14 W (pat) 25/16  - 14. Senat (Techn.Beschw.)
Karar Dilini Çevir:

BPatG 152
08.05

BUNDESPATENTGERICHT




14 W (pat) 25/16
_______________________
(Aktenzeichen)



B E S C H L U S S

In der Beschwerdesache








betreffend die Schutzzertifikatsanmeldung 12 2011 100 027.7
für das Grundpatent EP 0 904 081 (DE 697 08 284)

hat der 14. Senat (Technischer Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts in
der Sitzung vom 5. September 2017 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters
Dr. Maksymiw, der Richter Schell und Dr. Jäger sowie der Richterin Dr. Wagner

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beschlossen:

1. Der angefochtene Beschluss der Patentabteilung 44 des Deut-
schen Patent- und Markenamts vom 19. Oktober 2016 wird aufge-
hoben.

2. Der Antragstellerin wird ein ergänzendes Schutzzertifikat für
Arzneimittel für das Erzeugnis „Paliperidonpalmitat" mit einer Lauf-
zeit vom 13. Mai 2017 bis 12. Mai 2022 erteilt.


G r ü n d e :

I.

Die Beschwerdeführerin ist Inhaberin des am 12. Mai 1997 angemeldeten und am
14. November 2001 erteilten europäischen Patents EP 0 904 081
(DE 697 08 284), das inzwischen durch Zeitablauf erloschen ist. Das Patent betrifft
eine wässrige Suspension von 9-Hydroxyrisperidon-Fettsäureester, die sich als
Depotformulierung zur Verabreichung durch intramuskuläre oder subkutane Injek-
tion eignet.

Am 25. Juli 2011 beantragte die Beschwerdeführerin beim Deutschen Patent- und
Markenamt (DPMA) die Erteilung eines ergänzenden Schutzzertifikats auf Grund-
lage des deutschen Teils des europäischen Patents, zuletzt für „Paliperidonpalmi-
tat“. Hinsichtlich der erforderlichen arzneimittelrechtlichen Genehmigung für das
Inverkehrbringen stützte sie sich dabei auf die Zulassungen EU/1/11/672/001-006
der EMA vom 4. März 2011 für das Arzneimittel Xeplion.

Mit Beschluss vom 19. Oktober 2016 hat die Patentabteilung des DPMA den An-
trag zurückgewiesen und zur Begründung insbesondere ausgeführt, bei der
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genannten Zulassung handle es sich nicht um die erste Genehmigung im Sinne
von Art. 3 (d) der Verordnung (EG) Nr. 469/2009 (AMVO). Bereits am
25. Juni 2007 sei das Arzneimittel „Invega“ zugelassen worden, eine Retard-For-
mulierung des Wirkstoffs Paliperidon für die gleichen Anwendungsgebiete. Der
vorliegende Erteilungsantrag richte sich zwar auf ein Paliperidonpalmitat, einen
Ester von Paliperidon, dieser Wechsel stelle jedoch lediglich eine unbedeutende
Änderung in der Galenik dar, da der Fachmann wisse, dass sich Ester in Wasser
besser suspensieren ließen und dadurch injiziert werden könnten. Deshalb sei
Paliperidonpalmitat gegenüber dem früher zugelassenen Paliperidon nicht als ein
anderes Erzeugnis zu werten.

Gegen diesen Beschluss hat die Antragstellerin Beschwerde eingelegt, mit der sie
ihr Begehren auf Erteilung eines ergänzenden Schutzzertifikats weiterverfolgt. Sie
macht im Wesentlichen geltend, der in dem Arzneimittel Invega verwendete Wirk-
stoff Paliperidon sei gegenüber dem in Xeplion verwendeten Wirkstoff Paliperidon-
palmitat als ein anderes Erzeugnis im Sinne der AMVO anzusehen. Das Arznei-
mittel Xeplion mit dem durch das Grundpatent besonders beanspruchten Wirkstoff
Paliperidonpalmitat habe von der Europäischen Arzneimittelbehörde (EMA) Kom-
mission am 4. März 2011 unter den Nummern EU/1/11/672/001-006 eine Geneh-
migung für das Inverkehrbringen erhalten. Bei dem Wirkstoff Paliperidonpalmitat
handle es sich um ein anderes Erzeugnis im Sinne von Art. 1 (b) AMVO gegen-
über dem Wirkstoff Paliperidon. Bei Invega handle es sich um eine für die täglich
erfolgende orale Verabreichung bestimmte, den Wirkstoff Paliperidon enthaltende
Tablette mit verzögerter Freisetzung. Während Paliperidon (Invega) allgemein für
die Behandlung von Schizophrenie indiziert sei, werde Paliperidonpalmitat
(Xeplion) gezielt für die spezifische therapeutische Verwendung bei der Erhal-
tungstherapie der Schizophrenie verwendet, was nicht miteinander gleichgesetzt
werden könne. Die verzögerte Freisetzung von Paliperidon unterscheide sich in
klinischer Hinsicht prägnant von der verzögerten Freisetzung von Paliperidonpal-
mitat, da sich die chemischen Verbindungen im menschlichen Körper unterschied-
lich verhielten.
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So stelle Xeplion eine verzögert freisetzende Suspension für die Injektion dar, die
für eine einmal monatlich erfolgende Verabreichung durch intramuskuläre Injektion
bestimmt sei, wobei die Freisetzung des Wirkstoffs kontinuierlich über einen Zeit-
raum von mehreren Wochen bis mehrere Monaten nach der Injektion erfolge. Als
chemische Verbindung mit langer Fettsäurekette weise Paliperidonpalmitat eine
extrem geringe Löslichkeit in Wasser auf, weshalb es sich nach seiner intramus-
kulären Injektion nur langsam in die wässrige Umgebung des Körpers löse. Nach-
dem sich Paliperidonpalmitat im Körper des Patienten gelöst habe, hydrolysiere es
zu Paliperidon. Auf diese Weise sorge Xeplion über mindestens einen Monat hin-
weg für anhaltende therapeutische Konzentrationen, was im Rahmen einer lang-
fristigen Erhaltungstherapie für an Schizophrenie erkrankte Patienten von erhebli-
cher Bedeutung sei, da bei dieser Patientengruppe ein erhöhtes Risiko bestehe,
dass ärztliche Behandlungsrichtlinien nicht konsequent befolgt würden. Dies gelte
insbesondere, wenn das betreffende Arzneimittel täglich eingenommen werden
müsse. Die bestehenden Unterschiede in der Dosierungshäufigkeit und der Wirk-
samkeit von Paliperidonpalmitat und Paliperidon könnten nicht als bloße Änderung
der Galenik angesehen werden, vielmehr handle es sich hier um unterschiedliche
Erzeugnisse im Sinne der AMVO-Vorschriften. Auch die EMA habe in der Zulas-
sung des Arzneimittels Xeplion ausdrücklich festgestellt, dass der darin enthaltene
Wirkstoff Paliperidonpalmitat sei.

Bei dieser Sachlage rechtfertige der Erwägungsgrund 14 der Verordnung (EWG)
Nr. 1610/96 (PSM-VO) die Erteilung eines Schutzzertifikats für ein Ester-Derivat
eines Wirkstoffs, auch wenn dieser selbst bereits Gegenstand eines Schutzzertifi-
kats war. Dementsprechend seien für das verfahrensgegenständliche Erzeugnis
Paliperidonpalmitat mittlerweile in 28 Ländern des europäischen Wirtschaftsraums
Schutzzertifikate erteilt worden, trotz der früheren Genehmigung für das Inver-
kehrbringen des Wirkstoffs Paliperidon.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Inhalt der Akten Bezug genommen.

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II.

1. Die Beschwerde der Antragstellerin ist zulässig. Sie hat auch in der Sache
Erfolg und führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur Erteilung
des beantragten ergänzenden Schutzzertifikats.

2. Der vorliegende Antrag bezieht sich auf die Erteilung eines ergänzenden
Schutzzertifikats für Paliperidonpalmitat, einem Ester-Prodrug von Paliperidon.

Für den Wirkstoff Paliperidonpalmitat liegt eine gültige Genehmigung der EMA
vom 4. März 2011 für das Arzneimittel Xeplion vor. Zwar finden sich in den Zulas-
sungsdokumenten der EMA im Hinblick auf den im Arzneimittel verwendeten
Wirkstoff verschiedene Benennungen: So wird in der Genehmigung auf „Xeplion
paliperidone“ Bezug genommen, während in den Authorisation Details als Active
Substance „paliperidone palmitate“ benannt wird, ebenso wie im Annex I – Sum-
mary of Product Characteristics und dem Summary of opinion (initial authori-
sation). Im Assessment Report des CHMP wird neben dem International Nonpro-
prietary Name „Paliperidon“ in der Folge immer wieder auf „XEPLION paliperidone
palmitate“ verwiesen, insbesondere unter Abschnitt 2.2.2: „Active Substance“. Ent-
scheidend sind aber nicht diese Abweichungen, sondern die Tatsache, dass sich
die Genehmigung unzweideutig auf das Arzneimittel Xeplion bezieht, das Paliperi-
donpalmitat enthält.

Anspruch 1 des Grundpatents bezieht sich auf eine pharmazeutische, als Depot-
formulierung zur Verabreichung durch intramuskuläre oder subkutane Injektion
geeignete Zusammensetzung, die als Wirkstoff eine therapeutisch wirksame
Menge eines in Wasser suspendierten 9-Hydroxyrisperidon-Fettsäureesters ent-
hält.

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Anspruch 2 lautet in deutscher Übersetzung:

„Zusammensetzung nach Anspruch 1, wobei R für eine geradket-
tige C15-(Pentadecyl)-Kette steht und es sich bei dem Wirkstoff um
9-Hydroxyrisperidonpalmitat handelt.“

In dem Grundpatent wird Paliperidonpalmitat somit besonders beansprucht.

3. Die Voraussetzungen des Art. 3 (a) und (b) AMVO sind damit erfüllt. Dagegen
ist fraglich, ob dies auch im Hinblick auf Art. 3 (c) und (d) AMVO zu bejahen ist, da
für den Wirkstoff Paliperidon bereits eine frühere Genehmigung für das Inverkehr-
bringen des Arzneimittels Invega sowie ein ergänzendes Schutzzertifikat erteilt
wurde. Die Voraussetzungen von Art. 3 (c) und (d) AMVO können deshalb im vor-
liegenden Fall nur dann als erfüllt angesehen werden, wenn es sich bei Paliperi-
don und Paliperidonpalmitat um unterschiedliche Erzeugnisse im Sinne von
Art. 1 (b) AMVO handelt.

4. Hinweise, wie ein Wirkstoff und seine Derivate zertifikatsrechtlich einzuordnen
sind, lassen sich den Erwägungsgründen 13 und 14 der Verordnung (EG)
Nr. 1610/96 (PSMVO), die nach ihrem Erwägungsgrund 17 auch im Rahmen der
Auslegung der AMVO zu berücksichtigen sind, sowie den Materialien zur AMVO
entnehmen. Gemäß Erwägungsgrund 13 der PSMVO sind ein Wirkstoff und seine
Derivate in der Regel als ein und dasselbe Erzeugnis zu behandeln (Annahme
einer Erzeugnisidentität). Dies steht im Einklang mit den Materialien zur AMVO,
wonach die Verordnung ausschließlich auf neue Arzneimittel beschränkt sein soll
und deshalb unbedeutende Änderungen an einem Arzneimittel, wie etwa die Ver-
wendung eines anderen Salzes oder Esters oder einer anderen pharmazeutischen
Form, die Erteilung weiterer Schutzzertifikate nicht rechtfertigt (vgl. Vorschlag für
eine Verordnung (EWG) des Rates über die Schaffung eines ergänzenden
Schutzzertifikats für Arzneimittel = KOM [90] 101 endg., Rdn. 11). Diese Ausle-
gung hat der Gerichtshof in seinem Urteil Farmitalia (EuGH, GRUR Int. 2000, 69)
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bestätigt, in dem er zwar nicht explizit auf die Auslegung des Erzeugnisbegriffs
eingegangen ist, jedoch im Rahmen seiner Auslegung des Art. 3 (b) AMVO her-
vorgehoben hat, dass „das Zertifikat ein Erzeugnis als Arzneimittel in allen dem
Schutz des Grundpatents unterliegenden Formen erfassen kann, wenn das Er-
zeugnis in der in der arzneimittelrechtlichen Genehmigung genannten Form durch
ein in Kraft befindliches Grundpatent geschützt ist“. Damit hat der EuGH seiner
Auslegung eine weite Fassung des Erzeugnisbegriffs zugrunde gelegt, wonach ein
Wirkstoff und seine pharmakologisch gleichwertigen Derivate als dasselbe Er-
zeugnis zu werten sind.

Allerdings stellt Erwägungsgrund 14 der PSMVO klar, dass es dennoch nicht aus-
geschlossen ist, einen Wirkstoff und seine Derivate als unterschiedliche Erzeug-
nisse anzusehen, wenn die betreffenden Derivate – wie im vorliegenden Fall –
Gegenstand von Patenten sind, in denen sie besonders beansprucht werden.
Zwar scheint Erwägungsgrund 14 der PSMVO aufgrund seiner Formulierung nur
auf die Regelung des Art. 3 (c) AMVO hinzuweisen, der in ihm enthaltene Grund-
gedanke trifft jedoch gleichermaßen auf die weitere Erteilungsschranke des
Art. 3 (d) AMVO zu (vgl. BGH, GRUR 2010, 123, Rdn. 76 – Escitalopram), dem
ebenfalls der Zweck zugrunde liegt, unzulässige Mehrfacherteilungen von Schutz-
zertifikaten für dasselbe Erzeugnis zu verhindern.

5. Wann bei einem Wirkstoff und seinen Derivaten von einer Erzeugnisidentität
bzw. von unterschiedlichen Erzeugnissen auszugehen ist, bestimmt sich nach den
zu Art. 1 (b) AMVO entwickelten Kriterien. Dies setzt voraus, dass die miteinander
zu vergleichenden Stoffe unterschiedliche arzneiliche Wirkungen entfalten. Ge-
mäß der Entscheidung Forsgren setzt eine arzneiliche Wirkung voraus, dass ein
Stoff eine eigene pharmakologische, immunologische oder metabolische Wirkung
ausübt (vgl. EuGH, GRUR Int. 2015, 272, Rdn. 25). Vorliegend ist somit zu ent-
scheiden, ob der Ester (Paliperidonpalmitat) gegenüber dem freien Alkohol (Pali-
peridon) im Hinblick auf seine pharmakologische und/oder metabolische Wirkung
als ein anderes Erzeugnis zu werten ist.
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Auch wenn der Begriff des Erzeugnisses im Zertifikatsrecht eigenständig zu
bestimmen ist (BGH, GRUR 2002, 415, Abschnitt III.4.b – Sumatriptan), können
Wertungen des Arzneimittelrechts, die mit denen des Zertifikatsrechts in Einklang
stehen, für die Auslegung des Art. 1 (b) AMVO herangezogen werden (vgl. EuGH,
PharmR 2014, 98, Rdn. 36–38 – Glaxosmithkline). Die im Bereich des Zertifikats-
rechts diskutierte Frage, ob bzw. wann die verschiedenen Erzeugnisformen eines
Wirkstoffs als ein und derselbe Wirkstoff gelten, wurde für das arzneimittelrechtli-
che Zulassungsverfahren vom Gemeinschaftsgesetzgeber in Art. 10 (2) b) Satz 2
der Richtlinie 2001/83 dahingehend entschieden, dass ein Wirkstoff und seine De-
rivate als derselbe Wirkstoff zu werten sind, „es sei denn, ihre Eigenschaften
unterscheiden sich erheblich hinsichtlich der Sicherheit und/oder Wirksamkeit“
(vgl. hierzu auch Kortland in Kügel/Müller/Hofmann, Arzneimittelgesetz, 2. Aufl.
2016, § 24 (b), Rdn. 70). Dementsprechend ist auch für die zertifikatsrechtlich zu
beantwortende Frage, ob es sich bei zwei Wirkstoffen um unterschiedliche Er-
zeugnisse im Sinne von Art. 1 (b) AMVO handelt, darauf abzustellen, ob deren
stoffliche Eigenschaften derart voneinander abweichen, dass sich dies in einer
unterschiedlichen pharmakologischen, immunologischen oder metabolischen Wir-
kung niederschlägt.

6. Das verfahrensgegenständliche Erzeugnis Paliperidonpalmitat besitzt gegen-
über der Wirkung des Arzneistoffs Paliperidon einen zusätzlichen therapeutischen
Effekt, da sich die beiden chemischen Verbindungen im menschlichen Körper
unterschiedlich verhalten. Das spezifische Freisetzungsprofil von Paliperidonpal-
mitat ist mit einer erheblich verzögerten Freisetzung von Paliperidon im Körper
des Patienten verbunden, wodurch sich für Xeplion (Paliperidonpalmitat) eine im
Vergleich zu Invega (Paliperidon) deutlich verminderte Dosierungshäufigkeit er-
gibt. Xeplion ist zur Verabreichung im monatlichen Zyklus bestimmt, während
Invega täglich angewendet wird. Die Freisetzung des Wirkstoffs erfolgt bei der De-
potformulierung Xeplion (Paliperidonpalmitat) nicht schnell, sondern außerge-
wöhnlich langsam und kontinuierlich über einen deutlich längeren Zeitraum hinweg
als bei der Retardtablette Invega (Paliperidon). Dadurch wird das Auftreten uner-
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wünscht hoher Anfangsplasmaspiegel-Werte vermindert, die sich bei den Patien-
ten durch unerwünschte Nebenwirkungen bemerkbar machen. Darüber hinaus
wird die therapeutisch angestrebte mittlere Wirkungsdauer deutlich verlängert,
was wiederum signifikante Auswirkungen auf die Wirksamkeit der Behandlung mit
der Depotformulierung Xeplion (Paliperidonpalmitat) gegenüber der Retardtablette
Invega (Paliperidon) hat. Die deutlich verzögerte Umwandlung und Abgabe des
Wirkstoffs im Körper ist für die betroffenen Patienten zudem mit weiteren erhebli-
chen Vorteilen verbunden, da durch die signifikant verminderte Dosierungshäufig-
keit die Einhaltung der ärztlichen Behandlungsrichtlinien erleichtert und verbessert
wird, womit wiederum eine entsprechende Verminderung der Häufigkeit und In-
tensität der krankheitsbedingten Symptomatik verbunden ist. Die absolute Biover-
fügbarkeit von Paliperidonpalmitat nach Verabreichung von Xeplion beträgt 100%
gegenüber 28% bei Invega (vgl. Zusammenfassung der Merkmale des Arzneimit-
tels Xeplion, Abschnitt 5.2, sowie Zusammenfassung der Merkmale des Arznei-
mittels Invega, Abschnitt 5.2).

Zwischen dem verfahrensgegenständlichen Erzeugnis Paliperidonpalmitat und
dem Erzeugnis Paliperidon bestehen somit aufgrund ihrer bedingt durch ihre
unterschiedliche chemische Funktionalität abweichenden Stoffeigenschaften er-
hebliche, nicht lediglich unbedeutende Unterschiede in der pharmakologischen
und metabolischen Wirkung. Sie sind daher als verschiedene Erzeugnisse im
Sinne von Art. 1 (b) AMVO anzusehen, so dass die Erteilung des beantragten er-
gänzenden Schutzzertifikats auch nicht wegen Art. 3 (c) und (d) AMVO ausge-
schlossen ist.

7. Dieser Wertung steht die von der Patentabteilung angeführte Entscheidung
Doxorubicin-Sulfat (BGH, GRUR 2009, 41) nicht entgegen, in welcher der Bun-
desgerichtshof im Hinblick auf die Frage, ob es sich bei zwei Doxorubicin-Salzen
um verschiedene Erzeugnisse im Sinne der AMVO handelt, vorhandene Unter-
schiede in der arzneilichen Wirksamkeit als hierfür nicht ausreichend gewertet hat.
Denn der Bundesgerichtshof konnte hier noch nicht die deutlich später ergangene
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Entscheidung Forsgren des EuGH berücksichtigen (EuGH, GRUR Int. 2015, 272,
Rdn. 24 f.), in der dieser unter Bezugnahme auf Art. 1 der Richtlinie 2001/83/EG
klargestellt hat, dass sich der Begriff des Wirkstoffs für die Zwecke der Anwen-
dung der AMVO auf Stoffe bezieht, die eine eigene pharmakologische, immunolo-
gische oder metabolische Wirkung ausüben, wodurch im Hinblick auf die Frage,
ob verschiedene Erzeugnisse im Sinne von Art. 1 (b) AMVO vorliegen, die Rele-
vanz von erheblichen Unterschieden in ihren pharmakologischen und metaboli-
schen Wirkungen deutlich wird.

8. Die Laufzeitberechnung beruht auf Art. 13 (2) AMVO und ergibt für das hier zu
erteilende ergänzende Schutzzertifikat eine ergänzende Schutzdauer von 5 Jah-
ren. Demnach beginnt die Laufzeit am 13. Mai 2017 und endet mit Ablauf des
12. Mai 2022.


III.

Rechtsmittelbelehrung

Gegen diesen Beschluss ist das Rechtsmittel der Rechtsbeschwerde gegeben,
wenn gerügt wird, dass

1. das beschließende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war,
2. bei dem Beschluss ein Richter mitgewirkt hat, der von der Ausübung des
Richteramtes kraft Gesetzes ausgeschlossen oder wegen Besorgnis der
Befangenheit mit Erfolg abgelehnt war,
3. einem Beteiligten das rechtliche Gehör versagt war,
4. ein Beteiligter im Verfahren nicht nach Vorschrift des Gesetzes vertreten
war, sofern er nicht der Führung des Verfahrens ausdrücklich oder still-
schweigend zugestimmt hat,
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5. der Beschluss aufgrund einer mündlichen Verhandlung ergangen ist, bei
der die Vorschriften über die Öffentlichkeit des Verfahrens verletzt worden
sind, oder
6. der Beschluss nicht mit Gründen versehen ist.

Die Rechtsbeschwerdeschrift muss von einer beim Bundesgerichtshof zugelasse-
nen Rechtsanwältin oder von einem beim Bundesgerichtshof zugelassenen
Rechtsanwalt unterzeichnet und innerhalb eines Monats nach Zustellung des Be-
schlusses beim Bundesgerichtshof, Herrenstraße 45a, 76133 Karlsruhe einge-
reicht werden.


Dr. Maksymiw Schell Dr. Jäger Dr. Wagner


Fa


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