14 W (pat) 23/13  - 14. Senat (Techn.Beschw.)
Karar Dilini Çevir:

ECLI:DE:BPatG:2017:051217B14Wpat23.13.0


BUNDESPATENTGERICHT



14 W (pat) 23/13
_______________
(Aktenzeichen)



Verkündet am
5. Dezember 2017





B E S C H L U S S

In der Beschwerdesache

betreffend das Patent 10 2006 007 831



- 2 -











hat der 14. Senat (Technischer Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf
die mündliche Verhandlung vom 5. Dezember 2017 unter Mitwirkung des
Vorsitzenden Richters Dr. Maksymiw, der Richterin Dr. Münzberg, des Richters
Dr. Jäger und der Richterin Seyfarth

beschlossen:

Der Beschluss der Patentabteilung 1.44 des Deutschen Patent-
und Markenamts vom 17. April 2013 wird aufgehoben und das
Patent mit folgenden Unterlagen beschränkt aufrechterhalten:

Bezeichnung
Vernetztes Kohlehydratpolymer, insbesondere auf Basis von Poly-
sacchariden und/oder Oligosacchariden und/oder Polyolen

Beschreibung gemäß Patentschrift 10 2006 007 831

Ansprüche 1 bis 13 gemäß Hauptantrag vom 21. November 2017.

- 3 -
G r ü n d e

I

Mit dem angefochtenen Beschluss vom 17. April 2013 hat die Patentabtei-
lung 1.44 des Deutschen Patent- und Markenamtes das Patent 10 2006 007 831
mit der Bezeichnung

"Vernetztes Kohlehydratpolymer, insbesondere auf Basis von
Polysacchariden und/oder Oligosacchariden und/oder Polyolen"

widerrufen.

Dem Beschluss liegen die erteilten Patentansprüche 1 bis 13 gemäß Hauptantrag,
die Patentansprüche 1 bis 12 jeweils gemäß Hilfsantrag A und B sowie die Pa-
tentansprüche 1 bis 11 jeweils nach Hilfsantrag C', D, E und F zugrunde. Der Pa-
tentanspruch 1 gemäß Hauptantrag lautet wie folgt:



Bezüglich der weiteren Patentansprüche 2 bis 13 gemäß Hauptantrag und der
Anspruchsfassungen gemäß der Hilfsanträge A, B, C' und D bis F wird auf den
Beschluss der Patentabteilung 1.44 vom 17. April 2013 verwiesen.
"
"1.
- 4 -
Der Widerruf wurde im Wesentlichen damit begründet, dass der Gegenstand des
jeweiligen Patentanspruchs 1 gemäß Hauptantrag sowie Hilfsantrag A und B
unzulässig erweitert sei und die Gegenstände der nebengeordneten Patentan-
sprüche 1, 7 bis 9 und 11 der Hilfsanträge C' bis F nicht patentfähig seien.

In den wortgleichen Patentansprüchen 1 des Haupt- und des Hilfsantrags A seien
die Merkmale "wässrigen Lösung eines vernetzten Polymers", "Vernetzungsreak-
tion in homogener wässriger Phase", "wobei das Vernetzungsmittel einen nicht
reaktiven Teil umfasst, der für die Haut nach Neutralisation der Vernetzungsreak-
tion verträglich ist" und "weitere in der Kosmetik übliche Zusatzstoffe" nicht den
ursprünglich eingereichten Unterlagen zu entnehmen. Da sich der Patentan-
spruch 1 des Hilfsantrags B vom Patentanspruch 1 des Haupt- und Hilfsantrags A
lediglich durch Streichung der Formulierung "nach Neutralisation der Vernetzungs-
reaktion" unterscheide, sei auch dieser unzulässig erweitert. Demgegenüber seien
die Anspruchsfassungen der Hilfsanträge C' bis F aus den ursprünglich einge-
reichten Unterlagen herleitbar.

Die kosmetische Zusammensetzung gemäß Patentanspruch 1 des Hilfsantrags- C'
sei gegenüber

D4 US 2003/0143179 A1

jedoch nicht neu. Denn D4 beschreibe die Verwendung des Polysaccharids Xan-
thangummi als Fixiermittel in kosmetischen Zusammensetzungen, wobei der Xan-
thangummi mit Adipinsäure-Essigsäure-Anhydrid vernetzt werden könne. Die kos-
metischen Zusammensetzungen gemäß D4 würden außerdem Zusatzstoffe, wie
sie auch vom Streitpatent beansprucht würden, aufweisen. Xanthangummi sei
gemäß D4 zudem in kaltem und heißem Wasser vollständig löslich. Da das nach
der Vernetzung erhaltene Polymer gemäß D4 demzufolge strukturell identisch sei
zum Polymer des Patentanspruchs 1, sei es unerheblich, ob in D4 andere Vernet-
zungsmittel eingesetzt würden als im Patentanspruch 1 beansprucht. Das Adipin-
- 5 -
säure-Anhydrid der D4 weise ferner einen nicht reaktiven Teil auf, der für die Haut
als verträglich zu erachten sei. Somit seien alle Merkmale des Gegenstands aus
D4 identisch mit den Merkmalen der kosmetischen Zusammensetzung gemäß
Patentanspruch 1 des Hilfsantrages C'. Dasselbe gelte für die Merkmale der
nebengeordneten Patentansprüche 7 bis 9 und 11 dieses Hilfsantrages.

Da im Patentanspruch 1 des Hilfsantrags D lediglich das Merkmal "die Polysac-
charide mit primärer Alkoholfunktion aus einer Fermentation", im Patentanspruch 1
des Hilfsantrags E zusätzlich das Merkmal "Dextrine" und im Patentanspruch 1
des Hilfsantrags F ferner das Merkmal "Hyaluronsäure" gestrichen worden seien,
weiterhin aber in allen Anspruchssätzen das Kohlenhydrat "Xanthan" beansprucht
werde, seien die Gegenstände dieser Hilfsanträge aus denselben Gründen nicht
neu im Hinblick auf D4.

Die Gegenstände der Hilfsanträge C' bis F beruhten auch nicht auf einer erfinderi-
schen Tätigkeit. Die Druckschrift

D3 US 4,716,224

lehre eine kosmetische Zusammensetzung zur Anwendung auf der Haut, die unter
anderem eine vernetzte und wasserlösliche Hyaluronsäure sowie weitere Zusatz-
stoffe wie Verdickungsmittel, UV-Schutzfilter oder Tenside enthalte und bei der es
sich um eine wässrige oder wässrig-alkoholische Lösung oder Emulsion handle.
Von dieser Zusammensetzung unterscheide sich der Gegenstand gemäß Patent-
anspruch 1 des Hilfsantrags C' lediglich darin, dass in D3 mit einer polyfunktionel-
len Epoxy-Verbindung ein anderes Vernetzungsmittel verwendet werde. Die Ände-
rung des Vernetzungsmittels sei aber im Hinblick auf D4 nahegelegt, da sowohl
D3 als auch D4 Halomethyloxiran-Verbindungen wie Epichlorhydrin als Vernet-
zungsmittel verwenden würden. Der Fachmann wisse zudem, dass es sich bei
Epichlorhydrin ebenso wie bei Polycarbonsäureanhydriden, wie sie in D4 offenbart
würden, um klassische Vernetzungsmittel für Kohlenhydrate handle. Es sei daher
- 6 -
naheliegend gewesen, ausgehend von D3 und in Kenntnis der D4, die im Patent-
anspruch 1 benannten Vernetzungsmittel einzusetzen.

Dasselbe gelte für die Gegenstände des Patentanspruchs 1 der Hilfsanträge D
und E, in denen nach Streichung einiger der angeführten Kohlenhydrate weiterhin
die Verwendung von Hyaluronsäure für die Vernetzungsreaktion beansprucht
werde. Hinsichtlich der kosmetischen Zusammensetzung des Patentanspruchs 1
des Hilfsantrags F sei es naheliegend gewesen, ausgehend von D4 und in Kennt-
nis der

D19 WO 96/19180 A1

eine kosmetische Zubereitung gemäß diesem Patentanspruch bereitzustellen,
welche auch weitere, dem Fachmann bereits bekannte zu vernetzende Kohlenhy-
dratderivate wie beispielsweise Zellulosederivate enthielten.

Im Übrigen seien die Einsprüche der Einsprechenden 1 und 3 zulässig, da diese
nicht nur fristgerecht eingelegt worden, sondern auch ausreichend substantiiert
seien. Beide Einspruchsschriftsätze erörterten den Kern der patentierten Lehre, so
dass es unschädlich sei, wenn die Einspruchsbegründung nicht alle Merkmale des
Anspruchs im Einzelnen behandle. Zudem müsse bei mehreren selbstständigen
Patentansprüchen ein Einsprechender nicht zu jedem einzelnen dieser Ansprüche
Widerrufsgründe substantiiert vortragen. Auch sei ein pauschaler Verweis des Ein-
sprechenden auf den Fachmann für ein wesentliches Merkmal der Erfindung für
die Substantiierung ausreichend. Ob diese Begründung auch trage, sei keine
Frage der Zulässigkeit des Einspruchs, sondern eine Frage der Begründetheit.

Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde der Patentinhaberin, mit der
sie ihr Patent mit den Patentansprüchen 1 bis 13 gemäß Hauptantrag vom 21. No-
vember 2017 weiterverfolgt.

- 7 -
Der Patentanspruch 1 gemäß Hauptantrag lautet:

"1. Kosmetische Zusammensetzung, bestehend aus einer wässri-
gen Lösung eines vernetzten Polymers und weiteren in der
Kosmetik üblichen Zusatzstoffen, wobei des vernetzte Poly-
mer wenigstens einem Typ eines Kohlehydrats oder Kohlehy-
dratderivats entspricht, umfassend wenigstens eine primäre
Alkoholfunktion, wobei das vernetzte Polymer erhältlich ist
durch eine Vernetzungsreaktion in homogener wässriger
Phase zwischen der primären Alkoholfunktion des Kohlehy-
drats, das in wässriger alkalischer Phase gelöst ist, und einer
reaktiven Funktion eines Vernetzungsmittels, wobei das Ver-
netzungsmittel einen nicht reaktiven Teil umfasst, der für die
Haut nach Neutralisation der Vernetzungsreaktion verträglich
ist, dadurch gekennzeichnet, dass das Vernetzungsmittel ge-
wählt ist unter den Polycarboxylsäurechloriden, den Polyiso-
cyanaten, den Polythiocyanaten, den Polyaldehyden und ir-
gendeinem von deren Gemischen."

Die Patentinhaberin trägt zur Begründung der Beschwerde vor, die Einsprüche der
Einsprechenden 1 und 3 seien unzulässig, da den Einspruchsbegründungen die-
ser beiden Einsprüche die erforderliche Substantiierung fehle. So gebe die Ein-
sprechende 1 zu den von ihr genannten Widerrufsgründen der mangelnden Aus-
führbarkeit und der mangelnden erfinderischen Tätigkeit lediglich pauschale Ver-
weise an, ohne diese weiter auszuführen. Hinsichtlich der vorgebrachten mangeln-
den Neuheit fehle es dem Einspruch 1 in der Begründung an jeglicher konkreter
Gegenüberstellung der im angeführten Stand der Technik offenbarten Merkmale
mit den Merkmalen des Anspruchs 1, so dass es dem Patentinhaber und dem
Spruchkörper überlassen bleibe, den technischen Zusammenhang zwischen dem
Stand der Technik und dem Streitgegenstand herzustellen und rechtlich zu würdi-
- 8 -
gen. Die Einsprechende 1 habe sich daher nicht mit dem Kern der Erfindung aus-
einandergesetzt.

Auch die Einsprechende 3 diskutiere bei der Neuheitsbetrachtung nicht sämtliche
Merkmale des angegriffenen Anspruchs 1. Sie habe sich ebenfalls nicht mit dem
Kern der Erfindung auseinandergesetzt, denn auch sie habe es unterlassen, einen
technischen Zusammenhang zwischen sämtlichen Merkmalen des Patentan-
spruchs 1 gemäß Streitpatent und dem genannten Stand der Technik herzustel-
len.

Der Gegenstand des angegriffenen Patents im beanspruchten Umfang sei nicht
unzulässig erweitert. Die im Beschluss der Patentabteilung als unzulässig be-
zeichneten Merkmale seien in den ursprünglichen Anmeldeunterlagen offenbart.
Insbesondere verweist die Patentinhaberin darauf, dass gemäß der ursprüngli-
chen Beschreibung das Vernetzungsmittel lediglich gegebenenfalls in einem Alko-
hol solubilisiert sein könne. Auch ergebe sich die Verwendung von in der Kosmetik
üblichen Zusatzstoffen schon aus dem Gebrauch des allgemeinen Begriffs "For-
mulierung" in den ursprünglichen Anmeldungsunterlagen. Die Vernetzungsreak-
tion in homogener wässriger Phase werde in der ursprünglichen Anmeldung aus-
drücklich offenbart. Dasselbe gelte für das Merkmal "wobei das Vernetzungsmittel
einen nicht reaktiven Teil umfasst, der für die Haut nach der Neutralisation der
Vernetzungsreaktion verträglich ist".

Darüber hinaus stünden die Druckschriften D4 und

D15 WO 98/01109 A1

der Neuheit nicht entgegen. D4 offenbare lediglich Dispersionen von Xanthan,
aber keine Lösungen des Kohlenhydrats. Die in D15 als Polysaccharide verwen-
deten Stärkederivate seien bekanntermaßen schlecht löslich, weshalb D15 zwar
von Lösungen spreche, darunter aber kolloidale Dispersionen verstehe, in denen
- 9 -
die Polysaccharide zu losen Aggregaten agglomeriert vorlägen. Beide Druckschrif-
ten beschrieben somit keine wässrige Lösung eines vernetzten Polymers. Zudem
werde in beiden Druckschriften keine Vernetzung in homogener wässriger Phase
aufgezeigt.

Schließlich beruhe der beanspruchte Gegenstand auch auf einer erfinderischen
Tätigkeit. Der von der vorliegenden Erfindung geleistete Beitrag zur Verbesserung
des Standes der Technik sei insbesondere darin zu finden, kostengünstig im
industriellen Maßstab herstellbare, kosmetische Zusammensetzungen bereitge-
stellt zu haben, die eine von den Anwendern wahrnehmbare Spannungswirkung
und/oder Straffungswirkung der Haut erzeugten, ohne jedoch allergische Reaktio-
nen auszulösen. Dies könne weder eine Kombination der Lehren der D15 mit der

D6 Whistler, R. L. et al. (Eds.), "Starch: Chemistry and Techno-
logy", Academic Press, Inc., Orlando u. a., 2. Aufl., 1984,
S. 324 bis 327

noch eine Zusammenschau der Entgegenhaltungen

D11 EP 1 314 743 A2

mit D4 oder D15 oder eine Kombination der Druckschriften D3 und D4 nahelegen.
Da sowohl die D15 als auch die D6 jeweils nur Dispersionen und keine wässrigen
Lösungen von Polysacchariden beträfen, könne eine Kombination dieser beiden
Druckschriften keine Anregung hinsichtlich einer kosmetischen Zusammensetzung
bestehend aus einer wässrigen Lösung eines durch eine Vernetzungsreaktion in
homogener wässriger Phase vernetzten Polymers geben. Dasselbe gelte, wenn
man von der D11 ausgehe. Diese Druckschrift zeige lediglich eine Aufschlem-
mung von Stärke auf, wodurch eine homogene Stärkelösung nicht in den Fokus
des Fachmanns gerückt werde. Die aus der D3 bekannte Zusammensetzung wie-
derum unterscheide sich vom Streitgegenstand dadurch, dass in D3 polyfunktio-
- 10 -
nelle Epoxid-Verbindungen als Vernetzungsmittel verwendet würden. Demgegen-
über zeichneten sich die anspruchsgemäßen Vernetzungsmittel dadurch aus,
dass sie Vernetzungsprodukte mit hautverträglichen Eigenschaften hervorbräch-
ten. Dies könne die D3 nicht nahelegen, da sie sich nicht mit der Spannungswir-
kung und/oder Straffungswirkung auf die Hautoberfläche, sondern mit der Bereit-
stellung einer vernetzten Hyaluronsäure beschäftige, die gegenüber einem enzy-
matischen Abbau und nicht-enzymatischen Oxidations-Reduktionsabbau resistent
sein solle. Die anspruchsgemäßen Vernetzungsmittel könne auch D4 nicht nahe-
legen, da diese Druckschrift lediglich eine wahllose Aufzählung von Vernetzungs-
mitteln offenbare, aber keine Vernetzungsreaktion und demzufolge auch nicht, wie
nach Durchführung einer Vernetzungsreaktion die weiteren Verfahrensschritte
auszugestalten seien. Zudem gebe es keine Veranlassung, aus der Liste der Ver-
netzungsmittel der D4 gerade Adipinsäure-Essigsäure-Anhydrid auszuwählen.

Die Patentinhaberin beantragt,

den Beschluss der Patentabteilung 1.44 des Deutschen Patent-
und Markenamts vom 17. April 2013 aufzuheben und das Patent
im Umfang des Hauptantrags vom 21. November 2017 aufrechtzu-
erhalten.

Die Einsprechenden stellen übereinstimmend den Antrag,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Die Einsprechenden treten diesen Argumenten entgegen und halten das Streitpa-
tent auch in der Fassung des Hauptantrags vom 21. November 2017 für nicht
bestandsfähig.

Sie sehen den Gegenstand des Hauptantrags weiterhin durch die Merkmale
"wässrigen Lösung eines vernetzten Polymers", "weiteren, in der Kosmetik übli-
- 11 -
chen Zusatzstoffen", "Vernetzungsreaktionen homogener wässriger Phase" und
"nicht reaktiven Teil, der für die Haut nach Neutralisation der Vernetzungsreaktion
verträglich ist" als unzulässig erweitert an, da diese Merkmale den ursprünglich
eingereichten Anmeldungsunterlagen nicht zu entnehmen seien.

Weiterhin seien insbesondere die Dokumente D4 und D15 neuheitsschädlich. D4
betreffe kosmetische Zusammensetzungen, die neben dem im Streitpatent als
geeignetes Polysaccharid offenbarten Xanthangummi auch in der Kosmetik übli-
che Zusatzstoffe aufweisen würden. Hinsichtlich der im Patentanspruch 1 des
Streitpatents definierten Vernetzungsmittel sei es unerheblich, ob die D4 die glei-
chen oder andere Vernetzungsmittel beschreibe, solange sich die nach der Ver-
netzung erhaltenen Polymere strukturell nicht unterscheiden würden. So weise
das mit dem in D4 offenbarten Adipinsäure-Essigsäure-Anhydrid erhaltene Vernet-
zungsprodukt mit Xanthangummi dieselbe Vernetzungsstruktur auf wie das patent-
gemäße Produkt mit Xanthan.

Daneben offenbare auch die D15 streitpatentgemäße Zusammensetzungen. Die-
ses Dokument betreffe kosmetische Zusammensetzungen, die vernetzte Stärke
als Kohlenhydratpolymer enthielten und die in Form von Lösungen vorliegen könn-
ten. Auch in der Kosmetik übliche Zusatzstoffe seien offenbart. Als bevorzugtes
Vernetzungsmittel benenne D15 Alkandicarbonsäuren und insbesondere Adipin-
säure, so dass das mit Stärke erhaltene Vernetzungsprodukt wiederum dem im
Streitgegenstand verwendeten Vernetzungsprodukt entspreche.

Weiterhin bestreiten sie das Vorliegen einer erfinderischen Tätigkeit. Dabei sei zu
berücksichtigen, dass eine Beschränkung auf denjenigen Stand der Technik, in
dem die objektive Aufgabe des Streitpatents erkennbar ist, nicht zulässig sei. Der
zuständige Fachmann, ein Chemiker mit Erfahrung auf dem Gebiet der Kosmetik,
sehe in D3 nämlich auf jeden Fall ein Dokument, das einschlägiges Wissen für die
Bereitstellung der betreffenden kosmetischen Zusammensetzungen vermittle. Der
einzige strukturelle Unterschied zwischen den Zusammensetzungen der D3 und
- 12 -
denen gemäß Hauptantrag bestehe im Vernetzungsmittel. Diese habe der Fach-
mann in D4 gefunden, so dass er ohne erfinderisches Zutun zu den streitpatent-
gemäßen Zusammensetzungen gelangt sei.

Auch die D15 sei ein geeigneter Ausgangspunkt, da diese Druckschrift wie das
Streitpatent eine die Hautspannung und -straffung beeinflussende kosmetische
Zusammensetzung bereitstelle. Die D15 erreiche dieses Ziel durch eine mit Adi-
pinsäure vernetzte vorverkleisterte Stärke, die bereits in kaltem Wasser löslich sei.
Davon unterscheide sich der Streitgegenstand lediglich in der Verfahrensführung
zur Herstellung der vernetzten Stärke. Die streitpatentgemäße Verfahrensführung
sei aber fachüblich, wie beispielsweise durch D6 belegt sei.

Schließlich müsse auch die D11 als Ausgangspunkt berücksichtigt werden. Dieses
Dokument offenbare mithilfe von Adipinsäure vernetzte Tapioka-Stärke, die in kos-
metischen Zusammensetzungen zum Einsatz komme. Bei den beispielhaft aufge-
zeigten Lotionen handele es sich um wässrige oder wässrig-alkoholische Lösun-
gen. Zudem seien in der Kosmetik übliche Zusatzstoffe notwendig, um die be-
schriebenen Verwendungen als Deodorant, Antitranspirant oder Haarfestiger zu
ermöglichen. Allerdings erfolge die Vernetzung in D11 nicht in homogener wässri-
ger Lösung, sondern in einer Aufschlemmung. Die Vernetzung in homogener
wässriger Lösung sei aber aus D4 oder D15 bekannt, weshalb der Streitgegen-
stand bei der Zusammenschau der D11 mit einer dieser beiden Druckschriften
nahegelegen habe.

Wegen weiterer Einzelheiten, insbesondere zum Wortlaut der neben- und nachge-
ordneten Patentansprüche 2 bis 13 wird auf den Akteninhalt verwiesen.

- 13 -
II

Die Beschwerde der Patentinhaberin ist zulässig und führt zu dem im Tenor ange-
gebenen Ergebnis.

1. Die Einsprüche der Einsprechenden 1 und 3 sind ausreichend substantiiert,
sowie form- und fristgerecht eingereicht und somit zulässig.

1.1. Im unbestritten fristgerecht vorgelegten Schriftsatz vom 19. November 2009
hat die Einsprechende 1 die mangelnde Neuheit und damit den Widerrufsgrund
der mangelnden Patentfähigkeit auf den Seiten 3 bis 4 im Zusammenhang mit der
auf Seite 2 angegebenen Aufgabendefinition und streitpatentgemäßen Lösung
derart erörtert, dass die maßgeblichen tatsächlichen Umstände so dargelegt sind,
dass für das Patentamt und für die Patentinhaberin daraus abschließende Folge-
rungen hinsichtlich des Widerrufsgrundes ohne eigene Ermittlungen möglich wa-
ren. Denn sie zitiert die aus ihrer Sicht relevanten Textstellen in der

D1 US 5,270,459 A

und gibt im jeweils unmittelbar darauffolgenden Absatz ihres Schriftsatzes den
Zusammenhang mit dem Streitgegenstand an. Damit lässt die Begründung der
Einsprechenden 1 anhand der angegebenen Zitate aus der D1 den Tatbestand
erkennen, der sich auf den behaupteten Widerrufsgrund bezieht und der sich auf
seine Richtigkeit überprüfen lässt. Dabei ist ein gewisser Interpretationsaufwand
zumutbar, da technische Sachverhalte, die bei einem Fachmann vorausgesetzt
werden können, keiner Darlegung bedürfen (vgl. Schulte PatG, 10. Aufl., § 59
Rn. 85 u. 86). Dies trifft beim Einspruchsschriftsatz der Einsprechenden 1 bei-
spielsweise für das Merkmal "kosmetische Zusammensetzung" zu. Denn der
Fachmann erkennt unmittelbar und eindeutig, dass die wässrige Xanthan-haltige
Zusammensetzung gemäß D1 als kosmetische Zusammensetzung verwendet
- 14 -
werden kann, da Xanthan ein bei der Herstellung von Kosmetika üblicher und häu-
fig eingesetzter Grundstoff ist.

Für die Zulässigkeit eines Einspruchs ist es zudem ausreichend, wenn in der frist-
gerecht eingegangenen Einspruchsbegründung ein Einspruchsgrund substantiiert
vorgetragen ist (vgl. Schulte PatG, 10. Aufl., § 59 Rn. 87). Demnach ist es vorlie-
gend nicht entscheidungserheblich, dass die weiteren von der Einsprechenden 1
angeführten Widerrufsgründe der mangelnden Patentfähigkeit wegen mangelnder
erfinderischer Tätigkeit und der mangelnden Ausführbarkeit nur pauschal ange-
führt und damit nicht ausreichend substantiiert sind.

1.2. Auch die Einsprechende 3 hat im unbestritten fristgerecht vorgelegten
Schriftsatz vom 20. November 2009 zumindest den Widerrufsgrund der mangeln-
den Neuheit ausreichend substantiiert. So gibt sie auf Seite 2 dieses Schriftsatzes
den streitpatentgemäßen Patentanspruch 1 an und zeigt auf Seite 4 die für sie
neuheitsschädlichen Merkmale in der Entgegenhaltung D1 auf, die vorliegend als

D16 US 2,461,139

bezeichnet wird. Ergänzend dazu erläutert sie im Folgenden anhand der Entge-
genhaltung D1a, vorliegend

D17 Römpp Chemie Lexikon, Online-Ausgabe, Stichwort "Stär-
ke", Stand: Dezember 2007, 6 Seiten

bezeichnet, das fachmännische Verständnis von Stärke bzw. Amylopektin. Auf
Seite 5 diskutiert sie detailliert die Offenbarung der zweiten von ihr als neuheits-
schädlich angesehenen Druckschrift D2, vorliegend als

D18 DE 2 405 216 A

bezeichnet.
- 15 -
Auf Seite 6 fasst sie schließlich ihre Überlegungen zur Neuheitsschädlichkeit der
D16 bzw. der D18 zusammen. Auch wenn sie keinen direkten (z. B. tabellarischen
Vergleich) der einzelnen Merkmale festgehalten hat, sind die Patentabteilung
sowie der Senat des Bundespatentgerichts durch diese Darstellung im Ein-
spruchsschriftsatz in die Lage versetzt, ohne eigene Ermittlungen eine Entschei-
dung über den behaupteten Widerrufsgrund zu treffen.

2. Die Anspruchsfassung gemäß Hauptantrag vom 21. November 2017 ist
zulässig.

2.1. Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 ist nicht unzulässig erweitert. Er
betrifft eine kosmetische Zusammensetzung mit den Merkmalen:

1.1 Kosmetische Zusammensetzung, bestehend aus
1.2 einer wässrigen Lösung eines vernetzten Polymers
1.3 und weiteren in der Kosmetik üblichen Zusatzstoffen,
wobei
1.4 das vernetzte Polymer wenigstens einem Typ eines Kohlehydrats oder
Kohlehydratderivats entspricht, umfassend wenigstens eine primäre
Alkoholfunktion,
1.5 das vernetzte Polymer erhältlich ist durch eine Vernetzungsreaktion in
homogener wässriger Phase
1.6 zwischen der primären Alkoholfunktion des Kohlehydrats und einer
reaktiven Funktion eines Vernetzungsmittels,
1.7 das Kohlehydrat in wässriger alkalischer Phase gelöst ist,
1.8 das Vernetzungsmittel einen nicht reaktiven Teil umfasst, der für die
Haut nach Neutralisation der Vernetzungsreaktion verträglich ist,
1.9 und das Vernetzungsmittel gewählt ist unter den Polycarboxylsäure-
chloriden, den Polyisocyanaten, den Polythiocyanaten, den Polyaldehy-
den und irgendeinem von deren Gemischen.

- 16 -
Der Patentanspruch 1 gemäß Hauptantrag leitet sich von den erteilten Patentan-
sprüchen 1 und 3 her.

Die Merkmale 1.1, 1.4, 1.6, 1.7 und 1.9 sind von den Einsprechenden unbestritten
auch den ursprünglichen Anmeldungsunterlagen zu entnehmen (vgl. ursprünglich
eingereichte Patentansprüche 10, 1, 3 und S. 13 Abs. 3 der ursprünglich einge-
reichten Unterlagen). Die Gesamtheit der Anmeldungsunterlagen offenbart zudem,
dass eine wässrige Lösung des vernetzten Polymers für die kosmetische Zusam-
mensetzung verwendet wird (vgl. ursprünglich eingereichte Unterlagen S. 4
Abs. 4, S. 7 Z. 19 bis 30, S. 9 Z. 23 bis 24 und Beispiele 1 (v. a. S. 16 Z. 4 bis 6), 5
(v. a. S. 18 Z. 27 bis 28), 9a (v. a. S. 20 Z. 24 bis 26) und 9b (v. a. S. 21 Z. 28 bis
30) i. V. m. Beispiel 14, worin die in den vorherigen Beispielen hergestellten Pro-
dukte der Erfindung in kosmetischen Zusammensetzungen eingesetzt werden).
Damit ist das Merkmal 1.2 ebenfalls den ursprünglichen Anmeldungsunterlagen zu
entnehmen. Dasselbe gilt für das Merkmal 1.5. Zwar wird auf Seite 7 der ur-
sprünglich eingereichten Unterlagen offenbart, dass "die Erfinder Kohlehydratpoly-
mere hohen Molekulargewichts durch Polymerisation in homogener wässriger
Phase erhalten" haben, was auf spezielle Produkte hinweisen könnte. Der Fach-
mann, ein Diplomchemiker, Pharmazeut oder Diplombiologe, der sich in das spe-
zielle Fachgebiet der Kosmetik intensiv eingearbeitet hat (vgl. BGH GRUR 2003,
317, 319 4. – kosmetisches Sonnenschutzmittel), verallgemeinert diese Textpas-
sage aber derart, dass bei der Polymerisationsreaktion zwischen dem Kohlehydrat
und dem Vernetzungsmittel stets Produkte mit hohem Molekulargewicht erhalten
werden. Denn dies ist für ihn ein selbstverständliches Ergebnis einer Vernetzung
bzw. Polymerisation von Kohlehydraten, weshalb im Patentanspruch durch das
Weglassen der Formulierung "hohes Molekulargewicht" keine unzulässige Erwei-
terung erfolgt, da der Fachmann dies bei den Worten "vernetztes Polymer" und
"durch eine Vernetzungsreaktion" unmittelbar und eindeutig mitliest (vgl. BGH
GRUR 2009, 382 Ls. 2, 384 Rn. [26] – Olanzapin).

- 17 -
Das Merkmal 1.8 leitet sich von den Ausführungen in den Zeilen 27 bis 30 der
Seite 12 der ursprünglich eingereichten Unterlagen her. Dabei versteht der Fach-
mann unter der Formulierung "nicht reaktiver Teil", dass der damit bezeichnete
Teil des Vernetzungsmittels nicht an der streitpatentgemäßen Vernetzungsreak-
tion teilnimmt, d. h. keine chemischen Substituenten aufweist, die bei der Umset-
zung der primären Alkoholfunktion des Kohlehydrats mit Polycarboxylsäurechlori-
den, Polyisocyanaten, Polythiocyanaten und/oder Polyaldehyden ebenfalls reagie-
ren können. Daher geht dieser Teil des Vernetzungsmittels aus der streitpatentge-
mäßen Vernetzungsreaktion unverändert hervor und verhält sich damit auch wäh-
rend der Neutralisation nach der Vernetzungsreaktion inert. Die Neutralisation der
Vernetzungsreaktion hat somit keinen Einfluss auf die Hautverträglichkeit des
nicht reaktiven Teils des Vernetzungsmittels, so dass dieser zu jedem Zeitpunkt
der Vernetzungsreaktion und der anschließenden Neutralisation hautverträglich
ist. Deshalb ist der Streitgegenstand auch im Merkmal 1.8 weder unzulässig
erweitert noch beinhaltet dieses Merkmal ein Aliud wegen des Zeitpunkts "nach
Neutralisation".

Schließlich lässt sich auch das Merkmal 1.3 den ursprünglichen Anmeldungsun-
terlagen entnehmen. So wird im ursprünglich eingereichten Patentanspruch 10
eine kosmetische Zusammensetzung beansprucht, deren Bestandteile aufgrund
der Formulierung "umfassend" nicht abschließend definiert sind. Diese kann viel-
mehr alle auf dem Gebiet der kosmetischen Zusammensetzungen üblichen Zu-
satzstoffe enthalten. Die in den Anmeldungsunterlagen für topische Anwendungen
offenbarten Zusatzstoffe wird der Fachmann daher als beispielhaft erachten (vgl.
ursprünglich eingereichte Unterlagen Patentanspruch 10 und S. 13 Z. 20 bis S. 14
Z. 19). Durch die Formulierung "zum Beispiel" in der Zeile 23 der Seite 13 ist
überdies unmittelbar und eindeutig erkennbar, dass die Aufzählung nicht be-
schränkend ist.

- 18 -
2.2. Im Übrigen entsprechen die geltenden Patentansprüche 2, 3 und 7 bis 13
den erteilten Patentansprüchen 2, 4 und 8 bis 14. Die Patentansprüche 4 bis 6 lei-
ten sich von den erteilten Patentansprüchen 5 bis 7 in Verbindung mit den erteilten
Patentansprüchen 1 und 3 her.

In den ursprünglich eingereichten Anmeldungsunterlagen sind die geltenden Pa-
tentansprüche 2, 3, 7, 8, 12 und 13 in den Patentansprüchen 2, 4, 8, 9, 14 und 18
offenbart. Die Patentansprüche 4 und 5 leiten sich von den ursprünglich einge-
reichten Patentansprüchen 5 und 6 jeweils in Verbindung mit den ursprünglich ein-
gereichten Patentansprüchen 10, 1 und 3 her. Der Patentanspruch 6 findet seine
Offenbarung auf Seite 16 Zeilen 4 bis 6, Seite 18 Zeilen 27 bis 28, Seite 20 Zei-
len 24 bis 26 und Seite 21 Zeilen 28 bis 30 der ursprünglich eingereichten Unter-
lagen in Verbindung mit den ursprünglich eingereichten Patentansprüchen 10, 1
und 3. Die Patentansprüche 9 bis 11 sind in den ursprünglich eingereichten Pa-
tentansprüchen 11 bis 13 jeweils in Verbindung mit dem ursprünglich eingereich-
ten Patentanspruch 10 offenbart.

Damit sind auch die neben- und nachgeordneten Patentansprüche 2 bis 13 zuläs-
sig. Dies ist von den Einsprechenden auch nicht in Abrede gestellt worden.

3. Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 ist so deutlich und vollständig
offenbart, dass der Fachmann ihn ausführen kann. Denn die Streitpatentschrift
enthält mehrere Beispiele, in denen sowohl die Vernetzungsreaktion als auch die
Verwendung der Vernetzungsprodukte in kosmetischen Zusammensetzungen
detailliert beschrieben werden (vgl. Streitpatent S. 8 bis 11 Beispiele 1 bis 13 bzw.
S. 12 bis 15 Beispiele 14 bis 18). Zudem werden Untersuchungen zur Verträglich-
keit der kosmetischen Zusammensetzungen aufgezeigt (vgl. Streitpatent S. 15/16
Beispiel 19). Die Ausführbarkeit wurde in der mündlichen Verhandlung auch nicht
mehr thematisiert.

4. Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 ist neu.
- 19 -
a) Die Druckschrift D4 offenbart einen Haarfestiger und damit eine kosmeti-
sche Zusammensetzung aus Xanthangummi, einem Kohlehydrat mit einer be-
kanntermaßen primären Alkoholfunktion (vgl. D4 Patentansprüche 1, 24, S. 1 Abs.
[0001], [0002], [0008]; vgl. gutachtlich

D8 Voragen, A. C. J. et al., "Polysaccharides", In: Ullmann's
Encyclopedia of Industrial Chemistry, Wiley-VCH Verlag,
online veröff. 15. März 2003, 26 Seiten

S. 16ff. Kap. "11. Xanthan gum"). Der Xanthangummi kann durch "chemical cross-
linking" vernetzt sein, wobei u. a. Adipinsäure-Essigsäure-Anhydrid als Vernet-
zungsmittel verwendet werden kann (vgl. D4 S. 1 Abs. [0012]). Allerdings unter-
scheidet sich die D4 vom Streitgegenstand im Merkmal 1.7. Denn die D4 verweist
explizit darauf, dass Xanthangummi bei sauren pH-Werten, insbesondere bei
einem pH-Wert von 2 bis 4 verwendet wird (vgl. D4 S. 1 Abs. [0010]). Dem Fach-
mann ist jedoch bekannt, dass die Verfahrensführung bei der Polymerisations-
reaktion einen entscheidenden Einfluss auf die Struktur des sich entwickelnden
Polymers hat. So hat der pH-Wert Einfluss auf die Löslichkeit von Edukten und
Produkten und damit auf Reaktionsumsatz und Reaktionsgeschwindigkeit. Es
erschließt sich somit für ihn unmittelbar und eindeutig, dass die im sauren pH-Be-
reich vernetzten Xanthane der D4 strukturelle Unterschiede gegenüber den streit-
patentgemäßen Xanthanen aufweisen, die bei alkalischen pH-Werten vernetzt
werden.

Das Argument, bei den Merkmalen 1.5 bis 1.8 handle es sich lediglich um verfah-
renstechnische Merkmale, die bei der Prüfung der Patentfähigkeit der bean-
spruchten kosmetischen Zusammensetzung nicht zu beachten seien, kann nicht
durchgreifen. Denn ein product-by-process-Anspruch, wie der geltende Patentan-
spruch 1, ist definitionsgemäß ein Patentanspruch für ein Erzeugnis – hier für die
kosmetische Zusammensetzung gemäß Merkmal 1.1 –, das durch das Verfahren
seiner Herstellung – hier durch die Verfahrensschritte der Merkmale 1.5 bis 1.8 –
- 20 -
gekennzeichnet wird (vgl. Schulte/Moufang, PatG, 10. Aufl., § 34 Rn. 153). Eine
Voraussetzung für einen derartigen Patentanspruch ist, dass sich das kennzeich-
nende Verfahren von bekannten Verfahren unterscheiden muss (vgl. Schulte/
Moufang, a. a. O., § 34 Rn. 159). Dies trifft auf den Streitfall zu, da sich das Ver-
fahren gemäß D4 vom streitpatentgemäßen Verfahren durch den pH-Wert-Bereich
bei der Vernetzungsreaktion unterscheidet. Einen Nachweis, dass es bei der Ver-
netzung von Xanthan mit Adipinsäure-Essigsäure-Anhydrid auf den pH-Wert nicht
ankommt, wurde nicht erbracht und ist damit nicht zweifelsfrei belegt. Sofern aller-
dings Tatsachen auch nach einer Ermittlung von Amts wegen nicht festgestellt
werden können, geht dieser Nachteil zu Lasten der Einsprechenden (vgl. Schulte/
Moufang, a. a. O., § 59 Rn. 209), so dass der Patentinhaberin insoweit zu folgen
ist, dass die Verfahrensführung in alkalischer Phase einen patentbegründenden
Unterschied zur D4 darstellt.

Die in der mündlichen Verhandlung zwischen den Parteien diskutierte Frage, ob
der Xanthangummi in D4 als Lösung oder als Dispersion eingesetzt wird – für eine
Xanthan-haltige Lösung würde der jeweils erste Satz in den Absätzen [0014] und
[0058] und für eine Dispersion u. a. die Absätze [0029] und [0030] der D4 spre-
chen –, muss daher nicht entschieden werden.

b) Auch die Druckschrift D15 kann die Neuheit der kosmetischen Zusammen-
setzung nach Patentanspruch nicht angreifen. Die D15 offenbart kosmetische Zu-
sammensetzungen, die eine wässrige Phase mit vernetzter Stärke umfasst (vgl.
D15 Patentanspruch 1, S. 4 Z. 4 bis 7, S. 8 Z. 24 bis 25), wobei dem Fachmann
bekannt ist, dass Stärke ein polymeres Kohlenhydrat aus D-Glucose-Einheiten mit
einer primären Alkoholfunktion ist (vgl. D17 S. 1 Abs. 2 und S. 2 Abb. 1). Die Ver-
netzung der Stärke kann über Alkandicarbonsäuren, insbesondere über Adipin-
säure erfolgen. Dies erfolgt durch Umsetzung von Stärke mit Adipinsäure-Essig-
säure-Anhydrid (vgl. D15 S. 4 Z. 9 bis 20). Ferner enthält die kosmetische Zu-
sammensetzung gemäß D15 Zusatzstoffe z. B. in Form von Verdickungsmitteln
und Färbemitteln (vgl. D15 S. 14 Z. 19 bis 24). Allerdings lässt sich der D15 nicht
- 21 -
unmittelbar und eindeutig entnehmen, mit welchen Verfahrensschritten die Ver-
netzungsreaktion der Stärke mit dem gemischten Anhydrid der Adipinsäure und
der Essigsäure durchzuführen ist. So bezeichnet die D15 zwar vorverkleisterte
Stärke bzw. Stärkederivate als bereits in kaltem Wasser löslich. Allerdings versteht
die D15 unter "löslich" in diesem Zusammenhang nicht eine echte molekulare Lö-
sung, sondern vielmehr eine kolloidale Dispersion (vgl. D15 S. 5 Z. 30 bis S. 6
Z. 2). Der Fachmann unterscheidet beim Auflösen von polymeren Kohlehydraten
in Wasser zwischen Lösungen und Dispersionen. Eine Lösung ist dabei eine ho-
mogene Mischung zweier Komponenten, wobei beide in derselben Phase (i. d. R.
in der flüssigen Phase) vorliegen. Demgegenüber bezeichnet der Fachmann mit
einer Dispersion ein System aus mindestens zwei Phasen, von denen eine konti-
nuierlich (hier Wasser) und mindestens eine weitere fein verteilt ist (hier Stärke),
und spricht im Fall einer Flüssig-Fest-Dispersion auch von einer Suspension. Da
die D15 die Verwendung von dispergierter Stärke lehrt, unterscheidet sich der
Streitgegenstand davon daher bereits im Merkmal 1.2. Ein weiterer Unterschied
liegt darin, dass die D15 nicht offenbart, bei welchem pH-Wert die Vernetzungs-
reaktion stattfinden soll. Da der pH-Wert – wie in II.3.a ausgeführt – bei der Ver-
netzungsreaktion ein wichtiger Einflussfaktor ist, ist der D15 wiederum nicht unmit-
telbar und eindeutig dasselbe Vernetzungsprodukt zu entnehmen wie der Streitpa-
tentschrift.

Das Argument, dass im Streitpatent ebenfalls Stärke und Amylopektin, eine Frak-
tion der natürlichen Stärke (vgl. D17 S. 1 Abs. 2), verwendet werden könne, wes-
halb auch die streitpatentgemäße Stärkelösung eine Dispersion im Sinne der D15
sein müsse, überzeugt nicht. Hierbei verallgemeinert die Einsprechende in tech-
nisch nicht nachvollziehbarer Weise und ohne dies zu belegen, dass es sich bei
wässrigen Stärkelösungen grundsätzlich um Dispersionen handle. Demgegenüber
stellt das Streitpatent auf eine Vernetzungsreaktion in homogener wässriger
Phase ab (vgl. Streitpatent S. 4/5 Abs. [0041]), weshalb die eingesetzten Kohlehy-
drate und damit auch Stärke streitpatentgemäß homogen gelöst vorliegen. Da-
durch unterscheidet sich das Streitpatent aber bereits von der Lehre der D15.
- 22 -
In diesem Zusammenhang liegen auch nicht die Voraussetzungen für eine Be-
weislastumkehr zu Lasten der Patentinhaberin vor. Im Einspruchsverfahren trifft
grundsätzlich die Beweislast für die einspruchsbegründenden Umstände den Ein-
sprechenden. Für das angegriffene Patent besteht demgegenüber zunächst die
Vermutung der Rechtsbeständigkeit (vgl. Benkard/Schäfers, PatG, 11. Aufl., § 87
Rn. 13). Daher obliegt es der Einsprechenden, durch druckschriftliche Belege und
eventuelle Vergleichsversuche nachzuweisen, dass es zwischen einer streitpa-
tentgemäßen, eine wässrige Lösung von mit Adipinsäuredichlorid vernetzter Stär-
ke enthaltenden kosmetischen Zusammensetzung und einer kosmetischen Zu-
sammensetzung gemäß D15, die ebenfalls eine über Adipinsäureeinheiten ver-
netzte Stärke enthält, keinen Unterschied gibt. Eine Beweislastumkehr kann dabei
weder damit begründet werden, dass die Lehre der D15 keine genauen Verfah-
rensbedingungen für die Vernetzungsreaktion der Stärke angibt. Noch kann sich
diese aus Überlegungen ergeben, dass theoretisch bei der Reaktion von Adipin-
säuredichlorid mit Stärke bzw. von Adipinsäure-Essigsäure-Anhydrid mit Stärke
dasselbe Produkt entsteht. Denn dem Fachmann ist bewusst, dass in der Poly-
merchemie der Reaktionsumsatz und damit das Reaktionsprodukt von den Reak-
tionsbedingungen abhängig sind, weshalb bei unterschiedlichen Bedingungen
nicht dieselben Reaktionsprodukte mit beispielsweise identischen Vernetzungs-
grad erhalten werden. Es geht daher zu Lasten der Einsprechenden, wenn im
Streitfall nicht mit hinreichender Sicherheit geklärt werden kann, ob der Ein-
spruchsgrund der fehlenden Neuheit vorliegt.

c) Die weiteren hinsichtlich der Neuheit angeführten und in der mündlichen
Verhandlung nicht mehr aufgegriffenen Entgegenhaltungen können die Neuheit
der kosmetischen Zusammensetzung nach Patentanspruch 1 ebenfalls nicht an-
greifen, da sie nicht sämtliche Merkmale des Patentanspruchs 1 aufzeigen.

Das Dokument D11 betrifft mit Adipinsäure vernetzte Tapiokastärke und dessen
Verwendung in kosmetischen Zusammensetzungen (vgl. D11 Patentanspruch 1,
Sp. 1 Abs. [0001], Sp. 4 Abs. [0022] und [0026]). Allerdings erfolgt die Vernet-
- 23 -
zungsreaktion nicht in homogener wässriger Phase, sondern in einer wässrigen
Aufschlemmung von Stärke (vgl. D11 Sp. 3 Abs. [0016] und Sp. 6 Abs. [0036]), so
dass sich die Vernetzungsprodukte und damit auch die kosmetischen Zusammen-
setzungen der D11 und des Streitpatents wiederum aufgrund der unterschiedli-
chen Reaktionsbedingungen unterscheiden. Dasselbe gilt für die

D5 US 2003/0099692 A1,

aus der zwar kosmetische Zusammensetzungen bekannt sind, die mit Bernstein-
säure – ebenfalls eine Alkandicarbonsäure – vernetzte Stärke enthalten, die aber
keine Angaben zu den Reaktionsbedingungen für die Umsetzung der Stärke mit
Bernsteinsäure aufzeigt (vgl. D5 Patentansprüche 1, 14, 15 und S. 1 Abs. [0013]).
Der pauschale Verweis auf ein Lehrbuch im Abs. [0013] kann dabei nicht die Of-
fenbarung des Lehrbuchs zur Lehre der D5 hinzufügen, weil dadurch dem Fach-
mann nicht deutlich genug aufgezeigt wird, was aus dem Lehrbuch zur Erfindung
der D5 gehört und was nicht (vgl. Schulte/Moufang, PatG, 10. Aufl., § 34 Rn. 423),
zumal der Abs. [0013] eine Aufzählung unterschiedlichster Modifikationen von
Stärke angibt. Die D16 offenbart Stärkeesterderivate u. a. mit Adipinsäure und ein
Verfahren zu deren Herstellung (vgl. D16 u. a. Patentansprüche 1, 3 und Sp. 4
Z. 46 bis 49). Allerdings zeigt diese Druckschrift keine kosmetischen Zusammen-
setzungen auf, die diese Stärkeesterderivate enthalten, sondern gibt lediglich an,
dass diese eine salbenähnliche Konsistenz aufweisen und in Produkten der Le-
bensmittelindustrie eingesetzt werden (vgl. D16 u. a. Patentanspruch 13, Sp. 2
Z. 40 bis 47, Sp. 4 Z. 50 bis 56, Sp. 8 Bsp. 11). Die Dokumente D3 und D18
beschreiben kosmetische Zusammensetzungen, die vernetzte Hyaluronsäure bzw.
Stärke enthalten. Allerdings unterscheiden sich die in diesen Druckschriften ver-
wendeten Vernetzungsmittel von den Vernetzungsmitteln gemäß Merkmal 1.9
(vgl. D3 Patentansprüche 1, 10, Sp. 2 Z. 5 bis 12, Sp. 4 Z. 28 bis 33; vgl. D18 Pa-
tentansprüche 1, 3, S. 1 Abs. 1, S. 6 le. Abs.). Die Dokumente D1 und

D2 DE 27 51 590 A1
- 24 -
betreffen keine kosmetischen Zusammensetzungen und sind daher nicht neu-
heitsschädlich.

d) Die übrigen dem Senat vorliegenden Dokumente geben keine kosmetische
Zusammensetzung mit sämtlichen Merkmalen des Patentanspruchs 1 an. Feh-
lende Neuheit wurde von den Einsprechenden hinsichtlich dieser Dokumente auch
nicht geltend gemacht.

5. Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 beruht auch auf einer erfinderi-
schen Tätigkeit.

Dem Streitpatent liegt die Aufgabe zugrunde, kosmetische Zusammensetzungen
bereitzustellen, die eine Spannungswirkung und/oder Straffungswirkung auf die
Hautoberfläche entfalten, ohne eine identifizierbare allergische Reaktion auszulö-
sen (vgl. Streitpatent S. 2 Abs. [0009] i. V. m. Patentanspruch 1).

Die Lösung dieser Aufgabe mit den Merkmalen des Patentanspruchs 1 wird durch
die D15 nicht nahegelegt. Diese Druckschrift offenbart zwar kosmetische Zube-
reitungen, die vernetzte Stärke enthalten und die das Wasserrückhaltevermögen
der Haut erhöhen, wodurch sie die Haut glatt und geschmeidig machen (vgl. D15
Patentanspruch 1 i. V. m. S. 9 Z. 9 bis 10 und 19 bis 21). Außerdem offenbart
diese Druckschrift die Vernetzung der Stärke mit Adipinsäure-Essigsäure-Anhydrid
zu einem über Adipinsäureeinheiten vernetzten Stärkederivat (vgl. D15 S. 4
Abs. 3). Allerdings gibt D15 keine konkreten Hinweise, unter welchen Reaktions-
bedingungen die Vernetzung stattfinden soll. Vielmehr weist diese Druckschrift
explizit darauf hin, dass die Stärke im Unterschied zur streitpatentgemäßen Lehre
dispergiert vorliegt, und beansprucht sogar als bevorzugte Ausführungsform, dass
die Stärkekörner zu losen Agglomeraten agglomeriert sind (vgl. D15 S. 5 Z. 30 bis
S. 6 Z. 2 sowie Patentansprüche 6 und 7).

- 25 -
Auch eine Zusammenschau mit der D6 führt nicht zu einem Naheliegen des Streit-
gegenstands. Bei der D6 handelt es sich um einen Fachbuchauszug, der das
Fachwissen zur Vernetzung der Stärke dokumentiert. Der Fachmann hat daher
diese Druckschrift zu Rate gezogen, da ihm die D15 keine ausreichenden Anhalts-
punkte für die Durchführung der Vernetzungsreaktion gibt. In der D6 wird be-
schrieben, dass das Vernetzungsmittel im Allgemeinen zu einer wässrigen alkali-
schen Suspension, also einer Dispersion von festen Stärketeilchen im flüssigen
Wasser, gegeben wird (vgl. D6 S. 324 le. Abs.). Im Anschluss werden verschie-
dene übliche Vernetzungsmittel aufgezeigt, darunter auch die Reaktion von Stärke
mit gemischten Anhydriden der Essigsäure und zwei- oder dreibasigen Carboxyl-
säuren, wobei eine zweibasige Carboxylsäure eine andere Bezeichnung für eine
Dicarbonsäure ist, und in einem Reaktionsschema explizit die Vernetzung von
Stärke mit Adipinsäure-Essigsäure-Anhydrid dargestellt (vgl. D6 S. 325 Abs. 2 und
Reaktionsschema unten). Aus diesen Angaben erhält der Fachmann lediglich den
Hinweis, in alkalischem Medium zu arbeiten. Eine Anregung, das Kohlehydrat
Stärke in der wässrigen alkalischen Phase zu lösen, gibt die D6 aber nicht. Auch
bei einer Zusammenschau der D15 mit der D6 wird das Augenmerk des Fach-
manns nicht auf eine Vernetzungsreaktion in homogener wässriger Phase gerich-
tet, da beide Druckschriften von Dispersionen bzw. Suspensionen von Stärke im
wässrigen Medium ausgehen.

Aus demselben Grund legt eine Zusammenschau der D15 mit der D11 die streit-
patentgemäße kosmetische Zusammensetzung ebenfalls nicht nahe. Denn in der
D11 erfolgt die Vernetzung der darin verwendeten Tapiokastärke mit Adipinsäure-
Essigsäure-Anhydrid in einer Aufschlemmung der Stärke in Wasser und damit
wiederum nicht in homogener wässriger Phase gemäß Merkmal 1.5, in der das
Kohlehydrat gemäß Merkmal 1.7 gelöst ist (vgl. D11 Sp. 3 Z. 14 bis 17 und Sp. 6
Beispiel 2).

Auch ausgehend von der D3 beruht der Streitgegenstand auf einer erfinderischen
Tätigkeit. Die D3 lehrt, dass das Kohlehydrat Hyaluronsäure über eine polyfunk-
- 26 -
tionelle Epoxy-Verbindung vernetzt werden kann, und die Verwendung des Ver-
netzungsprodukts in kosmetischen Zubereitungen (vgl. D3 Patentansprüche 1, 10,
Sp. 2 Z. 5 bis 12 und Sp. 4 Z. 28 bis 33). Die Vernetzung der Hyaluronsäure
erfolgt dabei im Hinblick auf verbesserte Resistenz gegen enzymatischen Abbau
und nicht-enzymatischen Oxidations-Reduktionsabbau (vgl. D3 Sp. 1 Z. 53 bis
63). Einen Hinweis auf ein alternatives Vernetzungsmittel, insbesondere auf Poly-
carboxylsäuren wie die Dicarbonsäure Adipinsäure finden sich in der D3 aber
nicht.

Der Fachmann hatte auch keinen Anlass ausgehend von D3 nach alternativen
Vernetzungsmitteln, die sich für Kosmetika besser eignen, zu suchen, da diese
Druckschrift bereits die Verwendung der Vernetzungsprodukte gemäß D3 in kos-
metischen Zusammensetzungen beschreibt, und die Toxizitätstests in D3 keine
Auffälligkeiten ergaben (vgl. D3 Sp. 9/10 Beispiele 7 und 8). Selbst wenn er aber
nach alternativen Vernetzungsmitteln gesucht hätte, wäre eine Vernetzung gemäß
Patentanspruch 1 nicht nahegelegen. Denn eine Kombination mit der Lehre der
D11 hätte er nicht berücksichtigt, weil in D11 das Kohlehydrat in einer wässrigen
Aufschlemmung vernetzt wird, während in D3 das Kohlehydrat in einer wässrigen
Lösung umgesetzt wird (vgl. D3 u. a. Sp. 2 Z. 40 bis 48; vgl. D11 u. a. Sp. 3 Z. 14
bis 17). Es handelt sich also um verschiedene Reaktionssysteme, deren Übertrag-
barkeit an keiner Stelle beschrieben wird.

Die Lehre der ebenfalls hinsichtlich der erfinderischen Tätigkeit angeführten
Druckschrift D4 liegt ferner, da diese Druckschrift keine detaillierten Angaben zu
den Reaktionsbedingungen der Vernetzungsreaktion von Xanthangummi angibt
und zudem den Hinweis enthält, dass der Xanthangummi in dispergierter Form
vorliegt (vgl. D4 S. 3 Abs. [0030]).

Schließlich ist die streitpatentgemäße kosmetische Zusammensetzung auch nicht
ausgehend von D11 nahegelegt. Wie bereits aufgezeigt, erfolgt in D11 die Vernet-
zung der Tapioka-Stärke in einer wässrigen Aufschlemmung im alkalischen Be-
- 27 -
reich (vgl. D11 Sp. 3 Abs. [0016] und Sp. 6 Abs. [0036]). Darüber hinaus enthält
die D11 aber keinen Hinweis auf eine mögliche Durchführung der Vernetzungsre-
aktion in einer homogenen wässrigen Phase, wobei die Tapioka-Stärke in wässri-
ger alkalischer Phase gelöst ist. Eine Anregung dazu können weder die von den
Einsprechenden herangezogenen D4 und D15 noch die D3 geben. Denn gemäß
D4 wird das dort verwendete Kohlehydrat Xanthan im sauren Milieu eingesetzt
(vgl. D4 S. 1 Abs. [0010]), so dass der Fachmann keine Veranlassung hatte, die
Lehre dieser Druckschrift für eine Optimierung der im basischen Milieu stattfin-
denden Reaktion nach D11 zu berücksichtigen. Die D15 arbeitet wie die D11 mit
Stärke-Dispersionen (vgl. D15 Patentansprüche 6, 7 und S. 5 Z. 30 bis S. 6 Z. 29),
so dass eine Vernetzungsreaktion in homogener wässriger Phase durch eine
Kombination dieser beiden Druckschriften nicht ins Augenmerk des Fachmanns
gerückt wird. In der D3 wird zwar das Kohlehydrat Hyaluronsäure in Lösung ver-
netzt. Einen Hinweis oder eine Anregung, dass die Vernetzung in Lösung gegen-
über einer Vernetzung in einer Aufschlemmung vorteilhaft sei, findet sich aber in
der D3 nicht. Der Fachmann war daher nicht motiviert, die Lehre der D3 bei der
Weiterentwicklung der Vernetzungsreaktion nach D11 ins Auge zu fassen, zumal
die D3 mit der Vernetzung von Hyaluronsäure mit polyfunktionalen Epoxyverbin-
dungen ein gegenüber der D11 unterschiedliches Reaktionssystem betrifft.

Die übrigen dem Senat vorliegenden und in der mündlichen Verhandlung nicht
mehr aufgegriffenen Entgegenhaltungen können zur Auffindung der streitpatentge-
mäßen Lösung ebenfalls nichts beitragen, da sie, soweit sie nicht allgemeinen
Stand der Technik zu Kohlehydraten und deren Eigenschaften betreffen, entweder
keine kosmetischen Zusammensetzungen aufzeigen oder andere Vernetzungsmit-
tel bzw. andere Reaktionsbedingungen für die Vernetzung von Kohlehydraten als
der Patentanspruch 1 offenbaren und damit nicht über den Inhalt der Doku-
mente D3, D4, D6, D11 und D15 hinausgehen.

Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 ist daher vom Stand der Technik nicht
nahegelegt.
- 28 -
6. Nachdem die kosmetische Zusammensetzung nach Patentanspruch 1 alle
Kriterien der Patentfähigkeit aufweist, hat dieser Patentanspruch Bestand.

Gleichfalls patentfähig sind die besonderen Ausführungsformen der die kosmeti-
sche Zusammensetzung nach Patentanspruch 1 betreffenden Patentansprüche 2
bis 8.

7. Die nebengeordneten Patentansprüche 9 und 13 sind auf eine spezielle
kosmetische Verwendung der im Patentanspruch 1 definierten Zusammensetzung
bzw. auf ein Verfahren zur kosmetischen Pflege gerichtet, das die topische An-
wendung einer kosmetischen Zusammensetzung der Patentansprüche 1 bis 8
umfasst. Bezüglich Neuheit und erfinderischer Tätigkeit gelten die vorstehend dar-
gelegten Gesichtspunkte gleichermaßen, da die Patentansprüche 9 und 13 nach
wie vor auf die technischen Merkmale des Patentanspruchs 1 Bezug nehmen.
Daher sind auch diese Patentansprüche und mit diesen die dem Patentanspruch 9
nachgeordneten Patentansprüche 10 bis 12 nicht patentfähig.


III

Rechtsmittelbelehrung

Gegen diesen Beschluss steht den Verfahrensbeteiligten das Rechtsmittel der
Rechtsbeschwerde zu. Da der Senat die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen hat,
ist sie nur statthaft, wenn gerügt wird, dass

1. das beschließende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war,
2. bei dem Beschluss ein Richter mitgewirkt hat, der von der Ausübung des
Richteramtes kraft Gesetzes ausgeschlossen oder wegen Besorgnis der
Befangenheit mit Erfolg abgelehnt war,
3. einem Beteiligten das rechtliche Gehör versagt war,
- 29 -
4. ein Beteiligter im Verfahren nicht nach Vorschrift des Gesetzes vertreten war,
sofern er nicht der Führung des Verfahrens ausdrücklich oder stillschweigend
zugestimmt hat,
5. der Beschluss aufgrund einer mündlichen Verhandlung ergangen ist, bei der
die Vorschriften über die Öffentlichkeit des Verfahrens verletzt worden sind,
oder
6. der Beschluss nicht mit Gründen versehen ist.

Die Rechtsbeschwerde muss innerhalb eines Monats nach Zustellung des Be-
schlusses von einer beim Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwältin oder
von einem beim Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt beim Bundesge-
richtshof, Herrenstraße 45a, 76133 Karlsruhe, eingereicht werden.


Dr. Maksymiw Dr. Münzberg Dr. Jäger Seyfarth


Fa


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