12 W (pat) 4/15  - 12. Senat (Techn.Beschw.)
Karar Dilini Çevir:

BPatG 154
05.11

BUNDESPATENTGERICHT



12 W (pat) 4/15
_______________
(Aktenzeichen)



Verkündet am
4. Mai 2017





B E S C H L U S S

In der Beschwerdesache

betreffend das Patent 10 2008 050 768



- 2 -



hat der 12. Senat (Technischer Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf
die mündliche Verhandlung vom 4. Mai 2017 unter Mitwirkung des Vorsitzenden
Richters Dipl.-Ing. Univ. Ganzenmüller, der Richterin Bayer sowie der Richter
Dipl.-Ing. Schlenk und Dr.-Ing. Krüger

beschlossen:

Die Beschwerde der Einsprechenden wird zurückgewiesen.


G r ü n d e

I.

Die Beschwerdegegnerin ist Inhaberin des Patents 10 2008 050 768 mit der
Bezeichnung
„Sicherheitsmerkmal auf Basis Lumineszenz emittierender Stoffe,
Wert- und Sicherheitsdokument mit einem solchen Sicherheits-
merkmal,
ein Verfahren sowie eine Vorrichtung
zur Verifikation eines solchen Sicherheitsmerkmals“,
das am 9. Oktober 2008 angemeldet wurde,
und dessen Erteilung am 26. November 2009 veröffentlicht wurde.

Gegen das Patent hatte die Beschwerdeführerin Einspruch eingelegt.

Mit in der Anhörung vom 9. Oktober 2014 verkündetem Beschluss hat die Pa-
tentabteilung 45 des Deutschen Patent- und Markenamts das Patent mit den
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Ansprüchen 1 bis 16 gemäß Hilfsantrag II der Patentinhaberin vom 23. Septem-
ber 2014 beschränkt aufrechterhalten.

Gegen diesen Beschluss richtet sich die am 18. Dezember 2014 eingelegte
Beschwerde der Einsprechenden.

Die Beschwerdeführerin stellte den Antrag,

den Beschluss der Patentabteilung 45 des Deutschen Patent- und
Markenamts vom 9. Oktober 2014 aufzuheben und das Patent
10 2008 050 768 vollständig zu widerrufen.

Die Beschwerdegegnerin stellte den Antrag,

die Beschwerde der Einsprechenden zurückzuweisen,

hilfsweise

das Patent 10 2008 050 768 mit folgenden Unterlagen aufrecht-
zuerhalten:
Patentansprüche 1 bis 16 gemäß Hilfsantrag I, eingereicht am
31. März 2017,
Beschreibung und Zeichnungen (Fig. 1a bis 1b, Fig. 2a bis 2b und
Fig. 3 bis 7) gemäß Patentschrift,

weiter hilfsweise

das Patent 10 2008 050 768 mit folgenden Unterlagen aufrecht-
zuerhalten:
Patentansprüche 1 bis 16 gemäß Hilfsantrag II, eingereicht am
31. März 2017,
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Beschreibung und Zeichnungen (Fig. 1a bis 1b, Fig. 2a bis 2b und
Fig. 3 bis 7) gemäß Patentschrift,

weiter hilfsweise

das Patent 10 2008 050 768 mit folgenden Unterlagen aufrecht-
zuerhalten:
Patentansprüche 1 bis 16 gemäß Hilfsantrag III, eingereicht am
31. März 2017,
Beschreibung und Zeichnungen (Fig. 1a bis 1b, Fig. 2a bis 2b und
Fig. 3 bis 7) gemäß Patentschrift,

weiter hilfsweise

das Patent 10 2008 050 768 mit folgenden Unterlagen aufrecht-
zuerhalten:
Patentansprüche 1 bis 7 gemäß Hilfsantrag IV, eingereicht am
31. März 2017,
Beschreibung und Zeichnungen (Fig. 1a bis 1b, Fig. 2a bis 2b und
Fig. 3 bis 7) gemäß Patentschrift.

Die Ansprüche 1 bis 16, mit denen das Patent im Einspruchsverfahren beschränkt
aufrechterhalten wurde, sind identisch mit den Ansprüchen 1 bis 16 der ur-
sprünglichen und erteilten Ansprüche 1 bis 21.


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Der Anspruch 1 lautet:




Auf diesen Anspruch sind die Ansprüche 2 bis 9 direkt bzw. indirekt rückbezogen.


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Der nebengeordnete Anspruch 10 lautet:



Auf diesen Anspruch sind die Ansprüche 11 und 12 direkt bzw. indirekt rück-
bezogen.

Der nebengeordnete Anspruch 13 lautet:



Auf diesen Anspruch sind die Ansprüche 14 bis 16 direkt bzw. indirekt
rückbezogen.

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Im Verfahren sind die folgenden Entgegenhaltungen:

E1 DE 30 48 734 A1
E2 DE 2 320 731 A
E3 US 6,380,547 B1
E4 EP 1 801 759 A1
E5 WO 02/070279 A1
E6 EP 1 158 459 A1
E7 GB 2 258 659 A
E8 US 3,412,245
E9 US 4,018,635
E9a Park, J.-H. et. al.: Synthesis and properties of luminescent Y203:Tb
3+
(5, 8, 12 wt.%) nanocrystals, Material Science and Engineering C 27
(2007), Seiten 998-1001
E9b Treadaway, M. J. and Powell, R. C.: Luminescence of calcium tungstate
crystals, The Journal of Chemical Physics, Vol. 61, No. 10, 15. November
1974, Seiten 4003-4011
E9c EP 1 215 698 A2

Davon wurden die E1 bis E7 im Einspruchsverfahren und die E8 bis E9c im
Einspruchsbeschwerdeverfahren von der Einsprechenden genannt.

In der Anmeldung waren bereits genannt:

D1 CH 498468 A
D2 CH 516196 A
D3 WO 07/003531 A1

Davon wurden die D1 und die D2 für die Beurteilung der Patentfähigkeit in
Betracht gezogen und sind auf der Patentschrift genannt.

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Wegen des Wortlauts der rückbezogenen Ansprüche nach Hauptantrag, der
Ansprüche nach den Hilfsanträgen I bis IV und wegen weiterer Einzelheiten wird
auf den Akteninhalt verwiesen.

II.

Die zulässige Beschwerde der Einsprechenden hat keinen Erfolg, weil bezüglich
der Fassung des Patents, in der es aufgrund des zulässigen Einspruchs in
beschränktem Umfang aufrechterhalten wurde, die geltend gemachten Wider-
rufsgründe, der Gegenstand des Anspruchs 1 sei im Patent nicht so deutlich und
vollständig offenbart, dass ein Fachmann ihn ausführen könne, und die
Gegenstände des Anspruchs 1 und der nebengeordneten Ansprüche 10 und 13
seien nicht patentfähig (§ 21 Abs. 1 Nr. 2 und Nr. 1 PatG), sich als nicht zutreffend
erweisen.


1) Das Patent betrifft in der aufrechterhaltenen Fassung ein Sicherheitsmerkmal
auf Basis Lumineszenz emittierender Stoffe, ein Wert- oder Sicherheitsdokument
mit einem solchen Sicherheitsmerkmal und ein Verfahren zur Verifikation eines
solchen Sicherheitsmerkmals.

In der Beschreibungseinleitung ist erläutert, siehe Abs. 0003 der Patentschrift
(PS), dass für den Druck von Wert- oder Sicherheitsdokumenten, wie z. B.
Banknoten oder Reisepässen, sehr oft lumineszierende Stoffe eingesetzt werden,
die eine einfache visuelle Verifikation z. B. mittels einer UV-Lampe ermöglichen.

Um einem potentiellen Fälscher zu erschweren, die zur Echtheitsverifikation ein-
gesetzten lumineszierenden Stoffe zu identifizieren und nachzustellen, soll die
Anwesenheit dieser Stoffe durch eine dominierende Lumineszenz derart versteckt
sein, dass ihre Anwesenheit nicht offensichtlich ist, trotzdem aber maschinell
verifiziert werden kann, siehe Abs. 0008 und 0009 PS.
- 9 -
Erfindungsgemäß wird diese Aufgabe durch ein Sicherheitsmerkmal gemäß dem
Anspruch 1 gelöst, siehe Abs. 0010 PS. Außerdem wird die Aufgabe durch ein
Wert- oder Sicherheitsdokument mit wenigstens einem solchen Sicherheits-
merkmal gemäß dem Anspruch 10 und durch ein Verfahren zur Verifikation eines
solchen Sicherheitsmerkmals gemäß dem Anspruch 13 gelöst.


2) Der Anspruch 1 lässt sich in der erteilten und aufrechterhaltenen Fassung
gemäß dem Hauptantrag wie folgt gliedern:

M1 Sicherheitsmerkmal auf Basis Lumineszenz emittierender Stoffe,
M2 wobei die Lumineszenz eine erste und eine zweite Lumineszenz umfasst,
M3 wobei die erste Lumineszenz spektral breitbandig
und die zweite Lumineszenz spektral schmalbandig ist,
M4 wobei sowohl die erste als auch die zweite Lumineszenz
jeweils wenigstens eine Bande aufweisen
M5 und sich die wenigstens eine Bande der ersten Lumineszenz
mit der wenigstens einen Bande der zweiten Lumineszenz überlagert,
M6 wobei die zweite Lumineszenz eine spektrale Charakteristik aufweist,
welche durch Art und Zusammensetzung des wenigstens einen
die zweite Lumineszenz emittierenden Stoffes gegeben ist,
M7 wobei der Art und/oder der Zusammensetzung des wenigstens einen
die zweite Lumineszenz emittierenden Stoffes
wenigstens eine Information zugeordnet ist,
M8 wobei die spektrale Halbwertsbreite
der wenigstens einen Bande der zweiten Lumineszenz
wenigstens um den Faktor 10 kleiner ist
als die spektrale Halbwertsbreite
der wenigstens einen Bande der ersten Lumineszenz,
M9 wobei ferner die Lumineszenzlebensdauer der ersten Lumineszenz
wenigstens um den Faktor 2 kleiner ist
- 10 -
als die Lumineszenzlebensdauer der zweiten Lumineszenz
M10 und wobei der visuelle Farbeindruck des Sicherheitsmerkmals
bei Anregung des wenigstens einen emittierenden Stoffes zur Lumineszenz
und die Gesamtintensität der Lumineszenz
durch die spektral breitbandige erste Lumineszenz bestimmt werden.

Der Anspruch 10 ist auf ein Wert- oder Sicherheitsdokument mit wenigstens einem
Sicherheitsmerkmal gemäß einem der Ansprüche 1 bis 9 gerichtet.

Der Anspruch 13 ist auf ein Verfahren zur Verifikation eines Sicherheitsmerkmals
gemäß einem der Ansprüche 1 bis 9 gerichtet und umfasst fünf Verfahrensschritte.


3) Als Fachmann ist vorliegend ein Physiker zuständig, der eine mehrjährige
Erfahrung auf dem Gebiet der Entwicklung von Sicherheitsmerkmalen besitzt und
beispielsweise mit der Herstellung von Sicherheitsdokumenten befasst sein kann.


4) Nach dem maßgeblichen Verständnis dieses Fachmanns basiert das Sicher-
heitsmerkmal gemäß dem Anspruch 1 auf mehreren Lumineszenz emittierenden
Stoffen, wobei die Lumineszenz eine erste und eine zweite Lumineszenz mit
jeweils wenigstens einer Bande umfasst, siehe die Merkmale M1, M2 und M4.

Dabei soll insbesondere gemäß dem Merkmal M8 die spektrale Halbwertsbreite
der wenigstens einen Bande der zweiten Lumineszenz wenigstens um den
Faktor 10 kleiner sein, als die spektrale Halbwertsbreite der wenigstens einen
Bande der ersten Lumineszenz; die Bande der zweiten Lumineszenz soll also sehr
viel schmaler sein, als die der spektral breitbandigen ersten Lumineszenz.

Ferner soll gemäß dem Merkmal M9 die Lumineszenzlebensdauer der ersten
Lumineszenz wenigstens um den Faktor 2 kleiner sein als die Lumineszenz-
- 11 -
lebensdauer der zweiten Lumineszenz, wobei im Patent die Lumineszenz-
lebensdauer als diejenige Zeitdauer definiert ist, innerhalb derer die Intensität auf
1/e des Anfangswerts abgesunken ist, siehe den letzten Satz in Abs. 0053 PS.

Schließlich fordert das Merkmal M10, dass der visuelle Farbeindruck und die
Gesamtintensität der Lumineszenz durch die spektral breitbandige erste Lumi-
neszenz bestimmt werden. Daraus ergibt sich für den Fachmann, dass die zweite
Lumineszenz eine im Vergleich zur ersten Lumineszenz geringe Intensität
aufweisen muss und der ersten Lumineszenz spektral überlagert sein muss, vergl.
auch den letzten Satz von Abs. 0010 PS.

Bei einem ab Abs. 0053 PS erläuterten Ausführungsbeispiel weist die zweite
Lumineszenz eine um den Faktor 4 größere Lumineszenzlebensdauer, Banden
mit um den Faktor 50 kleineren spektralen Halbwertsbreiten und eine um den
Faktor 1000 geringere Intensität auf als die erste Lumineszenz, so dass sie nur mit
Geräten mit hoher Empfindlichkeit und Auflösung nachweisbar ist, siehe
Abs. 0055 PS.


5) Die Ansprüche 1 bis 16, mit denen das Patent im Einspruchsverfahren be-
schränkt aufrechterhalten wurde, sind identisch mit den Ansprüchen 1 bis 16 der
ursprünglichen und erteilten Ansprüche 1 bis 21 und daher zulässig.


6) Der Gegenstand des geltenden Anspruchs 1 ist im Patent so deutlich und
vollständig offenbart, dass ein Fachmann ihn ausführen kann (§ 21 Abs. 1 Nr. 2
PatG).

Dem steht nicht entgegen, dass die Patentschrift hinsichtlich eines zur Erzeugung
der zweiten Lumineszenz geeigneten Stoffes lediglich auf einige beispielhaft
aufgeführte Seltenerd-Verbindungen bzw. Seltenerd-dotierte Wirtsgittersysteme
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hinweist, siehe Abs. 0014 PS, ohne konkret eine Seltenerd-Verbindung bzw. ein
Seltenerd-dotiertes Wirtsgittersystem anzugeben, das zur Erzeugung der zweiten
Lumineszenz geeignet ist.

Denn das Erfordernis der ausführbaren Offenbarung verlangt nicht, dass eine
praktisch brauchbare Ausführungsform unmittelbar und eindeutig angegeben ist,
vielmehr ist eine Erfindung ausführbar offenbart, wenn die im Patent enthaltenen
Informationen es dem Fachmann ermöglichen, die Erfindung ohne eigenes erfin-
derisches Zutun und ohne unzumutbare Schwierigkeiten zu verwirklichen.

Dies ist vorliegend der Fall. Denn ausgehend von einem zur Erzeugung der ersten
Lumineszenz geeigneten Stoff wie z. B. dem in Abs. 0016 PS genannten
Zinksulfid besteht das erforderliche Tun des Fachmanns lediglich darin, anhand
des Hinweises des Abs. 0014 PS eine den Merkmalen des Anspruchs 1
entsprechende Seltenerd-Verbindung bzw. ein Seltenerd-dotiertes Wirtsgitter-
system anhand bekannter Lumineszenzeigenschaften oder anhand von Messun-
gen auszuwählen.


7) Der Gegenstand des geltenden Anspruchs 1 ist neu (§ 21 Abs. 1 Nr. 1 i. V. m.
§ 3 Abs. 1 PatG). Keine der Entgegenhaltungen im Verfahren offenbart alle
Merkmale des vorliegenden Anspruchs 1 bzw. die drei Merkmale M8 (Verhältnis
der spektralen Halbwertsbreiten), M9 (Verhältnis der Lumineszenzlebensdauern)
und M10 (visueller Farbeindruck und Gesamtintensität).


Die nächstkommende Entgegenhaltung E1, siehe insbesondere Seiten 7, 11
und 12, betrifft ein Sicherheitsmerkmal auf Basis Lumineszenz emittierender
Stoffe, bei dem einem oder mehreren Markierungsstoffen weitere Stoffe zur
Tarnung beigegeben werden.

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Dabei werden in der E1 Maßnahmen zur Tarnung der physikalischen Eigen-
schaften der Markierungsstoffe als bekannt bezeichnet, siehe Seite 9, dritter
Absatz. Beispielhaft ist auf Seite 12, Zeilen 10 bis 15, ein als bekannt
bezeichnetes Verfahren beschrieben, bei dem mit einem breitbandig emittierenden
Luminophor als Tarnstoff die charakteristische Emissionslinie des Markierungs-
stoffes getarnt wird, die dann nur als kleine aufgesetzte Spitze auf dem
Emissionsspektrum des Tarnstoffs bemerkt werden kann.

Dieses bekannte Verfahren zur Tarnung der physikalischen Eigenschaften des
Markierungsstoffs entspricht zwar den Merkmalen M8 und M10 (der Unterschied
in den Halbwertsbreiten entsprechend Merkmal M8 ergibt sich aus den Begriffen
„Spitze“ und „breitbandig“; der visuelle Farbeindruck und die Gesamtintensität
entsprechend Merkmal M10 werden durch den spektral breitbandig emittierenden
Tarnstoff bestimmt, weil die Spitze auf dessen Emissionsspektrum „aufgesetzt“
und „klein“ ist), jedoch fehlt eine Offenbarung unterschiedlicher Lumines-
zenzlebensdauern gemäß Merkmal M9. Außerdem wird im unmittelbar darauf
folgenden Absatz explizit auf den bei diesem Verfahren fehlenden Schutz gegen
eine Identifizierung der chemischen Zusammensetzung hingewiesen.

Gemäß dem Grundgedanken der Erfindung der E1 sollen dagegen, siehe
insbesondere Seite 13, Absatz 3, und Seite 16, Absatz 4, die chemischen Eigen-
schaften der Markierungsstoffe dadurch getarnt werden, dass die zur Tarnung
beigegebenen Stoffe bei einer chemischen Analyse die gleichen Ergebnisse
liefern wie die Markierungsstoffe, aber trotzdem nicht die gleichen lumineszie-
renden Eigenschaften haben wie die Markierungsstoffe.
Auf Seite 21, siehe insbesondere Zeilen 5 bis 12, wird deshalb vorgeschlagen,
Stoffpaare zu wählen, die chemisch gleich sind, und bei denen sich auch die
Emissionsspektren nur durch schwer feststellbare Details höherer Ordnung
unterscheiden, wie z. B. die Intensität oder die Abklingzeit, d. h. die
Lumineszenzlebensdauer.

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Auf Seite 26, Zeilen 4 bis 33, ist dazu ein Beispiel mit zwei Stoffen als Tarnstoff
und Markierungsstoff angegeben, die sich weder in ihrer chemischen Sum-
menformel, noch durch die Wellenlänge ihrer Emissionslinie unterscheiden,
sondern nur durch eine unterschiedliche Halbwertszeit von 2 bzw. 8 ms.

Dieses Beispiel der E1 entspricht zwar für sich dem Merkmal M9, wonach die
Lumineszenzlebensdauer der ersten Lumineszenz wenigstens um den Faktor 2
kleiner sein soll, als die der zweiten Lumineszenz, jedoch nicht dem Merkmal M8,
da beide Lumineszenzen lediglich linienförmige Emissionen aufweisen (E1,
Zeile 11), und es somit keine spektral breitbandige erste Lumineszenz mit einer
Bande mit einer im Vergleich zur zweiten Lumineszenz um den Faktor 10
größeren Halbwertsbreite gibt. Darüber hinaus ist auch Merkmal M10, wonach die
Gesamtintensität der Lumineszenz durch die erste Lumineszenz bestimmt werden
soll, nicht offenbart.

Die Entgegenhaltung E8, siehe insbesondere den Titel und den ersten Absatz,
betrifft das Kodieren und Wiedergewinnen von Informationen mithilfe photo-
lumineszierender Stoffe bei Tinten. Sie schlägt vor, dafür Stoffe auszuwählen,
deren Emissionen vor allem unterschiedliche Lumineszenzlebensdauern auf-
weisen, vorteilhafterweise aber zusätzlich eine möglichst geringe spektrale Über-
lagerung besitzen, siehe den ersten und letzten Satz der ersten Absatzes.

Zwei beispielhaft genannte Stoffe sind Diphenylanthracen einerseits und ein
Terbium-Komplex andererseits. Da das Diphenylanthracen breitbandig emittiert
(Spalte 2, Zeilen 29-37) und eine geringe Lumineszenzlebensdauer von 10-8
Sekunden besitzt (Spalte 7, Zeilen 39-44 und Spalte 8, Zeilen 47-49), der
Terbium-Komplex dagegen eine schmale Emissionslinie aufweist (vergl. Spalte 2,
Zeilen 18-28) und eine längere Lumineszenzlebensdauer von 10-3 Sekunden
besitzt (ebenfalls Spalte 7, Zeilen 39-44 und Spalte 8, Zeilen 47-51), lassen sich
ihre Emissionen als erste und zweite Lumineszenzen entsprechend den Merk-
malen M8 und M9 bezeichnen.
- 15 -
Jedoch entsprechen sie nicht dem Merkmal M10, da das Diphenylanthracen im
Wesentlichen im Bereich „blau“ luminesziert (Spalte 2, Zeilen 34 bis 36), der
Terbium-Komplex dagegen „grün“ bei einer Wellenlänge von 543 nm (Spalte 9,
Zeilen 7 bis 10). Daher verändert sich entgegen Merkmal M10 der visuelle
Farbeindruck, wenn zur blauen Emission des Diphenylanthracen die grüne
Emission des Terbium-Komplexes hinzukommt.
Darüber hinaus ergibt sich aus der E8 auch nicht, die Emission des Terbium-
Komplexes mit so geringer Intensität vorzusehen, dass entsprechend der weiteren
Forderung des Merkmals M10 die Gesamtintensität der Lumineszenz durch das
Diphenylanthracen bestimmt wird, denn in E8 geht es gerade nicht darum, die
Emission des Terbium-Komplexes zu verstecken, sondern ganz im Gegenteil
darum, sie möglichst zuverlässig lesen zu können, (Spalte 1, Zeilen 41 bis 49,
insbesondere Zeilen 48 und 49).

Die Entgegenhaltung E9 betrifft den Einsatz photolumineszierender Stoffe zum
Kodieren und Wiedergewinnen von Informationen, um Sprengstoffe rückverfolgbar
zu machen. Dabei wird ein breitbandig lumineszierender Stoff zum Auffinden von
Sprengstoffpartikeln nach einer Detonation eingesetzt - beispielsweise
Calciumwolframat, siehe Figur 5 - und mehrere linienförmig lumineszierende
Stoffe - beispielsweise ein mit Terbium aktiviertes Yttriumoxid, siehe Figur 8,
und/oder ein mit Europium aktiviertes Yttriumoxid, siehe Figur 7 - zum Kodieren
der Herkunftsinformation.

Die Einsprechende hat vorgetragen, die Emissionen des Calciumwolframats und
des mit Terbium aktivierten Yttriumoxids entsprächen einer ersten und zweiten
Lumineszenz und somit den Merkmalen M8 bis M10.
Dies mag für das Verhältnis der spektralen Halbwertsbreiten entsprechend
Merkmal M8 zutreffen, wie sich aus den Figuren 5 und 8 der E9 ergibt. Es kann
allerdings dahinstehen, ob mit diesen Stoffen auch Merkmal M10 gegeben ist, da
anhand der im Verfahren befindlichen Unterlagen nicht festgestellt werden konnte,
ob sie dem Merkmal M9 entsprechen.
- 16 -
Die Einsprechende hat weitere Dokumente E9a bis E9c zum Nachweis der
Luminiszenzlebensdauern dieser zwei Stoffe vorgelegt. Jedoch bezieht sich die
zum Nachweis der Lumineszenzlebensdauer von mit Terbium aktiviertem
Yttriumoxid genannte E9a auf eine nanokristalline Form. Sie erlaubt daher keine
Aussage über die Lumineszenzlebensdauer desselben Materials in Form von
Pulver üblicher Korngröße, wie es dem Fachmann durch die Nennung in der E9
von 1977 offenbart ist. Zudem lehrt die E9a, dass sich dieser Stoff als Pulver in
seinen Eigenschaften signifikant von der nanokristallinen Form unterscheidet.

Die Einsprechende hat weiter in den Emissionen des Calciumwolframats und des
mit Europium aktivierten Yttriumoxids eine erste und zweite Lumineszenz ent-
sprechend den Merkmalen M8 bis M10 gesehen. Dies mag für das Verhältnis der
spektralen Halbwertsbreiten zutreffen (s. o.), die dem Merkmal M8 entsprechen.
Auch entsprechen die Lumineszenzlebensdauern dem Merkmal M9, siehe zum
Calciumwolframat die E9b, Fig. 4 rechts unten (ca. 10-5-10-4 s), und zum mit
Europium aktivierten Yttriumoxid die E9c, Tabelle 3, erste Zeile (2,5 ms). Jedoch
ist Merkmal M10 nicht gegeben, da das Calciumwolframat blau luminesziert, das
mit Europium aktivierte Yttriumoxid am anderen Ende des sichtbaren Bereichs
dagegen rot.

Die weiteren Entgegenhaltungen D1 bis D3 und E2 bis E7 liegen weiter ab und
haben auch in der mündlichen Verhandlung hinsichtlich der Frage der Neuheit
keine Rolle mehr gespielt.


8) Der Gegenstand des geltenden Anspruchs 1beruht auch auf erfinderischer
Tätigkeit (§ 21 Abs. 1 Nr. 1 i. V. m. § 4 PatG).
Denn auch eine Zusammenschau der im Verfahren befindlichen Entgegen-
haltungen führt nicht in naheliegender Weise zu allen drei Merkmalen M8
(Verhältnis der spektralen Halbwertsbreiten), M9 (Verhältnis der Lumineszenz-
lebensdauern) und M10 (visueller Farbeindruck und Gesamtintensität).
- 17 -
Die Einsprechende hat vorgetragen, ausgehend von der in E1 (Seite 12, Zeilen 10
bis 15) als bekannt bezeichneten, den Merkmalen M8 und M10 entsprechenden
Maßnahme, mit einem breitbandig emittierenden Luminophor die charakteristische
Emissionslinie eines Markierungsstoffes zu tarnen, die dann nur als kleine
aufgesetzte Spitze auf dem Emissionsspektrum des Tarnstoffs bemerkt werden
könne, hätte der Fachmann der E1 weiter die Information entnommen, dass
lumineszierende Stoffe sich unter anderem durch ihre Abklingzeit, d. h. durch ihre
Lumineszenzlebensdauer unterscheiden können (Seite 21, Zeilen 10 bis 12).
Daher sei es für den Fachmann naheliegend gewesen, zusätzlich zur Tarnung
gemäß E1, Seite 12, unterschiedliche Lumineszenzlebensdauern des Tarnstoffs
und des Markierungsstoffs, d. h. der ersten und zweiten Lumineszenz vorzusehen,
und so auch zum Merkmal M9 zu gelangen.

Dies steht jedoch im Widerspruch zu dem Grundgedanken der E1, die Sicherheit
zu erhöhen und den Markierungsstoff durch einen möglichst ähnlichen Tarnstoff
zu verbergen respektive nicht oder nur sehr schwer auffindbar zu machen, denn
jedes mögliche zusätzliche Unterscheidungsmerkmal erhöht die Unterscheid-
barkeit und verbessert die Tarnung nicht, sondern verschlechtert sie.

Dementsprechend lehrt auch die E1 selbst in dem auf Seite 21 und 26
beschriebenen Beispiel nicht etwa, den Markierungs- und den Tarnstoff so
auszuwählen, dass sie unterschiedliche Abklingzeiten zusätzlich zu Unterschieden
in den Emissionsspektren wie z. B. breitbandig/schmalbandig aufweisen, sondern
so, dass sie unterschiedliche Abklingzeiten oder ähnlich schwer feststellbare
Eigenschaften, (die E1 spricht hier von Details höherer Ordnung) anstelle von
Unterschieden in den Emissionsspektren wie z. B. breitbandig/schmalbandig
aufweisen, siehe Seite 21, Zeilen 5 bis 12.

Die Einsprechende hat weiter vorgetragen, ausgehend von der in E1 als bekannt
bezeichneten Maßnahme, mit einem breitbandig emittierenden Luminophor die
charakteristische Emissionslinie eines Markierungsstoffes zu tarnen (E1, Seite 12,
- 18 -
Zeilen 10 bis 15), hätte der Fachmann für den Markierungsstoff eine höhere
Lumineszenzlebensdauer vorgesehen als für den Tarnstoff, um den Mar-
kierungsstoff überhaupt erkennen zu können. Dies ergibt sich jedoch nicht aus der
E1, wo vielmehr davon ausgegangen wird, dass die Emission des Markie-
rungsstoffs als „kleine aufgesetzte Spitze“ auf dem Emissionsspektrum des
Tarnstoffs „bemerkt werden kann“ (Seite 12, Zeile 13 bis 15), die Intensität der
Emission des Markierungsstoffs also so groß gewählt ist, dass sie als „kleine
aufgesetzte Spitze“ erkennbar ist.
Dass sie dagegen, anders als in E1 vorgesehen, mittels einer längeren
Lumineszenzlebensdauer des Markierungsstoffs soweit minimiert wird, dass die
„kleine aufgesetzte Spitze“ (E1, Seite 12) des Markierungsstoffs im Tarnbereich
verschwindet, und sie mit einer Messung zunächst gar nicht mehr erkannt werden
kann, sondern erst nach Beendigung der Anregung erkennbar wird, nämlich zu
einem Zeitpunkt, an dem die breitbandige Emission des Tarnstoffs wegen seiner
geringeren Lumineszenzlebensdauer bereits weitgehend abgeklungen ist – das
erscheint zwar in Kenntnis der Lehre des Streitpatents einleuchtend, geht aber
aus der E1 nicht hervor und wird durch sie auch nicht nahegelegt.

Und selbst wenn der Fachmann, ausgehend von der Lehre der E1, die
Lumineszenz eines Markierungsstoffs durch die eines Tarnstoffs zu verstecken,
eine der in E8 oder E9 zur Kodierung von Informationen vorgeschlagenen
Stoffkombinationen auswählt, gelangt er damit nicht zum Gegenstand des
Anspruchs 1, weil, wie bereits im vorangehenden Abschnitt zur Frage der Neuheit
dargestellt, keine dieser Stoffkombinationen alle drei Merkmale M8, M9 und M10
aufweist.
Es kann daher dahinstehen, ob ein von der Lehre der E1 - die Lumineszenz eines
Markierungsstoffs durch die eines Tarnstoffs zu verstecken - ausgehender
Fachmann die Druckschriften E8 und E9 überhaupt berücksichtigt hätte, oder ob
er davon abgesehen hätte, weil es in E8 und E9 gerade umgekehrt darum geht,
Stoffkombinationen zum Kodieren und Wiedergewinnen von Informationen so
auszuwählen, dass ihre Lumineszenzen eindeutig ohne großen Aufwand auf-
- 19 -
findbar und unterscheidbar werden, vergl. in E8 und E9 jeweils das Ende der
ersten Absätze.

Die weiteren Entgegenhaltungen D1 bis D3 und E2 bis E7 liegen weiter ab.


9) Aus der Patentfähigkeit des Gegenstandes des Anspruchs 1 folgt auch die
Patentfähigkeit der Gegenstände der nebengeordneten Ansprüche 10 und 13, weil
das Wert- oder Sicherheitsdokument gemäß dem Anspruch 10 das Sicher-
heitsmerkmal nach Anspruch 1 enthält, und die Durchführung des Verfahrens zur
Verifikation des Sicherheitsmerkmals gemäß dem Anspruch 13 die Kenntnis des
Sicherheitsmerkmals nach Anspruch 1 voraussetzt. Die jeweiligen rückbezogenen
Ansprüche werden vom Anspruch 1, 10 bzw. 13 getragen.


III.

Rechtsmittelbelehrung

Gegen diesen Beschluss steht den am Beschwerdeverfahren Beteiligten das
Rechtsmittel der Rechtsbeschwerde zu. Da der Senat die Rechtsbeschwerde nicht
zugelassen hat, ist sie nur statthaft, wenn gerügt wird, dass

1. das beschließende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war,
2. bei dem Beschluss ein Richter mitgewirkt hat, der von der Ausübung des
Richteramtes kraft Gesetzes ausgeschlossen oder wegen Besorgnis der
Befangenheit mit Erfolg abgelehnt war,
3. einem Beteiligten das rechtliche Gehör versagt war,
4. ein Beteiligter im Verfahren nicht nach Vorschrift des Gesetzes vertreten
war, sofern er nicht der Führung des Verfahrens ausdrücklich oder still-
schweigend zugestimmt hat,
- 20 -
5. der Beschluss aufgrund einer mündlichen Verhandlung ergangen ist, bei
der die Vorschriften über die Öffentlichkeit des Verfahrens verletzt worden
sind, oder
6. der Beschluss nicht mit Gründen versehen ist.

Die Rechtsbeschwerde ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlus-
ses beim Bundesgerichtshof, Herrenstr. 45 a, 76133 Karlsruhe, durch einen beim
Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt als Bevollmächtigten schriftlich
einzulegen.


Ganzenmüller Bayer Schlenk Krüger


Me


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