14 W (pat) 48/12  - 14. Senat (Techn.Beschw.)
Karar Dilini Çevir:

BPatG 154
08.05

BUNDESPATENTGERICHT



14 W (pat) 48/12
_______________
(Aktenzeichen)



Verkündet am
7. Februar 2017





B E S C H L U S S

In der Beschwerdesache

betreffend das Patent 10 2005 016 517


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hat der 14. Senat (Technischer Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf
die mündliche Verhandlung vom 7. Februar 2017 unter Mitwirkung der Richterin
Dr. Münzberg als Vorsitzende, der Richter Schell und Dr. Jäger sowie der
Richterin Dr. Wagner

beschlossen:

Die Beschwerden werden zurückgewiesen.


G r ü n d e

I

Mit dem angefochtenen Beschluss vom 11. Mai 2012 hat die Patentabteilung 41
des Deutschen Patent- und Markenamts das Patent 10 2005 016 517 mit der Be-
zeichnung

"Vorrichtung und Verfahren zur Umwandlung von mit Keimen,
Viren und/oder Bakterien behafteten Mülls zu unbedenklichem
Hausmüll, insbesondere für eine Inkontinenz-Müll-Desinfektions-
anlage"

in vollem Umfang aufrechterhalten.
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Dem Beschluss liegen die erteilten Patentansprüche 1 bis 20 zu Grunde, von
denen die nebengeordneten Patentansprüche 1, 9 und 17 bis 20 wie folgt lauten:



"
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Der Beschluss ist im Wesentlichen damit begründet, dass die Gegenstände des
Streitpatents nach den erteilten Patentansprüchen 1 und 9 nicht unzulässig erwei-
tert und so deutlich und vollständig offenbart seien, dass ein Fachmann sie aus-
führen könne. Desweiteren seien sie gegenüber dem entgegengehaltenen Stand
der Technik, insbesondere den Druckschriften

D1 WO 94/21120 A1
D2 WO 91/11202 A1
D3 US 5 674 450 A
D4 DE 100 32 390 A1
D5 DE 101 14 946 A1
D6 WO 86/05100 A1
D7 DE 695 16 140 T2
D8 US 3 489 505
"
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D9 US 2001/0024887 A1
D10 DE 42 25 430 A1
D11 DE 44 17 512 A1
D12 DE 32 31 221 A1
D13 DE 43 29 628 C1
D14 US 5 203 458 A
D15 EP 0 381 020 B1
D16 WO 97/03899 A1
D17 DE 197 37 338 A1
D18 DE 203 12 284 U1
D19 DE 693 03 177 T4
D20 EP 0 963 924 A2
D21 Falbe, J. und Regitz, M. (Hrsg.), "Römpp Chemie Lexikon", Thieme
Verlag Stuttgart, 1989, Bd. 1, S. 65 bis 66, Stichwort "Aerosole"
E1 Produktbroschüre "Schluckspecht". URL: www.EM-
Schluckspecht.de, mit Bedienungsanleitung
E2 "Doku Verletzung CAMED": Dokumentation zur Verletzung, S. 1 bis
14
E3 Müllklassifizierung. Webdokument. URL: http://www.pflegewiki.de/
wiki/M%C3%BCllklassifizierung, 10. Mai 2012, S. 1 bis 4 (1 Blatt)

neu und beruhten auch auf einer erfinderischen Tätigkeit.

So seien die Merkmale der erteilten Patentansprüche 1 und 9 wortwörtlich den
ursprünglich eingereichten Unterlagen zu entnehmen.

Aus dem Gesamtinhalt der Patentschrift ergebe sich für den Fachmann, dass eine
"Desinfektions-Aerosollösung" eine flüssige Lösung sei, die eine desinfizierende
Wirkung besitze und die bereits in Tröpfchenform vorliege oder eine solche beim
Einspritzen in die Vakuumkammer bilde, also vom Aggregatszustand her eine
Flüssigkeit sei. Desweiteren erschließe sich auf den ersten Blick, dass der Müll-
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beutel geöffnet in die Vakuumkammer einzubringen sei, da sich ansonsten der
Müllsack unter Wirkung des Vakuums aufblähen und eventuell platzen würde.
Anders sei es auch nicht möglich, dass das desinfizierende Aerosol anspruchs-
gemäß den Müll durchströmen könne. Dieses Durchströmen ergebe sich durch
das Einströmen und Sich-Ausbreiten des Aerosolträgergases in der evakuierten
Vakuumkammer und damit auch in das Volumen des offenen Müllsacks, wobei
das Aerosol vom einströmenden Trägergas mitgerissen werde, so dass es sich
auf den Müll absetzen könne. Schließlich sei das Mittel zum Öffnen eines Ventils
in Verbindung mit den weiteren beanspruchten Merkmalen unter Berücksichtigung
des streitpatentgemäßen Ausführungsbeispiels als direkte oder indirekte Verbin-
dung mit der Desinfektions-Aerosollösung zu verstehen.

Bei der Beurteilung der Neuheit sei für das Verständnis des streitpatentgemäßen
Ventils zu einer Desinfektions-Aerosollösung entscheidend, dass dieses so ausge-
bildet sei, dass sich nach dem Öffnen des Ventils tatsächlich ein Aerosol aus des-
infizierenden Flüssigkeitstropfen in der Vakuumkammer bilde. Folglich seien die
vorgebrachten Entgegenhaltungen D1 bis D10 nicht neuheitsschädlich, da diese
allesamt entweder gasförmige Desinfektionsmittel oder allgemein ein sterilisieren-
des Medium verwenden würden. Das in D8 aufgezeigte Aerosol sei nur im Zusam-
menhang mit der Charakterisierung einer geeigneten Ethylenoxidgas-Kartusche
offenbart, wobei aber in D8 das Ethylenoxid selber gasförmig verwendet werde.
Die weiteren Druckschriften befassten sich entweder gar nicht mit der Desinfektion
von Müll oder arbeiteten bei Umgebungsbedingungen und nicht in einer Vakuum-
kammer.

Die Streitgegenstände beruhten auch auf einer erfinderischen Tätigkeit, da der
diskutierte Stand der Technik keine Anregung vermittle, eine Sterilisierungs- bzw.
Desinfektionsflüssigkeit beim Eintritt in eine Vakuumkammer zu einem Aerosol zu
zerstäuben und den darauffolgenden Druckanstieg in der Kammer dazu auszunut-
zen, das Aerosol in den Müll eines in dieser Vakuumkammer befindlichen Müllbeu-
tels zu treiben.
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Gegen diesen Beschluss richten sich die Beschwerden der Einsprechenden. Sie
verweisen zusätzlich auf folgende Druckschriften

D22 Duden: "Mittel, das", www.duden.de/rechtschreibung/ Mittel_
Arznei_Geld_Behelf, Auszug vom 12. Januar 2017, 1 Seite
D23 Wieghardt, K., "Theoretische Strömungslehre", Universitätsverlag
Göttingen 2005, Nachdruck der 2. Auflage 1974 (B. G. Teubner
Verlag Stuttgart), Inhaltsverzeichnis und S. 11
D24 Wozniak, G., "Zerstäubungstechnik – Prinzipien, Verfahren, Gerä-
te", Springer Verlag Berlin, 2003, S. 42 und 58
D25 Sonntag, H., "Lehrbuch der Kolloidwissenschaft", VEB Deutscher
Verlag der Wissenschaften Berlin, 1977, S. 62 und 63

und machen im Wesentlichen geltend, dass die Streitgegenstände gegenüber den
ursprünglichen Anmeldungsunterlagen unzulässig erweitert seien. Weiterhin seien
sie weder ausführbar noch neu und beruhten auch nicht auf einer erfinderischen
Tätigkeit.

So sei ein "Mittel zum Öffnen eines Ventils" nicht in den Anmeldeunterlagen offen-
bart. Weiterhin zeige die ursprünglich eingereichte Patentbeschreibung nur eine
Vorrichtung und ein Verfahren für eine Inkontinenzmülldesinfektion auf, nicht aber
grundsätzlich für eine Desinfektion von mit Viren und/oder Bakterien behaftetem
Müll. Auch fehle in den Patentansprüchen die ursprünglich offenbarte Desinfekti-
onsanlage, welche Desinfektionströpfchen in die Vorrichtung einspritze. Zudem
werde in den Anmeldeunterlagen ein Kombinationsgerät mit notwendigen Merk-
malen beschrieben, von denen sich in den Patentansprüchen 1 und 9 nicht alle
wiederfänden. Schließlich sei das ursprünglich angeführte Askomal unzulässig zu
einem Geruchsneutralisierer verallgemeinert.

Hinsichtlich der Nacharbeitbarkeit sei wegen mangelnder Offenbarung fraglich, um
was es sich bei dem im Patentanspruch 1 angeführten Mittel zum Öffnen eines
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Ventils handeln solle. Weiterhin sei aus dem Streitpatent nicht klar und eindeutig
zu erkennen, ob der Vorgang des Einspritzens des Desinfektionsmittels in die Va-
kuumkammer ein Einspritzen einer Lösung, die aufgrund des in der Kammer herr-
schenden Vakuums zerstäube und erst in diesem Moment entsprechende Tröpf-
chen bilde, oder ein Einspritzen eines bereits bestehenden Aerosols umfasse.
Schließlich sei der Begriff "Desinfektions-Aerosollösung" nicht eindeutig nachar-
beitbar offenbart, weil ein Durchströmen des Mülls nur mit einem Gas oder einem
Dampf nicht aber mit einer Flüssigkeit möglich sei.

Die Neuheit sei nicht gegeben, da insbesondere aus D2 eine Müllbehandlungsvor-
richtung bekannt sei, die eine Vakuumkammer sowie ein Ventil aufweise, mit dem
eine Desinfektionslösung in die Vakuumkammer einbringbar sei. Die weiteren
Merkmale des Patentanspruchs 1 seien, soweit sie sich auf ein Aerosol bzw. auf
Verfahrensmaßnahmen bezögen, für den Vorrichtungsgegenstand nicht relevant.
Auch stellen die Einsprechenden infrage, ob das beschriebene Gerät "Schluck-
specht" nicht bereits vor dem Anmeldetag der Öffentlichkeit zugänglich gemacht
worden sei, da das Gerät laut Vortrag der Patentinhaberin bereits in der Vergan-
genheit vertrieben worden sei. Dazu beantragen die Beschwerdeführerinnen, den
Erfinder als Zeugen zu vernehmen.

Zur erfinderischen Tätigkeit haben sich die Einsprechenden im Beschwerdeverfah-
ren nicht mehr im Detail geäußert. Gemäß den Schriftsätzen im Einspruchsverfah-
ren vor dem DPMA sehen sie in der streitpatentgemäßen Beanspruchung einer
Aerosoldesinfektion lediglich die Verwendung eines gegenüber dem Stand der
Technik alternativen Desinfektionsmittels. Dies sei aber eine einfache technische
Weiterentwicklung eines an sich bekannten Verfahrens, die keine erfinderische
Tätigkeit begründen könne.
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Die Einsprechenden beantragen,

den Beschluss der Patentabteilung 41 des Deutschen Patent- und
Markenamts vom 11. Mai 2012 aufzuheben und das Patent zu
widerrufen.

Die Patentinhaberin beantragt,

die Beschwerden zurückzuweisen.

Die Patentinhaberin trägt vor, die Gegenstände des Streitpatents gingen an keiner
Stelle über den Inhalt der Anmeldung in der am Anmeldetag beim DPMA einge-
reichten Fassung hinaus. So sei ein "Mittel zum Öffnen eines Ventils" durch die
Formulierung "Öffnen eines Ventil zur Desinfektions-Aerosollösung" offenbart.
Auch müssten für die Offenbarung die Anmeldeunterlagen als Ganzes betrachtet
werden, so dass klar ersichtlich sei, dass die Erfindung einen weiteren Verwen-
dungsbereich als die Desinfektion von Inkontinenz-Müll umfasse. Bei genauerer
Betrachtung würden zudem die drei nebengeordneten Patentansprüche 1, 9 und
17 faktisch "eine Desinfektionsanlage, welche Desinfektionströpfchen in eine Kam-
mer einsprüht" offenbaren. Die bei der Beschreibung des Kombinationsgeräts
aufgezeigten Verfahrensmerkmale seien im nebengeordneten Verfahrensan-
spruch 17 vorgesehen. Schließlich handele es sich bei dem Begriff "Askomal" um
ein Kunstwort des Erfinders, weshalb zur Formulierung eines klaren Patentan-
spruchs die eindeutige Angabe "Geruchsneutralisierer" aufgenommen worden sei.

Die Ausführung der Streitgegenstände bereite dem Fachmann auch keine Schwie-
rigkeiten. So seien ihm Mittel zum Öffnen eines Ventils in Abhängigkeit der ver-
wendeten Ventilart bekannt. Die Zusammenhänge zwischen der Desinfektions-
Aerosollösung und dem Durchströmen des Mülls mit einem Gas oder Dampf wür-
den sich aus der Strömungslehre als Lehre von der Bewegung und vom Verhalten
flüssiger und gasförmiger Stoffe ergeben. Zudem entnehme der Fachmann beim
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Lesen der vollständigen Patentschrift die klare technische Lehre, dass spätestens
in der Kammer feinverteilte Tröpfchen der Desinfektionslösung, also ein Aerosol,
generiert sein müssten. Die Erfindung nutze im Übrigen mit dem Kapillareffekt
durch adsorbierte Flüssigkeitströpfchen nahe einer Kavität in der Mülloberfläche
und mit der Kapillarkondensation in engen Kapillaren wenigstens zwei wohlbe-
kannte physikalische Phänomene. Schließlich könne der Fachmann die Menge
der zu verwendenden Desinfektionslösung mit Hilfe der bekannten Thomson-Glei-
chung und der allgemeinen Gasgleichung berechnen.

Die Streitgegenstände seien auch gegenüber dem vorliegenden Stand der Tech-
nik patentfähig. Im aufgezeigten Stand der Technik sei die Verwendung eines
Aerosols in Verbindung mit einer Vakuumkammer unter Ausnutzung der Kapillar-
wirkung nicht vorbeschrieben. Auch gebe es keinen Hinweis in diese Richtung, so
dass Neuheit und erfinderische Tätigkeit gegeben seien. Zudem umfasse der Be-
griff Aerosol eindeutig nicht Wasserdampf oder Dampf im Allgemeinen, wobei zu
beachten sei, dass heißer Wasserdampf seine entkeimende Wirkung aufgrund der
eingebrachten Wärme entwickle, während ein Desinfektions-Aerosol, welches
bereits bei Raumtemperatur wirke, aufgrund der chemischen Eigenschaften der
Flüssigkeitströpfchen innerhalb der kontinuierlichen Phase des Trägergases und
aufgrund der ausgenutzten Kapillarwirkung desinfizierend wirke.

Die Einsprechenden haben mit Schriftsatz vom 3. Februar 2017 mitgeteilt, dass
sie an der mündlichen Verhandlung nicht teilnehmen würden.

Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten und wegen des Wortlauts der
rückbezogenen Patentansprüche 2 bis 8 und 10 bis 16 wird auf den Inhalt der
Akten verwiesen.
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II

Die Beschwerden der Einsprechenden sind frist- und formgerecht eingegangen
und im Übrigen zulässig. In der Sache haben sie jedoch keinen Erfolg, weil die
beanspruchte Vorrichtung und die beanspruchten Verfahren zur Umwandlung von
mit Keimen, Viren und/oder Bakterien behafteten Mülls sowie deren Verwendun-
gen alle Anforderungen an die Patentfähigkeit erfüllen.

1. Die erteilten Patentansprüche 1 bis 20 sind nicht unzulässig erweitert. Die
Vorrichtungsansprüche 1 bis 6 leiten sich von den ursprünglich eingereichten Un-
terlagen her (vgl. "Patentbeschreibung" Abschnitt 2.1 Abs. 2 und "Anmeldung zum
Patent" S. 2 Abs. 2). Dasselbe gilt für die Verfahrensansprüche 9 bis 14. Die Merk-
male im Kennzeichen der nachgeordneten Patentansprüche 7, 8, 15 und 16 sind
dabei im Absatz 3 auf Seite 2 des ursprünglich eingereichten Teils "Anmeldung
zum Patent" offenbart. Der Verfahrensanspruch 17 leitet sich vom vorletzten Ab-
satz auf S. 3 des ursprünglich eingereichten Teils "Anmeldung zum Patent" her.
Die Merkmale des Verwendungsanspruchs 18 sind im ursprünglich eingereichten
Teil "Patentbeschreibung", Absatz 1 aufgezeigt und die des Verwendungsan-
spruchs 19 im letzten Absatz des Teils "Patentbeschreibung" und im ersten Ab-
satz des Teils "Anmeldung zum Patent". Der Verwendungsanspruch 20 leitet sich
schließlich von der Textpassage in Absatz 2 auf Seite 2 bis Absatz 2 auf Seite 3
des Teils "Anmeldung zum Patent" her.

Entgegen der Ansicht der Einsprechenden ist den ursprünglich eingereichten Un-
terlagen jedenfalls implizit ein Mittel zum Öffnen eines Ventils zur Desinfektions-
Aerosollösung zu entnehmen. Bei der Prüfung der unzulässigen Erweiterung ist zu
beachten, dass auch dasjenige offenbart ist, was im Patentanspruch und in der
Beschreibung nicht ausdrücklich erwähnt ist, aus der Sicht des Fachmanns jedoch
für die Ausführung der unter Schutz gestellten Lehre selbstverständlich ist und
deshalb keiner besonderen Offenbarung bedarf. (vgl. BGH GRUR 2009, 382
– Olanzapin). In den ursprünglich eingereichten Unterlagen wird beschrieben,
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dass ein Ventil zur Desinfektions-Aerosollösung geöffnet wird (vgl. Teil "Anmel-
dung zum Patent" S. 2 Abs. 2, Z. 6). Um ein Ventil öffnen zu können, ist es für den
Fachmann selbstverständlich, dass dieses nur mit einer Einrichtung, die in der
Streitpatentschrift als Mittel bezeichnet wird, geöffnet werden kann. In der Fach-
welt bekannte Beispiele für derartige Mittel sind – wie die Patentinhaberin glaub-
haft vorgetragen hat – u. a. ein Handrad mit Spindel bei einem Handventil bzw.
elektrische, pneumatische oder elektromagnetische Antriebe bei entsprechend
ausgestalteten Ventilen. Die Beanspruchung eines Mittels zum Öffnen eines Ven-
tils zur Desinfektions-Aerosollösung führt somit zu keiner unzulässigen Erweite-
rung.

Das Argument der Einsprechenden, dass die ursprünglich eingereichten Unterla-
gen nur auf die Behandlung von Inkontinenzmüll gerichtet seien, kann nicht
durchgreifen. Denn zum einen ist die Formulierung der Patentansprüche 1, 9 und
17 wortwörtlich aus den ursprünglich eingereichten Unterlagen zu entnehmen (vgl.
Teil "Patentbeschreibung" Abschnitt 2.1 Abs. 2). Zum anderen soll das bean-
spruchte Gerät auch zur hygienischen Entsorgung von Küchenmüll dienen (vgl.
Teil "Anmeldung zum Patent" S. 1 Abs. 1), bei dem es sich aber nicht um Inkonti-
nenzmüll handelt. Denn Inkontinenzmüll zeichnet sich laut den ursprünglich einge-
reichten Unterlagen durch das Vorhandensein von Keimen, Viren und bakterien-
behafteten Abfall aus (vgl. Teil "Patentbeschreibung" Abschnitt 2.1 Abs. 1), wäh-
rend Küchenmüll Speisereste und Lebensmittelabfälle umfasst und auch in der
Fachwelt von Inkontinenzmüll eindeutig in der Weise unterschieden wird, dass Kü-
chenmüll als Klasse-A-Müll und Inkontinenzmüll als Klasse-B- oder Klasse-C-Müll
einklassifiziert wird (vgl. E3).

Auch gegenüber dem in den ursprünglich eingereichten Unterlagen offenbarten
Merkmal der Desinfektionströpfchen einspritzenden Desinfektionsanlage sind die
Streitgegenstände gemäß den Patentansprüchen 1, 9 und 17 nicht unzulässig
erweitert (vgl. Teil "Patentbeschreibung" Abschnitt 2.2. Gliederungspunkt 2.). Den
ursprünglich eingereichten Unterlagen ist zu entnehmen, dass das Einspritzen der
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Desinfektions-Aerosollösung durch das Öffnen des Ventils der in Unterdruck ver-
setzten Kammer zur Desinfektions-Aerosollösung erreicht wird, woraufhin der Müll
mit Aerosol-Desinfektion durchströmt und somit im Müllsack bzw. Müllbeutel durch
Differenzdruck von außen zwangsdesinfiziert wird (vgl. Teil "Anmeldung zum Pa-
tent" S. 2 Abs. 2, v. a. Z. 5 bis 8). Dementsprechend enthalten die Patentansprü-
che 1 und 9 als konstruktives Merkmal ein Ventil sowie ein Mittel zum Öffnen die-
ses Ventils, das die in Unterdruck versetzte Kammer zu einer Desinfektions-Aero-
sollösung hin öffnet und durch das die Desinfektionströpfchen in die Kammer ein-
gespritzt werden. Das Ventil sowie das Mittel zum Öffnen des Ventils stellen folg-
lich eine mögliche Ausführungsform der Desinfektionsanlage dar, die in den Pa-
tentansprüchen 1 und 9 in zulässiger Weise konkretisiert ist. Hinsichtlich des
nebengeordneten Patentanspruchs 17 wird das streitpatentgemäße Öffnen des
Ventils zur Desinfektions-Aerosollösung und damit implizit auch das dazu notwen-
dige Ventil durch die Formulierung "Teilflutung-Differenzdruck mit Desinfektions-
Aerosol" umschrieben. Denn mit dieser Formulierung sind das streitpatentgemäße
Desinfektionsverfahren der Aerosol-Mülldesinfektion in einer in Unterdruck ver-
setzten Kammer und die dazu erforderlichen Vorrichtungsmerkmale zusammen-
gefasst, was sich ebenfalls aus den ursprünglich eingereichten Unterlagen ergibt
(vgl. Teil "Anmeldung zum Patent" S. 3 Abs. 5 i. V. m. S. 2 Abs. 2), so dass auch
dieser Patentanspruch nicht unzulässig erweitert ist.

Im Übrigen sind die Gegenstände der Patentansprüche 1 und 9 auch nicht
dadurch unzulässig erweitert, dass sie die Verfahrensschritte Endvakuumieren,
Schließen des Verpackungsmaterials und Abluftfiltrierung nicht berücksichtigen
und somit nicht alle erfindungswesentlichen Merkmale enthalten. In den ursprüng-
lich eingereichten Unterlagen ist angegeben, dass ein Gerät mit dem Namen
"Schluckspecht" angemeldet wird (vgl. Teil "Anmeldung zum Patent", S. 3 Abs. 3
und 4). Dieses Gerät "Schluckspecht" wird auf der vorangehenden Seite im Detail
beschrieben (vgl. a. a. O., S. 2 Abs. 1 und 2). Desweiteren offenbaren die
ursprünglich eingereichten Unterlagen, dass der Schluckspecht auch als Kombina-
tionsgerät ausgestaltet sein kann, mit dem dann die in Frage stehenden Verfah-
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rensschritte durchgeführt werden können (vgl. a. a. O., S. 3 Abs. 5). Dieses Kom-
binationsgerät stellt somit eine weitere Ausführungsform der streitpatentgemäßen
Erfindung dar, die das Streitpatent im Patentanspruch 17 berücksichtigt, so dass
die Gegenstände der Patentansprüche 1 und 9 nicht auf diese weitere Ausfüh-
rungsform zu beschränken sind.

Schließlich stellt die Verwendung des Begriffs "Geruchsneutralisierer" in den Pa-
tentansprüchen 8 und 16 keine unzulässige Erweiterung dar. Denn Verallgemeine-
rungen sind in der Regel unbedenklich, wenn sich ein in der Anmeldung beschrie-
benes Ausführungsbeispiel der Erfindung für den Fachmann als Ausgestaltung der
im Anspruch umschriebenen allgemeineren technischen Lehre darstellt und diese
Lehre in der beanspruchten Allgemeinheit für ihn bereits der Anmeldung – sei es
in Gestalt eines in der Anmeldung formulierten Anspruchs, sei es nach dem Ge-
samtzusammenhang der Unterlagen – als zu der angemeldeten Erfindung gehö-
rend entnehmbar ist (vgl. Busse PatG, 8. Aufl., § 21 Rn. 87 und BGH, GRUR
2015, 249 – Schleifprodukt m. w. N.). Diesen Grundsätzen folgend entnimmt der
Fachmann, ein Verfahrensingenieur mit langjähriger Erfahrung im Bau und Konzi-
pierung von Entsorgungseinrichtungen für mit Keimen, Viren und/oder Bakterien
behafteten Abfällen, wie beispielsweise von krankenhausspezifischen Abfällen,
dem Gesamtinhalt der ursprünglich eingereichten Unterlagen hinsichtlich der For-
mulierung "Askomal (Geruchsneutralisierer)", dass ein Abluftbereiter im Kammer-
abluft-Austragungsbereich erforderlich ist. Dieser Abluftbereiter kann entweder als
Aktivkohlefilter oder als Luftwäscher mit einer Desinfektionslösung und Askomal
als Geruchsneutralisierer ausgestattet sein (vgl. Teil "Anmeldung zum Patent" S. 2
Abs. 3). Für den Fachmann ist somit Askomal im Gesamtzusammenhang der
ursprünglich eingereichten Unterlagen als ein Beispiel für einen Geruchsneutrali-
sierer offenbart. Er versteht aber zugleich, dass es nicht auf das beispielhafte
Askomal ankommt, sondern darauf, dass erfindungsgemäß ein Geruchsneutrali-
sierer im Luftwäscher zu verwenden ist.
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2. Gemäß den schriftlichen Ausführungen der Einsprechenden sei der Streitpa-
tentschrift nicht eindeutig zu entnehmen, ob die Desinfektions-Aerosollösung als
Lösung oder als Aerosol in die Behandlungskammer eingeführt werde.

Vor der Beurteilung der Patentfähigkeit bedarf es daher zunächst einer Befassung
mit der technischen Lehre, die sich aus der Sicht des vom Streitpatent angespro-
chenen Fachmanns aus dem Patentanspruch 1 ergibt. Dazu ist der Sinngehalt
dieses Patentanspruchs in seiner Gesamtheit und der Beitrag des Merkmals "Des-
infektions-Aerosollösung" zum Leistungsergebnis der Erfindung unter Heranzie-
hung der erläuternden Beschreibung durch Auslegung zu ermitteln (vgl. BGH
GRUR 2012, 1124 – Polymerschaum).

Der Fachmann entnimmt der Streitpatentschrift explizit, dass Desinfektionströpf-
chen eingespritzt werden, die unter Vakuum mit Berührung aufplatzen und somit
ein Aerosol bilden, das bei zeitgleichem Reduzieren des Vakuums den vorher eva-
kuierten Raum der Kammer durchströmt und die Viren und Bakterien zerstört (vgl.
Streitpatentschrift S. 2 Abs. [0009]). Demnach ist es streitpatentgemäß entschei-
dend, dass die Desinfektions-Aerosollösung in der Kammer als Aerosol vorliegt.

Unter einem Aerosol versteht der Fachmann dabei ein kolloides System aus
einem Gas mit darin verteilten kleinen festen oder flüssigen Teilchen (vgl. D21
S. 65 Stichwort "Aerosole" Satz 1). In der streitgegenständlichen Vorrichtung
besteht somit das in der Kammer vorliegende Aerosol aus kleinen flüssigen Des-
infektionsmittelteilchen, die fein verteilt in Luft vorliegen. Das Desinfektionsmittel
liegt folglich nicht als Dampf oder Gas vor. Denn mit Dampf bezeichnet der Fach-
mann den gasförmigen Aggregatszustand eines Stoffes, in den dieser durch Sie-
den oder durch Sublimation gelangt. Der Unterschied zwischen kleinen flüssigen
Teilchen und gasförmigen Teilchen liegt dabei darin, dass im gasförmigen Aggre-
gatszustand keine anziehenden Kräfte zwischen den einzelnen Molekülteilchen
bestehen, so dass in Gasen keine räumliche Ordnung mehr vorliegt und diese den
zur Verfügung stehenden Raum gleichmäßig ausfüllen, während im flüssigen
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Aggregatszustand die Kräfte zwischen den einzelnen Molekülteilchen noch so
stark sind, dass die Substanz ein begrenztes Volumen – vorliegend in Form klei-
ner Tröpfchen – einnimmt und sich eine Oberfläche ausbildet.

Die von den Einsprechenden aufgeworfene Frage, ob dabei die Desinfektions-
Aerosollösung bereits vor der Kammer oder erst unmittelbar beim Einströmen in
die Kammer zu einem Aerosol zerstäubt wird, spielt für die erfindungsgemäße
Lehre keine Rolle und muss daher nicht entschieden werden, da dafür nur ent-
scheidend ist, dass in der Kammer das Desinfektionsmittel als Aerosol vorliegt.
Allerdings spricht die Formulierung im Absatz [0009] der Streitpatentschrift für eine
Bildung des Aerosols beim Einströmen in die Kammer, zumal es ein bekanntes
und oft genutztes technisches Prinzip bei der Aerosolherstellung ist, eine Flüssig-
keit durch Expansion in einen Raum mit erheblich niedrigeren Druck zu einem
Aerosol zu zerstäuben (vgl. D21 S. 66 li. Sp. Z. 5 bis 18).

3. Die Vorrichtung zur Umwandlung von mit Keimen, Viren und/oder Bakterien
behafteten Mülls zu unbedenklichem Hausmüll gemäß Patentanspruch 1 ist so
deutlich und vollständig offenbart, dass der Fachmann sie nacharbeiten kann.

Den Einsprechenden ist zwar insoweit zu folgen, dass die Streitpatentschrift
explizit keine Mittel zum Öffnen eines Ventils im Zeitpunkt des erreichten Unter-
druck-Zustands in der Kammer zu einer Desinfektions-Aerosollösung aufzeigt.
Aber – wie schon bei der Prüfung der Ursprungsoffenbarung ausgeführt – beach-
tet der Fachmann auch dasjenige als offenbart, was in den Patentansprüchen und
in der Beschreibung nicht ausdrücklich erwähnt ist, aus seiner Sicht jedoch für die
Ausführung der unter Schutz gestellten Lehre selbstverständlich ist und deshalb
keiner Offenbarung bedarf. Diese Voraussetzung trifft auf die diskutierten Mittel
zur Öffnung eines Ventils zu. Dem Fachmann sind nämlich diese nicht explizit
offenbarten Mittel zur Öffnung eines Ventils zwischen einer Zuleitung und einer
evakuierten Behandlungskammer geläufig und werden von ihm standardmäßig
eingesetzt (vgl. II.1. Abs. 2). Bei der Auswahl aus den ihm bekannten Beispielen
- 17 -
für diese Mittel hat er lediglich darauf zu achten, dass nach dem Öffnen des Ven-
tils die Desinfektions-Aerosollösung in der Kammer tatsächlich als Aerosol vor-
liegt. Gegebenenfalls verschafft er sich daher mit Hilfe orientierender Versuche
einen Überblick über die Eignung der ihm bekannten Mittel zur Öffnung eines Ven-
tils für die streitpatentgemäße Vorrichtung (vgl. Busse PatG, 8. Aufl., § 34
Rn. 291).

Nachdem die Streitpatentschrift auch für den Begriff "Desinfektions-Aerosollö-
sung" eine eindeutige Lehre vermittelt (vgl. II.2.), hat der Fachmann bei der Nach-
arbeitung dieser Lehre folgend lediglich darauf zu achten, dass in der Behand-
lungskammer das Desinfektionsmittel als Aerosol vorliegt. Sollte dazu die Aero-
solbildung beim Einströmen in die Kammer erfolgen, wird er die Vorrichtung, ins-
besondere das Einlassventil, entsprechend seines Fachwissens ausgestalten,
z. B. durch fachübliche Ausgestaltung des Ventils als Zerstäuber (vgl. D24 S. 58
Mitte).

Zudem spielt die Frage des Kondensationsorts für die Nacharbeitbarkeit keine
Rolle. Das Desinfektionsmittel verbreitet sich als Aerosol feinverteilt in Luft mit die-
ser gleichmäßig in der gesamten Kammer, durchströmt dabei auch den zu behan-
delnden Müll und scheidet sich an allen Oberflächen, also auch an der Oberfläche
des Mülls, ab. Durch die Abscheidung an der Mülloberfläche wird diese benetzt,
wobei die abgeschiedenen flüssigen Desinfektionsmittelteilchen einen Kapillaran-
stieg erfahren, also in enge Spalten oder Hohlräume des Mülls hineingezogen
werden. Das Streitpatent nutzt somit dieses als Kapillareffekt dem Fachmann
bekannte physikalische Phänomen, das bei der Nacharbeitung zwangsläufig zu
beobachten ist, weil die Desinfektions-Aerosollösung in der Kammer als Aerosol
vorliegt. Der Kapillareffekt ist dabei nicht nur in Kavitäten poröser Müllmaterialien
zu beobachten, sondern – wie die Patentinhaberin glaubhaft vorgetragen hat –
auch bei Müllmaterialien mit glatten Oberflächen. Hier entstehen die Kavitäten erst
bei der Zusammenlagerung des Mülls im Müllbeutel. Daher ist mit der bean-
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spruchten Vorrichtung die Behandlung von sämtlichem mit Keimen, Viren und/
oder Bakterien behafteten Müll ausführbar.

Hinsichtlich der ebenfalls beanspruchten Verweilzeit erfährt der Fachmann aus der
Streitpatentschrift, dass die Desinfektion eine Wirkzeit benötigt, während der die
Desinfektions-Aerosollösung durch Kapillarwirkung am Müll anhaftet und ihre des-
infizierende Wirkung ausübt (vgl. Streitpatentschrift S. 3 Abs. [0023]). Damit ent-
nimmt der Fachmann der Streitpatentschrift, dass er eine gewisse Einwirkzeit für
die Desinfektion des Mülls benötigt. Über die Dauer der Verweilzeit verschafft sich
der Fachmann dann ebenso wie über die Menge an benötigter Desinfektions-
Aerosollösung mit Hilfe orientierender Versuche Klarheit (vgl. Busse a. a. O.).

Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 ist daher für den Fachmann unter Be-
rücksichtigung seines physikalisch-chemischen und verfahrenstechnischen Fach-
wissens ausführbar.

4. Die Vorrichtung gemäß Patentanspruch 1 ist neu.

Keines der angeführten Dokumente offenbart eine Vorrichtung zur Umwandlung
von mit Keimen, Viren und/oder Bakterien behafteten Mülls zu unbedenklichen
Hausmüll mit sämtlichen streitpatentgemäßen Merkmalen.

Die Druckschrift D2 betrifft einen chemischen Dampfsterilisator, bei dem das flüs-
sige Sterilisationsmittel aus einem Reservoir 16 über die Ladekammer (= "shot
chamber") 18 in die Sterilisationskammer 10 eingeleitet wird (vgl. D2 Fig. 1 i. V. m.
S. 1 Z. 5 bis 9, S. 6 Z. 33 bis S. 7 Z. 5). Dort wird das Sterilisationsmittel durch
Erhitzen unter Druckanstieg verdampft und das Material durch das nunmehr gas-
förmige Sterilisationsmittel sterilisiert. Abschließend wird die Kammer wieder belüf-
tet (vgl. D2 S. 10 Z. 22 bis 30, S. 11 Z. 14 bis 27 und S. 12 Z. 1 bis 17). Damit
erfolgt in D2 zuerst die Zugabe des Sterilisationsmittels in flüssiger Form, bevor
dieses in einem anschließenden Schritt durch Heizen verdampft und damit in den
- 19 -
gasförmigen Zustand überführt wird. Denn mit der Verdampfung durch Erhitzen
bezeichnet der Fachmann den Aggregatsübergang eines molekularen Stoffes vom
flüssigen oder festen Zustand in den gasförmigen Zustand. Die Bildung eines Ste-
rilisationsmittel-Aerosols, also eines kolloidalen Systems aus einem Gas, wie z. B.
Luft, und darin verteilten kleinen flüssigen Teilchen aus Sterilisationsmittel, wird
durch diesen Prozess und die dafür verwendete Vorrichtung nicht offenbart.

Die Vorrichtung gemäß D2 zeigt auch nicht implizit die streitpatentgemäße Vor-
richtung auf. Denn ohne das Ziel, in der Sterilisationskammer gemäß D2 das Ste-
rilisationsmittel als Aerosol zu verwenden, wird der Fachmann auch nicht das Ven-
til in der Zuführleitung des Sterilisationsmittels zur Sterilisationskammer derart
ausgestalten, dass es das Sterilisationsmittel beim Einströmen zu einem Aerosol
zerstäubt. Für den Fachmann macht dies auch schon deswegen keinen Sinn, weil
das Sterilisationsmittel gemäß der Lehre der D2 nach dem Einströmen in die Kam-
mer durch Heizen verdampft wird. Ausgehend von einem Aerosol wäre aber ein
Verdampfen nicht mehr notwendig, um das Sterilisationsmittel in der Kammer
gleichmäßig zu verteilen. Deshalb liest er eine Vorrichtung, die ein Aerosol in der
Sterilisationskammer vorsieht, beim Durcharbeiten der D2 auch nicht mit.

Die Druckschriften D4, D5, D9, D10 und D11 offenbaren jeweils Desinfektionsvor-
richtungen von Müll mittels Wasserdampf (vgl. D4 Patentansprüche 1, 9, 10, Sp. 2
Abs. [0011], Sp. 2/3 Abs. [0017]; vgl. D5 Patentanspruch 1; vgl. D9 Patentansprü-
che 1, 16, S. 2 Abs. [0019], S. 4 Abs. [0043], [0044]; vgl. D10 Patentanspruch 1;
vgl. D11 Patentanspruch 1). Da der Fachmann mit dem Begriff Wasserdampf den
gasförmigen Aggregationszustand des Moleküls "Wasser" bezeichnet, nehmen
auch diese Druckschriften die streitpatentgemäße Vorrichtung, in der ein Aerosol
gehandhabt wird, nicht vorweg. Dasselbe gilt für die Dampfsterilisatoren betreffen-
den Druckschriften D1 und D3, in denen Persäuredampf bzw. Wasserstoffperoxid-
dampf als Sterilisationsmittel verwendet werden (vgl. D1 Patentanspruch 1, S. 9
Z. 22 bis 26, S. 10 Z. 21 bis 23; vgl. D3 Patentanspruch 1, Sp. 11 Z. 23 bis 30).
- 20 -
In den Druckschriften D6, D7, D8 und D19 werden Sterilisationsvorrichtungen
beschrieben, bei denen gasförmiges Ozon bzw. Ethylenoxid als Sterilisationsmittel
verwendet werden (vgl. D6 Zusammenfassung, Patentansprüche 1, 11; vgl. D7
Patentansprüche 1, 2, S. 5 Z. 13 bis 22, S. 6 Z. 1 bis 10; vgl. D8 Abstract, Pa-
tentanspruch 1; vgl. D19 Patentanspruch 1, S. 11 Abs. 2). Auch diese Druck-
schriften unterscheiden sich vom Streitgegenstand darin, dass sie kein Aerosol
handhaben und somit nicht die entsprechenden Einrichtungen für dessen Erzeu-
gung aufweisen. Dass dabei in D8 im Zusammenhang mit der Versorgung der
Sterilisationseinrichtung mit Ethylenoxidgas eine Aerosol-Kartusche beschrieben
wird (vgl. D8 Sp. 2 Z. 41 bis 47), führt zu keiner anderen Beurteilung. Denn diese
Kartusche dient gemäß D8 allein dazu, genügend Ethylenoxidgas bereitzustellen
(vgl. D8 Sp. 2 Z. 48 bis 50). Ein Zusammenhang mit der Sterilisation und eines
dabei zu verwendenden Ethylenoxid-Aerosols wird durch diese Offenbarung nicht
aufgezeigt.

In D20 wird schließlich Müll durch Aufbringen eines ein Desinfektionsmittel ent-
haltenden Kunststoffs in flüssiger Form bei Normaldruck desinfiziert. Nach Aus-
härten des Kunststoffs ist der Müll von einem Kunststofffilm bedeckt (vgl. D20
Abstract, Patentansprüche 1 bis 3). Somit unterscheidet sich die D20 von der
streitpatentgemäßen Vorrichtung darin, dass in D20 weder ein Aerosol verwendet
noch unter Unterdruckbedingungen gearbeitet wird und daher entsprechende Ein-
richtungen an der Müllbehandlungsvorrichtung nicht notwendig sind.

Die übrigen dem Senat vorliegenden und im Beschwerdeverfahren nicht mehr auf-
gegriffenen Entgegenhaltungen können die Neuheit des Streitgegenstands gemäß
Patentanspruch 1 ebenfalls nicht in Frage stellen, da sie entweder lediglich die
Abfüllung und Verpackung von Müll und damit nicht die Mülldesinfektion betreffen
oder allgemeinen Stand der Technik darstellen.

Soweit die Einsprechenden eine offenkundige Vorbenutzung durch das Gerät
"Schluckspecht" gemäß E1 geltend gemacht haben, musste dieser Aspekt bei der
- 21 -
Beurteilung der Patentfähigkeit des Patentgegenstands außer Betracht bleiben.
Nachdem die Einsprechenden – wie schriftsätzlich angekündigt – nicht an der
mündlichen Verhandlung teilgenommen haben, konnte der entsprechende, von
der Patentinhaberin bestrittene Vortag nicht weiter konkretisiert werden, insbeson-
dere im Hinblick auf den genauen Zeitpunkt bzw. die genauen Umstände der ver-
meintlichen Vorbenutzung. Bei dieser Sachlage und unter Berücksichtigung der
insoweit bestehenden Mitwirkungspflichten der Parteien hatte der Senat keine
Veranlassung, der Frage der angeblichen Vorbenutzung weiter nachzugehen (vgl.
hierzu auch Schulte/Moufang, PatG, 9. Aufl., § 59 Rn. 208 ff.).

5. Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 beruht auch auf einer erfinderischen
Tätigkeit.

Dem Streitpatent liegt die Aufgabe zugrunde, eine hinsichtlich Energiekosten, Zeit-
aufwand und Geräte-Baugrößen verbesserte Vorrichtung und ein verbessertes
Verfahren zur Umwandlung von mit Keimen, Viren und/oder Bakterien behafteten
Mülls in unbedenklichen Hausmüll bereitzustellen (vgl. Streitpatent S. 2 Abs.
[0007]).

Zur Lösung der Aufgabe, wie sie durch die Ausgestaltung der Vorrichtung zur Um-
wandlung von mit Keimen, Viren und/oder Bakterien behafteten Mülls mit den
Merkmalen nach Patentanspruch 1 erreicht wird, gelangt der Fachmann mit kei-
nem der im Verfahren genannten Dokumente. Denn keine dieser Druckschriften
kann ihm Hinweise dahingehend vermitteln, die Desinfektionsvorrichtung derart
auszugestalten, dass das Desinfektionsmittel in der Behandlungskammer als
Aerosol vorliegt, welches den Müll durchströmt und desinfiziert, wobei es am Müll
durch Kapillarwirkung anhaftet (vgl. Streitpatentschrift S. 2 Abs. [0009] und S. 3
Abs. [0023]).

Die D2 strebt einen chemischen Dampfsterilisator an, der leicht zu bedienen ist
und den Verlust an Sterilisationsmittel minimiert (vgl. D2 S. 2 Abs. 2). Als Lösung
- 22 -
gibt sie einen Sterilisator an, bei dem das Sterilisationsmittel in flüssigem Zustand
aus einem Vorratsbehälter über eine Ladekammer, mit deren Hilfe die genaue
Menge an Sterilisationsflüssigkeit für den einzelnen Sterilisationsschritt eingestellt
wird, mittels Schwerkraft in eine vorevakuierte Sterilisationskammer eingeleitet
und dort anschließend verdampft wird, wobei ein Überdruck entsteht. Durch diese
Apparatur wird der Verlust an sterilisierender Aktivität durch die gezielte Verteilung
von Luft und sterilisierenden Gasen in hohem Maße reduziert (vgl. D2 Fig. 1
i. V. m. S. 5 Z. 18 bis 26, 31 bis 33, S. 6 Z. 33 bis S. 7 Z. 8, S. 10 Z. 22 bis 30,
S. 11 Z. 14 bis 27, S. 12 Z. 1 bis 15 und S. 14 Z. 6 bis 10 sowie S. 3 Z. 7 bis 10).
Eine Zerstäubung der Sterilisationsflüssigkeit zu einem Aerosol wird durch eine
derartige Vorgehensweise nicht in das Blickfeld des Fachmanns gerückt. Die
Lehre der D2 weist von der patentgemäßen Lösung sogar weg, da in D2 zum
einen das Desinfektionsmittel energetisch aufwendig verdampft wird und dies dem
streitpatentgemäßen Ziel einer Vorrichtung mit geringeren Energiekosten zuwider
läuft, zum anderen da gemäß D2 durch die Verdampfung des Sterilisationsmittels
die Sterilisation bei Überdruck durchgeführt und somit die in der Streitpatentschrift
als nachteilig beschriebene Bildung von Konglomeraten – in der Streitpatentschrift
als "Komulorate" bezeichnet – gefördert wird (vgl. Streitpatentschrift S. 3 Abs.
[0028]).

Keine andere Sachlage liegt vor, wenn man von der Druckschrift D10 ausgeht, die
sich wie die Streitpatentschrift mit der Desinfektion bzw. Dekontamination von
Abfällen, insbesondere von Krankenhausmüll beschäftigt. Als Lösung schlägt D10
eine Vorrichtung vor, in der Wasserdampf als Desinfektionsmittel in einem Druck-
behälter verwendet wird und bei der Desinfektion den gesamten Müll durchdringt
(vgl. D10 Patentansprüche 1 und 13, Sp. 2 Z. 27 bis 30, Sp. 2/3 spaltenübergr.
Abs. und Sp. 3 Z. 47 bis 51). Eine Anregung, ein Desinfektionsmittel derart in eine
evakuierte Desinfektionskammer einzuführen, dass es dort nicht als gasförmiger
Wasserdampf, sondern als Aerosol – im Fall von Wasser benennt der Fachmann
ein Aerosol auch als Nebel – vorliegt, um insbesondere die nachteilige Bildung
von Konglomeraten bei der Verwendung von Wasserdampf zu vermeiden (vgl.
- 23 -
Streitpatentschrift S. 3 Abs. [0028]), kann dieser Druckschrift nicht entnommen
werden. Vielmehr muss bei der Vorgehensweise gemäß D10 entgegen dem streit-
patentgemäßen Ziel einer energieeffizienten Desinfektion energetisch aufwendig
Wasserdampf erzeugt werden, so dass der Fachmann wiederum keine Veranlas-
sung hatte, diese Druckschrift in Betracht zu ziehen.

Die Verwendung von Wasserdampf gemäß D10 als Sterilisationsmittel kann auch
dann nicht den streitpatentgemäßen Einsatz eines Desinfektionsmittel-Aerosols
nahe legen, wenn man davon ausgeht, dass technischer Wasserdampf oft Was-
sertröpfchen enthält. Zum einen ist in D10 von einem derartigen Wasserdampf
nicht die Rede. Vielmehr ist dem Fachmann aus dem Stand der Technik bei der
Desinfektion von Müll mittels Dämpfen bekannt, flüssige Desinfektionsmittel-Tröpf-
chen zu entfernen (vgl. z. B. D1 S. 4 Z. 12 bis 14). Zum anderen beschreibt das
Streitpatent die Verwendung von Wasserdampf für die Mülldesinfektion als nach-
teilig (vgl. Streitpatentschrift S. 3 Abs. [0028]). Der Fachmann hat daher Wasser-
dampf, selbst wenn dieser Wassertröpfchen enthalten sollte, zur Lösung der streit-
patentgemäßen Aufgabe nicht herangezogen. Dafür spricht auch, dass Wasser an
sich kein Desinfektionsmittel ist. Die Desinfektionswirkung von Wasserdampf
beruht vielmehr auf dessen thermischen Einwirken auf das zu behandelnde Mate-
rial. Daher legt ein Wassertröpfchen enthaltender Wasserdampf schon aus begriff-
licher Sicht kein Aerosol aus einem Desinfektionsmittel im streitpatentgemäßen
Sinn nahe.

Auch die weiteren in der mündlichen Verhandlung diskutierten Entgegenhaltungen
können weder für sich noch in einer Zusammenschau dem Fachmann Anregun-
gen dahingehend vermitteln, zur Lösung der dem Streitpatent zugrunde liegenden
Aufgabe eine Desinfektions-Aerosollösung derart bereitzustellen, dass sie in einer
Behandlungskammer in Aerosolform vorliegt.

Die D6 gibt ebenso wie die D19 eine Sterilisations- bzw. Dekontaminationsvorrich-
tung an, die als keimtötendes Gas Ozon einsetzt (vgl. D6 Abstract, Patentan-
- 24 -
spruch 11; vgl. D19 Patentanspruch 1, S. 11 Abs. 2). Eine Desinfektion mit einem
Desinfektionsmittel in Aerosolform ist in diesen Dokumenten weder angesprochen
noch angeregt. In D6 wird vielmehr darauf hingewiesen, dass durch das Einleiten
des Ozon-haltigen Gases in eine im Unterdruck befindliche Kammer das Ozon
zuverlässig in alle Falten und Nischen des Sterilisationsgutes geleitet wird (vgl. D6
S. 8 Abs. 1 le. Satz). Dadurch erhält der Fachmann aber keinen Anlass, eine
Aerosol-Desinfektion und entsprechende Einrichtungen an der Desinfektionsvor-
richtung in Betracht zu ziehen.

Die Entgegenhaltung D8 trägt zur Lösung der hier gestellten Aufgabe ebenfalls
nichts bei. Dort wird eine Sterilisationsvorrichtung für medizinische Artikel offen-
bart, bei der als Sterilisationsmittel gasförmiges Ethylenoxid eingesetzt wird (vgl.
D8 Patentanspruch 1, Sp. 1 Z. 29 bis 37, Sp. 2 Z. 12 bis 23). Das Ethylenoxidgas
wird dabei aus kommerziell erhältlichen Kartuschen vom Aerosoltyp bezogen. Aus
ihnen wird flüssiges Ethylenoxid freigesetzt, das in der Vorrichtung gemäß D8 in
den gasförmigen Aggregationszustand überführt wird, bevor es in die Behand-
lungskammer eingeleitet wird (vgl. D8 Sp. 2 Z. 41 bis 50 und Sp. 6 Z. 13 bis 28).
Hinweise auf ein Aerosol in der Behandlungskammer und eine Sterilisation mittels
dieses Aerosols sowie dafür notwendige Vorrichtungsmerkmale finden sich in der
D8 nicht.

Der weitere, in der mündlichen Verhandlung nicht mehr aufgegriffene Stand der
Technik enthält ebenfalls keine Hinweise zur Ausgestaltung der Mülldesinfektions-
vorrichtung mit den Merkmalen des Patentanspruchs 1, weshalb auch eine Zu-
sammenschau dessen mit den in der mündlichen Verhandlung im Einzelnen dis-
kutierten Druckschriften zu keiner anderen Beurteilung der Sachlage führt.

6. Nachdem die Vorrichtung zur Umwandlung von mit Keimen, Viren und/oder
Bakterien behafteten Mülls nach Patentanspruch 1 alle Kriterien der Patentfähig-
keit aufweist, hat Patentanspruch 1 Bestand. Gleiches gilt für die auf ein Verfahren
zur Umwandlung von mit Keimen, Viren und/oder Bakterien behafteten Mülls zu
- 25 -
unbedenklichem Hausmüll gerichteten Patentansprüche 9 und 17, sowie die auf
die Verwendung der streitpatentgemäßen Vorrichtung und/oder des streitpatentge-
mäßen Verfahrens gerichteten Patentansprüche 18 bis 20, für die aufgrund identi-
scher Merkmale die vorstehenden Ausführungen zum Patentanspruch 1 entspre-
chend gelten.

Die Patentansprüche 2 bis 8 und 10 bis 16 betreffen weitere, über Selbstverständ-
lichkeiten hinausgehende Ausgestaltungen der Vorrichtung bzw. des Verfahrens
zur Umwandlung von mit Keimen, Viren und/oder Bakterien behafteten Mülls nach
den Patentansprüchen 1 bzw. 9 und haben daher mit diesen Bestand.


III

Rechtsmittelbelehrung

Gegen diesen Beschluss steht den Verfahrensbeteiligten das Rechtsmittel der
Rechtsbeschwerde zu. Da der Senat die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen hat,
ist sie nur statthaft, wenn gerügt wird, dass

1. das beschließende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war,
2. bei dem Beschluss ein Richter mitgewirkt hat, der von der Ausübung des
Richteramtes kraft Gesetzes ausgeschlossen oder wegen Besorgnis der
Befangenheit mit Erfolg abgelehnt war,
3. einem Beteiligten das rechtliche Gehör versagt war,
4. ein Beteiligter im Verfahren nicht nach Vorschrift des Gesetzes vertreten war,
sofern er nicht der Führung des Verfahrens ausdrücklich oder stillschweigend
zugestimmt hat,
- 26 -
5. der Beschluss aufgrund einer mündlichen Verhandlung ergangen ist, bei der
die Vorschriften über die Öffentlichkeit des Verfahrens verletzt worden sind,
oder
6. der Beschluss nicht mit Gründen versehen ist.

Die Rechtsbeschwerde muss innerhalb eines Monats nach Zustellung des Be-
schlusses von einer beim Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwältin oder
von einem beim Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt beim Bundesge-
richtshof, Herrenstraße 45a, 76133 Karlsruhe, eingereicht werden.



Dr. Münzberg Schell Dr. Jäger Dr. Wagner


Fa


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