14 W (pat) 27/13  - 14. Senat (Techn.Beschw.)
Karar Dilini Çevir:

BPatG 152
08.05

BUNDESPATENTGERICHT




14 W (pat) 27/13
_______________________
(Aktenzeichen)



B E S C H L U S S

In der Beschwerdesache

betreffend die Patentanmeldung 10 2010 021 862





hat der 14. Senat (Technischer Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts in
der Sitzung vom 31. August 2017 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters
Dr. Maksymiw, des Richters Schell, der Richterin Dr. Münzberg sowie des
Richters Dr. Jäger

beschlossen:

1. Der Beschluss der Prüfungsstelle für Klasse B01D des Deut-
schen Patent- und Markenamts vom 7. August 2013 wird auf-
gehoben.
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2. Das Patent wird mit folgenden Unterlagen erteilt:

Patentansprüche 1 bis 8 gemäß Hauptantrag vom 7. Au-
gust 2013, Beschreibung Seiten 1 bis 7 (gemäß Reinschrift)
vom 3. August 2017 sowie Figuren 1 und 2 gemäß Offenle-
gungsschrift.


G r ü n d e

I.

Mit Beschluss vom 7. August 2013 hat die Prüfungsstelle für Klasse B01D des
Deutschen Patent- und Markenamts die Patentanmeldung 10 2010 021 862 mit
der Bezeichnung

„Luftfilter“

gemäß § 48 PatG zurückgewiesen.

Dem Beschluss liegen die Ansprüche 1 bis 8 gemäß Haupt- bzw. Hilfsantrag
jeweils in der Fassung vom 7. August 2013 zugrunde, die Gegenstand der Anhö-
rung vor der Prüfungsstelle am 7. August 2013 waren. Anspruch 1 gemäß Haupt-
antrag lautet wie folgt:

„1. Luftfilter mit in einem Gehäuse (2) angeordneten Filterele-
ment (3), dem über eine Einströmöffnung (4) im Gehäuse (2)
Rohluft zuführbar ist, wobei stromab des Filterelements (3)
die gereinigte Luft über eine Abströmöffnung (5) aus dem
Gehäuse (2) ableitbar, mit einer Wasseraustragsöffnung (9)
im Gehäuse (2), wobei die Wasseraustragsöffnung (9) von
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einem flüssigkeitstransportierenden Abdichtteil (11) abge-
deckt ist, dadurch gekennzeichnet, dass die Wasseraus-
tragsöffnung (9) mit dem Abdichtteil (11) auf der Reinseite
des Filterelements (3) im Gehäuse (2) angeordnet ist.“

Die rückbezogenen Ansprüche 2 bis 8 gemäß Hauptantrag sind auf Weiterbildun-
gen des Filters nach Anspruch 1 gerichtet.

Die Zurückweisung der Patentanmeldung ist im Wesentlichen damit begründet,
dass es für den zuständigen Fachmann, dem die Aufgabe gestellt sei, einen viel-
seitig einsetzbaren Filter für die Frischluftzufuhr im Innenraum eines Fahrzeugs zu
verwenden, selbstverständlich sei, die in den Innenraum zu fördernde Luft mög-
lichst frei von Schadstoffen zu halten und die Schimmelbildung durch Kondensat
auf der Reinseite eines Filterelements zu verhindern. In Kenntnis der Druckschrift

D1 DE 199 42 503 A1

liege es für den Fachmann daher auf der Hand, die Wasseraustragsöffnung mit
ihrem Abdichtmittel im anmeldungsgemäßen Sinn auf der Reinseite des Filters
anzuordnen. Demzufolge gelange der Fachmann zum Gegenstand des An-
spruchs 1 gemäß Haupt- bzw. Hilfsantrag ohne erfinderisch tätig werden zu müs-
sen.

Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde der Anmelderin, mit der sie
ihr Patentbegehren auf der Grundlage der Anspruchsfassung gemäß Hauptantrag,
wie er der mündlichen Anhörung vor der Prüfungsstelle am 7. August 2013 zu-
grunde lag, weiterverfolgt.

Die Anmelderin trägt zur Begründung ihrer Beschwerde schriftsätzlich im Wesent-
lichen vor, dass der Luftfilter mit den Merkmalen des geltenden Anspruchs 1
gegenüber der Druckschrift D1 neu sei, da die D1 kein Filterelement offenbare, bei
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dem die Wasseraustragsöffnung auf der Reinseite des Filterelements im Gehäuse
angeordnet sei. Dafür, die Wasseraustragsöffnung im anmeldungsgemäßen Sinn
auf der Reinseite eines Luftfilters zu positionieren, erhalte der Fachmann aus der
D1 auch keine Anregung. Dies würde nämlich ein Ansammeln und Ablaufen des
Wassers, wie in D1 gefordert, unmöglich machen. Demzufolge sei der Luftfilter der
geltenden Ansprüche 1 bis 8 gemäß Hauptantrag neu und gegenüber einer Zu-
sammenschau der Druckschrift D1 mit dem Wissen des Fachmanns auch erfinde-
risch.

Die Anmelderin beantragt,

- den angefochtenen Beschluss aufzuheben,
- das Patent auf der Grundlage der Ansprüche 1 bis 8 gemäß
Hauptantrag vom 7. August 2013 zu erteilen und
- hilfsweise eine mündliche Verhandlung anzuberaumen.

Wegen weiterer Einzelheiten, insbesondere zum Wortlaut der Ansprüche 2 bis 8
gemäß Hauptantrag wird auf den Akteninhalt verwiesen.


II.

Die Beschwerde der Anmelderin ist zulässig (§ 73 PatG) und führt zu dem im Te-
nor angegebenen Ergebnis.


1. Bezüglich der ursprünglichen Offenbarung des Luftfilters gemäß den gelten-
den Ansprüchen 1 bis 8 bestehen keine Bedenken, da die Merkmale dieser An-
sprüche den ursprünglich eingereichten Unterlagen zu entnehmen sind (vgl. Erst-
unterlagen, Ansprüche 1 bis 3 und 5 bis 10).

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2. Der Luftfilter des geltenden Anspruchs 1 mit den Merkmalen,

M1 Luftfilter mit in einem Gehäuse (2) angeordneten Filterele-
ment (3), dem über eine Einströmöffnung (4) im Gehäu-
se (2) Rohluft zuführbar ist,
M2 wobei stromab des Filterelements (3) die gereinigte Luft
über eine Abströmöffnung (5) aus dem Gehäuse (2) ableit-
bar ist,
M3 das Gehäuse (2) ferner eine Wasseraustragsöffnung (9)
aufweist,
M4 wobei die Wasseraustragsöffnung (9) von einem flüssig-
keitstransportierenden Abdichtteil (11) abgedeckt ist und
M5 die Wasseraustragsöffnung (9) mit dem Abdichtteil (11) auf
der Reinseite des Filterelements (3) im Gehäuse (2) ange-
ordnet ist,

ist neu.

Die D1 beschreibt einen Luftfilter mit einem stromaufwärts der Filtermatte ange-
ordneten Wasserabscheider und mindestens einem Wasserablauf im Boden des
Filtergehäuses (vgl. D1, Anspruch 1). Dem entsprechend offenbart auch die ein-
zige in der Druckschrift D1 beschriebene und in der Figur 1 graphisch dargestellte
Ausführungsform einen Luftfilter, bei dem auf der Rohgasseite der Filtermatte ein
Wasserabscheider mit dem Bezugszeichen 19 sowie ein mit dem Bezugszei-
chen 18 gekennzeichneter Wasserablauf vorgesehen ist (vgl. D1, Fig. 1 i. V. m.
Sp. 2, Z. 42 bis 52). Demzufolge offenbart die D1 keinen Luftfilter mit dem patent-
gemäßen Merkmal M5, welches eine Wasseraustragöffnung auf der Reinseite des
Filterelements vorsieht.

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3. Der Luftfilter mit den Merkmalen des geltenden Anspruchs 1 beruht zudem
auf erfinderischer Tätigkeit.

Die Anmeldung führt einleitend aus, dass bei den aus dem Stand der Technik
bekannten Luftfiltern zur Filterung der Ansaugluft für Brennkraftmaschinen von
Kraftfahrzeugen das Wasser, welches in der zu filtrierenden Luft mitgeführt wird,
stromaufwärts des Filterelements an einem Wasserabscheider abgeschieden und
über einen Wasserablauf an der Gehäuseunterseite abgeführt wird (vgl. Anmel-
dung, Abs. [0002]).

Ausgehend davon, liegt der Anmeldung die Aufgabe zugrunde einen hierzu alter-
nativen Luftfilter auszubilden und dabei zugleich die Geräuschentwicklung bei der
Durchströmung des Luftfilters zu reduzieren (vgl. Anmeldung, Abs. [0003] i. V. m.
Anspruch 1). Mit einer solchen Aufgabe ist ein Ingenieur der Fachrichtung Ma-
schinenbau befasst, der über eine mehrjährige Berufserfahrung in der Konstruk-
tion und Entwicklung von Luftfiltern verfügt.

Die Aufgabe wird durch den Luftfilter des geltenden Anspruchs 1 mit den anmel-
dungsgemäßen Merkmalen M1 bis M5 gelöst.

Die D1 lehrt den Fachmann, im Gehäuse eines Luftfilters zur Filterung der An-
saugluft für Brennkraftmaschinen von Kraftfahrzeugen einen Wasserabscheider
mit mindestens einem Wasserablauf stromaufwärts der Filtermatte und damit auf
der Rohgasseite anzuordnen (vgl. D1, Anspruch 1). Die Positionierung des Was-
serabscheiders mit Wasserablauf auf der Rohgasseite wird in der D1 als vorteil-
haft erachtet, da die Filtermatte so besser vor Feuchtigkeit geschützt und ein An-
sammeln von Wasser in Strömungstoträumen verhindert werden kann (vgl. D1,
Sp. 1, Z. 35 bis 47). Um selbst das Vollsaugen der Filtermatte durch deren Kontakt
mit im Wasserablauf angestautem Wasser zu vermeiden, empfiehlt die D1 zudem
Mittel vorzusehen, die im Wasserablauf einen Wasserfüllstand von einer solchen
Höhe garantieren, dass dadurch der auf den Wasserablauf wirkende Unterdruck
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kompensiert wird und das Wasser auch bei dem im Fahrbetrieb herrschenden
Unterdruck ungehindert abfließen kann (vgl. D1, Sp. 2, Z. 56 bis Sp. 3, Z. 5 i. V. m.
Ansprüchen 2 bis 7). In entsprechender Weise ist auch das einzige Ausführungs-
beispiel der D1 ausgestaltet (vgl. D1, Figur 1 i. V. m. Sp. 2, Z. 28 bis Sp. 3, Z. 5).

Anregungen oder Hinweise dahingehend, den in der D1 beschriebenen Wasser-
abscheider mit bodenseitigem Wasserablauf im anmeldungsgemäßen Sinn auf
der Reinseite der Filtermatte zu positionieren, liefert die D1 somit nicht.

Einen solchen Hinweis erhält der Fachmann auch durch den in der Druck-
schrift D1 einleitend genannten Stand der Technik nicht, der auf eine Vorrichtung
zur Trennung eines Gas-/Ölgemisches in einer Pipeline Bezug nimmt. Bei dieser
Vorrichtung befindet sich zwar in einem ablaufseitigen Gehäuseabschnitt ein Flüs-
sigkeitsauslass, über den die an einem Wasserabscheider abgesonderte Flüssig-
keit aus der Vorrichtung entfernt werden kann (vgl. D1, Sp. 1, Z. 19 bis 31). Davon
wendet sich die D1 mit dem von ihr gelehrten, stromaufwärts der Filtermatte ange-
ordneten Wasserablauf jedoch ab und führt mit ihrer Lehre daher selbst unter Be-
rücksichtigung des in der D1 zitierten Standes der Technik von einem Wasseraus-
trag auf der Reinseite eines Filters weg.

Wie die Anmelderin in ihrem schriftsätzlichen Vorbringen vom 15. Oktober 2013
zudem glaubhaft vorgetragen hat, zieht der Fachmann beim Studium der D1 die
Positionierung einer Wasseraustragsöffnung auf der Reinseite eines Filterele-
ments auch aus rein technischen Überlegungen nicht in Betracht. Der Fachmann
erkennt nämlich, dass Ablauföffnungen und Ablaufrohr beim Luftfilter der D1 im
wasserfreien Zustand luftdurchlässig werden und in diesem Zustand durch die Öff-
nungen verunreinigte Luft aus der Umgebung in das Filtergehäuse eindringen
kann. Dies erachtet der Fachmann als unproblematisch, so lange sich die Öffnun-
gen – wie beim Luftfilter der D1 – auf der Rohseite der Filtermatte befinden, da die
auf dieser Seite eindringende Luft einer Filtration erst noch unterzogen werden
muss. Derartige Öffnungen auf der Reinseite, also stromaufwärts des Filterele-
- 8 -
ments, sind für einen Fachmann dagegen nicht hinnehmbar, da auf diese Weise
verunreinigte Luft mit gereinigter Luft vermischt und damit die Wirkung des Luftfil-
ters ad absurdum geführt würde.
Beim anmeldungsgemäßen Luftfilter mit der Wasseraustragsöffnung auf der Rein-
seite des Filterelements wird durch das mit der Wasseraustrittsöffnung verbun-
dene Abdichtteil dagegen sichergestellt, dass keine ungereinigte Luft von außen
zur Reinseite des Filterelements gelangt. Zugleich wird mit dem Abdichtteil des
anmeldungsgemäßen Luftfilters eine Geräuschdämpfung erzielt (vgl. Anmeldung,
Abs. [0006] und [0007]). Ein solches Abdichtteil wird in der D1 aber weder erwähnt
noch als erforderlich erachtet.

Der Luftfilter des geltenden Anspruchs 1 weist demzufolge alle Kriterien der Pa-
tentfähigkeit auf. Der Anspruch ist daher gewährbar.


4. Mit dem Anspruch 1 sind auch die besonderen Ausführungsformen des
anmeldungsgemäßen Luftfilters betreffenden Ansprüche 2 bis 8 gewährbar.

Da folglich im antragsgemäßen Sinn entschieden werden konnte, hat der Senat
die Durchführung einer mündlichen Verhandlung als nicht erforderlich erachtet.
Die Aufhebung des Zurückweisungsbeschlusses der Prüfungsstelle für Klas-
se B01D des Deutschen Patent- und Markenamts vom 7. August 2013 war daher
im schriftlichen Verfahren zu beschließen.

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III.

Rechtsmittelbelehrung

Gegen diesen Beschluss steht den Verfahrensbeteiligten das Rechtsmittel der
Rechtsbeschwerde zu. Da der Senat die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen hat,
ist sie nur statthaft, wenn gerügt wird, dass

1. das beschließende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war,
2. bei dem Beschluss ein Richter mitgewirkt hat, der von der Ausübung des
Richteramtes kraft Gesetzes ausgeschlossen oder wegen Besorgnis der
Befangenheit mit Erfolg abgelehnt war,
3. einem Beteiligten das rechtliche Gehör versagt war,
4. ein Beteiligter im Verfahren nicht nach Vorschrift des Gesetzes vertreten
war, sofern er nicht der Führung des Verfahrens ausdrücklich oder still-
schweigend zugestimmt hat,
5. der Beschluss aufgrund einer mündlichen Verhandlung ergangen ist, bei
der die Vorschriften über die Öffentlichkeit des Verfahrens verletzt worden
sind, oder
6. der Beschluss nicht mit Gründen versehen ist.

Die Rechtsbeschwerde muss innerhalb eines Monats nach Zustellung des Be-
schlusses von einer beim Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwältin oder
von einem beim Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt beim Bundesge-
richtshof, Herrenstraße 45a, 76133 Karlsruhe, eingereicht werden.


Dr. Maksymiw Schell Dr. Münzberg Dr. Jäger


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