
Hilfsantrag zu gelangen. Die jeweils beanspruchten Gegenstände beruhen damit
nicht auf erfinderischer Tätigkeit.
- 21 -
3. Mit den jeweiligen Patentansprüchen 1 gemäß Haupt- und Hilfsantrag fallen
auch die jeweiligen übrigen Patentansprüche, da über einen Antrag nur einheitlich
entschieden werden kann (BGH GRUR 1997, 120 – Elektrisches Speicherheizge-
rät).


III.

Nachdem keiner der gestellten Anträge Erfolg hatte, war die Beschwerde der An-
melderin gegen den Zurückweisungsbeschluss der Prüfungsstelle für Klas-
se G06F des Deutschen Patent- und Markenamtes zurückzuweisen.


Rechtsmittelbelehrung

Gegen diesen Beschluss steht den am Beschwerdeverfahren Beteiligten das
Rechtsmittel der Rechtsbeschwerde zu. Da der Senat die Rechtsbeschwerde nicht
zugelassen hat, ist sie nur statthaft, wenn gerügt wird, dass

1. das beschließende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war,
2. bei dem Beschluss ein Richter mitgewirkt hat, der von der Ausübung des Richteramtes
kraft Gesetzes ausgeschlossen oder wegen Besorgnis der Befangenheit mit Erfolg abge-
lehnt war,
3. einem Beteiligten das rechtliche Gehör versagt war,
4. ein Beteiligter im Verfahren nicht nach Vorschrift des Gesetzes vertreten war, sofern er
nicht der Führung des Verfahrens ausdrücklich oder stillschweigend zugestimmt hat,
5. der Beschluss aufgrund einer mündlichen Verhandlung ergangen ist, bei der die Vorschrif-
ten über die Öffentlichkeit des Verfahrens verletzt worden sind, oder
6. der Beschluss nicht mit Gründen versehen ist.
- 22 -
Die Rechtsbeschwerde ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlus-
ses beim Bundesgerichtshof, Herrenstr. 45 a, 76133 Karlsruhe, durch einen beim
Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt als Bevollmächtigten schriftlich
einzulegen.


Dr. Morawek Eder Dr. Thum-Rung Dr. Forkel


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