15 W (pat) 39/17  - 15. Senat (Techn.Beschw.)
Karar Dilini Çevir:

ECLI:DE:BPatG:2017:121017B15Wpat39.17.0


BUNDESPATENTGERICHT



15 W (pat) 39/17
_______________
(Aktenzeichen)



Verkündet am
12. Oktober 2017





B E S C H L U S S

In der Beschwerdesache








betreffend die Patentanmeldung 10 2008 038 267.1

hat der 15. Senat (Technischer Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf
die mündliche Verhandlung vom 12. Oktober 2017 unter Mitwirkung des
Vorsitzenden Richters Dr. Feuerlein, der Richterin Zimmerer und der Richter
Hermann und Dr. Freudenreich

- 2 -
beschlossen:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.


G r ü n d e

I.

Mit Beschluss vom 18. März 2015 hat die Prüfungsstelle für Klasse A 61 M des
Deutschen Patent- und Markenamtes die am 11. August 2008 angemeldete, keine
Priorität in Anspruch nehmende und am 18. März 2015 offengelegte
Patentanmeldung 10 2008 038 267.1 mit der Bezeichnung

„Verfahren und Vorrichtung zur Beatmung“

zurückgewiesen.

Der Zurückweisung zugrunde liegt die mit Schriftsatz vom 26. Februar 2015
eingereichte und beim Deutschen Patent- und Markenamt am 28. Februar 2015
eingegangene, 16 Patentansprüche umfassende Anspruchsfassung der
Anmelderin mit sieben zueinander in Nebenordnung stehenden Patentansprüchen
(sechs Verfahrensansprüche und ein Vorrichtungsanspruch).

Die Zurückweisung der Patentanmeldung nach § 48 PatG ist damit begründet
worden, dass es sich bei dem mit Patentanspruch 1 beanspruchten Verfahren um
ein nicht patentierbares therapeutisches Verfahren im Sinne des § 2a Abs. 1 Nr. 2
PatG handele.

Als Stand der Technik wurde im Prüfungsverfahren die Druckschrift

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D1 EP 1 586 343 A1

ermittelt.

Gegen den der Anmelderin am 9. April 2015 zugestellten Beschluss der
Prüfungsstelle richtet sich ihre Beschwerde mit Schriftsatz vom 30. April 2015,
eingegangen beim Deutschen Patent- und Markenamt am selben Tag.

Als weiterer Stand der Technik wurde von Seiten des Senats die Druckschrift

D2 DE 10 2005 031 808 A1

in das Verfahren eingeführt, was der Anmelderin mit Schriftsatz vom
3. August 2017 mitgeteilt wurde.

Mit Schriftsatz vom 6. Oktober 2017 hat die Anmelderin erklärt, die
Patentanmeldung im Rahmen des Vorrichtungsanspruchs nach Hauptantrag
weiterzuverfolgen und einen Hilfsantrag vorgelegt. Im Hinblick auf den neu
formulierten und im kennzeichnenden Teil durchweg mit Merkmalen aus der
Beschreibung ausgestalteten Hilfsantrag wurden vom Senat die der Anmelderin
bereits bekannten und bereits im parallelen und anhängigen Verfahren vor dem
Europäischen Patentamt diskutierten Druckschriften EP2-EP4 sowie die vier
Seiten und zwei Zeichnungen umfassende Druckschrift D3 in das Verfahren
eingeführt.

EP2 WO 02/28460 A1,
EP3 EP 0 521 314 A1,
EP4 EP 1 346 743 A1 und
D3 US 5 931 162.

- 4 -
Dies wurde der Anmelderin mit Fax und E-Mail vom 11. Oktober 2017 zur
Kenntnis gebracht.

In der Verhandlung hat die Anmelderin zwei weitere als Hilfsantrag 2 und
Hilfsantrag 3 bezeichnete Hilfsanträge gestellt.

Die ein Verfahren und eine Vorrichtung betreffenden Patentansprüche 1 und 8
nach Hauptantrag lauten:

1. Verfahren zur Steuerung eines Beatmungsgerätes, bei dem
von einer Atemgaspumpe ein Atemgas mit vorgebbarem Druck zu
einem Patienteninterface (10) geleitet wird, sowie bei dem
während einer Inspirationsphase (14) vom Beatmungsgerät ein
höherer Druck als während einer Exspirationsphase (15)
bereitgestellt wird sowie bei dem die Exspirationsphase (15)
mindestens für eine Mindestexpirationszeit durchgeführt wird,
dadurch gekennzeichnet, dass die Mindestexpirationszeit eine
Triggerblockadezeit (16) ist.

8. Vorrichtung zur Beatmung, die eine mit einer Steuerung
verbundene Atemgaspumpe aufweist und bei der die
Atemgaspumpe mit einem Patienteninterface (10) verbindbar ist,
sowie bei der von der Steuerung während einer Exspirationsphase
(15) ein niedrigerer Atemgasdruck als während einer
lnspirationsphase (14) vorgegeben ist und bei der zur
messtechnischen Erfassung mindestens eines Parameters des
Atemgases mindestens ein Sensor an die Steuerung
angeschlossen ist sowie bei der die Steuerung eine
Steuercharakteristik mit einer Mindestexpirationszeit aufweist,
dadurch gekennzeichnet, dass die Mindestexpirationszeit als
Triggerblockadezeit (16) gewählt ist.
- 5 -
Die Patentansprüche 1 nach den Hilfsanträgen haben den folgenden Wortlaut:

Hilfsantrag

1. Vorrichtung zur Beatmung, die eine mit einer Steuerung
verbundene Atemgaspumpe aufweist und bei der die
Atemgaspumpe mit einem Patienteninterface verbindbar ist, sowie
bei der von der Steuerung während einer Exspirationsphase (15)
ein niedrigerer Atemgasdruck als während einer lnspirationsphase
(14) vorgegeben ist und bei der zur messtechnischen Erfassung
mindestens eines Parameters des Atemgases mindestens ein
Sensor an die Steuerung angeschlossen ist, dadurch
gekennzeichnet, dass die Steuerung eine Steuercharakteristik mit
einer Mindestexpirationszeit aufweist, wobei die Exspirationszeit in
Abhängigkeit vom inspirierten Volumen an Atemgas verlängert
wird und wobei ein größeres Volumen an Atemgas während der
Inspirationszeit somit zu einer entsprechenden Verlängerung der
Exspirationszeit führt.

Hilfsantrag 2

1. Vorrichtung zur Beatmung, die eine mit einer Steuerung
verbundene Atemgaspumpe aufweist und bei der die
Atemgaspumpe mit einem Patienteninterface verbindbar ist, sowie
bei der von der Steuerung während einer Exspirationsphase (15)
ein niedrigerer Atemgasdruck als während einer lnspirationsphase
(14) vorgegeben ist und bei der zur messtechnischen Erfassung
mindestens eines Parameters des Atemgases mindestens ein
Sensor an die Steuerung angeschlossen ist, dadurch
gekennzeichnet, dass die Steuerung eine Steuercharakteristik mit
einer Mindestexpirationszeit aufweist, wobei die Exspirationszeit in
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Abhängigkeit vom inspirierten Volumen an Atemgas verlängert
wird und wobei ein größeres Volumen an Atemgas während der
Inspirationszeit somit zu einer entsprechenden Verlängerung der
Exspirationszeit führt, dadurch gekennzeichnet, daß die
Mindestexpirationszeit als eine Zeitdauer gewählt ist, die bis zum
Auftreten eines den Atemfluß oder das Atemzugvolumen
repräsentierenden Signals, das anzeigt, daß der
Expirationsvorgang des Patienten abgeschlossen ist, entspricht.

Hilfsantrag 3

1. Vorrichtung zur Beatmung, die eine mit einer Steuerung
verbundene Atemgaspumpe aufweist und bei der die
Atemgaspumpe mit einem Patienteninterface verbindbar ist, sowie
bei der von der Steuerung während einer Exspirationsphase (15)
ein niedrigerer Atemgasdruck als während einer lnspirationsphase
(14) vorgegeben ist und bei der zur messtechnischen Erfassung
mindestens eines Parameters des Atemgases mindestens ein
Sensor an die Steuerung angeschlossen ist, dadurch
gekennzeichnet, dass die Steuerung eine Steuercharakteristik mit
einer Mindestexpirationszeit aufweist, wobei die Exspirationszeit in
Abhängigkeit vom inspirierten Volumen an Atemgas verlängert
wird und wobei ein größeres Volumen an Atemgas während der
Inspirationszeit somit zu einer entsprechenden Verlängerung der
Exspirationszeit führt, dadurch gekennzeichnet, daß
gekennzeichnet, dass die Mindestexpirationszeit als eine
Zeitdauer gewählt ist, die bis zum Auftreten eines den Atemfluss
oder das Atemzugvolumen repräsentierenden Signals, das
anzeigt, dass der Expirationsvorgang des Patienten
abgeschlossen ist, entspricht, wobei die Gerätesteuerung erst
dann ein Umschalten in die nachfolgende Inspiration erlaubt, wenn
- 7 -
keine Ausatemaktivität des Patienten mehr erkannt wird und der
Exspirationsfluss – nach Abzug eines gegebenenfalls
vorhandenen Leckageflusses – zu Null geworden ist.

Die Anmelderin hat in der Verhandlung beantragt,

den angefochtenen Beschluss der Prüfungsstelle für
Klasse A 61 M des Deutschen Patent- und Markenamtes vom
18. März 2015 aufzuheben und das Patent mit den folgenden
Unterlagen zu erteilen:

Patentansprüche 8 bis 11, eingereicht mit Schriftsatz vom
26. Februar 2015, im Übrigen wie ursprünglich eingereicht,

hilfsweise gemäß Hilfsantrag 1, Patentansprüche 1 bis 5,
eingereicht mit Schriftsatz vom 6. Oktober 2017, im Übrigen wie
ursprünglich eingereicht,

weiter hilfsweise gemäß Hilfsantrag 2, Patentanspruch 1,
eingereicht am 12. Oktober 2017, im Übrigen wie ursprünglich
eingereicht,

weiter hilfsweise gemäß Hilfsantrag 3, Patentanspruch 1,
eingereicht am 12. Oktober 2017, im Übrigen wie ursprünglich
eingereicht.

Die Anmelderin ist der Auffassung, dass zumindest der Gegenstand des
Hilfsantrags 1 durch keine der im Verfahren befindlichen Druckschriften
vorweggenommen oder angeregt sei. Denn eine aus zwei Komponenten gebildete
Exspirationszeit mit adaptiver Zeitvorgabe zum Abatmen und einer zusätzlichen
zeitlichen Verlängerung für das Abatmen eines Restvolumens, die insbesondere
- 8 -
bei Patienten mit COPD-Erkrankungen erforderlich sei, sei in den Druckschriften,
insbesondere in der Druckschrift D3, weder beschrieben noch angeregt. Dies gelte
umso mehr für die Formulierung der Patentansprüche 1 nach den Hilfsanträgen 2
bis 3, in denen die Mindestexspirationszeit noch enger definiert sei.

Wegen des weiteren Vorbringens wird auf den Akteninhalt verwiesen.


II.

Die Beschwerde ist frist- und formgerecht eingelegt worden und zulässig (§ 73
PatG).

1. Den Anmeldungsunterlagen zufolge (a. a. O: S. 1-2 und Patentansprüche)
betrifft die Erfindung Verfahren und eine Vorrichtung zur Steuerung eines
Beatmungsgerätes, bei dem von einer Atemgaspumpe ein Atemgas mit
vorgebbarem Druck zu einem Patienteninterface geleitet wird und während einer
Inspirationsphase vom Beatmungsgerät ein höherer Druck als während einer
Exspirationsphase bereitgestellt wird. Dabei kann der Wechsel von der
Exspirationsphase in die Inspirationsphase in Abhängigkeit von einem
Triggersignal durchgeführt werden. Die erfindungsgemäße Vorrichtung zur
Beatmung ist mit einer Atemgaspumpe ausgestattet, die mit einer Steuerung
verbunden sowie mit einem Patienteninterface verbindbar ist. Zur
messtechnischen Erfassung mindestens eines Parameters des Atemgases ist
mindestens ein Sensor an die Steuerung angeschlossen. Alternativ oder kumulativ
ist es bei den Verfahren oder der Vorrichtung möglich, eine Triggerung durch den
Patienten über Druck oder Fluss, aber auch eine kontrollierte Beatmung mit
Zeitvorgaben für Inspiration und Exspiration durchzuführen.

Im Zusammenhang mit Beatmungsgeräten, die bei Patienten mit chronisch
obstruktiver Lungenerkrankung („COPD“, „chronic obstructive pulmonary disease“)
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zum Einsatz kommen, wird in den Anmeldungsunterlagen bemängelt, dass diese
Erkrankungen zu Rückkopplungen auf messtechnisch erfassbare Signale führten
und insbesondere den Volumenfluss des Atemgases beeinflussten. Diese
Störungen machten sich in unregelmäßigen Signalverläufen bei einer
messtechnischen Erfassung von Atemgasparametern bemerkbar und führten bei
Beatmungsgeräten, die in Abhängigkeit von messtechnisch erfassten Signalen
gesteuert werden, zu Fehlfunktionen, die therapeutisch sinnvolle Inspirationszeiten
und Exspirationszeiten veränderten, insbesondere zu einer ungewollten
Verkürzung der Exspirationszeiten führten. Die Exspirationsphase werde
erfindungsgemäß für eine einstellbare Mindestexspirationszeit durchgeführt
(a. a. O: S. 3 Z. 7-9).

2. Als Lösung für die angesprochene Problematik gibt die Erfindung nunmehr
eine Vorrichtung an, bei der durch eine intelligente, störungs- und fehlertolerante
Gerätesteuerung eine ausreichende Exspiration unterstützt wird (a. a. O: S. 3
Z. 3-18) und die nachfolgend mit Merkmalen versehen ist.

Patentanspruch 8:

Vo8 Vorrichtung zur Beatmung, mit
Vo8.1 einer mit einer Steuerung verbundenen
Atemgaspumpe, die mit einem Patienteninterface
verbindbar ist,
Vo8.2 mit einer Steuerung, die während einer
Exspirationsphase einen niedrigeren Atemgasdruck
vorgibt als während der Inspirationsphase und mit
einem an die Steuerung angeschlossenen Sensor zur
messtechnischen Erfassung mindestens eines
Parameters des Atemgases,
Vo8.3 die Steuerung weist eine Steuercharakteristik mit einer
Mindestexspirationszeit auf,
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Vo8.4 die Mindestexspirationszeit ist als Triggerblockadezeit
gewählt.

3. Bei dem mit der Lösung der Aufgabe betrauten Fachmann handelt es sich
nach Auffassung des Senats um einen Diplom- oder Fachhochschul-Ingenieur der
Fachrichtung Medizintechnik mit mehrjähriger Berufserfahrung auf dem Gebiet der
Entwicklung von Beatmungsvorrichtungen.

4. Einige Merkmale der geltenden Patentansprüche 1 bedürfen der Erörterung
(im Folgenden angegebene Fundstellen beziehen sich auf die
Anmeldungsunterlagen).

4a. Patienteninterface (Vo8.1): Der in der Beschreibung nur zweimal (vgl. S. 1
Z. 3 unter Titel, S. 5 Z. 12 i. V. m. Fig. 1) gebrauchte und nicht näher definierte
Ausdruck „Patienteninterface“ bezeichnet nach der Fig. 1 den gesamten mit den
Bz 5-6 und 9-12 gekennzeichneten Vorrichtungsteil, der mit dem Beatmungsgerät,
das durch das Gerätegehäuse 1 begrenzt ist, verbunden ist. Dabei erfolgt die
Steuerung und Regelung im Wesentlichen über die Anschlüsse 4 und 7, und die
Daten werden mittels nicht eingezeichneter Sensoren (Vo8.2) gewonnen.

4b. Trigger und Triggerblockadezeit (Vo8.4): Der Wechsel von Exspirations- zu
Inspirationsphase kann in Abhängigkeit von einem Triggersignal (vgl. S. 1 Z. 7-10
unter Titel) erfolgen, das in Abhängigkeit von einem messtechnisch erfassten
Parameter generiert wird und den Beginn der Inspirationsphase steuert (vgl. S. 2
Z. 7-10). Dieses Triggersignal kann jedoch auch für eine vorgebbare Blockadezeit
gesperrt werden, die mit der exspiratorischen Druckabsenkung beginnt (vgl. S 3
Z. 10-14, Z. 22-28). Um starken Schwankungen des Signals zu Beginn der
Exspirationsphase zu begegnen, fällt die Triggerblockadezeit mit den beim
Umschalten auftretenden starken Schwankungen zusammen (vgl. S. 4 Z. 16-23,
S. 6 le Abs. und Fig. 3). Dabei zeigt Fig. 3 beispielhaft, dass die
Exspirationsphase 15 deutlich länger dauern kann als die Triggerblockadezeit 16.
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Soweit folglich nach Merkmal Vo8.4 die Mindestexspirationszeit als
Triggerblockadezeit gewählt ist, wird nicht verlangt, dass die Exspirationsphase
beendet ist. Auch wird wegen der fehlenden zeitlichen Abgrenzung bzw. zeitlichen
Fassung der Triggerblockadezeit eine Triggersignalunterdrückung (vgl. S. 3 Z. 26,
S. 4 Z. 16) funktional immer dann erfüllt, wenn die Steuerung imstande ist, ein
Triggersignal zu unterdrücken.

4c. Mindestexspirationszeit (Vo8.3, Vo8.4) und Exspirationszeit: Die
Mindestexspirationszeit ist nach obigen Ausführungen und in Übereinstimmung
mit den Erläuterungen der Anmelderin in der Verhandlung zeitlich nicht gefasst
und wird erst in bevorzugter Ausgestaltung nach ursprünglichem Unteranspruch 3
bzw. Unteranspruch 11 nach Hauptantrag bis zum Abschluss des
Exspirationsvorgangs verlängert. Sie erschließt sich dem Fachmann damit als
eine nicht näher gefasste und damit für den Fachmann beliebige Zeitdauer, die die
Steuerung hinsichtlich einer bloßen Zeitvorgabe für die Exspiration charakterisiert.
Im Vergleich zur Inspirationsphase ist die Exspirationszeit weiter mit der Vorgabe
eines niedrigeren Drucks aus der Atemgaspumpe verbunden. Die Exspirationszeit,
bei deren Ende ein vergleichsweise kleiner Volumenstrom vorliegt (vgl. S. 4
Z. 8-10), soll nicht ungewollt verkürzt werden (vgl. S. 3 Z. 1). Aus diesem Grund ist
es nach der Beschreibung möglich, die Exspirationsphase zeitlich gesteuert oder
in Abhängigkeit vom inspirierten Volumen an Atemgas zu verlängern (vgl. S. 7
Z. 20-27). In der Fig. 4 ist dazu beispielhaft gezeigt, dass die
Exspirationsphase 15 um den Wert Δ te verlängert wurde, um dem in der
Inspirationsphase 14 erhöhten Volumenstrom 13 Rechnung zu tragen.

Aus der Beschreibung ergibt sich damit ein Verständnis, dass die
Mindestexspirationszeit soweit zu verlängern ist, dass der Abschluss des
Exspirationsvorgangs ermöglicht wird. Sofern diese Verlängerung vollzogen ist,
sind die Zeiträume der „Mindestexspirationszeit“ und der „Exspirationszeit“ gleich.

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Daran vermag auch die Auffassung der Anmelderin nichts zu ändern, nach
welcher der abgeschlossenen Exspirationszeit noch ein weiterer zusätzlicher
Zeitraum anzuhängen wäre. Für eine solche Auffassung findet sich keine Stütze in
den Ursprungsunterlagen. Denn selbst wenn nach der Beschreibung beispielhaft
jede fünfte Exspirationsphase gegenüber einer – nicht definierten – Grundlänge
um 20% verlängert sein sollte (vgl. S. 7 Z. 23-25), bleibt diese Zeitangabe beliebig
und kann damit keine Angrenzung zu Vorrichtungen schaffen, die einen
vollständigen Exspirationsvorgang erlauben.

5. Die Vorrichtung nach Hauptantrag ist mit allen Merkmalen jeweils in der D2
und der EP3 vorbeschrieben und daher nicht neu. Sie beruht zudem gegenüber
der Kombination der D2 mit der EP3 auf keiner erfinderischen Tätigkeit.

5a. Die DE 10 2005 031 808 A1 (D2) offenbart eine Vorrichtung zur Beatmung
mit einer Atemgaspumpe, die mit einer Steuerung verbunden und mit einem
Patienteninterface 10 verbindbar ist und bei der von der Steuerung während einer
Exspirationsphase ein niedrigerer Atemgasdruck als während einer
Inspirationsphase vorgegeben ist (vgl D2: Fig. 1, 2-6 i. V. m. [0052], [0053], [0064],
Titel und Patentanspruch 25). Zur messtechnischen Erfassung mindestens eines
Parameters des Atemgases ist mindestens ein Sensor (vgl. D2: [0002], [0029],
[0065], [0066]; Patentansprüche 20, 25, 26) an die Steuerung angeschlossen
(Merkmale Vo8 – Vo8.2). Die Steuerung weist nach der gebotenen Auslegung
eine Steuercharakteristik mit einer Mindestexspirationszeit auf, denn die D2
offenbart eine Triggerblockadezeit nach Merkmal Vo8.4. Nach den
Patentansprüchen 10 und 13 der D2 gibt das Steuerelement aktiv eine Spanne
der Druckabsenkung vor, wobei der Druck gehalten und somit das Triggern
unterdrückt wird. Diese Triggerblockadezeit kann auch als
„Mindestexspirationszeit“ definiert werden, da damit eine Mindestzeit für die
Exspiration vorgegeben ist, die nicht unterbrochen werden kann.

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Aus der EP 0 521 314 A1 (EP3) geht ein sensorgesteuertes Beatmungsgerät mit
Atemgasleitung und selbstverständlichem Patienteninterface sowie
Atemgaspumpe hervor (vgl. EP3: Sp. 4 Z. 20-31; Vo8, Vo8.1), das den
Atemgasdruck bei der Inspiration höher hält als bei der Exspiration (vgl. EP3:
Sp. 2 Z. 40 – Sp. 4 Z. 17, Sp. 4 Z. 20-31, Fig. 1-2; Vo8.2) und bei der die
Steuerung durch eine sogar zahlenmäßig gefasste (vgl EP3: Unteranspruch 4: 50-
800 ms) und als Verzögerungszeit bezeichnete Mindestexspirationszeit
charakterisiert ist, die als Triggerblockadezeit gewählt ist (vgl. EP3: Sp. 4 Z. 45 –
Sp. 5 Z. 16; insb. Sp. 4 Z. 55-58 „... ein Zusatzkriterium für die Gültigkeit des
Triggerkriteriums zu schaffen und so unerwünschte verfrühte Triggerungen
auszuschließen.“; Vo8.3-Vo8.4).

5b. Selbst wenn dem Gegenstand nach Patentanspruch 1 gemäß Hauptantrag
Neuheit zukäme, etwa weil in der EP3 ein Patienteninterface und in der D2 die
Merkmale Mindestexspirationszeit oder Triggerblockadezeit nicht explizit genannt
sind, beruht er auch gegenüber der Kombination der Druckschriften D2 und EP3
nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit. Denn soweit die Patentanmeldung
unregelmäßige Signalverläufe in der Atemfrequenz erkrankter Patienten
thematisiert, die zu Fehlfunktionen bei der Beatmung führen, wird genau diese
Problematik in EP3 angesprochen (EP3: Sp. 2 Z. 21-37), so dass die EP3 die
unmittelbare Beachtung des Fachmanns findet. Ebenso liegt die D2 im Blick des
Fachmanns, denn sie betrifft, wie die Streitanmeldung, die das Ausatmen
erleichternde Druckabsenkung während der Exspirationsphase (vgl.
Anmeldungsunterlagen: S. 1 Abs. 1 und D2: [0009]-[0011]). Die in der EP3 nicht
weiter aufgeführten gerätetechnischen Ausstattungsmerkmale, sind dem
Fachmann, wie oben dargelegt, geläufig und bedürfen keiner eigenen Erwähnung.
Sie finden sich jedenfalls in der den gerätetechnischen Hintergrund abbildenden
D2.

Somit ist der Gegenstand nach Patentanspruch 1 gemäß Hauptantrag wegen
fehlender Neuheit und fehlender erfinderischer Tätigkeit nicht patentfähig.
- 14 -

6. Die mit den Hilfsanträgen beanspruchten Vorrichtungen weisen durchweg
die Merkmale Vo8-Vo8.3 nach Hauptantrag auf. Eine Blockade von
Triggersignalen ist bei diesen Vorrichtungen allerdings nicht mehr verlangt.

6a. Nach Hilfsantrag ist die Vorrichtung dadurch gekennzeichnet, dass die
Exspirationszeit in Abhängigkeit vom inspirierten Volumen an Atemgas verlängert
wird und wobei ein größeres Volumen an Atemgas während der Inspirationszeit zu
einer entsprechenden Verlängerung der Exspirationszeit führt (neues Merkmal
Vo8.5).

Auch dieses Merkmal vermag keine Patentfähigkeit zu begründen. Denn nach der
gebotenen Auslegung ist eine derartige Vorrichtung aus der Druckschrift
US 5 931 162 (D3) bekannt, die ein sensorgesteuertes mit einem Patienten
verbundenes Beatmungsgerät vorstellt (vgl. D3: Sp. 2 Z. 57 – Sp. 3 Z. 12, 25-27
und Fig. 1; Vo8 - Vo8.2), bei dem während der Inspirationsphase ein höherer
Druck als während der Exspirationsphase vorgegeben ist (vgl. D3: Sp. 1 Z. 43-47
„the tidal volume supplied to the patient“, Sp. 2 Z. 65-67 „… controlling flow
pressure …“ und Fig. 2, Sp. 3 Z. 31-62). Bei Überschreiten des Tidalvolumens
wird ebenso wie in der Streitanmeldung (vgl. a. a. O.: Fig. 4) die Exspirationszeit
verlängert (D3: Unteranspruch 8; Sp. 4 Z. 28-40 „… and prolongs the following
expiration phase 38C ...“ und Fig. 2; Vo8.3, Vo8.5).

6b. Gleichermaßen vermögen die den Hilfsantrag ergänzenden Merkmale der
Hilfsanträge 2 und 3 der Vorrichtung nicht zur Patentfähigkeit zu verhelfen. Sie
geben nämlich nichts anderes wieder als die Lehre der D3, dem Patienten zu
ermöglichen, das Gasvolumen zu exhalieren, dass er auch eingeatmet hat (vgl
D3: Sp. 2 Z. 36-38 und Fig. 2).

Ob dabei die Mindestexspirationszeit als eine Zeitdauer gewählt ist, deren
Abschluss durch ein Atemfluss oder Atemzugvolumen repräsentierendes Signal
- 15 -
gebildet wird (Hilfsantrag 2) oder ob zusätzlich die Gerätesteuerung erst dann ein
Umschalten in die nachfolgende Inspiration erlaubt, wenn keine Ausatemaktivität
des Patienten mehr erkannt wird und der Exspirationsfluss - nach Abzug eines
gegebenenfalls vorhandenen Leckageflusses - zu Null geworden ist
(Hilfsantrag 3), kann nicht weiter helfen.

Denn nach der Lehre der D3 erfolgt der Umschaltvorgang über eine
Volumensteuerung (vgl. D3 Sp. 4 Z. 35-40), wobei die D3 bezüglich der
Steuerungsparameter offen gehalten ist (vgl. D3: Sp. 4 Z. 45-49). Damit kann das
mit den Hilfsanträgen 2 und 3 als adaptive Umschaltung formulierte Umschalten in
die nachfolgende Inspirationsphase auf Basis von Signalen, die die Beendigung
des Inspirationsvorgangs anzeigen, wie ein zu Null gewordener Exspirationsfluss,
keine erfinderische Tätigkeit begründen. Diese adaptive Steuerung ist für den
Fachmann ein Standardvorgehen, das beispielsweise in der EP3 explizit
angegeben ist (vgl. EP3: Fig. 1 Bz 9 im Flow-Diagramm und Sp. 3 Z. 36-41).
Soweit nach Hilfsantrag 2 optional Leckagen zu berücksichtigen sind, ist auch
diese Problematik dem Fachmann aufgrund seines Fachwissens geläufig und wird
berücksichtigt (vgl. D1: [0005] Z. 47-52).

Damit beruhen auch die Gegenstände nach den Hilfsanträgen 2 bis 3 gegenüber
der D3 in Kombination mit der EP3 und dem Fachwissen nicht auf einer
erfinderischen Tätigkeit.

7. Mit dem nicht gewährbaren Patentanspruch 8 nach Hauptantrag bzw. den
nicht gewährbaren Patentansprüchen 1 nach den Hilfsanträgen fallen aufgrund
der Antragsbindung auch die Unteransprüche 9 bis 11 nach Hauptantrag und die
Unteransprüche 2 bis 5 nach Hilfsantrag (vgl. BGH, GRUR 1983, 171 –
Schneidhaspel). Weitere Anhaltspunkte für ein stillschweigendes Begehren einer
weiter beschränkten Fassung haben sich nicht ergeben. Auf die Unteransprüche
brauchte bei dieser Sachlage nicht gesondert eingegangen zu werden (BGH v.
27. Juni 2007 X ZB 6/05 – Informationsübermittlungsverfahren II; Fortführung von
- 16 -
BGH GRUR 11, 1997, 120 – Elektrisches Speicherheizgerät). Für deren
ausgestaltende weitere Merkmale wurde im Übrigen ein gegebenenfalls die
erfinderische Tätigkeit begründender überraschender technischer Effekt nicht
vorgetragen und auch vom Senat nicht gesehen.


III.

Gegen diesen Beschluss steht den am Beschwerdeverfahren Beteiligten –
vorbehaltlich des Vorliegens der weiteren Rechtsmittelvoraussetzungen,
insbesondere einer Beschwer – das Rechtsmittel der Rechtsbeschwerde zu. Da
der Senat die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen hat, ist sie nur statthaft, wenn
gerügt wird, dass

1. das beschließende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war,
2. bei dem Beschluss ein Richter mitgewirkt hat, der von der Ausübung des
Richteramtes kraft Gesetzes ausgeschlossen oder wegen Besorgnis der
Befangenheit mit Erfolg abgelehnt war,
3. einem Beteiligten das rechtliche Gehör versagt war,
4. ein Beteiligter im Verfahren nicht nach Vorschrift des Gesetzes vertreten
war, sofern er nicht der Führung des Verfahrens ausdrücklich oder
stillschweigend zugestimmt hat,
5. der Beschluss aufgrund einer mündlichen Verhandlung ergangen ist, bei
der die Vorschriften über die Öffentlichkeit des Verfahrens verletzt worden
sind, oder
6. der Beschluss nicht mit Gründen versehen ist.

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Die Rechtsbeschwerde ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des
Beschlusses schriftlich durch einen beim Bundesgerichtshof zugelassenen
Rechtsanwalt als Bevollmächtigten beim Bundesgerichtshof, Herrenstr. 45 a,
76133 Karlsruhe, einzureichen.


Feuerlein Zimmerer Hermann Freudenreich

prö


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