14 W (pat) 5/16  - 14. Senat (Techn.Beschw.)
Karar Dilini Çevir:

ECLI:DE:BPatG:2017:171017B14Wpat5.16.0


BUNDESPATENTGERICHT



14 W (pat) 5/16
_______________
(Aktenzeichen)



Verkündet am
17. Oktober 2017





B E S C H L U S S

In der Beschwerdesache

betreffend das Patent 103 36 913


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hat der 14. Senat (Technischer Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf
die mündliche Verhandlung vom 17. Oktober 2017 unter Mitwirkung des
Vorsitzenden Richters Dr. Maksymiw, der Richter Schell und Dr. Jäger sowie der
Richterin Dr. Wagner

beschlossen:

Die Beschwerden der Einsprechenden und der Patentinhaberin
werden zurückgewiesen.


G r ü n d e

I.

Mit dem angefochtenen Beschluss vom 4. November 2015 hat die Patentabtei-
lung 43 des Deutschen Patent- und Markenamts das Patent 103 36 913 mit der
Bezeichnung

„Verwendung eines Lithiumsilicatmaterials“

beschränkt aufrechterhalten.

Die nebengeordneten Patentansprüche 1 und 6 nach Hauptantrag lauten wie folgt:

„1. Verwendung eines Lithiumsilicatmaterials in Form eines Lithi-
umsilicatrohlings, der Lithiummetasilicat als eine Hauptkristall-
phase enthält, zur Herstellung einer dentalen Restauration.
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6. Verwendung eines Lithiumsilicatmaterials in Form eines Lithi-
umsilicatglases, das für die Bildung von Lithiummetasilicat geeig-
nete Keime enthält, zur Herstellung einer dentalen Restauration.“

Der Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag hat folgenden Wortlaut:

„1. Verwendung eines Lithiumsilicatmaterials in Form eines Lithiumsilicatroh-
ling, der Lithiummetasilicat als Hauptkristallphase enthält, zur Herstellung einer
dentalen Restauration, wobei der Lithiumsilicatrohling mit Lithiummetasilicat als
Hauptkristallphase durch maschinelle Verarbeitung oder durch Heißpressen zu
einer gewünschten Geometrie geformt wird, um eine dentale Restauration zu bil-
den, und wobei der Lithiumsilicatrohling nach einem Verfahren herstellbar ist, bei
dem:
(a) eine Schmelze eines Ausgangsglases gebildet wird, die die Anfangskompo-
nenten SiO2, Li2O, K2O, Al2O3 und P2O5 als Hauptkomponenten, aber kein
La2O3 enthält,

(b) die Schmelze des Ausgangsglases in eine Form gegossen wird, um einen
Ausgangsrohling zu bilden, und der Glasrohling auf Raumtemperatur abge-
kühlt wird,

(c) der Ausgangsglasrohling einer ersten Wärmebehandlung bei einer ersten
Temperatur unterworfen wird, um ein Glasprodukt zu ergeben, welches
Keime enthält, die für die Bildung von Lithiummetasilicatkristallen geeignet
sind, und

(d) das Glasprodukt aus Stufe c) einer zweiten Wärmebehandlung bei einer
zweiten Temperatur unterworfen wird, die höher als die erste Temperatur
ist, um den Lithiumsilicatrohling mit Lithiummetasilicatkristallen als Haupt-
kristallphase zu erhalten.“
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Die Patentabteilung hat ihre Entscheidung im Wesentlichen damit begründet, dass
der auf die Verwendung beliebiger Lithiumsilicatrohlinge mit Lithiummetasilicat als
eine Hauptkristallphase zur Herstellung dentaler Restaurationen gerichtete Ge-
genstand des Patentanspruchs 1 nach Hauptantrag der ursprünglichen Offenba-
rung nicht zu entnehmen und damit unzulässig erweitert sei. Dagegen seien die
Patentansprüche 1 bis 30 gemäß Hilfsantrag sowohl ursprünglich offenbart als
auch aus der Patentschrift herleitbar. Dies gelte insbesondere auch für das Merk-
mal „kein La2O3“, dessen Aufnahme in den Patentanspruch 1 zu einer Beschrän-
kung des erteilten Anspruchs führe. Ferner seien die beanspruchten Gegenstände
neu und erfinderisch. Keine der in das Einspruchsverfahren eingeführten Entge-
genhaltungen

D1 DE 197 50 794 A1
D2 DE 24 51 121 A1
D3 M.P. Borom et al., “Strength and Microstructure in Lithium
Disilicate Glass-Ceramics”, Journal of the American Cera-
mic Society, 1975, 58, Seiten 385 bis 391
D4 US 4,515,634
D5 EP 0 160 797 A1
D6 WO 02/045614 A1
D7 US 2003/0073563 A1
D8 W. Höland et al., “Control of nucleation in glass ceramics”,
Phil. Trans. R. Soc. Lond. A, 2003, 361, Seiten 575 bis
589
D9 DE 29 49 619 A1
D10 Fraunhofer-Institut für Silicatforschung ISC, „Nachschmel-
zen von Ivoclar-Patentbeispielen, Ergebnisbericht,“
28. Mai 2015, 8 Seiten
D11 W. Höland und G. Beall, “GLASS-CERAMIC TECHNO-
LOGY”, American Ceramic Society, 2002, Westerville OH,
USA; Seiten 75 bis 83, 222 und 223
- 5 -
D12 DE 1 696 473 B
D13 US 2001/0031446 A1
D14 J. Deubener et al., “Induction time analysis of nucleation
and crystal growth in di- and metasilicate glasses”, Journal
of Non-Crystalline Solids, 1993, 163, Seiten 1 bis 12
D15 P.W. McMillan et al., “The Structure and Properties of a
Lithium Zinc Silicate Glass-Ceramic”, Journal of Materials
Science, 1966, 1, Seiten 269 bis 279

offenbare die Verwendung eines Lithiumsilicatrohlings mit den Merkmalen nach
Patentanspruch 1. Im Übrigen werde der Fachmann ausgehend von D1, einer
Druckschrift, die Lithiumsilicatrohlinge für die dentale Restauration betreffe, nicht
dazu angeregt, La2O3 in der Lithiumsilicatrezeptur zu vermeiden, da dieses für die
vorteilhaften Eigenschaften der hergestellten Lithiummaterialien verantwortlich sei.
Auch die weiteren Druckschriften lieferten keine Hinweise in Richtung einer Ver-
wendung eines La2O3-freien Lithiumsilicatrohlings zur dentalen Restauration, der
als Hauptkristallphase Lithiummetasilicat aufweise.

Gegen diesen Beschluss haben sowohl die Einsprechende als auch die Patentin-
haberin Beschwerde eingelegt.

Zur Stütze ihres Vorbringens verweist die Einsprechende auf folgende weitere
Druckschriften:

D16 Anlagenkonvolut:
Schott, Nacharbeitung des Beispiels 13 aus der DE 103 36 913 B4,
Schott ID 46802, Dezember 2015, 3 Seiten
Annex A: Schott, Temperung (Kristallisation) und anschließende
XRD-Analyse der Glaskeramikschmelze VSM 46802,
11.2.2016, 3 Seiten
D17 WO 2013/053866 A2
- 6 -
D18 W.F. Hammetter und R.E. Loehman, “Crystallization Kinetics of a
Complex Lithium Silicate Glass-Ceramic”, Journal of the American
Ceramic Society, 1987, 70, Seiten 577 bis 582
D19 Anlagenkonvolut:
D19A Schott, Nacharbeitung von Beispiel 22 der D1, Schott ID:
46803, 5 Seiten, Dezember 2015
D19B Schott, Nacharbeitung von Beispiel 22 der D1 ohne
Lanthan, Schott ID: 46808, 4 Seiten, Dezember 2015
AnnexA/B Schott, Temperung (Kristallisation) und anschließende
XRD-Analyse der Glaskeramikschmelzen VSM 46803/
46808, 11.2.2016, 4 Seiten
D19C Nacharbeitung des Beispiels 13 des Streitpatents, Schott
ID: 46802, 4 Seiten, Dezember 2015
Annex C Schott, Temperung (Kristallisation) und anschließende
XRD-Analyse der Glaskeramikschmelzen VSM 46802,
11.2.2016, 3 Seiten
D19D Schott, Arbeitsanweisung, gültig ab 14.12.2015, 3 Seiten
D19E Erklärung, Th. Kirsch, Schott AG, 5.9.17, 3 Seiten
D20 I.C. Madsen et al., “Description and survey of methodologies for the
determination of amorphous content via X-ray powder diffraction”,
Z. Kristallogr. 2011, 226, 944 bis 955
D21-A Anlagenkonvolut: Nacharbeitung des Beispiels 22 der Entgegenhal-
tung D1, 4 Seiten, 21.9.2017
D21-B Anlagenkonvolut: Nacharbeitung des Beispiels 13 des Streitpatents,
4 Seiten, 25.9.2017
D22 Ivoclar Vivadent Inc., “IPS, e.max® lithium disilicate, The Future of
All-Ceramic Dentistry”, 2/2009, 9 Seiten
D23 Report, Research and Development Ivoclar Vivadent AG, “IPS
e.max®, all ceramic…all you need”, 2006, 17, S. 1 bis 48
- 7 -
Die Einsprechende wendet ein, der Gegenstand des Patentanspruchs 1 nach
Haupt- und Hilfsanträgen werde durch die Aufnahme des Merkmals „Lithiummeta-
silicat als eine Hauptkristallphase“ unzulässig erweitert, da sich eine solche allge-
meine Lehre nicht in den ursprünglichen Unterlagen finde. Außerdem sei die
streitpatentgemäße Verwendung nicht über die beanspruchte Breite ausführbar,
weil das Streitpatent explizit erwähne, dass ein Lithiumsilicatmaterial mit Lithium-
metasilicat als Hauptkristallphase bzw. als eine Hauptkristallphase nur mit be-
stimmten Ausgangsglaszusammensetzungen unter Einhaltung von bestimmten
Verfahrensparametern erzielbar sei. Dies würden auch die Nacharbeitungen
gemäß D16, D19 und D21A belegen. Zudem verweist die Einsprechende gut-
achterlich auf D17, der entnommen werden könne, dass für die Bildung von Lithi-
ummetasilicat das Molverhältnis von Siliziumdioxid und Lithiumoxid maßgeblich
sei.

Ferner macht die Einsprechende mangelnde Neuheit gegenüber den Druckschrif-
ten D1, D4, D7, D13 bzw. den Nacharbeitungen gemäß den Anlagenkonvolu-
ten D16 und D19, sowie D21A geltend. Zur Begründung trägt sie vor, dass D1
bzw. die Nacharbeitungen D16, D19 und insbesondere D21A des Beispiels 22 der
D1 alle wesentlichen Merkmale des erteilten Anspruchs 1 vorwegnähmen.
Darüber hinaus beschreibe D4 eine Glaskeramik zur Verwendung als dentale
Restauration. Gemäß D4 werde zunächst ein Rohling aus einem Ausgangsglas
basierend auf Li2O, SiO2, Al2O3, K2O und P2O5 einer Wärmebehandlung bei einer
ersten Temperatur von 500°C und anschließend einer zweiten Wärmebehandlung
bei einer zweiten Temperatur von 550°C unterzogen. Da diese Temperaturen
denen des Streitpatents entsprächen, sei gemäß dem in D3, D8 und D14 belegten
Fachwissen davon auszugehen, dass der Rohling Lithiummetasilicat als kristalline
Hauptphase aufweise. Der angeblich zu niedrige Kaliumoxidgehalt mit 1,7 Gew.-%
der Zusammensetzung der D4 könne die Neuheit nicht begründen, da der streit-
patentgemäße Anspruch 1 des Kaliumoxids keine Mengenbeschränkung nenne.
Gleiches gelte für die vermeintlich zu langen Temperaturbehandlungszeiten, die
im streitpatentgemäßen Anspruch 1 ebenfalls nicht definiert würden. Auch die Ent-
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gegenhaltung D7 betreffe Glaskeramiken für die dentale Restauration auf Basis
von Li2O, SiO2, Al2O3, K2O und P2O5. Ein aus diesen Ausgangskomponenten her-
gestelltes Glas werde zur Erzeugung von Rohlingen einer zweistufigen Wärmebe-
handlung mit einer ersten Temperatur im Bereich von 450 bis 700°C und einer
zweiten Temperatur von 800 bis 1000°C unterworfen. Die so erhaltenen Rohlinge
würden anschließend mittels Maschinenbearbeitung in die gewünschte Form
gebracht. Gemäß D7 weise das Rohlingsmaterial mehrere Kristallphasen auf, u. a.
Lithiummetasilicat. Aufgrund der Unbestimmtheit des Begriffs „Hauptkristallphase“
werde dieses Merkmal aber bereits dann erfüllt, wenn Lithiummetasilicat über-
haupt bzw. gemeinsam mit Lithiumdisilicat vorliege. Ebenso werde in der Druck-
schrift D13 eine Dentalrestauration beschrieben, die aus einer Glaskeramik basie-
rend auf den streitpatentgemäßen Ausgangskomponenten während einer Wärme-
behandlung geformt werde. Nachdem die Temperaturen der Wärmebehandlung
den streitpatentgemäßen Temperaturen entsprächen, lese der Fachmann auf-
grund des ihm durch D8 und D9 vermittelten Fachwissens ohne weiteres mit, dass
die Glaskeramiken gemäß D13 Lithiummetasilicat als eine Hauptkristallphase auf-
wiesen.

Hinsichtlich der Gegenstände der Patentansprüche 1 und 6 gemäß Hilfsantrag 1
macht die Einsprechende geltend, diese würden sich ausgehend von der Nachar-
beitung D21A vom Streitgegenstand nach Patentanspruch 1 lediglich darin unter-
scheiden, dass nach seiner Bearbeitung der Rohling einer weiteren Wärmebe-
handlung bei 700 bis 950°C für eine Dauer von etwa 5 bis 30 min unterworfen
werde, was dem Fachmann aber aus D3 bzw. D11 bekannt sei.

Zur beanspruchten Verwendung nach Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag 2 trägt
die Einsprechende vor, diese werde durch die Aufnahme des Disclaimers „aber
kein La2O3“ unzulässig erweitert. In den Ursprungsunterlagen würden lediglich
Zusammensetzungen offenbart, die zwingend eine färbende und fluoreszierende
Komponente – zu denen Lanthanoxid zähle – aufweisen müssten. Die Patentinha-
berin habe den Disclaimer unzulässigerweise zur Abgrenzung gegenüber der
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Lehre der D1 hinsichtlich Neuheit und erfinderischer Tätigkeit aufgenommen.
Deshalb würden die zum Hauptantrag zur mangelnden Neuheit und zur erfinderi-
schen Tätigkeit geltend gemachten Einwände gleichermaßen für Patentan-
spruch 1 nach Hilfsantrag 2 gelten.

Des Weiteren macht die Einsprechende geltend, der Gegenstand von Patentan-
spruch 1 gemäß Hilfsantrag 2 beruhe unter Einbeziehung des Fachwissen auch
gegenüber den Druckschriften D1, D7, D3 in Kombination mit D8 bzw. D11, D4 in
Kombination mit D3 bzw. D12 i. V. m. mit D2 nicht auf einer erfinderischen Tätig-
keit.

Die dem Streitpatent zugrundeliegende Aufgabe, nämlich die Bereitstellung eines
leicht bearbeitbaren Lithiumsilicatrohlings, werde bereits durch D1 gelöst. Denn
aus der D1, insbesondere deren Beispiel 22, sei ein Glaskeramik-Rohling bekannt,
der aus den streitpatentgemäßen Hauptkomponenten bestehe. Nach D8 bzw. D11
sei davon auszugehen, dass aufgrund der gewählten Temperaturführung bei der
Wärmebehandlung des Ausgangsglases Lithiummetasilicat als Hauptkristallphase
erhalte werde. Im Unterschied zu D1 werde im Patentanspruch 1 gemäß Hilfsan-
trag 2 Lanthanoxid zwar durch einen Disclaimer ausgenommen, dieser beinhalte
jedoch keinen technischen Effekt und erweise sich aufgrund seiner willkürlichen
Wahl als unzulässig.

Auch ausgehend von D7, die einen Lithiumsilicatrohling für die dentale Restaura-
tion offenbare, gelange der Fachmann ohne erfinderisches Zutun zum Streitge-
genstand. Die Lehre der D7 unterscheide sich vom Streitgegenstand lediglich
darin, dass die Bearbeitung des Rohlings im Zustand des Lithiumdisilicats erfolge,
welches sich gegenüber Lithiummetasilicat durch eine erhöhte Festigkeit aus-
zeichne. Die geringere Festigkeit des Lithiummetasilicats und dessen bessere
Verarbeitbarkeit seien dem Fachmann aber zum Prioritätszeitpunkt bekannt gewe-
sen. Es habe für ihn deshalb nahegelegen, die maschinelle Bearbeitung vor der
Umwandlung des Lithiummetasilicats in das härtere Disilicat vorzunehmen.
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Ebenso gelange der Fachmann durch die Kombination der Druckschriften D3 und
D8 ohne erfinderisches Zutun zu der beanspruchten Verwendung. Denn aus bei-
den Dokumenten kenne der Fachmann Lanthanoxid-freie Glaskeramiken, die
Lithiummetasilicat als Hauptkristallphase aufwiesen. Weiterhin entnehme er der
D8, dass der Rohling mittels Heißpressen in die gewünschte Form gebracht wer-
den könne und das Material für die dentale Restauration geeignet sei. Diese Lehre
ergänze der Fachmann durch das allgemeine Fachwissen gemäß D3, wonach
Lithiummetasilicat eine gegenüber dem Disilicat geringere Festigkeit und eine
leichtere Verarbeitbarkeit aufweise, wodurch er in naheliegender Weise zum
Streitgegenstand gelange.

Die Entgegenhaltung D4 betreffe einen Lithiumsilicatrohling, der aus einer dem
Streitpatent entsprechenden Ausgangsschmelze gewonnen werde. Diese Schmel-
ze werde in Form gegossen und der so erhaltene Rohling nach dem Abkühlen auf
Raumtemperatur zwei Wärmebehandlungen unterzogen, deren Temperaturen
denen des Streitpatents entsprächen. Folglich gehe der Fachmann unter Einbezie-
hung seines Fachwissens davon aus, dass in diesem Stadium Lithiummetasilicat
als Hauptkristallphase vorliege. Im Unterschied zum Streitpatent werde der Roh-
ling gemäß der Lehre der D4 aber nicht maschinell bearbeitet, sondern gleich
einer weiteren Wärmebehandlung unterzogen. Angesichts der Lehre von D3, aus
der bekannt sei, dass Lithiummetasilicat sich aufgrund seiner geringeren Festig-
keit leichter verarbeiten ließe, habe es für den Fachmann nahe gelegen, die Bear-
beitung des Rohlings gemäß D4 vor der zweiten Wärmebehandlung vorzuneh-
men, um so eine bessere Bearbeitbarkeit zu gewährleisten.

Aus der Entgegenhaltung D12 kenne der Fachmann auch eine Glaskeramik mit
Lithiummetasilicat als Hauptkristallphase. Im Gegensatz zum Gegenstand des
Patentanspruchs 1 des Hilfsantrags 2 sei hier zwar nicht P2O5, sondern die foto-
empfindlichen Metalle Au, Ag und Cu als Keimbildner vorgesehen. Dieser Unter-
schied begründe aber keinen technischen Effekt, da der Fachmann aus D2 wisse,
dass P2O5 ebenfalls als Keimbildner geeignet sei. Zudem belegten die Druck-
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schriften D8 und D9 die Verwendung solcher Glaskeramiken zum Zweck der den-
talen Restauration lange vor dem Prioritätszeitpunkt des Streitpatents.

Die Einsprechende beantragt,

unter Zurückweisung der Beschwerde der Patentinhaberin den
Beschluss der Patentabteilung 43 des Deutschen Patent- und
Markenamts vom 4. November 2015 aufzuheben und das Patent
vollumfänglich zu widerrufen.

Außerdem regt die Einsprechende die Zulassung der Rechtsbeschwerde zu fol-
genden Fragen an:

„1. Ist ein ursprünglich nicht offenbarter Disclaimer, der zur Ab-
grenzung vom nächstgelegenen Stand der Technik in einen
Anspruch aufgenommen wird, zulässig?

2. Falls ja, kann dieser Disclaimer zur Begründung der erfin-
derischen Tätigkeit herangezogen werden?“

Die Patentinhaberin beantragt,

unter Zurückweisung der Beschwerde der Einsprechenden den
Beschluss der Patentabteilung 43 des Deutschen Patent- und
Markenamts vom 4. November 2015 aufzuheben und das Streit-
patent vollumfänglich aufrechtzuerhalten,
hilfsweise das Streitpatent im Umfang des Hilfsantrags 1 vom
17. Oktober 2017 aufrechtzuerhalten,
weiter hilfsweise, die Beschwerde der Einsprechenden zurückzu-
weisen.
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Außerdem regt die Patentinhaberin die Zulassung der Rechtsbeschwerde zu fol-
gender Frage an:

„Kann ein Patent wegen fehlender Neuheit widerrufen werden,
wenn sich der Neuheitseinwand auf eine implizite Offenbarung
stützt, der durch eine nicht-identische Nacharbeitung nachgewie-
sen werden soll?“

Die nebengeordneten Patentansprüche 1 und 6 des Hilfsantrags 1 lauten wie folgt:

„1. Verwendung eines Lithiumsilicatmaterials in Form eines Lithi-
umsilicatrohlings, der Lithiummetasilicat als eine Hauptkristall-
phase enthält, zur Herstellung einer dentalen Restauration, wobei
der Lithiumsilicatrohling mit Lithiummetasilicat als eine Hauptkris-
tallphase durch maschinelle Verarbeitung oder durch Heißpressen
zu einer gewünschten Geometrie geformt wird, um ein geformtes
Lithiumsilicatprodukt zu bilden, und das geformte Lithiumsilicat-
produkt einer Wärmebehandlung bei einer Temperatur von etwa
700 bis 950 °C für eine Dauer von etwa 5 bis 30 min. unterworfen
wird.

6. Verwendung eines Lithiumsilicatmaterials in Form eines Lithi-
umsilicatglases, das für die Bildung von Lithiummetasilicat geeig-
nete Keime enthält, zur Herstellung einer dentalen Restauration,
wobei das Lithiumsilicatglas, welches für die Bildung vom Lithium-
metasilicat geeignete Keime enthält, durch maschinelle Verarbei-
tung oder durch Heißpressen zu einer gewünschten Geometrie
geformt wird, um ein geformtes Lithiumsilicatprodukt zu bilden,
und das geformte Lithiumsilicatprodukt einer Wärmebehandlung
bei einer Temperatur von etwa 700 bis 950 °C für eine Dauer von
etwa 5 bis 30 min. unterworfen wird.“
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Zum Wortlaut der Patentansprüche 2 bis 5 und 7 bis 34 gemäß Hauptantrag, der
Patentansprüche 2 bis 5 und 7 bis 32 gemäß Hilfsantrag 1, sowie der Patentan-
sprüche 2 bis 30 gemäß Hilfsantrag 2 wird auf den Akteninhalt verwiesen.

Zur Begründung ihrer Beschwerde trägt die Patentinhaberin im Wesentlichen vor,
der Gegenstand der erteilten Patentansprüche gemäß Hauptantrag gehe nicht
über den Inhalt der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung hinaus.
Denn das Merkmal „Lithiummetasilicat als eine Hauptkristallphase“ könne den
ursprünglichen Unterlagen, insbesondere dem ursprünglichen Anspruch 14 ent-
nommen werden, der hinsichtlich der chemischen Zusammensetzung und der
Herstellungsweise der beanspruchten Lithiummetasilicat-Glaskeramik keine Be-
schränkung enthalte.

Darüber hinaus sei der Gegenstand der erteilten Patentansprüche so deutlich und
vollständig offenbart, dass ein Fachmann ihn ausführen könne. Dies gelte auch für
das im erteilten Anspruch 1 definierte Lithiumsilicatmaterial, das Lithiummetasilicat
als eine Hauptkristallphase enthalte. Das Streitpatent gebe dem Fachmann aus-
reichend Informationen an die Hand, um ihn in die Lage zu versetzen, geeignete
Bedingungen mittels Differentialthermoanalyse und Röntgenbeugungsanalysen für
die Bildung von Lithiummetasilicat zu bestimmen. Die Verwirklichung dieses Merk-
mals könne der Fachmann ohne weiteres durch quantitative Kristallphasenanalyse
mittels Röntgendiffraktometrie darstellen, einem ausweislich der D3 bereits seit
1975 etablierten Verfahren. Gemäß D20 könnten die Mengen der Kristallphasen
auch ohne Kenntnis der Menge der amorphen Phase ermittelt werden, indem ein
interner Stand zur Bestimmung der jeweils zu quantifizierenden Kristallphase ver-
wendet werde. Die Ausführbarkeit werde auch nicht durch die Nacharbeitungen
gemäß den Anlagenkonvoluten D19C und D21B in Frage gestellt, da hier die Ver-
fahrensparameter von Beispiel 13 des Streitpatents, insbesondere in Bezug auf
die Wärmebehandlung, nicht eingehalten worden seien.
- 14 -
Der Gegenstand der erteilten Patentansprüche werde auch nicht durch die impli-
zite Offenbarung der D1 neuheitsschädlich vorweggenommen. Denn die Nachar-
beitung von Beispiel 22 der D1 gemäß Anlagenkonvolut D19 verwende bei der
Herstellung der Glasschmelze und den anschließenden Kristallisationsschritten
von Beispiel 22 abweichende Zeit-Temperatur-Profile. Die weitere Nacharbeitung
gemäß Dokument D21A unterscheide sich von Beispiel 22 der D1 bereits darin,
dass das Ausgangsglas nicht die in Tabelle I der D1 angegebene Zusammenset-
zung, sondern lediglich eine Rohstoffmischung aufweise, die auf Basis der Men-
genangaben der in Tabelle I genannten Oxidkomponenten berechnet worden sei.
Diese Vorgehensweise führe zu einer Abweichung in der geforderten Glaszusam-
mensetzung, da einzelne Komponenten der Glasschmelze dieser durch Bildung
unlöslicher Schlacken oder durch Abdampfen teilweise entzogen würden.

In Bezug auf die erfinderische Tätigkeit macht die Patentinhaberin geltend, dass
ausgehend von den aus D1 bzw. D4 bekannten Lithiumdisilicat-Glaskeramiken in
Zusammenschau mit D2 bzw. D3 die Verwendung von Glaskeramiken mit Lithi-
ummetasilicat als eine Hauptkristallphase zur Herstellung von Dentalrestauratio-
nen schon deshalb nicht nahegelegen habe, weil es sich weder bei der D2 noch
bei der D3 um Druckschriften des Fachgebiets Dentaltechnik handle. Zudem lehre
D2 die Vermeidung der Bildung von Lithiummetasilicat durch geeignete Steuerung
des Kristallwachstums. Der D3 könne der Fachmann entnehmen, dass ein Metasi-
licat/Glas-System aufgrund des fehlenden Zusammenhalts zwischen dem Glas
und den Kristallen bereits unter relativ geringer Belastung breche, und dass Lithi-
ummetasilicat gegenüber den entsprechenden Gläsern anders als Disilicat keine
Vorteile im Hinblick auf die Rissausbreitung biete. Folglich würden die Aussagen
der D3 den Fachmann nicht dazu veranlassen, Lithiumglaskeramiken auf Basis
von Metasilicat für die Herstellung von Dentalrestaurationen, insbesondere durch
maschinelle Bearbeitung, in Betracht zu ziehen.

Wegen der weiteren Einzelheiten, wird auf den Inhalt der Akten verwiesen.
- 15 -
II.

Die Beschwerden der Einsprechenden und der Patentinhaberin sind zulässig,
bleiben in der Sache jedoch ohne Erfolg.

1. Das Streitpatent erweist sich im Umfang der verteidigten Fassungen gemäß
Hauptantrag und Hilfsantrag 1 als nicht patentfähig.

1.1 Das Patent betrifft die Verwendung eines Rohlings aus einem Lithiumsilicat-
material, das durch maschinelle Verarbeitung einfach geformt und anschließend
zu dentalen Restaurationen von hoher Festigkeit umgewandelt werden kann (vgl.
Streitpatentschrift, Patentansprüche 1, 13, 17 und 19, S. 2, [0001]). In der Streit-
patentschrift wird hierzu einleitend ausgeführt, dass auf dem Gebiet der dentalen
Restauration ein steigender Bedarf an Materialien besteht, die eine sogenannte
Stuhlbehandlung für den Zahnarzt ermöglichen. Hierfür ist es wichtig, dass das
Material innerhalb kurzer Zeit maschinell verarbeitbar ist, ohne eine übermäßige
Abnutzung der hierfür eingesetzten Werkzeuge zu verursachen. Dies erfordert
eine relativ niedrige Festigkeit im Stadium des zu verarbeitenden Materials sowie
eine hohe Festigkeit der endgültigen Restauration. In der Praxis hat sich gezeigt,
dass Lithiumdisilicat-Glaskeramiken zu einer erhöhten Abnutzung der Werkzeuge
und langen Verarbeitungszeiten führen. Dagegen hat die maschinelle Verarbei-
tung des Grünkörpers im ungesinterten Zustand zur Folge, dass die keramischen
Restaurationen im Sinterschritt eine drastische Schrumpfung erleiden, so dass die
geforderten Dimensionen nicht eingehalten werden (vgl. Streitpatentschrift S. 2,
[0002-0008]).

1.2 Vor diesem Hintergrund liegt dem Streitpatent die Aufgabe zugrunde, ein
Material für einen Rohling zur Herstellung von dentalen Restaurationen bereitzu-
stellen, das eine verbesserte maschinelle Verarbeitung gewährleistet (vgl. Streit-
patentschrift S. 3, [0011 und 0012] i. V. m. S. 2, [0002], [0006]).
- 16 -
1.3 Diese Aufgabe wird gemäß Patentanspruch 1 nach Hauptantrag gelöst
durch eine

1.1. Verwendung eines Lithiumsilicatmaterials zur Herstellung einer
dentalen Restauration
1.2. in Form eines Lithiumsilicatrohlings,
1.2.1 der Lithiummetasilicat als eine Hauptkristallphase enthält.

1.4 Bei dem vorliegend zuständigen Fachmann handelt es sich um einen
Diplom-Chemiker, der über eine mehrjährige Erfahrung auf dem Gebiet der den-
talen Glaskeramiken verfügt.

1.5 Vorliegend enthält der Patentanspruch 1 gemäß Hauptantrag das Merkmal
„Lithiummetasilicat als eine Hauptkristallphase“. Um den Sinngehalt und die Be-
deutung dieses Merkmals verstehen zu können, wird der Fachmann zu ermitteln
suchen, was mit diesem Merkmal im Hinblick auf die patentgemäße Erfindung
erreicht werden soll (vgl. BGH GRUR 1999, 909 – Spannschraube).

Nach der Lehre des Streitpatents sollen dentale Restaurationen aus einem Roh-
ling hergestellt werden, der aus einem Lithiumsilicatmaterial besteht, das eine
Glaskeramik darstellt (vgl. Streitpatentschrift, S. 3, [0012 und 0013]). Die Glaske-
ramik weist nach einer ersten Kristallisation neben dem Ausgangsglas grundsätz-
lich die Kristallphasen Lithiummetasilicat, Lithiumdisilicat und Lithiumphosphat
sowie Cristobalit auf, wobei allerdings nach der Lehre des Streitpatents die hoch-
festen Phasen Lithiumdisilicat und Lithiumphosphat sowie Cristobalit vermieden
oder zumindest beschränkt werden sollen (vgl. Streitpatentschrift, S. 3, [0013],
S. 7, [0038]). Nach den Patentansprüchen 2 und 3 wird das Lithiumsilicatmaterial
zu 20 bis 50 Vol.-% bzw. zu 30 bis 40 Vol.-% aus Lithiummetasilicat gebildet. Da-
mit wird jedoch nicht ausgeschlossen, dass Lithiumdisilicat als weitere Hauptkris-
tallphase vorliegt (vgl. Streitpatentschrift, S. 16 bis 17, Tab. IV, „vorhandene Pha-
sen nach der 1. Kristallisation“).
- 17 -
1.6 Hinsichtlich der Zulässigkeit der erteilten Patentansprüche 1 bis 34 gemäß
Hauptantrag bestehen von Seiten des Senats keine Bedenken.

1.6.1 Der erteilte Patentanspruch 1 findet seine Offenbarung in den ursprünglich
eingereichten Patentansprüchen 14 und 15 i. V. m. Seite 8, erster vollständiger,
dritter und vierter Absatz der Erstunterlagen. Die weiteren erteilten Patentansprü-
che 2 bis 34 gehen zurück auf die ursprünglich eingereichten Ansprüche 8 bis 10
und 21 bis 52.

1.6.2 Der erteilte Patentanspruch 1 ist entgegen der Auffassung der Einsprechen-
den nicht das Ergebnis einer unzulässigen Erweiterung der Ursprungsoffenba-
rung.

Nach der von der Einsprechenden zitierten BGH-Entscheidung „Kommunikations-
kanal“, muss für den Fachmann die im Anspruch bezeichnete Lehre „unmittelbar
und eindeutig“ als mögliche Ausführungsform der Erfindung den Ursprungsunterla-
gen entnehmbar sein. Das Erfordernis einer unmittelbaren und eindeutigen Offen-
barung ist dabei in einer Weise anzuwenden, die berücksichtigt, dass die Ermitt-
lung dessen, was dem Fachmann als Erfindung und was als Ausführungsbeispiel
der Erfindung offenbart wird, wertenden Charakter hat, und eine unangemessene
Beschränkung des Anmelders bei der Ausschöpfung des Offenbarungsgehalts der
ursprünglichen Unterlagen vermeidet. Insoweit ist darauf abzustellen, dass das
Interesse des Anmelders regelmäßig darauf gerichtet sein wird, einen möglichst
breiten Schutz zu erlangen, also die Erfindung in möglichst allgemeiner Weise
vorzustellen und nicht auf die aufgezeigten Anwendungsbeispiele zu beschränken.
Die Ausschöpfung des Offenbarungsgehalts schließt auch Verallgemeinerungen
ursprungsoffenbarter Ausführungsbeispiele mit ein. Danach ist ein „breit“ formu-
lierter Anspruch unter dem Gesichtspunkt der unzulässigen Erweiterung jedenfalls
dann unbedenklich, wenn sich ein in der Anmeldung beschriebenes Ausführungs-
beispiel der Erfindung für den Fachmann als Ausgestaltung der im Anspruch um-
schriebenen allgemeineren Lehre darstellt und diese Lehre in der beanspruchten
- 18 -
Allgemeinheit für ihn bereits der Anmeldung – sei es in Gestalt eines in der An-
meldung formulierten Anspruchs, sei es nach dem Gesamtzusammenhang der
Unterlagen – als zur angemeldeten Erfindung gehörend entnehmbar ist. Solche
Verallgemeinerungen sind vornehmlich dann zugelassen, wenn von mehreren
Merkmalen eines Ausführungsbeispiels, die zusammengenommen, aber auch für
sich betrachtet, dem erfindungsgemäßen Erfolg förderlich sind, nur eines oder nur
einzelne in den Anspruch aufgenommen worden sind (BGH, GRUR 2014, 542
– Kommunikationskanal).

Demnach kann die Patentinhaberin zu Recht die Verwendung eines Lithiumsili-
catmaterials in Form eines Rohlings zur Herstellung einer dentalen Restauration
beanspruchen, der Lithiummetasilicat als Hauptkristallphase enthält. Denn in den
ursprünglich eingereichten Ansprüchen 14 und 15 wird allgemein ein Lithiumsili-
catmaterial für einen Rohling angegeben, der zur Herstellung von dentalen Res-
taurationen verwendet wird. Das Rohlingsmaterial wird dabei durch ein Verfahren
erhalten, welches einen Wärmebehandlungsschritt beinhaltet, bei dem eine kris-
talline Phase gebildet wird, die hauptsächlich Lithiummetasilicat enthält. Darüber
hinaus weisen die Erstunterlagen Ausführungsbeispiele auf, die Lithiumsilicatma-
terialien betreffen, die ausschließlich Lithiummetasilicat als kristalline Phase nach
der ersten Kristallisation enthalten (vgl. ursprünglich eingereichte Beschreibung
Tabelle IV, Beispiele 1, 3, 4, 6, 7, 9, 10 und 12 bis 18). Lithiumsilicatmaterial mit
der Hauptkristallphase Lithiummetasilicat ist aufgrund seiner im Vergleich zu Lithi-
umdisilicat geringeren Festigkeit leichter maschinell zu einer dentalen Restaura-
tion verarbeitbar (vgl. ursprünglich eingereichte Beschreibung S. 4/5 übergr. Abs.).
Deshalb ist für den Fachmann, der sich die Frage vorlegt, welche technische
Lehre zur Lösung des geschilderten technischen Problems er den Anmeldeunter-
lagen entnehmen kann, ohne weiteres ersichtlich, dass die Erstunterlagen eine
bessere maschinelle Verarbeitbarkeit des Rohlings angeben, die durch die gerin-
gere Festigkeit des Materials „Lithiummetasilicat“ bewirkt wird. Der Einwand der
Einsprechenden, das streitpatentgemäße Lithiumsilicatmaterial mit Lithiummetasi-
licat als Hauptkristallphase würde nur für die im Streitpatent genannten Zusam-
- 19 -
mensetzungen in Verbindung mit dem offenbarten Herstellungsverfahren gebildet,
geht damit fehl. Denn für den Fachmann liegt es auf der Hand, dass diese allge-
meine Lehre lediglich beispielhaft anhand der in den Erstunterlagen genannten
Zusammensetzungen und Verfahrensweisen erläutert werden soll.

1.7 Es kann dahingestellt bleiben, inwiefern die beanspruchte Verwendung
gemäß dem erteilten Patentanspruch 1 nach Hauptantrag so deutlich und vollstän-
dig offenbart ist, dass ein Fachmann sie ausführen kann, denn ihre Bereitstellung
ist jedenfalls nicht neu.

1.7.1 Die D1 offenbart ein Verfahren zur Herstellung von geformten transluzenten
Lithiumdisilicat-Glaskeramik-Produkten, die als dentale Restaurationen eingesetzt
werden (vgl. D1 Patentanspruch 1, S. 2 Z. 3 bis 6). Die Lithiumdisilicat-Produkte
werden aus einer Schmelze eines Ausgangsglases erzeugt, die bevorzugt die
Komponenten

SiO2 57,0 bis 75 Gew.-%
Al2O3 0 bis 2,5 Gew.-%
La2O3 0,1 bis 4,0 Gew.-%
MgO 0,1 bis 5,0 Gew.-%
ZnO 0 bis 6,0 Gew.-%, insbesondere 0,1 bis 5,0 Gew.-%
ZrO2 0 bis 8,0 Gew.-%, insbesondere 0,1 bis 8,0 Gew.-%
K2O 0 bis 9,0 Gew.-%, insbesondere 0,5 bis 7,0 Gew.-%
Li2O 13,0 bis 19,0 Gew.-%
P2O5 0 bis 8,0 Gew.-%, insbesondere 0,5 bis 8,0 Gew.-%
Farb- und Fluoreszenzkomponenten 0,1 bis 8,0 Gew.-%
Zusatzkomponenten 0 bis 3,0 Gew.-%

enthält (Patentanspruch 10). Um ein als Rohling vorliegendes, geformtes Glaske-
ramik-Produkt zu erhalten, wird die Schmelze in gewünschter Weise geformt und
- 20 -
abgekühlt und das so erhaltene Glas-Produkt anschließend mindestens einer
Wärmebehandlung im Temperaturbereich von 400 bis 1100°C unterzogen (vgl.
D1, Patentansprüche 1 und 10). Der Rohling kann entweder durch plastische
Verformung bei 700 bis 1200°C und 8 bis 40 bar oder durch spanende Bearbei-
tung zu der gewünschten Geometrie verarbeitet werden. Im Falle der spanenden
Verarbeitung folgt dabei nach dem Formen noch eine zweite Wärmebehandlung
bei 700 bis 900°C (vgl. D1, Patentansprüche 2 bis 4). Angaben zur kristallinen Be-
schaffenheit des Rohlings finden sich dagegen in der D1 nicht.

1.7.2 Hierzu hat die Einsprechende das Beispiel 22 der D1 nachgearbeitet und
diese Nacharbeitung als Anlagenkonvolut D21A eingereicht, um dadurch zu bele-
gen, dass der Rohling nach der ersten Wärmebehandlung Lithiummetasilicat als
eine Hauptkristallphase entsprechend den Merkmalen des erteilten Patentan-
spruchs 1 enthält. Die Nacharbeitung geht dabei entsprechend der Vorgabe aus
Beispiel 22 von einer Zusammensetzung gemäß Beispiel 7 in Tabelle 1 der D1
aus. Aus dem Gemisch der Rohstoffe wird unter Einhaltung der in Beispiel 22
genannten Verfahrensbedingungen ein Rohling herstellt, dessen kristalline Zu-
sammensetzung durch eine XRD-Analyse ermittelt worden ist. Der Rohling
besteht folglich zu 25,6 Vol.-% Lithiummetasilicat und enthält im Rahmen der
Messgenauigkeit kein Lithiumdisilicat und entspricht damit der anspruchsgemäß
verwendeten Keramik.

1.7.3 Im Hinblick auf die Nacharbeitung D21A hat die Patentinhaberin geltend
gemacht, diese würde die nach dem BGH-Urteil „Metazachlor“ (BGH Urteil vom
15. März 2011 – X ZR 58/08 –, juris) und dem Urteil 3 Ni 5/15 des BPatG (BPatG
Urteil vom 11. Oktober 2016 – 3 Ni 5/15 (EP) –, juris) aufgestellten strengen Maß-
stäbe nicht erfüllen, die bei der Feststellung einer implizierten Offenbarung einer
Druckschrift des Standes der Technik durch Nacharbeitung angelegt werden
müssten. So seien bei der Bildung des Ausgangsglases gemäß D21A im Hinblick
auf die in Beispiel 22 der D1 geforderten Verfahrensbedingungen nicht eingehal-
ten worden, da keine Analyse des Ausgangsglases vorläge, die eine Überein-
- 21 -
stimmung der Zusammensetzung mit der von Beispiel 7 gemäß Tabelle 1 belege.
Der Senat teilt diesen Einwand aus folgenden Gründen nicht: Gemäß D1 wird in
Beispiel 22 „Zunächst ein Ausgangsglas mit der in der Tabelle I für Beispiel 7
angegebenen Zusammensetzung hergestellt. Dazu wurde ein Gemenge aus Oxi-
den, Carbonaten und Phosphaten in einer Kugelmühle gemischt …“ (vgl. D1, S. 9,
Z. 35 bis 37). Aus dem genannten Gemenge wird dann eine Glasschmelze herge-
stellt. Angaben hinsichtlich einer Schlackenbildung bzw. Abdampfungen, die – wie
von der Patentinhaberin geltend gemacht – zu einer veränderten Zusammenset-
zung des Ausgangsglases im Vergleich zu den eingesetzten Mengen der Aus-
gangskomponenten führen würden, finden sich hingegen in D1 nicht. Nachdem
von der darlegungs- und beweispflichtigen Patentinhaberin keine Belege hierzu
vorgelegt worden sind, muss davon ausgegangen werden, dass die in Tabelle 1
für Beispiel 7 genannten Mengen der Einzelkomponenten des Ausgangsglases
entsprechen (vgl. Benkard/Kober-Dehm PatG, 11. Aufl., § 22 Rn. 74). Damit ist die
D21A als identische Nacharbeitung zu werten.

1.7.4 In Verbindung mit D21A erweist sich D1 somit als neuheitsschädlicher
Stand der Technik, der sämtliche Merkmale des erteilten Patentanspruchs 1
gemäß Hauptantrag vorwegnimmt.

1.8 Inwieweit die Verwendung eines Lithiumsilicatmaterials nach Patentan-
spruch 1 gemäß Hilfsantrag 1 ausführbar bzw. neu ist, kann vorliegend dahinge-
stellt bleiben, da die Lehre des Patentanspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 1 jedenfalls
nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht.

1.8.1 Gegenüber dem erteilten Patentanspruch 1 weist der Patentanspruch 1 fol-
gende zusätzliche Merkmale auf:

1.3 wobei der Lithiumsilicatrohling mit Lithiummetasilicat als eine
Hauptkristallphase durch maschinelle Verarbeitung oder durch
- 22 -
Heißpressen zu einer gewünschten Geometrie geformt wird, um
ein geformtes Lithiumsilicatprodukt zu bilden
1.4 das geformte Lithiumsilicatprodukt einer Wärmebehandlung bei
einer Temperatur von etwa 700 bis 950°C für eine Dauer von
etwa 5 bis 30 min unterworfen wird.
1.8.2 Bezüglich der ausreichenden Offenbarung des Gegenstands der Patentan-
sprüche 1 bis 32 gemäß Hilfsantrag 1 bestehen keine Bedenken, da deren Merk-
male sowohl aus den Erstunterlagen (vgl. Ansprüche 14 und 15 i. V. m. Ansprü-
chen 8 bis 10 und 21 bis 52, Erstunterlagen Seite 8, erster vollständiger, dritter
und vierter Absatz) wie auch aus der Patentschrift (vgl. Patentansprüche 1 bis 34)
ableitbar sind bzw. diesen im Wortlaut entsprechen. Auch das Merkmal „Lithium-
metasilicat als eine Hauptkristallphase“ in Anspruch 1 ist aus den in Ab-
schnitt II.1.6 genannten Gründen den ursprünglichen Unterlagen zu entnehmen.

1.8.3 Ein Ausgangspunkt zur Lösung der patentgemäßen Aufgabe stellt für den
Fachmann die Druckschrift D1 dar, die mit der Herstellung von geformten trans-
luzenten Lithiumdisilicat-Glaskeramik-Dentalprodukten befasst ist. Die Produkte
werden aus Rohlingen hergestellt, die insbesondere durch plastische Verformung
unter Druck- und Wärmeeinwirkung oder spanende Bearbeitung und anschließen-
der Wärmeeinwirkung zu geformten transluzenten Dentalprodukten mit hoher Fes-
tigkeit verarbeitet werden (vgl. D1, Patentansprüche 1, 13, 17 und 19, S. 2, Z. 3
bis 6). Die Rohlinge werden aus einer Schmelze eines Ausgangsglases erzeugt,
das 57 bis 80 Gew.-% SiO2 und 11,0 bis 19,1 Gew.-% Li2O enthält, das in der
gewünschten Weise geformt und abgekühlt wird, bevor es einer Wärmebehand-
lung bevorzugt zwischen 400 bis 900°C unterzogen wird (vgl. D1, Patentansprü-
che 1 und 4). Der Kristallinitätsgrad des eingesetzten Glaskeramik-Rohlings kann
an die Art der gewünschten spanenden Bearbeitung angepasst werden. Im Falle
einer „chair-side“ Behandlung liegt der Glasrohling noch nicht vollständig kristalli-
siert vor, sondern lediglich als keimhaltiger Glasrohling oder Glaskeramikrohling
mit sehr kleinen Kristallen (vgl. D1, S. 4, Z. 64 bis S. 5, Z. 7). Nach der spanenden
- 23 -
Bearbeitung wird das geformte Glaskeramik-Produkt mindestens einer weiteren
Wärmebehandlung bei 700 bis 900°C unterzogen, um eine weitere Kristallisation
und damit eine Verfestigung des Glaskeramik-Produkts zu erzielen, die u. a. die
Bruchfestigkeit verbessert (vgl. D1, Patentanspruch 5, S. 5, Z. 8 bis 11). Gemäß
Beispiel 22 wird der Rohling einer ersten Wärmebehandlung bei 650°C/1h unter-
worfen, bevor er durch Fräsen in die gewünschte Form der dentalen Restauration
verarbeitet wird. Aufgrund der relativ geringen Festigkeit und Zähigkeit der Glaske-
ramik-Rohlinge ist die Verarbeitung einfach durchführbar und es treten weniger
Ausbrüche auf. Zudem ist der Werkzeugverschleiß geringer. Die gefräste Restau-
ration wird dann noch einer zweiten Wärmebehandlung bei 760°C/1h unterzogen,
die zu einer weitergehenden Kristallisation und damit einer Änderung der Eigen-
schaften der Restauration führt (vgl. D1, S. 9 Z. 25 bis 67).

Für den Fachmann liegt es ausgehend von D1 nahe, sich auf der Suche nach ver-
besserten Glaskeramik-Materialien zunächst den auf dem Gebiet der dentalen
Restaurationen bekannten Materialien zuzuwenden und diese auf Optimierungs-
möglichkeiten hin zu überprüfen (vgl. BGH GRUR 2010, 607 – Fettsäurezusam-
mensetzung). Hierbei ist es für ihn naheliegend, sich mit der Kristallinität des Roh-
lingsmaterials zu befassen, welche sich gemäß D1 maßgeblich auf die Verarbeit-
barkeit auswirkt (vgl. D1, S. 4, Z. 57 bis S. 5, Z. 7). Dabei wird der Fachmann auf
die D3 stoßen, einen Fachartikel, der sich mit dem Zusammenhang zwischen
Festigkeit und Mikrostruktur von Lithiumdisilicat-Glaskeramiken beschäftigt (vgl.
D3, S. 385 li. Sp. 1. Abs.). Aus der Publikation erfährt er, dass bei Wärmebe-
handlungstemperaturen zwischen 550 von 750°C Lithiummetasilicat, bei Tempera-
turen zwischen 750°C und 820°C Lithiummetasilicat neben Lithiumdisilicat und ab
820 bis 980°C ausschließlich Lithiumdisilicat gebildet wird. Mit der Bildung von
Lithiumdisilicat korreliert zugleich ein sprunghafter Anstieg der Härte des Materials
(vgl. D3, S. 390, spaltenübergr. Abs., Fig. 5). Nachdem aber ein zu hartes Material
zu einem unerwünschten Verschleiß des Werkzeugs führt, wird sich der Fach-
mann somit einem Glaskeramik-Material für den Rohling zu wenden, das einen
- 24 -
erhöhten Anteil an Lithiummetasilicat aufweist und damit gegenüber Lithiumdisili-
cat eine deutlich geringere Härte aufweist.

Anders als von der Patentinhaberin angenommen, hält den Fachmann die Tatsa-
che, dass sich Risse in einer Glaskeramik mit Lithiummetasilicat gemäß D3 leicht
ausbreiten (vgl. D3, S. 390 re. Sp. vorletzt. Abs., S. 391, 2. vollst. Abs.), nicht
davon ab, sein Augenmerk auf ein solches Material zu richten. Denn in D3 wird
auch angegeben, dass Lithiummetasilicat im Vergleich zum Ausgangsglas und
Lithiumdisilicat einen größeren Expansionskoeffizienten hat, der maßgeblich für
die Beständigkeit gegen Oberflächenbrüche ist (vgl. D3 S. 390/391 übergr. Abs.).
Damit liefert D3 dem Fachmann eine konkrete Anregung dafür, die Kristallinität
des Rohlings dahingehend zu steuern, dass Lithiummetasilicat als eine Haupt-
kristallphase im Lithiumsilicatmaterial vorliegt. Denn dem Fachmann ist bekannt,
dass mit der geringen Festigkeit des Materials ein geringer Werkzeugverschleiß
und eine kürzere Verarbeitungszeit verbunden sind, wobei das Material dennoch
für eine abrasive Verarbeitung, wie dem Fräsen, ausreichend stabil ist (vgl. D3,
S. 391, li. Sp., vorletzt. Abs.).

Im Hinblick auf das weitere Merkmal 1.5, nach dem der maschinell bearbeitete
Rohling einer zweiten Wärmebehandlung bei etwa 700 bis 950°C für eine Dauer
von etwa 5 bis 30 min unterzogen wird, um die Lithiumdisilicat bestehende dentale
Restauration zu erhalten, bedarf es keiner erfinderischen Überlegungen. Dem
Fachmann ist aufgrund seines Fachwissens geläufig, dass für die Ausbildung von
Lithiumdisilicat ein Temperaturprofil von 920°C/5–15 min bzw. von 910°C/15 min
bei der Anwendung von Heißpressverfahren bzw. von 760°C/1h bei spanenden
Formgebungsverfahren üblich ist (vgl. D11, S. 81, 3. Spiegelstrich; vgl. D1, S. 8,
Z. 28, S. 9, Z. 65). Ausgehend von diesen Eckdaten bedurfte es für den Fach-
mann keines erfinderischen Zutuns, um im Rahmen von routinemäßigen Optimie-
rungsversuchen ein Temperaturprofil entsprechend Merkmal 1.5 festzulegen.
- 25 -
Der Senat teilt die Auffassung der Patentinhaberin nicht, in D3 sei lediglich eine
Musterzusammensetzung getestet worden und die Ergebnisse folglich nicht ver-
allgemeinerbar, weil für den Erhalt von Lithiummetasilicat bzw. Lithiumdisilicat zum
einen das Verhältnis von Li2O zu SiO2 und zum anderen das gewählte Tempera-
turprofil als maßgeblich angesehen werden müsse, wie Beispiel I-16 belege, bei
dem nach einer Keimbildungsphase direkt Lithiumdisilicat erhalten werde. Gemäß
den Beispielen I-4 bis I-22 aus Tabelle III, die alle einer identischen ersten Wär-
mebehandlung für die Keimbildung mit 645°C/1h ausgesetzt waren, wurde je nach
dem gewählten Temperaturprofil der zweiten Wärmebehandlung entweder nur
Lithiummetasilicat, eine Mischung von Lithiummetasilicat und Lithiumdisilicat oder
nur Lithiumdisilicat erhalten (vgl. D3, S. 385, Tab. I, S. 386 Tab. III). Aus diesen
Ergebnissen wird in D3 geschlossen, dass das thermodynamisch instabile Lithi-
ummetasilicat kinetisch bevorzugt gebildet wird und eine Zwischenphase bei der
Bildung von Lithiumdisilicat darstellt (vgl. D3, S. 387, li. Sp. letzt. Abs. bis re. Sp.
2. vollst. Abs.). Der Patentinhaberin ist zwar insoweit zuzustimmen, als in D3 eine
spezielle Zusammensetzung gewählt wurde, die nach der zweiten Wärmebehand-
lung bevorzugt nur eine einzige kristalline Phase ausbilden sollte (vgl. D3, S. 385,
li. Sp. vorletzt. Abs.). Allerdings ist dem Fachmann aufgrund seines Fachwissens
bekannt, dass grundsätzlich bestimmte Mengenverhältnisse von Siliziumdioxid zu
Lithiumoxid einzuhalten sind, um die gewünschten Silicatkristallphasen zu erhalten
(vgl. D8, S. 579 bis 581, Kap. „(ii) Lithium disilicate glass ceramics“; D11 S. 75,
Fig. 2-1, S. 78 erster Spiegelpunkt). Folglich sind die Ergebnisse der D3 vor dem
Hintergrund des Fachwissens verallgemeinerbar.

Nach alledem fehlt es der Verwendung nach Patentanspruch 1 gemäß Hilfsan-
trag 1 an der erforderlichen erfinderischen Tätigkeit.

1.9 Das vorstehend Gesagte gilt im Übrigen auch für den nicht ausdrücklich
verteidigten, nebengeordneten Patentanspruch 6 gemäß Hauptantrag bzw. Hilfs-
antrag 1, der auf die Verwendung eines Lithiumsilicatmaterials in Form eines Lithi-
umsilicatglases zur Herstellung einer dentalen Restauration gerichtet ist, das für
- 26 -
die Bildung von Lithiummetasilicat geeignete Keime enthält, und dessen wesentli-
che Merkmale mit denen des jeweiligen Patentanspruchs 1 übereinstimmen.

1.10 Die jeweils abhängigen Patentansprüche 2 bis 5 und 7 bis 34 nach Haupt-
antrag und die jeweils abhängigen Patentansprüche 2 bis 5 und 7 bis 32 nach
Hilfsantrag 1 beschreiben weitere Ausführungsformen der Verwendung des jewei-
ligen Patentanspruchs 1 bzw. 6, für die ein eigener erfinderischer Überschuss
seitens des Senats nicht erkennbar ist und auch von der Patentinhaberin nicht
geltend gemacht wurde. Sie teilen daher das Schicksal der jeweiligen Verwen-
dungsansprüche 1 und 6.

2. Im Umfang der von der Patentabteilung in dem angefochtenen Beschluss
aufrechterhaltenen Fassung (Hilfsantrag 2) erweist sich das Streitpatent dagegen
als bestandskräftig.

2.1 Patentanspruch 1 von Hilfsantrag 2 unterscheidet sich vom erteilten Patent-
anspruch 1 gemäß Hauptantrag dadurch, dass das Wort „eine“ nach „…der Lithi-
ummetasilicat als“ und die Wortfolge „und im Wesentlichen frei von La2O3 ist,“
gestrichen und zusätzlich die folgenden Merkmale aufgenommen worden sind:

„1.3‘ wobei der Lithiumsilicatrohling mit Lithiummetasilicat als Hauptkristallphase
durch maschinelle Verarbeitung oder durch Heißpressen zu einer ge-
wünschten Geometrie geformt wird, um eine dentale Restauration zu bil-
den,

1.4‘ und wobei der Lithiumsilicatrohling nach einem Verfahren herstellbar ist, bei
dem:
(a) eine Schmelze eines Ausgangsglases gebildet wird, die die Anfangs-
komponenten SiO2, Li2O, K2O, Al2O3 und P2O5 als Hauptkomponenten,
aber kein La2O3 enthält,
- 27 -
(b) die Schmelze des Ausgangsglases in eine Form gegossen wird, um
einen Ausgangsrohling zu bilden, und der Glasrohling auf Raumtempe-
ratur abgekühlt wird,

(c) der Ausgangsglasrohling einer ersten Wärmebehandlung bei einer ers-
ten Temperatur unterworfen wird, um ein Glasprodukt zu ergeben, wel-
ches Keime enthält, die für die Bildung von Lithiummetasilicatkristallen
geeignet sind, und

(d) das Glasprodukt aus Stufe c) einer zweiten Wärmebehandlung bei
einer zweiten Temperatur unterworfen wird, die höher als die erste
Temperatur ist, um den Lithiumsilicatrohling mit Lithiummetasilicatkris-
tallen als Hauptkristallphase zu erhalten.“

2.2 Bezüglich der ausreichenden Offenbarung des Gegenstand der Patentan-
sprüche 1 bis 30 gemäß Hilfsantrag 2 bestehen keine Bedenken, da deren Merk-
male sowohl aus den Erstunterlagen (vgl. Ansprüche 3, 5, 14 bis 16 und 23; S. 16
letzt. Abs. bis S. 17, 2. Abs. der ursprünglich eingereichten Beschreibung) als
auch aus der Patentschrift (vgl. Patentansprüche 1 und 13, sowie Beschreibung
S. 5, Abs. [0028], S. 14 und 15, Bsp. Nr. 1 bis 11 und 14) ableitbar sind. Das
Merkmal „Lithiummetasilicat als Hauptkristallphase“ in Anspruch 1 ist dabei aus
den in Abschnitt II.1.6 genannten Gründen den ursprünglichen Unterlagen zu ent-
nehmen.

Entgegen der Auffassung der Einsprechenden führt die Aufnahme des Merkmals
„aber kein La2O3“ auch nicht zur Beanspruchung eines Aliud. In den ursprüngli-
chen Unterlagen wird gemäß Anspruch 5 ein Lithiumsilicatmaterial mit 0 bis
7,5 Gew.-% färbenden und fluoreszierenden Metalloxiden beansprucht, so dass
Anspruch 5 folglich auch ein Lithiumsilicatmaterial ohne Metalloxide umfasst. Bei
diesen Metalloxiden handelt es sich laut der ursprünglichen Beschreibung u. a. um
- 28 -
Lanthanoxid (vgl. Erstunterlagen Beschreibung S. 6, dritt. letzt. Abs.). Lanthan-
oxid-freie Lithiumsilicatmaterialien werden zudem in den ursprünglichen Ausfüh-
rungsbeispielen Nr. 1 bis 11 und 14 offenbart. Die entsprechenden Beispiele fin-
den sich gleichfalls in der Streitpatentschrift. Somit wird durch die Aufnahme des
Merkmals „aber kein La2O3“ keine Lehre beansprucht, die den ursprünglichen An-
meldeunterlagen bzw. der Patentschrift nicht zu entnehmen wäre (vgl. hierzu BGH
GRUR 2012, 1124 – Polymerschaum; BGH GRUR 2012, 1133 – UV-unempfindli-
che Druckplatte). Vielmehr sind Lithiumsilicatmaterialien, die kein Lanthanoxid auf-
weisen, im Gesamtzusammenhang der Unterlagen als eine zur angemeldeten
Erfindung gehörende Ausführungsform erkennbar.

Nachdem das Merkmal „aber kein La2O3“ sowohl in den ursprünglich eingereich-
ten Unterlagen wie auch in der Streitpatentschrift als zur Erfindung gehörend
offenbart ist, handelt es sich um eine zulässige Beschränkung im Rahmen der ur-
sprünglichen Offenbarung.

2.3 Die Verwendung gemäß Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag 2 ist auch so
deutlich und vollständig offenbart, dass ein Fachmann sie ausführen kann.

Für einen ausreichenden Umfang der Ausführbarkeit muss eine Erfindung nicht
buchstabengetreu realisierbar sein. Eine ausreichende Offenbarung ist vielmehr
auch dann gegeben, wenn ein Fachmann das erfindungsgemäße Ziel anhand der
Offenbarung zuverlässig in praktisch ausreichendem Maße mit zumutbarem Auf-
wand erfolgreich herbeiführen kann (vgl. Schulte/Moufang, PatG, 10. Aufl., § 34,
Rdn. 350, m. w. N.). Zur Erzielung des streitpatentgemäßen Ergebnisses, nämlich
einen Rohling aus einem Lithiumsilicatmaterial bereitzustellen, das als Hauptkris-
tallphase Lithiummetasilicat aufweist, werden dem Fachmann durch das Streitpa-
tent ausreichend Informationen gegeben, um ein solchen Rohling in die Hand zu
bekommen.
- 29 -
Ausgehend von den Anfangskomponenten SiO2, Li2O, K2O, Al2O3 und P2O5 wird
ein Ausgangsglas mit diesen Hauptkomponenten in Schritt a) hergestellt, wobei
unter dem Begriff „Hauptkomponenten“ laut Streitpatent die zwingend für die Her-
stellung der Glasschmelze erforderlichen Ausgangskomponenten zu verstehen
sind (vgl. Streitpatentschrift S. 3, [0014] i. V. m. [0015]). Die einzusetzenden Men-
gen der Ausgangskomponenten werden im Anspruch zwar nicht angegeben, der
Fachmann erfährt sie jedoch aus der Beschreibung und aus den Ausführungsbei-
spielen (vgl. Streitpatentschrift S. 3, [0014], S. 14/15, Tab. III, Beispiele 1, 3, 4, 6,
7, 9 und 10). Im Hinblick auf die Abkühlung der Ausgangsglasschmelze auf
Raumtemperatur in Schritt b) kann der Fachmann der Streitpatentschrift entneh-
men, dass die Abkühlung in kontrollierter Weise durchgeführt wird, um eine Ent-
spannung zu gestatten. Die kontrollierte Abkühlung, wird durch Eingießen der
Schmelze in bspw. auf 300 bzw. 400°C erwärmte Formen und einer langsamen
Abkühlung in einem Ofen bewirkt (vgl. Streitpatentschrift S. 6, [0033], S. 10,
[0078]). Unter dem Begriff „Raumtemperatur“ versteht der Fachmann eine Tempe-
ratur von ca. 20°C (vgl. gutachterlich Römpp-Lexikon Chemie, 1999, 9. Aufl.,
Georg Thieme Verlag, Stuttgart, Stichwort „Zimmertemperatur (Raumtempera-
tur)“). Für die erste und zweite Erwärmung nach den Schritten c) und d) erhält der
Fachmann zwar mit Patentanspruch 1 keine genauen Vorgaben, allerdings finden
sich in der Beschreibung und insbesondere in den Ausführungsbeispielen präzise
Temperaturbereiche und Zeitfenster, die für die Keimbildung in Schritt c) und für
die Kristallisation in Schritt d) einzuhalten sind, damit ein Lithiumsilicatmaterial mit
Lithiummetasilicat als Hauptkristallphase erhalten wird. Für die Keimbildung wer-
den Temperaturen von 450 bis 550°C für eine Dauer von 5 min bis 1 Std. und für
die Kristallisation Temperaturen von 600 bis 700°C für eine Dauer von 10 bis
30 min angegeben (vgl. Streitpatentschrift, S. 6, [0034–0036]). Ferner wird in der
Streitpatentschrift ein beispielhaftes Temperaturzeitprofil für die Schritte a) bis d)
benannt (vgl. Streitpatentschrift, Fig. 1). Somit werden dem Fachmann ausrei-
chend Verfahrensparameter vorgegeben, die es ihm erlauben, einen Rohling mit
einem Lithiumsilicatmaterial bereitzustellen, das Lithiummetasilicat als Hauptkris-
tallphase enthält.
- 30 -
Folglich bedarf es – entgegen der Ansicht der Einsprechenden – keines For-
schungsprojekts zur Ermittlung geeigneter Zusammensetzungen und Temperatur-
Zeit-Profile, um die patentgemäßen Rohlinge in die Hand zu bekommen. Aufgrund
der vorgegebenen Daten übersteigen die hierfür erforderlichen Versuche keines-
falls eine übliche Optimierungstätigkeit, wie sie dem Fachmann im Rahmen seiner
Routinetätigkeit zumutbar sind (vgl. Schulte/Moufang, PatG, 10. Aufl. § 34,
Rn. 355, 358b) i. V. m. 414). Die von der Einsprechenden vorgelegten Nacharbei-
tungen des Beispiels 13 des Streitpatents gemäß den Anlagenkonvoluten D16,
D19 und D21B sind schon deshalb nicht dazu geeignet, dies in Frage zu stellen,
weil Beispiel 13 keine Lanthanoxid-freie Zusammensetzung betrifft.

Das Streitpatent vermittelt dem fachmännischen Leser damit so viel an techni-
scher Information, dass er mit seinem Fachwissen und seinem Fachkönnen in der
Lage ist, die Erfindung erfolgreich auszuführen.

2.4 Der Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag 2 ist gegenüber dem im Verfahren
befindlichen Stand der Technik neu. Keiner der genannten Entgegenhaltungen
kann die Verwendung eines Rohlings aus Lithiumsilicatmaterial für die Herstellung
einer dentalen Restauration entnommen werden, dessen Material kein La2O3 ent-
hält und als Hauptkristallphase Lithiummetasilicat aufweist.

Die in D1 offenbarten Lithiumsilicatmaterialien unterscheiden sich von den patent-
gemäß verwendeten Materialien bereits darin, dass sie zwingend Lanthanoxid ent-
halten (vgl. D1, Patentanspruch 1, S. 4, Z. 57 bis 62, S. 5, Z. 24 bis 26).

Die D2 betrifft allgemein ein Verfahren zur Herstellung von Glaskeramiken (vgl.
Patentansprüche 1 bis 6). Die Verwendung dieser Materialien zur Herstellung von
dentalen Restaurationen wird aber in D2 nicht beschrieben.

In der Entgegenhaltung D4 wird ein Lanthanoxid-freies Lithiumsilicatmaterial für
die Herstellung von dentalen Kronen und Brücken beschrieben, dessen Kristall-
- 31 -
phase aus Lithiumdisilicat besteht (vgl. D4, Patentansprüche 1 bis 4). Die Ver-
wendung eines Rohlings, der als Hauptkristallphase Lithiummetasilicat zur Her-
stellung von dentalen Restaurationen enthält, kann der D4 dagegen nicht entnom-
men werden.

Der Einwand, bei dem Kontrollbeispiel 3 der D4 würde nach den ersten zwei Wär-
mebehandlungen bei 500°C und 550°C für jeweils 2,5 Stunden ein Rohling aus
einem Lithiumsilicatmaterial mit Lithiummetasilicat als Hauptkristallphase erhalten
werden, geht fehl. Denn in D4 wird dieses Material nicht als Rohling einer ma-
schinellen Verarbeitung unterzogen, bevor es in einer dritten Wärmebehandlung
bei 740°C zu Disilicat gesintert wird (vgl. D4, Sp. 2, Z. 64 bis Sp. 3, Z. 17, Sp. 4,
Z. 7 bis 13, Tab. III, Beispiel: Control 3).

Die Entgegenhaltung D7 offenbart ein Verfahren zur Herstellung von dentalen
Lithiumdisilicatprodukten, bei dem ein Lanthanoxid-freies Ausgangsglas basierend
auf SiO2, Li2O, K2O, Al2O3 und P2O5 bei Temperaturen zwischen 1200 bis 1600°C
erzeugt wird. Das geschmolzene Glas wird zu einem Rohling geformt, der bei
Temperaturen von 300 bis 600°C für 15 Minuten bis 8 Stunden wärmebehandelt
wird. Der Glasrohling wird im Anschluss einer oder mehreren Wärmebehandlun-
gen bei Temperaturen zwischen 400 bis 1100°C unterzogen, um den Rohling in
einen Disilicat-Glaskeramikrohling umzuwandeln (vgl. D7, Patentansprüche 1, 5
bis 11 und 16, S. 3 Tabelle 1, S. 7, Tabelle 5). Dieser Disilicatrohling wird dann
maschinell zu entsprechenden dentalen Restaurationen weiterverarbeitet (vgl. D7,
Patentanspruch 12, S. 4, [0036]). Damit unterscheidet sich die Lehre der D7 von
der patentgemäßen Verwendung darin, dass kein Lithiumsilicatrohling mit Lithi-
ummetasilicat als Hauptkristallphase zu einer dentalen Restauration maschinell
verarbeitet wird.

Der Einwand, dass aufgrund der Temperaturbehandlung gemäß Absatz [0012] auf
Seite 2 der D7 nach dem ersten Schritt der Wärmebehandlung Lithiummetasilicat
erhalten werde, kann nicht überzeugen. Denn dieses Material wird nicht als Roh-
- 32 -
ling maschinell zu dentalen Restaurationen verarbeitet, sondern sofort einer
zweiten Temperaturbehandlung unterzogen, die aufgrund der hohen Temperatur
zur Bildung von Lithiumdisilicat führt. Eine maschinelle Bearbeitung des Rohlings
erfolgt gemäß D7 erst nach der zweiten Wärmebehandlung (vgl. D7 S. 3 [0029],
S. 4, [0036]).

Das Dokument D13 beschreibt dentale Restaurationen, die aus einer Glaskeramik
geformt werden, die sich während der Wärmebehandlung nicht verformt und die
eine Zusammensetzung basierend auf SiO2, Li2O, K2O, Al2O3 und P2O5 enthält
(vgl. D13, Patentansprüche 1 und 4, S. 3, [0054], S. 16, Bsp. 26 i. V. m. S. 7, Ta-
belle IV). Die Herstellung der dentalen Restauration erfolgt gemäß Beispiel 26
durch Heißpressen (vgl. D13, S. 16, Bsp. 26 i. V. m. S. 9, [0155] bis S. 10, [0162],
S. 11/12 Bsp. 6). Im Anschluss wird das dentale Produkt gemäß folgendem Tem-
peratur-Zeit-Profil wärmebehandelt (vgl. D13, S. 16, Tabelle VIII):


Somit liegt nach den ersten zwei Wärmebehandlungsschritten zwar ein Lithiumsili-
catrohlings vor, jedoch kann D13 nicht unmittelbar und eindeutig entnommen wer-
den, dass dieser als Hauptkristallphase Lithiummetasilicat enthält.

Dem Argument, dass aufgrund der Temperaturen der ersten zwei Wärmebehand-
lungsschritte zwingend Metasilicat vorliegen müsse, wie D8 und D9 belegen wür-
den, ist nicht zu folgen. Aus D8 kann lediglich abgeleitet werden, dass in Abhän-
gigkeit von Ausgangskomponenten und dem Temperaturprofil Lithiummetasilicat
allein bzw. im Gemisch mit Lithiumdisilicat gebildet wird (vgl. D8 S. 579, letzt. Abs.
- 33 -
bis S. 581, 2. Abs.). Die D9 hingegen betrifft Zahnrestaurierungsmittel, die aus
einem Lithiumsilicatmaterial gebildet werden, das bei 520°C für 4 Stunden (Keim-
bildung) wärmebehandelt wird, bevor es für 0,5 bis 2 Stunden bei 620°C (Kristall-
wachstum) getempert wird (vgl. D9, S. 22, 2. Abs.). Die Zusammensetzung der
Kristallphase wird in D9 jedoch nicht erwähnt. Für die Bildung von Lithiummetasili-
cat als Hauptkristallphase ist aber nicht allein das Temperaturprofil ausschlagge-
bend, sondern auch das Molverhältnis der Ausgangskomponenten SiO2 und Li2O
(vgl. D11, S. 78, erster Spiegelpunkt). Nachdem die Ausgangsmengen mit
78,5 Gew.-% SiO2 und 10,5 Gew.-% Li2O von den streitpatentgemäßen Mengen
der Ausgangskomponenten deutlich abweichen und im Bereich für die Disilicatbil-
dung liegen (vgl. D13 S. 7, Tabelle IV Nr. 18 vs. Streitpatentschrift S. 3, [0014] vs.
D11, S. 75, Fig. 2-1), kann nicht angenommen werden, dass ein Material mit Lithi-
ummetasilicat als Hauptkristallphase gebildet wird. Folglich führt auch die Berück-
sichtigung des Fachwissens gemäß D8 und D9 nicht dazu, dass sich der D13
unmittelbar und eindeutig entnehmen ließe, dass ein Rohling mit Lithiummetasili-
cat als Hauptkristallphase nach den ersten zwei Wärmebehandlungen vorliegt.

Auch in keiner der sonstigen, dem Senat vorliegenden Entgegenhaltungen wird
die patentgemäße Verwendung eines Lithiumsilicatmaterials in allen beanspruch-
ten Einzelheiten beschrieben.

2.5 Die Verwendung eines Lithiumsilicatmaterials gemäß Patentanspruch 1
nach Hilfsantrag 2 beruht auch auf einer erfinderischen Tätigkeit.

2.5.1 Ein möglicher Ausgangspunkt zur Lösung der streitpatentgemäßen Aufgabe
stellt die Lehre der D1 dar. Aus D1 ist dem Fachmann ein Verfahren zur Herstel-
lung von geformten transluzenten Lithiumdisilicat-Glaskeramik-Produkten für den-
tale Restaurationen bekannt, das von einer Schmelze eines Ausgangsglases ba-
sierend auf den folgenden Komponenten
- 34 -


ausgeht (vgl. D1, Patentanspruch 1).

Durch die Verwendung von Lanthanoxid und ggf. Aluminiumoxid werden bei der
Weiterverarbeitung unangemessen hohe Reaktionen mit der verwendeten Einbett-
masse, ein ungenügendes Fließverhalten und ein unkontrolliertes Kristallwachs-
tum vermieden (vgl. D1, S. 4, Z. 57 bis 63). Ferner können als weitere Ausgangs-
komponenten u. a. noch P2O5 und K2O eingesetzt werden (vgl. D1, Patentan-
spruch 9). Die Schmelze des Ausgangsglases wird in der gewünschten Weise
geformt und abgekühlt. Im Anschluss wird das geformte Glasprodukt mindestens
einer Wärmebehandlung im Temperaturbereich von 400 bis 1100°C unterzogen,
um ein als Rohling geformtes Glaskeramik-Produkt zu erhalten (vgl. D1, Patentan-
sprüche 1 und 13). Die Glaskeramikprodukte zeichnen sich durch einen geringen
Kristallisationsgrad aus, der eine einfache maschinelle Bearbeitung der Rohlinge
erlaubt. Durch eine anschließende Wärmebehandlung werden die Rohlinge zu
hochfestem Lithiumdisilicat-Glaskeramik-Produkten umgewandelt (vgl. D1, Patent-
ansprüche 2 bis 6, S. 2, Z. 50 bis 56, S. 4, Z. 64 bis S. 5, Z. 11). Glaskeramiken
mit diesen Eigenschaften wecken zweifelsohne das Interesse des Fachmanns, der
auf der Suche nach leichtformbaren Glaskeramikmaterialien ist. Die Kombination
von D1 mit dem in D8 und D11 dokumentieren Fachwissen führt aber nicht in
naheliegender Weise zur Verwendung eines Lithiumsilicatmaterials des geltenden
Patentanspruchs 1. Aus D8 und D11 ist zwar bekannt, dass die Herstellung von
Lithiumdisilicat über die Zwischenkristallphase Lithiummetasilicat bei Aluminium-
oxid-haltigen Glaskeramiken erfolgt, wobei das Metasilicat bei Temperaturen von
- 35 -
580°C bzw. 589°C und das Disilicat bei Temperaturen von 769°C bzw. 780°C
gebildet werden (vgl. D8, S. 580 Tab. 1, S. 579/580 seitenübergr. Abs., S. 580,
2. Abs. und D11, S. 82, letzt. Spiegelpunkt i. V. m. Fig. 2-2). Wenn der Fachmann
aber bei Beispiel 22 der D1 die Kenntnisse der D8 bzw. D11 hinsichtlich der Pha-
senbildung zugrunde legt, gelangt er lediglich zu der Erkenntnis, dass bei dem
Rohling der D1 Lithiumsilicatmaterial mit Lithiummetasilicat als Kristallphase vor-
liegt. Eine Veranlassung, das Lanthanoxid in der Ausgangsglaszusammensetzung
der D1 wegzulassen, bestand für den Fachmann in Kenntnis von D1 und D8 bzw.
D1 und D11 schon deshalb nicht, weil sowohl in D1 wie auch in D8 bzw. D11
darauf hingewiesen wird, dass der Zusatz von Lanthanoxid dem Lithiumsilicatma-
terial eine besondere Temperaturstandfestigkeit verleiht und die Reaktion mit dem
Einbettmaterial reduziert sowie ein unkontrolliertes Kristallwachstum verhindert
(vgl. D1, S. 4, Z. 57 bis 63, S. 5, Z. 24–26; vgl. D8, S. 581, 2. vollst. Abs. i. V. m.
S. 580, Tab. 1; vgl. auch D11, S. 81, 2. Abs.). Demgemäß lag für den Fachmann
eine Verwendung eines Lithiumsilicatmaterials mit den Merkmalen des geltenden
Patentanspruchs 1 auch in Kenntnis dieses Standes der Technik nicht auf der
Hand.

Entgegen der Auffassung der Einsprechenden kann der D1 nicht entnommen wer-
den, dass anstelle von Lanthanoxid wahlweise Aluminiumoxid verwendet werden
kann. Vielmehr gibt die D1 an, dass Aluminiumoxid zusätzlich zu Lanthanoxid ein-
gesetzt werden kann (vgl. D1, S. 4, Z. 57 bis 61).

Ebenso wenig kann das Argument überzeugen, dass es für den Fachmann nahe-
gelegen habe, kein Lanthanoxid zu verwenden, da ihm bekannt gewesen sei, dass
sich die Materialien auch ohne Lanthanoxid immer noch gut verarbeiten ließen. In
D11 wird zwar Lanthanoxid nur in Zusammenhang mit dem hot press-Verfahren
genannt (vgl. D11 S. 81, 2. Abs.). Ein solche Verarbeitung ist aber nach dem gel-
tenden Anspruch 1 gleichfalls vorgesehen, so dass auch der Hinweis auf die
Lanthanoxid-freien Materialien in D11 (vgl. D11, S. 79, Tab. 2-1) den Fachmann
- 36 -
nicht dazu anregt, auf die durch Lanthanoxid-Zusatz bedingten vorteilhaften
Eigenschaften zu verzichten.

2.5.2 Auch ausgehend von der D3 gelangt der Fachmann nicht zu einer Verwen-
dung eines Rohlings zur Herstellung von dentalen Restaurationen, der aus einem
Lanthanoxid-freien Lithiumsilicatmaterial besteht, das als Hauptkristallphase Lithi-
ummetasilicat aufweist. Denn bei der Entgegenhaltung D3 handelt es sich um eine
wissenschaftliche Publikation, die den Zusammenhang zwischen Festigkeit und
Mikrostruktur von Lithiumdisilicat-Glaskeramiken betrachtet. Der Artikel hat aber
keinerlei Bezug zu dentalen Restaurationen (vgl. D3, S. 385, Titel, li. Sp. Zusam-
menfassung). Damit mögen aus D3 zwar Glaskeramiken mit Lithiummetasilicat als
Hauptkristallphase bekannt sein, die aus einer Lanthanoxid-freien Ausgangs-
schmelze umfassend SiO2, Al2O3, Li2O, K2O und P2O5 durch eine entsprechende
zweistufige Temperaturbehandlung bei niedrigen Wachstumstemperaturen erhal-
ten werden (vgl. D3, S. 385, Tab. I und S. 386, Tab. III, Einträge I-3 bis I-6, I-8, I-9,
S. 390, Fig. 5). Diese Druckschrift bietet dem Fachmann jedoch keinen Anlass,
solche Materialien für Rohlinge bei dentalen Restaurationen in Erwägung zu zie-
hen. Der fehlende Anlass kann auch nicht durch die Berücksichtigung der Druck-
schrift D11 vermittelt werden, die Glaskeramiken von Alkali- und Erdalkalimetallsi-
licaten, insbesondere Lithiumdisilicate betrifft. Denn der D11 kann der Fachmann
nur allgemein entnehmen, dass für die Anwendung von Lithiumdisilicatmaterialien
zur Herstellung von dentalen Restaurationen Aluminiumoxid und Kaliumoxid als
weitere Zusätze beigefügt werden, um dem Material eine höhere Durabilität zu
verleihen (vgl. D11, S. 75, Abs. 2.1.1., S. 76, letzt. Abs.). In Tabelle 2-1 auf
Seite 79 der D11 wird zwar eine zu D3 identische Glaskeramik-Zusammensetzung
basierend auf SiO2, Al2O3, Li2O, K2O und P2O5 genannt, allerdings besteht dessen
Kristallphase aus Lithiumdisilicat. Zudem wird in D11 darauf hingewiesen, dass
Lanthanoxid die viskosen Eigenschaften des Lithiumsilicatmaterials für die Form-
gebung durch Heißpressen verbessert, wie sie nach geltendem Anspruch 1 ange-
wandt wird. Somit wird der Fachmann nicht dazu angeregt, Lanthanoxid in der
Ausgangsglaszusammensetzung zu vermeiden und einen Rohling mit einem Lithi-
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ummetasilicat als Hauptkristallphase in Betracht zu ziehen. Folglich wird der Ge-
genstand des geltenden Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 2 durch die Kombination
der Druckschriften D3 mit D11 nicht nahe gelegt.

2.5.3 Die Berücksichtigung der D8 anstelle von D11 führt gleichfalls nicht zu der
streitpatentgemäßen Verwendung nach dem geltenden Patentanspruch 1. In D8
wird die Kontrolle des Kristallkeimwachstums in Glaskeramiken für dentale An-
wendungen betrachtet, welches maßgeblich für die Entwicklung der kristallinen
Phase und der resultierenden Materialeigenschaften der Glaskeramik ist (vgl. D8,
S. 575, Titel und Abstract). Die Bildung von Lithiummetasilicat als Zwischenphase
bei der Herstellung von Lithiumdisilicat-Glaskeramiken hängt zum einen von dem
Temperaturprofil und zum anderen von der Zusammensetzung des Ausgangsgla-
ses ab. Im Falle von Aluminiumoxid-freien Ausgangsgläsern liegen bei tiefen Tem-
peraturen (500°C) sowohl eine Disilicat- wie auch eine Metasilicatkristallphase vor,
während bei einem Aluminiumoxid- und Lanthanoxid-haltigen Glas bei 580°C aus-
schließlich Lithiummetasilicat gebildet wird (vgl. D8, S. 579 bis 581, Abs. „(ii)
Lithium disilicate glass ceramic“). Diese Informationen geben dem Fachmann so-
mit keine Hinweise in Richtung eines Rohlings aus einem Lanthanoxid-freien Lithi-
umsilicatmaterial, das als Hauptkristallphase Lithiummetasilicat aufweist.

2.5.4 Die D7 stellt keinen weiteren möglichen Ausgangspunkt dar. Aus D7 sind
dem Fachmann zwar La2O3-freie Lithiumsilicatmaterialien für Rohlinge bekannt,
die sich zur Herstellung von dentalen Restaurationen eignen (vgl. D7, Patentan-
sprüche 1 bis 4 und 16). Für die Herstellung der Rohlinge wird dabei eine
Schmelze eines Ausgangsglases, das auf den essentiellen Komponenten SiO2,
Al2O3, Li2O, K2O und P2O5 basiert, in eine Form gegossen bzw. pelletiert (vgl. D7,
Patentanspruch 17, S. 2, [0022], S. 3, [0027], S. 3/4, [0031], S. 4, [0033]). Im An-
schluss werden die Rohlinge einer zweistufigen Wärmebehandlung unterzogen,
wobei in der ersten bei Temperaturen zwischen 500 bis 650°C die Keimbildung
und in der zweiten Stufe bei Temperaturen zwischen 830 bis 930°C die Kristallisa-
tion stattfinden (vgl. D7, Patentansprüche 9 und 10, S. 3, [0028], S. 4, [0036 und
- 38 -
0037]). Allerdings bestehen die wärmebehandelten Rohlinge aus einer Glaskera-
mik, die aus einer Glasmatrix und Lithiumdisilicat gebildet wird. Laut der Lehre der
D7 werden die besten Materialeigenschaften mit einer Glaskeramik erhalten, die
nahezu kein Lithiummetasilicat in der Glaskeramik aufweist. Die Rohlinge werden
durch Heißpressen oder maschinelle Verarbeitung zur gewünschten Geometrie
der dentalen Restauration geformt (vgl. D7, S. 3, [0029], S. 3/4, [0031], S. 4,
[0037]). Diese Informationen veranlassen den Fachmann aber nicht dazu eine
dahingehende stoffliche Veränderung im Lithiumsilicatmaterial des Rohlings der
D7 vorzunehmen, dass dieses als Hauptkristallphase Lithiummetasilicat enthält.

2.5.5 Die Entgegenhaltung der D4 bietet ebenfalls keinen Ausgangspunkt für den
Fachmann, die streitpatentgemäße Lösung in Betracht zu ziehen. Denn in der D4
werden Ausgangsgläser für die Bereitstellung von dentalen Restaurationen ver-
wendet, die kein Kaliumoxid enthalten und als Hauptkristallphase Lithiumdisilicat
aufweisen (vgl. D4, Patentansprüche 1 bis 4, Sp. 1, Tabelle, Einträge zu „Pre-
ferred Mole %“, Sp. 2, Z. 32 bis 38, Sp. 3, Tab. I, Beispiel 1). Zu keiner anderen
Sichtweise führt die Berücksichtigung des in D4 angegebenen Kontrollbeispiels 3,
dessen Ausgangsglas Kaliumoxid enthält, damit es weicher und entspannter ist
(vgl. D4, Sp. 3, Tab. I und Z. 45 bis 47). Das Ausgangsglas gemäß Kontrollbei-
spiel 3 wird einer dreistufigen Wärmebehandlung bei 500°C, 550°C und 740°C
unterzogen, so dass aufgrund des Temperaturprofils davon ausgegangen werden
muss, dass auch diese Glaskeramik Lithiumdisilicat enthält (vgl. D4, Sp. 4,
Tab. III, „Control 3“).

Entgegen der Argumentation der Einsprechenden, zieht der Fachmann mit der
Lehre der D4 keine Bearbeitung des Rohlings des Kontrollbeispiels 3 nach der
zweiten Wärmebehandlung in Betracht. Denn in der Druckschrift finden sich keine
Anhaltspunkte dafür, dass die Verarbeitung vor Abschluss der Temperung erfol-
gen kann.
- 39 -
2.5.6 Auch die Druckschrift D12 stellt keinen geeigneten Ausgangspunkt dar.
Denn die Lehre der D12 betrifft die Bereitstellung von Glaskeramiken für Halbleiter
(vgl. D12, Sp. 2, Z. 47 bis Sp. 3, Z. 14) und liegt damit auf einem völlig anderen
technischen Fachgebiet, das der Fachmann nicht als Ausgangspunkt für seine
Überlegungen in Erwägung gezogen hätte.

2.5.7 Folglich konnte der Fachmann weder ausgehend von D1 bzw. D3 selbst
unter Berücksichtigung der Druckschriften D8 bzw. D11, noch ausgehend von D4,
D7 oder D12 zum Gegenstand des Patentanspruchs 1 gemäß Streitpatent gelan-
gen.

2.5.8 Die weiteren dem Senat vorliegenden Druckschriften enthalten ebenfalls
keine Anhaltpunkte, welche die Patenfähigkeit der Verwendung gemäß An-
spruch 1 in der durch den angefochtenen Beschluss aufrechterhaltenen Fassung
in Frage stellen könnten.

2.6 Gleichfalls patentfähig sind die Verwendungen gemäß den Patentansprü-
chen 2 bis 30, die weitere Ausführungsformen der Verwendung nach Patentan-
spruch 1 betreffen.


III.

Für die angeregte Zulassung der Rechtsbeschwerde fehlt es an den gesetzlichen
Voraussetzungen gemäß § 100 Abs. 2 PatG. Zum einen war weder über einen auf
eine implizite Offenbarung gestützten Neuheitseinwand zu entscheiden, der durch
eine nicht-identische Nacharbeitung nachgewiesen werden sollte (vgl. unter Punkt
II.1.7.3), noch über einen nicht-ursprungsoffenbarten Disclaimer (vgl. unter Punkt
II.2.2). Damit fehlt es bei den von den Parteien vorgelegten Fragen bereits an
deren Entscheidungserheblichkeit, die für die Zulassung der Rechtsbeschwerde
aber zwingend erforderlich ist (vgl. hierzu Schulte/Voß, PatG, 10. Aufl., § 100,
- 40 -
Rdn. 16). Auch sonst sieht der Senat die Zulassungsgründe der grundsätzlichen
Rechtsfrage bzw. der Fortbildung des Rechts oder der Sicherung einer einheitli-
chen Rechtsprechung nicht als gegeben an, da die vorliegende Entscheidung aus-
schließlich auf tatrichterlicher Beurteilung sowie der Anwendung gefestigter Recht-
sprechungsgrundsätze beruht.


IV.

Rechtsmittelbelehrung

Gegen diesen Beschluss steht den Verfahrensbeteiligten das Rechtsmittel der
Rechtsbeschwerde zu. Da der Senat die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen hat,
ist sie nur statthaft, wenn gerügt wird, dass

1. das beschließende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war,
2. bei dem Beschluss ein Richter mitgewirkt hat, der von der Ausübung des
Richteramtes kraft Gesetzes ausgeschlossen oder wegen Besorgnis der
Befangenheit mit Erfolg abgelehnt war,
3. einem Beteiligten das rechtliche Gehör versagt war,
4. ein Beteiligter im Verfahren nicht nach Vorschrift des Gesetzes vertreten
war, sofern er nicht der Führung des Verfahrens ausdrücklich oder still-
schweigend zugestimmt hat,
5. der Beschluss aufgrund einer mündlichen Verhandlung ergangen ist, bei
der die Vorschriften über die Öffentlichkeit des Verfahrens verletzt worden
sind, oder
6. der Beschluss nicht mit Gründen versehen ist.
- 41 -
Die Rechtsbeschwerde muss innerhalb eines Monats nach Zustellung des Be-
schlusses von einer beim Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwältin oder
von einem beim Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt beim Bundesge-
richtshof, Herrenstraße 45a, 76133 Karlsruhe, eingereicht werden.


Dr. Maksymiw Schell Dr. Jäger Dr. Wagner


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