12 W (pat) 44/13  - 12. Senat (Techn.Beschw.)
Karar Dilini Çevir:

BPatG 154
05.11

BUNDESPATENTGERICHT



12 W (pat) 44/13
_______________
(Aktenzeichen)



Verkündet am
14. November 2017
Weigel
Justizbeschäftigte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle

B E S C H L U S S

In der Beschwerdesache

betreffend das Patent 10 2007 051 539



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hat der 12. Senat (Technischer Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf
die mündliche Verhandlung vom 14. November 2017 unter Mitwirkung des
Vorsitzenden Richters Dipl.-Ing. Univ. Ganzenmüller, der Richterin Bayer sowie
der Richter Dipl.-Ing. Univ. Dipl.-Wirtsch.-Ing. (FH) Ausfelder und
Dipl.-Phys. Univ. Schmidt

beschlossen:

Die Beschwerde der Einsprechenden und die Anschlussbe-
schwerde der Patentinhaberin werden zurückgewiesen.


G r ü n d e

I.

Gegen das am 29. Oktober 2007 angemeldete und am 1. Oktober 2009 veröffent-
lichte Patent 10 2007 051 539 mit der Bezeichnung

„Verfahren zum Aufrichten eines Kranauslegers“

hatte die Einsprechende am 23. Dezember 2009 Einspruch erhoben.
´
Die Patentabteilung 22 des Deutschen Patent- und Markenamts hat das Patent
mit Beschluss in der mündlichen Verhandlung vom 26. Juni 2013 (schriftliche Be-
gründung vom 26. September 2013) im beschränkten Umfang, nämlich des in der
mündlichen Verhandlung eingereichten Hilfsantrags, aufrechterhalten.

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Gegen diesen Beschluss richten sich die Beschwerde der Einsprechenden vom
30. Oktober 2013 und die mit Schriftsatz vom 7. Februar 2014 eingegangene An-
schlussbeschwerde der Patentinhaberin.

Die Einsprechende, Beschwerdeführerin und Anschlussbeschwerdegegnerin
(nachfolgend Einsprechende) begründet ihre Beschwerde damit, dass auch der
Anspruch 1 nach dem Hilfsantrag nicht patentfähig sei, da sein Gegenstand nicht
auf erfinderischer Tätigkeit beruhe.

Bezüglich ihres Vortrags verweist die Einsprechende auf folgende Entgegenhal-
tungen:

E1: DE 20 2004 008 083 U1
E2: GB 1 586 371
E3: DE 20 2004 017 771 U1
E4: DE 101 29 022 A1
E5: US 4,473,214
E6: DE 199 29 549 A1
E7: DE 93 11 778 U1
E8: GB 971,103
E9: EP 1 657 211 A2
E10: EP 0 132 572 A1
E11: DE 25 52 111 A1
E12: DE 2 016 240 A
E13A: JP H10-194676 A
E13B: Übersetzung der E13A ins Englische
E14A: JP 2009-046216 A
E14B: Maschinenübersetzung der E14A ins Englische
E15A-H: Anlagenkonvolut zu einer behaupteten offenkundigen Vorbenutzung

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E16: BECKER, Rudolf; HELLMICH, René (Hrsg.): Das große Buch der
Fahrzeugkrane Band I – Handbuch der Fahrzeugkrantechnik.
2. Auflage Griesheim: KM Verlags GmbH, 2001. S. 186, 189, 202
bis 205. – ISBN 3-934518-00-1

Die Einsprechende stellte den Antrag,

den Beschluss der Patentabteilung 22 des Deutschen Patent- und
Markenamts vom 26. Juni 2013 aufzuheben und das Patent
10 2007 051 539 zu widerrufen und die Anschlussbeschwerde der
Beschwerdegegnerin zurückzuweisen.

Die Patentinhaberin, Beschwerdegegnerin und Anschlussbeschwerdeführerin
(nachfolgend Patentinhaberin) stellte den Antrag,

den Beschluss der Patentabteilung 22 des Deutschen Patent- und
Markenamts vom 26. Juni 2013 aufzuheben und das Patent
10 2007 051 539 im erteilten Umfang aufrechtzuerhalten und die
Beschwerde der Einsprechenden zurückzuweisen.

Der erteilte Anspruch 1, der von der Patentinhaberin im Rahmen der Anschluss-
beschwerde auch verteidigt wird, hat – nach Merkmalen gegliedert – folgenden
Wortlaut:

Verfahren zum Aufrichten eines Teleskopausleger[s] (10) eines
Fahrzeugkrans (5)
a) mit einer Wippspitze (12) und
b) mit einer räumlichen Auslegerabspannung (22),
d a d u r c h g e k e n n z e i c h n e t , dass
c) der Teleskopausleger (10) zunächst auf seine gewünschte
Länge austeleskopiert wird,
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d) dass in dieser Lage sämtliche Teleskopschüsse miteinander
verbolzt werden und
e) dass die räumliche Abspannung (22) gespannt wird[,] bevor
die am Teleskopausleger (10) angelenkte Wippspitze (12)
aufgerichtet wird.

An den erteilten Anspruch 1 schließen sich unmittelbar oder mittelbar auf diesen
Anspruch rückbezogene Unteransprüche 2 bis 9 an.

Der Anspruch 1 nach der von der Patentabteilung im Einspruchsverfahren be-
schränkt aufrechterhaltenen Fassung lautet in Fortsetzung zum erteilten An-
spruch 1 (s. o.):

f) wobei die Wippspitze (12) einerseits schwenkbar mit dem
Teleskopausleger (10) in seiner nahezu horizontalen Lage
verbolzt wird und
g) wobei diese andererseits auf einem oder mehreren Wa-
gen (26, 28) verfahrbar gelagert ist und
h) wobei der Hauptausleger steil gestellt wird und auf die
gewünschte Länge austeleskopiert wird,
i) so dass das angelenkte Ende der Wippspitze (12) mit
angehoben wird und
j) dass das äußere Ende der Wippspitze (12) auf dem mindes-
tens einen Wagen (28) frei nachrollt.

An diesen Anspruch 1 schließen sich unmittelbar oder mittelbar auf diesen An-
spruch rückbezogene Unteransprüche 2 bis 7 an.

Wegen des Wortlauts der jeweiligen Unteransprüche und weiterer Einzelheiten
des Sachverhalts wird auf den Akteninhalt verwiesen.

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II.

1) Die Beschwerde der Einsprechenden und die Anschlussbeschwerde der
Patentinhaberin sind zulässig. In der Sache haben sie jedoch beide keinen Erfolg.

2) Der Einspruch ist gemäß § 59 Abs. 1 PatG frist- und formgerecht erhoben
worden. Die Zulässigkeit des Einspruchs ist seitens der Patentinhaberin auch nicht
in Frage gestellt worden.

3) Als Fachmann für den vorliegenden Erfindungsgegenstand zuständig ist ein
Diplom-Ingenieur oder Bachelor des Maschinenbaus einer Fachhochschule bzw.
einer Hochschule für angewandte Wissenschaften mit mehrjähriger Berufserfah-
rung auf dem Gebiet der Fahrzeugkranentwicklung.

4) Bis auf die Druckschrift E14 sowie das Anlagenkonvolut E15 sind sämtliche im
Verfahren befindlichen Entgegenhaltungen (s. o.) vorveröffentlicht und damit
Stand der Technik.

Wenn auch von älterem Zeitrang, so stellt die E14 als nachveröffentlichte japani-
sche Patentanmeldung keinen Stand der Technik gem. § 3 Absatz 2 Satz 1 PatG
dar.

Dagegen fehlt es bei dem Anlagenkonvolut E15A-H, für dessen Gegenstand eine
offenkundige Vorbenutzung geltend gemacht wurde, am Nachweis, wie zumindest
die Unterlagen E15B-H offenkundig geworden sein sollen. Der Inhalt dieser Do-
kumente stellt damit ebenfalls keinen Stand der Technik dar. Aus dem Dokument
E15A, einem einseitigen Übergabeprotokoll, gehen im Übrigen keine technischen
Merkmale hervor.

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Die Einsprechende hat die in der mündlichen Verhandlung mitgeteilte oben ste-
hende Bewertung der Druckschrift E14 und des Anlagenkonvoluts E15B-H nicht
bestritten. Daher erübrigen sich weitere Ausführungen hierzu.

5) Der Gegenstand des erteilten Anspruchs 1 beruht nicht auf erfinderischer
Tätigkeit.

Die Entgegenhaltung E16, S. 186, zeigt im Bild 167 bei den auch mit dem Kürzel
TAN bezeichneten Varianten jeweils einen Mobilkran mit abgespanntem Teles-
kopausleger („T“ für Teleskopausleger; „A“ für Auslegerabspannung) und wippba-
rer Gitterspitze („N“). Ganz allgemein wird in E16, S. 189, letzter Satz, hervorge-
hoben, dass durch die Verwendung von Auslegerabspannungen die Traglasten
von Teleskopkranen erheblich gesteigert werden können. Durch den unmittelba-
ren Bezug auf Bild 191 gilt dies offensichtlich auch für die dort u. a. ebenfalls dar-
gestellten abgespannten Teleskopkrane mit zusätzlicher wippbarer Gitterspitze
und damit auch für die auf S. 186 in Bild 167 (s. o.) dargestellten Krane.
Weitere Angaben zur Auslegerabspannung gehen aus der E16 nicht hervor.

Als vorteilhaft werden in der einschlägigen, nämlich ebenfalls einen Teleskopkran
betreffenden Entgegenhaltung E1 zwei Abspannstützen genannt, die in der Be-
triebsstellung V-förmig aufgespreizt sind (E1, Abs. 0012 und 0026).

Ein dem Verwendungszweck des Arbeitsverfahrens nach Anspruch 1 entspre-
chender Fahrzeugkran mit Teleskopausleger und Wippspitze und – aufgrund der
V-förmigen Aufspreizung – auch räumlicher Auslegerabspannung ist damit dem
Fachmann aus der Zusammenschau der Entgegenhaltungen E16 und E1 nahe-
gelegt (Merkmale a, b).

Gleichwohl fehlt es sowohl in der E16 wie auch in der E1 an einer vollständigen
Lehre, wie die in der E16 offensichtlich in Betriebsstellung dargestellten Krane
aufgerichtet werden können.
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Aus der E1 geht zwar zumindestens hervor, dass die Teleskopschüsse nach Er-
reichen ihrer ausgefahrenen Stellung miteinander verriegelt werden können und
dann die Abspannseile der V-förmigen Abspannung gespannt werden können (E1,
Abs. 0030, Z. 7-11).
Da aber in keiner der angeführten Druckschriften angegeben ist, wie und bei wel-
chem Verfahrensschritt auch die vorhandene Wippspitze aufgerichtet wird, hat der
Fachmann Anlass, dies entsprechend zu konkretisieren (vgl. BGH-Entscheidung
vom 16.02.2016 – X ZR 5/14 – Anrufroutingverfahren, Leitsatz a).

Aus der E16, S. 186, Bild 167, geht durch die Bezeichnung der dort dargestellten
rechten drei Krane die Lehre hervorgeht, dass solche Krane sowohl mit als auch
ohne Teleskopauslegerabspannung gebaut und betrieben werden können (siehe
Bezeichnung „TN/TAN“ unterhalb des jeweiligen Krans für „TAN“-Krane mit Teles-
kopausleger T, Teleskopauslegerabspannung A und wippbarer Gitterspitze N; Be-
zeichnung „TN“ für solche Krane ohne Teleskopauslegerabspannung).
Daher liegt es dem Fachmann nahe, unabhängig davon, ob eine Auslegerabspan-
nung vorgesehen ist oder nicht, auch solchen Stand der Technik wie nach E13 zu
berücksichtigen, der zumindest die Aufrichtung eines Teleskopauslegers mit
Wippspitze, ggf. auch ohne Auslegerabspannung, wiedergibt.

So lehrt die E13 bei dortiger „vertikaler Montage“ ein schrittweises Montieren und
Anheben sowie – bei fertig montierter Wippspitze – anschließendes Aufrichten
dieser Wippspitze (E13B, Abs. 0004, Z. 2: „vertical assembly process“). Dieses
Verfahren benötigt weniger Montageplatz als die „horizontale Montage“ („horizon-
tal assembly process“; s. E13B, Abs. 0003, Z. 1, 4-6).
Entsprechend der vertikalen Aufstellvariante (E13B, Abs. 0001, Z. 3: „vertical as-
sembly process“, s. a. E13B, Abs. 0047) wird bei eingefahrenem, horizontal aus-
gerichtetem Teleskopausleger zuerst die auf den Boden abgesenkte Spitze 41 des
am Teleskopausleger angelenkten Basisauslegerteils („tip portion of the disas-
sembled base jib-part 41“) mit den oberen beiden Verbindungsstellen eines ersten
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am Boden liegenden mittleren Teils 42 der Wippspitze („disassembled middle jib-
part 42“) verbolzt (s. E13B, Abs. 0010, Z. 1-3).
Dann wird der Teleskopausleger um einen gegebenen Wert angehoben und aus-
gefahren, um die Spitze des am Teleskopausleger angelenkten Basisausleger-
teils 41 und das erste einzelne mittlere Auslegerteil 42 zueinander in eine Linie zu
bringen und auszurichten (E13B, Abs. 0010, Z. 3 f.: „while raising and extending
the telescopic boom crane 2 by a given value so as to align the disassembled
base jib-part 41 and the first disassembled jib-part 42 in straight“). Danach werden
die beiden Bauteile auch an den unteren beiden Verbindungsstellen verbolzt
(E13B, Abs. 0010, Z. 5-6). Durch das Anheben und Ausfahren des Teleskopaus-
legers 2 kann die benötigte Anzahl der einzelnen mittleren Auslegerteile 42 (in
E13B, Abs. 0010, Z. 8, fälschlicherweise „middle jib-parts 41“, vgl. Fig. 13) zu-
sammengebaut werden (E13B, Abs. 0010, Z. 6-9 unter Pkt. „(iii)“). Dabei wird je-
desmal ein als Stange oder Seil ausgebildetes Abspannteil 55 („tensioning mem-
ber 55“) zwischen dem äußersten Ende der ersten Wippstütze (im Streitpatent
entsprechend als A-Bock bezeichnet) 51 („tip portion of the first mast 51“) und
dem Ende der bis dahin (teil-)montierten Wippspitze oder – falls bereits komplett
montiert (E13, Fig. 13) – der Auslegerspitze 43 („disassembled tip jib part 43“) ge-
spannt.

Dieser Aufbauvorgang nach E13 ist so auch bei einem Kran, wie er durch E16 in
Verbindung mit E1 nahegelegt ist (s. o.), nämlich mit Teleskopausleger,
Wippspitze und zusätzlicher räumlicher Auslegerabspannung, möglich, da hier
mindestens die gleichen Bauteile (wie bei dem Kran nach E13) vorhanden sind.

Weiterhin muss der Fachmann bei einem Kran wie nach E13, Fig. 13, ab einem
bestimmten Längenverhältnis zwischen Wippspitze und voll austelekopiertem Te-
leskopausleger beim „vertical assembly process“ am Ende des Montagevorgangs
von einem voll austeleskopierten Hauptausleger ausgehen. Denn die E13,
Abs. 0049, Z. 1-3, gibt für die dortige erfindungsgemäße Konfiguration in der „final
vertical assembly condition“ (Fig. 13) eine Winkelstellung des Teleskopauslegers
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(„telescopic boom 2“) von 60°-65° (gegenüber der Horizontalen) und eine Neigung
der Wippspitze (“luffing jib 4“) von 5°-10° gegenüber der Vertikalen (“relative to the
vertical line“) an. Daraus folgt, dass ab einem Längenverhältnis zwischen mon-
tierter Wippspitze und voll austelekopiertem Teleskopausleger von etwa 0,9 (0,87-
0,92) ohnehin der Teleskopausleger ganz austelekopiert werden muss, um diese
Winkel zu erreichen. Damit zeigt die E13 auf, dass der Teleskopausleger, zumin-
dest ab dem o. g. Längenverhältnis, beim Aufrichten zunächst auf seine ge-
wünschte – hier volle – Länge, austelekopiert wird (Merkmal c) oder werden
muss.

Die E13 lässt noch offen, wann notwendigerweise die Teleskopschüsse miteinan-
der verbolzt werden. Die E1 gibt an, dass die Teleskopschüsse nach Erreichen
ihrer ausgefahrenen Stellung miteinander verbolzt werden können.
Da der Fachmann eine Konkretisierung für die Montage und die Aufrichtung eines
Teleskopauslegers mit Wippspitze und räumlicher Auslegerabspannung benötigt,
wird er die Hinweise aus der E1 für einen solchen Kran berücksichtigen, wie er
durch die E16 in Verbindung mit der E1 (s. o.) nahegelegt ist. Nach der Lehre der
E1 werden die Teleskopschüsse, sobald ausgefahren, miteinander verbolzt. Spä-
testens wenn also der letzte Schuss ausgefahren ist, sind damit sämtliche
Schüsse verbolzt. Da die E13, wie oben dargelegt, in der „final condition“ nach
Fig. 13, zumindest bei einem entsprechend aufgerichteten Kran ab einem be-
stimmten Längenverhältnis der beiden Ausleger, einen voll ausgefahrenen Teles-
kopausleger, mithin einen auf seine gewünschte Länge austelekopierten Teles-
kopausleger (Merkmal c) zeigt, muss hier auch von vollständig miteinander ver-
bolzten Schüssen im Sinne des Merkmals d ausgegangen werden. Der Fach-
mann legt das Merkmal nämlich nicht so wortgetreu aus, dass die sämtlich vor-
handenen Schüsse erst bei der gewünschten Länge des Teleskopauslegers mit-
einander verbolzt werden, sondern dass in dieser Lage sämtliche Teles-
kopschüsse miteinander verbolzt sind. Wie auch die beiden Verfahrensbeteiligten
übereinstimmend angeben, kann der bei solchen Teleskopauslegern üblicher-
weise vorhandene Hydraulikzylinder – auch aus Sicherheitsgründen – erst dann
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den nächsten Schuss ausschieben, wenn der zuvor vollständig ausgeschobene
(weiter innenliegende) Schuss mit diesem, seinem nächstäußeren Schuss verbolzt
ist (s. a. E16, S. 202, Kap. 18.1).

Wenn der Fachmann einen solchen Kran, wie ihn die E16 in Verbindung mit E1
nahelegt, mit Teleskopausleger, Wippspitze und V-förmiger Abspannung entspre-
chend der E13 montiert und bis zur „final condition“ wie in E13, Fig. 13, dargestellt
rüstet, stellt sich für ihn die Frage, wann die V-förmige Abspannung abgespannt
werden kann. Ausgehend von der Lehre der E1, Abs. 0030, kann dies nach dem
Verbolzen der Schüsse geschehen. Dies ist für den Fachmann auch folgerichtig,
da andernfalls eine Abspannung bei nicht verbolzten Schüssen in der Teleskop-
hydraulik eine zusätzliche Last aufbringen würde.
Die E13 zeigt, wie oben angegeben, in der Fig. 13 einen voll ausgefahrenen
Teleskopausleger in der „final condition“. Danach wird die Wippspitze 4 aufge-
richtet, s. E13, Abs. 0011.
Ausgehend von dem in der E13 angegebenen Rüstvorgang eines Teleskopkrans
mit Wippspitze (ohne Auslegerabspannung) stellt es für einen Fachmann bei ei-
nem durch den Stand der Technik nach E16 und E1 nahegelegten Teleskopkran
mit Wippspitze und V-förmiger Abspannung keine erfinderische Leistung dar, aus
den beiden folgenden offensichtlichen Alternativen eine auszuwählen, nämlich

a) entweder erst die Wippspitze aufzurichten und danach die V-förmige
Abspannung zu spannen
oder
b) wie es dem Merkmal e entspricht, zuerst die V-förmige Abspannung zu
spannen und danach die Wippspitze aufzurichten. Das bedeutet, dass die
räumliche Abspannung gespannt wird, bevor die am Teleskopausleger an-
gelenkte Wippspitze aufgerichtet wird.

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Damit beruht das im erteilten Anspruch 1 angegebene Arbeitsverfahren nicht auf
erfinderischer Tätigkeit. Die diesbezügliche Anschlussbeschwerde der Patentin-
haberin war daher zurückzuweisen.

6) Der Gegenstand des von der Patentabteilung beschränkt aufrechterhaltenen
Anspruchs 1 ist dagegen patentfähig. Er ist nicht nur neu, sondern beruht auch er-
finderischer Tätigkeit. Denn keine der zum Stand der Technik im Verfahren befind-
lichen Entgegenhaltungen kann, auch nicht in der Zusammenschau oder in Ver-
bindung mit Fachwissen, zu einem Wagen anregen, auf dem die Wippspitze ver-
fahrbar gelagert ist (fehlende Merkmale g und j).

Die Einsprechende führt hierzu auch ausschließlich die Druckschrift E8 mit dorti-
ger Fig. 4 an, aus der eine an der Auslegerspitze dargestellte Rolle hervorgehen
soll. Allerdings umfasst der dortige Ausleger unmittelbar diese Rolle und bildet
damit selbst, da direkt von dieser Rolle getragen, einen Wagen. Hingegen fordert
das anspruchsgemäße Merkmal g, dass die Wippspitze auf einem Wagen, also
einem gesonderten Vehikel, gelagert ist. Dies zeigt die E4 weder auf noch regt sie
hierzu an.

Der weitere im Verfahren befindliche Stand der Technik führt auch nicht weiter. So
empfiehlt die E2, S. 4, Z. 57-63, insb. Z. 61, zur offensichtlichen Schonung der auf
dem Boden aufliegenden Auslegerspitze lediglich eine dazwischenliegende Un-
terlegplatte („shimming plate 33“, s. a. Fig. 3c).

Die weiteren im Verfahren befindlichen und als Stand der Technik zu berücksichti-
genden Druckschriften liegen noch weiter ab und haben in der Verhandlung auch
keine Rolle gespielt.

Da somit der im Verfahren befindliche und zu berücksichtigende Stand der Tech-
nik weder einzeln noch in der Zusammenschau eine Anregung zu einem Gegen-
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stand wie nach Anspruch 1 in der von der Patentabteilung aufrechterhaltenen
Fassung gibt, ist dieser somit patentfähig.

7) Die weiteren direkt oder mittelbar auf Anspruch 1 rückbezogenen Ansprüche 2
bis 7 der von der Patentabteilung beschränkt aufrechterhaltenen Antragsfassung
sind echte, unselbständige Unteransprüche, die vom Hauptanspruch getragen
werden.


III. Rechtsmittelbelehrung

Gegen diesen Beschluss ist das Rechtsmittel der Rechtsbeschwerde gegeben,
wenn gerügt wird, dass

1. das beschließende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war,
2. bei dem Beschluss ein Richter mitgewirkt hat, der von der Ausübung des
Richteramtes kraft Gesetzes ausgeschlossen oder wegen Besorgnis der
Befangenheit mit Erfolg abgelehnt war,
3. einem Beteiligten das rechtliche Gehör versagt war,
4. ein Beteiligter im Verfahren nicht nach Vorschrift des Gesetzes vertreten
war, sofern er nicht der Führung des Verfahrens ausdrücklich oder
stillschweigend zugestimmt hat,
5. der Beschluss aufgrund einer mündlichen Verhandlung ergangen ist, bei
der die Vorschriften über die Öffentlichkeit des Verfahrens verletzt worden
sind, oder
6. der Beschluss nicht mit Gründen versehen ist.

Die Rechtsbeschwerde ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des
Beschlusses durch einen beim Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt zu
unterzeichnen und beim Bundesgerichtshof, Herrenstraße 45a, 76133 Karlsruhe,
einzureichen. Die Frist ist nur gewahrt, wenn die Rechtsbeschwerde vor
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Fristablauf beim Bundesgerichtshof eingeht. Die Frist kann nicht verlängert
werden.


Ganzenmüller Bayer Ausfelder Schmidt

Pr


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