14 W (pat) 8/13  - 14. Senat (Techn.Beschw.)
Karar Dilini Çevir:

BPatG 154
05.11

BUNDESPATENTGERICHT



14 W (pat) 8/13
_______________
(Aktenzeichen)



Verkündet am
21. Februar 2017





B E S C H L U S S

In der Beschwerdesache

betreffend das Patent 10 2008 030 955



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hat der 14. Senat (Technischer Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf
die mündliche Verhandlung vom 21. Februar 2017 unter Mitwirkung der Richterin
Dr. Münzberg als Vorsitzende, der Richter Schell und Dr. Jäger, sowie der
Richterin Dr. Wagner

beschlossen:

1. Auf die Beschwerde der Einsprechenden wird der angefoch-
tene Beschluss der Patentabteilung 45 des Deutschen Patent- und
Markenamts vom 26. Juni 2012 aufgehoben.

2. Das Patent wird widerrufen.


G r ü n d e

I.

Mit dem angefochtenen Beschluss vom 26. Juni 2012 hat die Patentabteilung 45
des Deutschen Patent- und Markenamts das Patent 10 2008 030 955 mit der Be-
zeichnung

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„Verwendung eines mit einem Dekor bedruckten Druckpapiers
für flächige Bauteile“

in vollem Umfang aufrechterhalten.

Dem Beschluss liegen die erteilten Patentansprüche 1 bis 8 zugrunde. Der erteilte
Patentanspruch 1 lautet:

„1. Verwendung eines mittels eines digitalen Druckverfahrens
durch eine Digitaldruckvorrichtung (1) bedruckten, vor, während
und/oder nach dem Drucken erwärmten, unbeharzten und tinten-
aufnahmeschichtfreien, mit einem Dekor bedruckten Druckpa-
piers (4) für flächige Bauteile, insbesondere für Boden-, Wand-,
Decken- oder Möbelanwendungen.“

Die Ansprüche 2 bis 8 sind auf Weiterbildungen der Verwendung nach Patentan-
spruch 1 gerichtet.

Die Patentabteilung hat den angefochtenen Beschluss im Wesentlichen damit
begründet, dass der Einspruch zwar ausreichend substantiiert sei, die geltend
gemachten Widerrufsgründe jedoch nicht vorlägen. Denn die beanspruchte Ver-
wendung eines bedruckten Druckpapiers nach dem erteilten Patentanspruch 1 sei
gegenüber dem Stand der Technik

D1 DE 693 03 537 T2,
D2 DE 196 11 700 A1,
D3 DE 10 2007 019 851 A1,
D4 DE 199 16 546 A1,
D5 DE 100 57 294 C5,
D6 EP 1 749 676 A1,
D7 US 2005/0212882 A1,
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D8 DE 201 14 071 U1,
D9 DE 199 46 617 A1,
D10 DE 694 11 220 T2,
D11 DE 691 22 021 T2,
D12 DE 36 42 204 A1,
D13 DE 693 07 590 T2,
D14 DE 697 28 229 T2,
D15 DE 100 59 573 A1,
D16 DE 696 12 315 T2,
D17 DE 698 26 575 T2 und
D18 DE 601 19 576 T2

neu und beruhe auch auf einer erfinderischen Tätigkeit.

Die Lehren der Druckschriften D1 bis D6 unterschieden sich von der im erteilten
Patentanspruch 1 beanspruchten Verwendung darin, dass das zum Bedrucken
verwendete Papier zumindest teilbeharzt und/oder mit einer Tintenaufnahme-
schicht versehen sei. Gleichfalls könne die Offenbarung der D7 nicht die streitpa-
tentgemäße Verwendung vorwegnehmen, da sie keine Verwendung des bedruck-
ten Papiers als Dekorpapier für flächige Bauteile beschreiben würde. Auch die
Druckschriften D8 und D9 erwiesen sich als nicht neuheitsschädlich, da nach D8
das Erwärmen des bedruckten Papiers ein nachgelagerter, vom Druckprozess
getrennter Prozess sei, der allein der Harzimprägnierung des Dekorpapiers beim
Laminieren diene. In der D9 werde das Verkleben eines Kunststoffprofils mit einer
Dekorschicht beschrieben, wobei auf Haftlack und Primer verzichtet würde, was
aber nicht einem Weglassen einer Tintenaufnahmeschicht gleichzusetzen sei. Die
Entgegenhaltungen D10 bis D18 könnten die Neuheit des Streitgegenstands nach
dem erteilten Patentanspruch 1 ebenfalls nicht in Frage stellen, da sie nur einen
allgemeinen Überblick über herkömmliche Papiere bzw. den konstruktiven Aufbau
von Tintenstrahldruckern geben würden.

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Darüber hinaus liege auch kein Mangel an erfinderischer Tätigkeit vor, da der
Fachmann ausgehend von D7 nicht zur streitpatentgemäßen Verwendung
gelange. Diese Druckschrift weise nicht auf die Verwendung eines Dekorpapiers
für flächige Bauteile hin, das – wie aus D6 bekannt sei – neben einer optimalen
Bedruckbarkeit auch eine gleichmäßige Penetrierbarkeit für Imprägnierharze auf-
weisen müsse. Ebenso könne die Berücksichtigung der Druckschriften D8 und D9
die streitpatentgemäße Verwendung nicht nahe legen. Der D8 seien keine Hin-
weise auf eine Erwärmung in Verbindung mit dem Drucken und auf ein tintenauf-
nahmeschichtfreies Papier zu entnehmen. Auch die Zusammenschau mit D9, die
das Verkleben einer Dekorschicht und eines Trägermaterials und damit einen
anderen Gegenstand als das Streitpatent betreffe, könne die Verwendung eines
Dekorpapiers gemäß dem erteilten Patentanspruch 1 nicht nahe legen. Genauso
wenig liefere die D8, die kostengünstige, in hoher Qualität herstellbare Dekorpa-
piere für flächige Bauteile verwende, unter Berücksichtigung der Lehre der D1
eine Anregung zur streitpatentgemäßen Verwendung. Die D1 gebe zwar einen
Tintenstrahldrucker an, der zur Verbesserung der Druckqualität unterschiedliche
Druckmedien, welche auch ohne Tintenaufnahmeschicht auskämen und unbe-
harzt sein könnten, während und/oder nach dem Drucken erwärme. Solche Dru-
cker seien im Übrigen schon seit langem bekannt gewesen, wie D10 bis D12
bestätigten. In Anbetracht dieses langen Zeitraums, in dem das qualitativ hoch-
wertige Bedrucken von kostengünstigen, unbeharzten und tintenaufnahmeschicht-
freien Druckpapieren bekannt gewesen sei und in Anbetracht, dass selbst in jün-
gerer Vergangenheit nach wie vor teilimprägnierte Papierbahnen beim Bedrucken
von Dekorpapier für flächige Bauteile verwendet würden, habe aber erst das
Streitpatent die Verwendung von tintenaufnahmeschichtfreien, mit einem Dekor
bedruckten Druckpapiers für flächige Bauteile aufgegriffen.

Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde der Einsprechenden. Zur
Stütze ihres Vorbringens verweist sie auf die weiteren Druckschriften

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D19 DE 10 2006 022 774 B3,
D20 E. Van Lancker, F. Dolhen, “Industrial Digital Press For Decorative
Printing”, DPP2001: International Conference on Digital Produc-
tion Printing and Industrial Applications”, 2001, Belgien, ISBN:
0-89208-233-X, Seiten 262 bis 266 und
D21 proHPL Fachgruppe Dekorative Schichtstoffplatten, Herstellung
von Dekorativen Schichtstoffplatten (HPL), Stand: Januar 2007.

Sie trägt zur Begründung der Beschwerde im Wesentlichen vor, dass der von Ihr
eingelegte Einspruch zulässig sei und die Gegenstände der Anspruchsfassungen
gemäß Hauptantrag und den Hilfsanträgen I bis VII nicht neu seien und auch nicht
auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhten.

Gemäß ständiger Rechtsprechung sei die Auseinandersetzung mit dem Kern der
patentierten Erfindung ausreichend. Nach dem Wortlaut der Streitpatentschrift
liege der Kern der Erfindung in der Verwendung eines üblichen Tiefdruckpapiers
ohne Strich für den Digitaldruck. Eine Auseinandersetzung mit diesem Sachverhalt
sei innerhalb der Einspruchsfrist geschehen, so dass der Einspruch zulässig sei.

Die D8 betreffe einen Dekordruckprozess, der sich vom Streitgegenstand nur
dadurch unterscheide, dass in D8 die Verwendung eines tintenaufnahmeschicht-
freien Papiers, das vor, während oder nach dem Drucken erwärmt werde, nicht
unmittelbar und eindeutig offenbart sei. Allerdings sei aus D8 implizit die Erwär-
mung des Papiers bekannt, da ein Laserdrucker verwendet werde, welcher sys-
tembedingt nicht ohne Erwärmung des Papiers auskomme. Die Verwendung von
unbehandelten Papieren aus Kostengründen sei im Zusammenhang mit Dekorpa-
pier allgemein bekannt, wie bspw. aus D9 oder D10 hervorginge Folglich sei aus
der D8 die Verwendung gemäß Anspruch 1 des Streitpatents bekannt bzw. zumin-
dest nahe gelegt, zumal der Fachmann bei Einsatz eines handelsüblichen Tinten-
strahldruckers auch eine Heizung gemäß D1 und D10 bis D12 berücksichtigt
hätte. Die Heizung gewährleiste, dass das unbeschichtete Papier einwandfrei be-
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druckt werden könne. Ein solches Vorgehen beruhe somit nicht auf einer erfinderi-
schen Tätigkeit.

Ferner stelle die D19 einen geeigneten Ausgangspunkt dar. In dem Dokument,
das die Herstellung von flächigen Bauteilen beträfe, würden als Trägermaterialien
u. a. herkömmliche Dekorpapiere in einem Inkjet- oder Tiefdruckverfahren einge-
setzt. Unter einem herkömmlichen Dekorpapier, welches in einem Tiefdruckver-
fahren bedruckt werde, verstehe der Fachmann ein aufnahmeschichtfreies Druck-
papier, sprich ein Tiefdruckpapier ohne Strich. Zur Verbesserung der Druckqualität
erfahre der Fachmann aus dem Stand der Technik gemäß D1, D2, D7 oder D10
bis D12, dass zur Vermeidung des Verlaufens der Tinte und des Wellens des Pa-
piers eine Erwärmung vor, während und nach dem Drucken vorzusehen sei. Die
Anwendung einer solchen Erwärmung bei dem Druckverfahren gemäß D19 be-
ruhe daher nicht auf erfinderischen Überlegungen.

Ebenso fehle es der Verwendung nach Patentanspruch 1 gegenüber der Zusam-
menschau von D20 mit D10 an der erforderlichen erfinderischen Tätigkeit. Gemäß
D20 würde ein Druckpapier im Inkjet-Verfahren mittels einer Digitaldruckvorrich-
tung mit einem Dekor bedruckt. In D20 finde sich der Hinweis, dass das gleiche
Standardpapier wie für den Rotationstiefdruck verwendet werden könne, das dem
Fachmann als Tiefdruckpapier ohne Strich geläufig sei. Das Papier sei im Übrigen
auch unbeharzt, da es nicht sinnvoll sei ein durch das Harz wesentlich steiferes
Papier durch eine Rotationstiefdruckmaschine zu führen, wenn das Harz erst spä-
ter für das Verpressen benötigt werde, wie auch D21 belege. Wenn der Fachmann
nun feststelle, dass das Druckergebnis unbefriedigend sei, weil insbesondere die
Tinte verlaufe, werde er das Problem aus naheliegenden Überlegungen lösen,
nämlich indem er eine Erwärmung vor, während oder nach dem Drucken, wie z. B.
in D10 vorgeschlagen, vorsehe.

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Die Einsprechende beantragt,

den Beschluss der Patentabteilung 45 des Deutschen Patent- und
Markenamts vom 26. Juni 2012 aufzuheben und das Patent zu
widerrufen.

Die Patentinhaberinnen beantragen,

den Einspruch als unzulässig zu verwerfen,

hilfsweise die Beschwerde zurückzuweisen,

weiter hilfsweise das Patent auf Grundlage eines der Hilfsanträge I
bis VI vom 16. September 2014 bzw. des Hilfsantrags VII vom
21. Februar 2017 beschränkt aufrechtzuerhalten.

Die Patentinhaberinnen tragen im Wesentlichen vor, dass der Einspruch der Ein-
sprechenden unzulässig sei. Innerhalb der Einspruchsfrist sei zwar zur Neuheit
und erfinderischen Tätigkeit vorgetragen worden, dabei sei aber ein Merkmal des
erteilten Patentanspruchs 1 in unzulässiger Weise als „für flächige Bauteile geeig-
net ist“ ausgelegt worden. Korrekterweise hätte dieses Merkmal aber „für flächige
Bauteile verwendet wird“ lauten müssen. Somit seien innerhalb der Einspruchsfrist
nicht alle Tatsachen im Einzelnen angegeben worden, die den Einspruch rechtfer-
tigten.

Auch sei die beanspruchte Verwendung neu gegenüber D8, da in dem dort
beschriebenen Verfahren kein tintenaufnahmeschichtfreies Papier eingesetzt
werde.

Des Weiteren beruhe die streitpatentgemäße Verwendung auf einer erfinderischen
Tätigkeit. Ausgehend von D8 gelange der Fachmann nicht zur Verwendung nach
dem erteilten Patentanspruch 1. Denn aus D8 sei weder bekannt, dass es sich bei
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dem Papier um ein tintenaufnahmeschichtfreies Papier handele, noch dass das
Papier vor, während oder nach dem Drucken erwärmt werde. Sehe sich der Fach-
mann nun vor die Aufgabe gestellt, ein einfaches und kostengünstig herstellbares
Dekorpapier für flächige Bauteile zur Verfügung zu stellen, wobei eine möglichst
hohe Druckqualität gewährleistet sein solle, werde er sich im Stand der Technik
nach entsprechenden Lösungen umsehen. In diesem Zusammenhang würden die
D4 und die D6 dem Fachmann zur Vermeidung des Löschblatteffekts bei der Be-
druckung von Dekorpapier die Beschichtung des Papiers mit einer Tintenaufnah-
meschicht vorschlagen. Nach den Dokumenten D1 und D10 bis D12 werde dage-
gen eine Papierbeheizung vorgeschlagen, um so eine gute Druckqualität bei
unbeschichtetem Papier zu erreichen. Allerdings befassten sich diese Druckschrif-
ten mit normalem Druckerpapier, das nicht für den Einsatz für flächige Bauteile
vorgesehen und wegen seiner begrenzten Saugfähigkeit auch nicht zum Beharzen
zur anschließenden Verpressung mit einem flächigen Bauteil geeignet sei. Folglich
sei der Fachmann nicht veranlasst gewesen, die Technologie auf Dekorpapier
bzw. Druckpapier für flächige Bauteile zu übertragen. Im Ergebnis beruhe die
streitpatentgemäße Verwendung nach dem erteilten Patentanspruch 1 auf einer
erfinderischen Tätigkeit.

Auch die Kombination von D10 mit D19 oder D21 führe nicht in naheliegender-
weise zum Streitgegenstand. D10 betreffe ein Luftströmungssystem für einen Tin-
tenstrahldrucker, bei dem grundsätzlich die Druckqualität verbessert werden solle.
Die Verwendung eines digitalen Druckverfahrens mit einem Druckpapier für flä-
chige Bauteile werde aber nicht angesprochen. Somit habe für den Fachmann
auch kein Anlass bestanden diese Lehre mit D19 oder D20, die digitale Druckver-
fahren für den Dekordruck zur Anwendung für flächige Bauteile beträfen, zu kom-
binieren.

Wegen weiterer Einzelheiten, insbesondere zum Wortlaut der Hilfsanträge, wird
auf den Inhalt der Akten verwiesen.

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II.

Die Beschwerde der Einsprechenden ist zulässig; sie hat auch Erfolg und führt
zum Widerruf des Patents.

1. Der Einspruch der Einsprechenden ist zulässig, insbesondere ist er auch in
einer den gesetzlichen Anforderungen genügenden Weise begründet. Nach § 59
Abs. 1 Satz 4 und 5 PatG sind die Tatsachen, die den Einspruch rechtfertigen,
innerhalb der Einspruchsfrist im Einzelnen anzugeben. Diese Voraussetzung ist
dann erfüllt, wenn die für die Beurteilung des behaupteten Widerrufsgrundes maß-
geblichen Umstände hinreichend vollständig dargelegt sind, um es den Patentin-
haberinnen, dem Patentamt und dem Gericht zu ermöglichen, aus dem Vortrag
abschließende Folgerungen für das Vorliegen oder Nichtvorliegen des Widerrufs-
grundes ziehen können (vgl. BGH GRUR 1972, 592 – Sortiergerät, 1987, 513
– Streichgarn, 1993, 651 – Tetraploide Kamille). Diesen Anforderungen an die Be-
gründungspflicht ist die Einsprechende nachgekommen. Im Einspruchsschriftsatz
ist der Widerrufsgrund der mangelnden Patentfähigkeit geltend gemacht. Für die-
sen Einspruchsgrund sind die Tatsachen im Einzelnen angegeben, aus denen
sich ergibt, dass der Einspruch gerechtfertigt ist. Die Abänderung des Merkmals e)
des erteilten Patentanspruchs 1 von „für flächige Bauteile verwendet wird“ in „für
flächige Bauteile geeignet ist“ in der Einspruchsbegründung führt jedenfalls nicht
dazu, dass die Einsprechende nicht der ihr obliegenden Substantiierungspflicht
nachgekommen ist. Es mag zwar zutreffend sein, dass ein „Geeignetsein“ nur eine
Möglichkeit aufzeigt, das Papier zu einem bestimmten Zweck einzusetzen, wäh-
rend die „Verwendung“ die explizite Anweisung des konkreten Einsatzes zu dem
bestimmten Einsatzzweck beinhaltet, jedoch ist diese Diskrepanz unerheblich, da
die Begründung nicht zwingend alle Merkmale des Anspruchs behandeln muss,
solange sie sich mit dem Kern der patentierten Lehre auseinander gesetzt hat (vgl.
Schulte/Moufang, PatG 9. Aufl. § 59, Rdn. 88, 89). Dies ist vorliegend erfolgt, da
die Einsprechende jedenfalls die Möglichkeit der Eignung für flächige Bauteile auf-
gezeigt hat.
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2. Es kann dahingestellt bleiben, inwiefern die beanspruchte Verwendung
gemäß dem erteilten Patentanspruch 1 nach Hauptantrag neu ist, denn deren Be-
reitstellung beruht jedenfalls nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.

2.1 Dem Streitpatent liegt die Aufgabe zugrunde, kostengünstig und einfach
herstellbares Druckpapier zur Verfügung zu stellen, dass sich als Dekorpapier für
flächige Bauteile eignet und eine hohe Druckqualität gewährleistet (vgl. Streitpa-
tentschrift S. 2, Abs. [0008]).

Gelöst wird diese Aufgabe gemäß dem erteilten Patentanspruch 1 durch die

a) Verwendung eines mittels eines digitalen Druckverfahrens durch eine Digi-
taldruckvorrichtung bedruckten Druckpapiers, welches

b) vor, während und/oder nach dem Drucken erwärmt wird und welches

c) unbeharzt und tintenaufnahmeschichtfrei ist, sowie

d) mit einem Dekor bedruckt ist und welches

e) für flächige Bauteile, insbesondere für Boden-, Wand-, Decken- oder
Möbelanwendung verwendet wird.

Bei dem vorliegend zuständigen Fachmann handelt es sich um einen Maschinen-
bauingenieur mit mehrjährigen Kenntnissen auf dem Gebiet der Drucktechnologie.

Zum Auffinden einer Lösung dieser Aufgabe konnte der Fachmann von der Druck-
schrift D19 ausgehen. Aus D19 ist ein Verfahren zur Erzeugung eines aus einer
Vielzahl an Bildpunkten bestehenden Dekors auf einem Trägermaterial mittels
eines Inkjet- und eines Tiefdruckverfahrens bekannt, wobei das Injekt-Verfahren
für den Musterdruck und das Tiefdruckverfahren für den serienmäßigen Dekor-
druck verwendet werden (vgl. D19, Patentanspruch 1, S. 1 Abs. [0001], S. 3 Abs.
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[0011]). Für beide Druckprozesse werden die gleichen Trägermaterialien, wie u. a.
herkömmliches Dekorpapier, eingesetzt (vgl. D19, S. 3/4 Abs. [0018]). Unter
einem herkömmlichen Dekorpapier versteht der Fachmann ein Druckpapier, bei
dem es sich um ein Laminatrohpapier handelt, das also unbeschichtet und unbe-
harzt ist (vgl. D20, S. 263, re. Sp., 2. Spiegelstrich; vgl. auch gutachterlich Papier-
Lexikon, Hrsg.: L. Göttsching und C. Katz, Deutscher Betriebswirte-Verlag GmbH,
Gernsbach 1999, Band 1, S. 262, Stichwort „Dekorpapier“). Nach der Bedruckung
wird der Musterdruck mit einer Kunstharzschicht bedeckt und mit einem Träger-
material verpresst (vgl. D19, S. 4, Abs. [0019]). Die mit dem Dekor versehenen
Trägermaterialien werden als Oberflächenelemente zur Verkleidung von Böden,
Wänden oder Decken verwendet (vgl. D19, S. 2, Abs. [0002]). Direkte Hinweise
auf eine Erwärmung des Papiers vor, während und/oder nach dem Druckvorgang
finden sich aber in D19 nicht. Sollte der Fachmann nun im Rahmen des Muster-
druckvorganges feststellen, dass die Bildqualität unzureichend ist, wird er sich im
Stand der Technik nach geeigneten Maßnahmen umsehen, die ihm eine höhere
Druckqualität ermöglichen. Bei seiner Suche wird er auch die D10 berücksichti-
gen, die eine Anregung bietet, wie bei der Verwendung von unbeschichtetem Pa-
pieren mit einem Tintenstrahldrucker (Inkjetdrucker) eine höhere Bildschärfe
erzielbar ist (vgl. D10, S. 2/3, übergr. Abs.). Die D10 schlägt hierfür ein Erwärmen
des Papiers vor und während des Druckens vor (vgl. D10, Patentansprüche 1, 6
und 7, S. 19, erster vollst. Abs. i. V. m. Fig. 7).

Der Einwand, der Fachmann habe die D10 schon deshalb nicht in Betracht gezo-
gen, da sie ein Luftstromsystem für einen Tintenstrahldrucker angebe und nicht
die Verwendung eines digitalen Druckverfahrens mit einem Druckpapier für flä-
chige Bauteile beträfe, kann nicht überzeugen. Die in D10 beschriebene Erwär-
mung stellt ein für den digitalen Druck mit Tinten generell in Betracht zu ziehendes
Mittel dar, da es aufgrund des Lösungsmittels der Tinte und auch der Saugfähig-
keit des unbeschichtetem Papiers zu einem Verlaufen der Tinte unabhängig von
der Art des digitalen Druckverfahrens kommt und auch ein Wellen des Papiers
auftritt. Die durch den „Löschblatt-Effekt“ bedingte schlechte Druckqualität kann
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dadurch verbessert werden, dass das Lösungsmittel der Tinte möglichst schnell
zum Verdampfen gebracht wird, was zu einer schnelleren Trocknung der Farbe
führt. Ein solches Vorgehen ist im zu beurteilenden Zusammenhang aus fachlicher
Sicht objektiv zweckmäßig und mit keinen besonderen Umständen verbunden, die
seine Anwendung als schwierig oder nicht möglich erscheinen lassen (vgl. auch
BGH GRUR 2014, 647 – Farbversorgungssystem).

Auch das Argument, dass in der D19 die Verwendung von Tiefdruckpapier mit
einer Tintenaufnahmeschicht erwähnt sei, kann nicht durchgreifen. Denn dieses
Tiefdruckpapier wird in D19 nur im Zusammenhang mit dem abgehandelten Stand
der Technik EP 1 145 863 B1 angegeben (vgl. D19, S. 2, Abs. [0007]). Für das
erfindungsgemäße Verfahren der D19 werden dagegen Holzwerkstoff-, Kunst-
stoff-, Stein-, Linoleumplatten und herkömmliche Dekorpapiere als zu bedrucken-
des Trägermaterial für den Muster- und Dekordruck angegeben (vgl. D19, S. 3/4,
Abs. [0018]).

Ebenso kann die Einrede, dass der Fachmann die D10 schon deshalb nicht be-
rücksichtigt hätte, weil sie ein völlig anderes Papier verwende, nämlich normales
Druckpapier, welches nicht porös und damit für flächige Anwendungen, die eine
Beharzung erfordern, ungeeignet sei, nicht überzeugen. Denn vorliegend greift der
Fachmann auf die dem sachlich naheliegenden Gebiet des Tintenstrahldruck lie-
gende D10 zurück, da er auf Grund seiner eigenen Sachkunde erkennen kann,
dass diese Druckschrift ihm bei der Weiterentwicklung vorhandener Verfahren für
den Druck von flächigen Dekorbildern mittels digitaler Druckanlagen eine effektive
und effiziente Lösung für die Vermeidung des Löschblatt-Effekts bietet (vgl. BGH
GRUR 2010, 41 – Diodenbeleuchtung).

Der Patentanspruch 1 nach Hauptantrag hat daher mangels erfinderischer Tätig-
keit keinen Bestand.

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3. Der Patentanspruch 1 des Hilfsantrags I erweist sich aus formaler Sicht als
nicht bestandsfähig.
Grundsätzlich können die Patentansprüche im Laufe des Einspruchsverfahrens
noch geändert werden. Derartige Änderungen müssen sich allerdings stets im
Rahmen der ursprünglichen Offenbarung halten. Eine unzulässige Erweiterung ist
dann gegeben, wenn das Patentbegehren auf einen nicht in den ursprünglich ein-
gereichten Anmeldeunterlagen enthaltenen Gegenstand erstreckt wird (vgl.
Benkhard/Schäfers, PatG, 11. Aufl. § 38, Rdn. 35 ff.). Im Patentanspruch 1 des
Hilfsantrags I ersetzt der Begriff „Dekorpapier“ das im erteilten Patentanspruch 1
genannte Merkmal „Druckpapier“. Für diese spezielle Papiersorte findet sich aller-
dings in den ursprünglich eingereichten Unterlagen keine Offenbarung. Der Begriff
„Dekorpapier“ wird erstmals in Absatz [0008] und im letzten Satz von Absatz
[0009] auf Seite 2 der Streitpatentschrift erwähnt und ist somit nachträglich in die
Beschreibung aufgenommen worden. Folglich weist der Patentanspruch 1 des
Hilfsantrags I eine unzulässige Erweiterung des Schutzumfangs auf und ist daher
nicht bestandsfähig.

4. Ob die beanspruchte Verwendung gemäß dem jeweiligen Patentanspruch 1
der Hilfsanträge II bis VII neu ist, kann dahingestellt bleiben, weil deren Bereitstel-
lung jedenfalls nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht.

4.1 In Patentanspruch 1 des Hilfsantrags II ist gegenüber dem erteilten Patent-
anspruch 1 der Begriff „Druckpapier“ durch „Tiefdruckpapier ohne Strich“ ersetzt
worden. Damit mag der Streitgegenstand nach Patentanspruch 1 beschränkt wor-
den sein, jedoch erweist sich die Verwendung von Tiefdruckpapier ohne Strich,
welches ein Papier ohne Beschichtung darstellt, ausgehend von D19 als nahelie-
gend. In der D19 wird darauf abgestellt, dass sowohl für den digitalen Musterdruck
wie auch für den serienmäßigen Tiefdruck das gleiche Trägermaterial verwendet
werden soll. Als bevorzugtes Trägermaterial wird u. a. herkömmliches Dekorpapier
genannt (vgl. D19, S. 3/4, Abs. [0018]). Dies ist dem Fachmann als Tiefdruckpa-
pier ohne Strich geläufig (vgl. Streitpatent S. 2, Abs. [0009]). Diese Papierauswahl
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stellt somit eine dem Wissen des Fachmanns und damit seinem Aufgabenkreis
zuzurechnende, übliche Maßnahme dar, die kein erfinderisches Zutun erfordert.

4.2 Der Patentanspruch 1 des Hilfsantrags III weist gegenüber dem erteilten
Patentanspruch 1 das zusätzliche Merkmal „wobei das Druckpapier nach Beendi-
gung des Druckes beharzt wird“ auf.
Diese zusätzliche Maßnahme beruht jedoch nicht auf erfinderischen Überlegun-
gen, denn wie schon beim Hauptantrag ausgeführt, ist aus D19 ebenfalls eine Be-
harzung nach dem Drucken bekannt (vgl. a. a. O.). Folglich gelten hier die beim
Hauptantrag bereits ausgeführten Gründe vollumfänglich auch für Patentan-
spruch 1 des Hilfsantrags III.

4.3 Gegenüber dem Patentanspruch 1 des Hilfsantrags III ist in Patentan-
spruch 1 gemäß Hilfsantrag IV das zusätzliche Merkmal „anschließend auf ge-
wünschte Zuschnitte geschnitten und mit Platten zu flächigen Bauteilen verpresst
wird“ aufgenommen worden.

Die Herrichtung der Dekordrucke auf ein gewünschtes Format durch Zuschneiden
und deren Verpressung mit Platten zu flächigen Bauteilen gehört zum handwerkli-
chen Wissen und Können des Fachmanns, wie D21 belegt (vgl. D21, S. 3, Ab-
schnitte 2.5 und 2.6), so dass die streitpatentgemäße Verwendung nach An-
spruch 1 des Hilfsantrags IV gleichfalls nicht einer erfinderischen Überlegungen
bedurfte.

4.4 Der Patentanspruch 1 des Hilfsantrags V ist gegenüber dem Patentan-
spruch 1 nach Hilfsantrag IV insofern beschränkt worden, als die Maßgabe, dass
„als Druckfarbe wasserhaltige Tinte verwendet worden ist“ zusätzlich aufgenom-
men worden ist.

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Die Verwendung von wasserhaltiger Tinte als Druckfarbe beruht aber nicht auf
einer erfinderischen Tätigkeit, da es sich hierbei um eine übliche Druckfarbe für
Tintenstrahldrucker handelt (vgl. D10, S. 2/3, seitenübergr. Satz).

4.5 Der Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag VI ist gegenüber Patentan-
spruch 1 des Hilfsantrags V durch die Streichung der Wortfolge „vor, während und/
oder“ vor „nachdem Drucken…“ und durch die Aufnahme des zusätzlichen Merk-
mals „zur unmittelbaren Trocknung der Tinte nach dem Aufbringen auf das Druck-
papier eine in Förderrichtung des Druckpapiers hinter dem Druckkopf angeordne-
ter IR-Heizung, NIR-Heizung oder Mikrowellenheizung vorgesehen ist, die sich
zumindest im Wesentlichen über die Breite der Papierführung erstreckt“ weiter
beschränkt worden.

Diese Änderungen führen aber nicht dazu, dass die nunmehr beanspruchte Ver-
wendung auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht. Denn aus D10 ist ebenfalls
eine solche Maßnahme bekannt. Dort wird ein Heizdrahtelement angegeben, das
Strahlungswärme entlang der lateralen Abmessungen des Druckbereichs erzeugt
(vgl. D10, S. 5, letzt. Abs., S. 21/22 übergr. Abs.), wobei die Erwärmung nach dem
Druck, d. h. dem Aufbringen der Tinte, erfolgt (vgl. D10, S. 19, erster vollst. Abs.,
„Bereich zwischen E und F“ i. V. m. Fig. 7). Unter dem Begriff „Strahlungswärme“
subsummiert der Fachmann IR-Strahlung.

4.6 Der Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag VII weist gegenüber dem Patentan-
spruch 1 des Hilfsantrags IV das weitere Merkmal auf, dass das mit einem Dekor
bedruckte Druckpapier als Tiefdruckpapier ohne Strich ausgebildet ist. Ferner ist
noch das Adverb „insbesondere“ gestrichen worden, so dass nunmehr ein Druck-
papier für flächige Bauteile für Boden-, Wand-, Decken- oder Möbelanwendungen
beansprucht wird.

Für die nun beanspruchte Verwendung, die eine Kombination der Gegenstände
des jeweiligen Patentanspruchs 1 der Hilfsanträge II und IV darstellt, gelten damit
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sinngemäß dieselben Argumente, wie für die Gegenstände der jeweiligen Patent-
ansprüche 1 nach Hilfsantrag II und IV, so dass auch die streitpatentgemäße Ver-
wendung in der Fassung des Patentanspruchs 1 gemäß Hilfsantrag VII mangels
beruhen auf erfinderischer Tätigkeit nicht patentfähig ist.

4.7 Die jeweils abhängigen Patentansprüche 2 bis 8 nach Hauptantrag und den
Hilfsanträgen I bis IV und VII, sowie die jeweils abhängigen Patentansprüche 2 bis
7 der Hilfsanträge V und VI beschreiben weitere Ausführungsformen der Verwen-
dung des jeweiligen Patentanspruchs 1; ein eigener erfinderischer Überschuss ist
seitens des Senats nicht erkennbar und auch vom Patentinhaber nicht geltend
gemacht worden. Sie teilen daher das Schicksal der jeweiligen Verwendungsan-
sprüche 1.


III.

Rechtsmittelbelehrung

Gegen diesen Beschluss ist das Rechtsmittel der Rechtsbeschwerde gegeben,
wenn gerügt wird, dass

1. das beschließende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war,
2. bei dem Beschluss ein Richter mitgewirkt hat, der von der Ausübung des
Richteramtes kraft Gesetzes ausgeschlossen oder wegen Besorgnis der
Befangenheit mit Erfolg abgelehnt war,
3. einem Beteiligten das rechtliche Gehör versagt war,
4. ein Beteiligter im Verfahren nicht nach Vorschrift des Gesetzes vertreten
war, sofern er nicht der Führung des Verfahrens ausdrücklich oder still-
schweigend zugestimmt hat,
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5. der Beschluss aufgrund einer mündlichen Verhandlung ergangen ist, bei
der die Vorschriften über die Öffentlichkeit des Verfahrens verletzt worden
sind, oder
6. der Beschluss nicht mit Gründen versehen ist.

Die Rechtsbeschwerdeschrift muss von einer beim Bundesgerichtshof zugelasse-
nen Rechtsanwältin oder von einem beim Bundesgerichtshof zugelassenen
Rechtsanwalt unterzeichnet und innerhalb eines Monats nach Zustellung des Be-
schlusses beim Bundesgerichtshof, Herrenstraße 45a, 76133 Karlsruhe einge-
reicht werden.


Dr. Münzberg Schell Dr. Jäger Dr. Wagner


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