12 W (pat) 33/14  - 12. Senat (Techn.Beschw.)
Karar Dilini Çevir:

ECLI:DE:BPatG:2017:040717B12Wpat33.14.0


BUNDESPATENTGERICHT



12 W (pat) 33/14
_______________
(Aktenzeichen)



Verkündet am
4. Juli 2017





B E S C H L U S S

In der Beschwerdesache

betreffend das Patent 10 2006 034 831



- 2 -



hat der 12. Senat (Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts in der
Verhandlung vom 4. Juli 2017 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters
Dipl.-Ing. Univ. Ganzenmüller, der Richterin Bayer sowie der Richter
Dr.-Ing. Krüger und Dipl.-Ing. Univ. Dipl.-Wirtsch.-Ing. (FH) Ausfelder

beschlossen:

Auf die Beschwerde der Einsprechenden wird der Beschluss der
Patentabteilung 15 des Deutschen Patent- und Markenamts vom
9. Oktober 2012 aufgehoben und das Patent 10 2006 034 831
widerrufen.


G r ü n d e

I.

Gegen das am 27. Juli 2006 mit Unionspriorität vom 29. Juli 2005 (US 11/193,696)
angemeldete und am 31. März 2011 veröffentlichte Patent 10 2006 034 831 mit
der Bezeichnung

„Verfahren und Vorrichtung zum Erzeugen von Windenergie
mit vermindertem Geräusch der Windenergieanlage“

hatte die Einsprechende am 30. Juni 2011 Einspruch erhoben.

- 3 -
Aufgrund der Anhörung am 9. Oktober 2012 beschloss die Patentabteilung 15 des
Deutschen Patent- und Markenamts, das Patent gemäß § 61 Absatz 1 Satz 1
PatG in vollem Umfang aufrechtzuerhalten.
Gegen diesen Beschluss richtet sich die am 14. März 2013 eingegangene
Beschwerde der Einsprechenden.

Die Einsprechende ist der Auffassung,
a) dass der Gegenstand nach Anspruch 1 nicht ausführbar sei,
b) die erteilten Unterlagen gegenüber der ursprünglich eingereichten
Fassung unzulässig erweitert seien, und
c) der Gegenstand des Patents gegenüber dem im Verfahren befind-
lichen Stand der Technik weder neu sei noch auf erfinderischer
Tätigkeit beruhe.


Die Einsprechende und Beschwerdeführerin beantragt,

den Beschluss der Patentabteilung 15 des Deutschen Patent- und
Markenamts vom 9. Oktober 2012 aufzuheben und das Patent
10 2006 034 831 zu widerrufen.


Die Patentinhaberin und Beschwerdegegnerin beantragt,
die Beschwerde der Einsprechenden zurückzuweisen (Haupt-
antrag),

hilfsweise
den Beschluss der Patentabteilung 15 des Deutschen Patent- und
Markenamts vom 9. Oktober 2012 aufzuheben und das Patent 10 2006
034 831 mit folgenden Unterlagen beschränkt aufrechtzuerhalten:
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- Patentansprüche 1 bis 23 vom 9. Oktober 2012 gemäß Hilfsantrag 2,
überreicht in der Anhörung am 9. Oktober 2012,
- Beschreibung Seiten 3/16 bis 9/16 vom 9 Oktober 2012 gemäß Hilfsantrag
2, überreicht in der Anhörung am 9. Oktober 2012,
- Zeichnungen (Fig. 1 bis Fig. 6) vom 9. Oktober 2012 gemäß Hilfsantrag 2,
überreicht in der Anhörung am 9. Oktober 2012,

weiter hilfsweise mit folgenden Unterlagen:
- Patentansprüche 1 bis 20 gemäß Hilfsantrag II, überreicht in der münd-
lichen Verhandlung am 4. Juli 2017,
- Beschreibung und Zeichnungen (Fig. 1 bis Fig. 6) gemäß Patentschrift,

weiter hilfsweise:
- Patentansprüche 1 bis 19 gemäß Hilfsantrag III, überreicht in der münd-
lichen Verhandlung am 4. Juli 2017,
- Beschreibung und Zeichnungen (Fig. 1 bis Fig. 6) gemäß Patentschrift,

weiter hilfsweise:
- Patentansprüche 1 bis 3 gemäß Hilfsantrag IV, überreicht in der münd-
lichen Verhandlung am 4. Juli 2017,
- Beschreibung und Zeichnungen (Fig. 1 bis Fig. 6) gemäß Patentschrift.


Im Verfahren ist u. a. folgende Entgegenhaltung:
D5: EP 0 652 367 A1

Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Akteninhalt ver-
wiesen.

- 5 -
II.

1) Die Beschwerde der Einsprechenden gegen die auf ihren zulässigen Einspruch
hin erfolgte Aufrechterhaltung des Patents ist zulässig, sie hat in der Sache auch
Erfolg.


2) Merkmalsgliederung

Für die weitere Erörterung wird von folgender Gliederung der geltenden An-
spruchsfassungen des Anspruchs 1 nach dem Hauptantrag und den Hilfsanträgen
2 sowie II bis IV ausgegangen:

Anspruch 1 in der erteilten Fassung nach Hauptantrag (HA):
M0_HA) Profil-Hinterkanten-Kappe (50)
M0a_HA) für ein Rotorblatt (24),
M0b_HA) welches eine ursprüngliche Profil-Hinterkante (42) beinhaltet,
M1_HA) wobei die Profil-Hinterkanten-Kappe einen Körper (52) umfasst, der
konfiguriert ist, an zumindest zwei zumindest hinsichtlich ihrer Größe
und/oder Form voneinander verschiedenen Rotorblättern angebracht
zu werden,
M2_HA) so dass der Körper einen ursprünglichen Profil-Hinterkanten-Bereich
(46) des Blattes zumindest teilweise bedeckt,
M3_HA) wobei der Körper einen Körperkantenbereich (54) zum Bilden eines
neuen Profil-Hinterkanten-Bereichs des Blattes aufweist, wenn der
Körper an dem Blatt angebracht ist.


Der Anspruch 1 des Hilfsantrags 2 (H2) (Fassung vom 9. Oktober 2012) enthält
folgende zusätzliche Merkmale zur erteilten Fassung des An-
spruchs 1 (s. o.):
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M4_H2) wobei der neue Profil-Hinterkanten-Bereich verglichen mit der Dicke
des ursprünglichen Profil-Hinterkanten-Bereichs (46) eine vermin-
derte Dicke aufweist.
M5_H2) wobei der neue Profil-Hinterkanten-Bereich durch den Schnitt von
Überdruckseite und Unterdruckseite gebildet ist, und einen durch-
gängigen neuen Profil-Hinterkanten-Bereich bildet.


Der Anspruch 1 des Hilfsantrags II (HII) (Fassung vom 4. Juli 2017) enthält
folgende Merkmale:
M0_HII) Profil-Hinterkanten-Kappe (50)
M0a_HII) für Rotorblätter (24) unterschiedlicher Größe und/oder Form,
M0b_HII) welche eine ursprüngliche Profil-Hinterkante (42) beinhalten,
M1_HII) wobei die Profil-Hinterkanten-Kappe einen Körper (52) umfasst, der
aufgrund der Dicke, des Elastizität-Moduls, und des Materialtyps eine
Flexibilität aufweist, die dem Körper (52) erlaubt, mit einer Vielzahl
unterschiedlich großer und/oder geformter ursprünglicher Profil-Hinter-
kanten-Bereiche (46) von Blättern (24) zusammen zu passen und daran
angebracht zu werden,
M2_HII) so dass der Körper die ursprünglichen Profil-Hinterkanten-Bereiche (46)
der Blätter zumindest teilweise bedeckt,
M3_HII) wobei der Körper einen Körperkantenbereich (54) zum Bilden eines
neuen Profil-Hinterkanten-Bereichs der Blätter aufweist, wenn der
Körper an den Blättern angebracht ist,
M4_HII) wobei der Körper (52) ein Polymer umfasst, eine Dicke zwischen
ungefähr 1 mm und ungefähr 100 mm aufweist, und/oder ein Elasti-
zitäts-Modul zwischen ungefähr 0,5 GPa und ungefähr 5 GPa aufweist.

- 7 -
Der Anspruch 1 des Hilfsantrags III (HIII) (Fassung vom 4. Juli 2017) enthält
folgende Merkmale:
M0_HIII) Mehrzahl von Rotorblättern (24) unterschiedlicher Größe und/oder
Form, jeweils umfassend:
M1_HIII) einen Körper (28) mit einem Profil-Vorderkanten-Bereich (44) und
einem ursprünglichen Profil-Hinterkanten-Bereich (46); und
M2_HIII) eine Profil-Hinterkanten-Kappe (50), wobei die Profil-Hinterkanten-
Kappe einen Körper (52) umfasst, der aufgrund der Dicke, des Elasti-
zitäts-Moduls, und des Materialtyps eine Flexibilität aufweist, die dem
Körper (52) erlaubt, mit der Mehrzahl unterschiedlich großer und/oder
geformter ursprünglicher Profil-Hinterkanten-Bereiche (46) der Blätter
(24) zusammen zu passen und
M3_HIII) daran angebracht zu werden, so dass der Körper die ursprünglichen
Profil-Hinterkanten-Bereiche (46) der Blätter zumindest teilweise be-
deckt,
M4_HIII) wobei der Körper einen Körperkantenbereich (54) zum Bilden eines
neuen Profil-Hinterkanten-Bereichs der Blätter aufweist, wenn der
Körper an den Blättern angebracht ist,
M5_HIII) wobei der Körper (52) ein Polymer umfasst, eine Dicke zwischen
ungefähr 1 mm und ungefähr 100 mm aufweist, und/oder ein Elasti-
zitäts-Modul zwischen ungefähr 0,5 GPa und ungefähr 5 GPa aufweist.


Der Anspruch 1 des Hilfsantrags IV (HIV) (Fassung vom 4. Juli 2017) enthält
folgende Merkmale (Fettdruck diesseits):
M0_HIV) Verfahren zum Nachrüsten einer Mehrzahl von bezüglich ihrer Größe
und/oder Form unterschiedlicher Rotorblättern mit einer Profil-
Hinterkanten-Kappe, umfassend die Schritte:
M1_HIV) Bereitstellen der Mehrzahl von Rotorblättern (24) unterschiedlicher
Größe und/oder Form, jeweils umfassend:

- 8 -
M2_HIV) einen Körper (28) mit einem Profil-Vorderkanten-Bereich (44) und
einem ursprünglichen Profil-Hinterkanten-Bereich (46); und
M3_HIV) die jeweilige Profil-Hinterkanten-Kappe (50), wobei die Profil-Hinter-
kanten-Kappe einen Körper (52) umfasst, der aufgrund der Dicke, des
Elastizitäts-Moduls, und des Materialtyps eine Flexibilität aufweist, die
dem Körper (52) erlaubt, mit der Mehrzahl unterschiedlich großer
und/oder geformter ursprünglicher Profil-Hinterkanten-Bereiche (46) der
Blätter (24) zusammen zu passen und
M4_HIV) daran angebracht zu werden, so dass der Körper die ursprünglichen
Profil-Hinterkanten-Bereiche (46) der Blätter zumindest teilweise be-
deckt,
M5_HIV) wobei der Körper einen Körperkantenbereich (54) zum Bilden eines
neuen Profil-Hinterkanten-Bereichs der Blätter aufweist,
M6_HIV) wenn der Körper an den Blättern angebracht ist,
M7_HIV) wobei der Körper (52) ein Polymer umfasst, eine Dicke zwischen
ungefähr 1 mm und ungefähr 100 mm aufweist, und/oder ein Elasti-
zitäts-Modul zwischen ungefähr 0,5 GPa und ungefähr 5 GPa aufweist,
M8_HIV) Befestigen der jeweiligen Profil-Hinterkanten-Kappe an jedem Rotor-
blatt, so dass der ursprüngliche Profil-Hinterkanten-Bereich der Rotor-
blätter zumindest teilweise bedeckt ist.


3) Fachmann

Als Fachmann zuständig ist für den vorliegenden Erfindungsgegenstand ein
Ingenieur des Maschinenbaus mit Universitätsstudium und mehreren Jahren
Berufserfahrung in der Konstruktion und Entwicklung von Rotorblättern sowie mit
entsprechenden Kenntnissen in der Aerodynamik.

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4) Auslegung der Merkmale

Zum Begriff der „Profil-Hinterkanten-Kappe“:
Die Patentschrift (PS) gibt hierzu in Abs. [0026] an, dass die in den Figuren 3-5
gezeigten beispielhaften Ausführungsformen einer Profil-Hinterkanten-Kappe 50
im Allgemeinen einen Großteil der Länge des Blattes 24 überspannt. Jedoch sei
die Kappe 50 nicht auf die hier gezeigte Größe, Form und/oder Anordnung
beschränkt. Stattdessen könne die Kappe 50 von jeder Größe, jeder Form
und/oder an jedem Bereich des Blattes 24 angeordnet sein, solange sie zumindest
teilweise den ursprünglichen Profil-Hinterkanten-Bereich 46 des Blattes 24
bedecke. Gemäß manchen Ausführungsbeispielen kann ein Teil oder die gesamte
Kappe 50 den ursprünglichen Profil-Hinterkanten-Bereich 46 des Blattes 24 in der
Nähe der Spitze (Fig. 3) überdecken, um die Verminderung von Lärm, der durch
das Blatt 24 nahe der Blattspitze 34 erzeugt wird, zu vermindern.

Zum Begriff „Rotorblatt“:
Nach der PS, Abs. [0018], Z. 1-5, wird der Begriff „Rotorblatt“ in der Bedeutung
verwendet, dass er einen beliebigen Gegenstand bezeichnet, der eine reaktive
Kraft bereitstellt, wenn er relativ zu einem umgebenden Fluid bewegt ist.

Zum Begriff „Profil-Hinterkante“:
Der Begriff „Profil-Hinterkante“ wird in der Bedeutung verwendet, dass er eine
Seite bezeichnet, die durch den Schnitt einer Überdruckseite und einer Unter-
druckseite eines Rotorblattes gebildet wird (vgl. PS, Abs. [0018], Z. 18-22).

Zum Begriff „ursprüngliche Profil-Hinterkante“:
Die Patentschrift lässt offen, ob es sich um eine unfertige oder um eine fertige
Profil-Hinterkante handelt. In der Beschreibungseinleitung, PS, Abs. [0004],
Z. 8-17, wird ein Profil-Hinterkanten-Teil beschrieben, das bei Rotorblättern nach
dem Transport zur Windenergieanlage montiert wird. Damit werde das Problem
behoben, dass Herstellung und Transport von Rotorblättern mit verminderter
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Dicke der Profil-Hinterkante schwierig sei, ohne beispielsweise die Profil-
Hinterkante zu beschädigen.
Eine Unterscheidung zwischen den zum Stand der Technik angegebenen „Profil-
Hinterkanten-Teilen“ in der PS, Abs. [0004] und den in den darauffolgenden
Absätzen (PS, Abs. [0007] ff.) und in den Ansprüchen angegebenen „Profil-
Hinterkanten-Kappen“ erfolgt nicht. Auch ist eine eigene Bezeichnung für
denjenigen Teil eines in der Fertigung noch nicht fertiggestellten Rotorblattes, auf
das das Profil-Hinterkanten-Teil aufgesetzt wird, der PS, Abs. [0004], nicht zu
entnehmen. Der Fachmann muss daher davon ausgehen, dass es sich bei dem
nachfolgend ab PS, Abs. [0007], als „ursprünglichen Profil-Hinterkanten-Bereich“
bezeichneten Teil eines Rotorblattes sowohl
a) um den entsprechenden Teil eines bereits fertigen Rotorblattes wie
alternativ auch
b) um einen Bereich eines noch nicht fertiggestellten Profils handeln kann.


5) Zur Patentfähigkeit

Es kann dahingestellt bleiben, ob der Gegenstand nach Anspruch 1 nicht aus-
führbar ist und/oder die erteilten Unterlagen gegenüber der ursprünglich einge-
reichten Fassung unzulässig erweitert sind. Für die Entscheidung des Bundes-
patentgerichts reicht es aus, sich auf einen der nach der gesetzlichen Regelung
nicht in einem besonderen Rangverhältnis stehenden Widerrufsgründe zu stützen.
So ist der jeweilige Gegenstand des Anspruchs 1 nach Hauptantrag wie auch
nach den Hilfsanträgen 2 und II bis IV nicht patentfähig.
Die Verneinung der Patentfähigkeit nach §§ 1 ff. PatG rechtfertigt den Widerruf
des Patents, unabhängig von evtl. weiteren Widerrufsgründen (vgl. BGH-
Beschluss X ZB 17/05 vom 24. Juli 2007 - Angussvorrichtung für Spritzgieß-
werkzeuge, Rdn. 12).

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5.1) Zur Patentfähigkeit des Anspruchs 1 nach Hauptantrag

Aus der Entgegenhaltung D5 (EP 0 652 367 A1) geht ein Gegenstand hervor, der
sämtliche Merkmale des Anspruchs 1 nach dem Hauptantrag aufweist.

So zeigt die D5 in Fig. 3 mit dortigem „strip 9“ eine anspruchsgemäße Profil-
Hinterkanten-Kappe für ein Rotorblatt wie nach den Merkmalen M0_HA und
M0a_HA auf (s. a. D5, Fig. 1, „blades 3, 4, 5“ des „rotor 2“).
Der in der D5, Fig. 3, gezeigte Abschnitt eines Rotorblattes beinhaltet mit der
stumpfen Hinterkante, die leicht abgestuft ist („chamfered“, eigtl. abgekan-
tet/angefast; s. Sp. 1, Z. 54-Sp. 2, Z. 1: „Also possible is an embodiment (figure 3)
wherein a blunt rear edge is slightly chamfered 8, wherein a saw tooth-shaped
strip 9 is fixed onto the chamfered part such that the strip connects smoothly onto
both the upper part and the lower part of the blade profile.”), eine ursprüngliche
Profil-Hinterkante wie nach Merkmal M0b_HA.

Das Merkmal M1_HA gibt eine Profil-Hinterkanten-Kappe (D5: strip 9) vor, die
einen Körper umfasst, der konfiguriert ist, an zumindest zwei zumindest hin-
sichtlich ihrer Größe und/oder Form voneinander verschiedenen Rotorblättern
angebracht zu werden.
Beschreibung und Anspruch lassen offen, wie diese zumindest zwei hinsichtlich
ihrer Größe und/oder Form voneinander verschiedenen Rotorblätter sich konkret
unterscheiden müssen. Offen bleibt auch, welche Vor- und Nacharbeiten ggf.
durchgeführt werden müssen, damit die Profil-Hinterkanten-Kappe angebracht
werden kann, sowie, welche Qualitätsvorgaben an die Übergänge zwischen
Rotorblattoberfläche und Profil-Hinterkanten-Kappe gestellt werden. Umfasst ist
zudem, dass die Kappe zwar an ggf. unterschiedlichen Rotorblättern angebracht
wird, jedoch in jeweils solchen Abschnitten, die identisch sind.
Damit erfüllt dieses Merkmal M1_HA auch der in der D5, Fig. 3, angegebene
„strip 9“ aufgrund seiner elastischen Eigenschaften als Streifen („strip“). Der
Anspruch 1 macht nämlich keine Vorgaben, inwieweit die jeweiligen verschie-
- 12 -
denen Rotorblätter angepasst werden müssen oder angepasst werden können.
Daher ist bei einer in entsprechender Länge und Form vorhandenen Aussparung
am jeweiligen Rotorblatt („chamfer“, vgl. D5, Sp. 1, Z. 54-Sp. 2, Z. 1, insb. Sp. 1,
Z. 55), auch der Streifen „strip 9“ aus der D5 so konfiguriert, also geeignet, an
zumindest zwei zumindest hinsichtlich ihrer Größe und/oder Form voneinander
verschiedenen Rotorblättern angebracht zu werden.

Dass wie nach Merkmal M2_HA der Körper (D5: „strip 9“) einen ursprünglichen
Profil-Hinterkanten-Bereich des Blattes zumindest teilweise bedeckt, ist auch in
der D5, Fig. 3 i. V. m. Fig. 1 gegeben. Denn auch in der D5, Fig. 3, ist in
Verbindung mit D5, Anspruch 2 bzw. Sp. 1, Z. 10-12, aufgezeigt, dass die „saw-
tooth form“ den ursprünglichen Profil-Hinterkanten-Bereich des Blattes zumindest
teilweise bedecken kann („the rear edge [of each blade] has a saw-tooth form at
least over a part“).

Wie aus der Fig. 3 der D5 hervorgeht, weist der „saw-tooth-shaped strip 9“, der
nach D5, Anspruch 10, auch sinusförmig ausgestaltet sein und daher eine
gleichmäßigere Kante ausbilden kann als das Sägezahnprofil, einen Körper-
kantenbereich (hier das Sägezahn- oder Sinusprofil) wie gemäß Merkmal M3_HA
auf, nämlich zum Bilden eines neuen Profil-Hinterkanten-Bereichs des Blattes,
wenn der Körper an dem Blatt angebracht ist. Vergleiche hierzu das in Fig. 3
gezeigte Sägezahnprofil des „strip 9“ als neuer Profil- Hinterkanten-Bereich und im
Vergleich dazu die stumpfe Hinterkante des Rotorblatts (D5, Sp. 1, Z. 54-Sp. 1,
Z. 1: „blunt rear edge“) als anspruchsgemäßen ursprünglichen Profil-Hinterkanten-
Bereich.

Wie aufgezeigt, gehen sämtliche Merkmale des Gegenstands nach Anspruch 1
gemäß Hauptantrag aus der Entgegenhaltung D5 mit dem in dortiger Fig. 3
offenbarten „strip 9“ hervor. Demnach ist der Gegenstand dieses Anspruchs
gegenüber der D5 nicht neu und daher nicht patentfähig.

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5.2) Zur Patentfähigkeit des Anspruchs 1 nach Hilfsantrag 2

Der Gegenstand nach Anspruch 1 nach Hilfsantrag 2 weist gegenüber dem
Anspruch 1 nach Hauptantrag (mit den Merkmalen M0_HA bis M3_HA) die
weiteren Merkmale M4_H2 und M5_H2 auf.

Neben den Merkmalen M0_HA bis M3_HA (s. o.) zeigt die Entgegenhaltung D5
auch die zusätzlichen Merkmale des Hilfsantrags 2 auf.

Denn auch bei dem „strip 9“ in Fig. 3 der D5 zeigt dessen Profil-Hinterkanten-
Bereich (Spitzen des „strip 9“ sind lt. D5, Anspruch 8, dünner als 4 mm), wenn der
„strip 9“ am Rotorblatt befestigt ist, verglichen mit der Dicke des ursprünglichen
Profil-Hinterkanten-Bereichs (s. D5, Sp. 1, Z. 55: „blunt rear edge“ des in Fig. 3
gezeigten Rotorblattsegments), eine verminderte Dicke auf (Merkmal M4_H2), wie
in D5, Fig. 3, zu ersehen ist.

Ebenso bildet der von dem „strip 9“ gebildete neue Profil-Hinterkanten-Bereich,
der durch den Schnitt von Überdruckseite und Unterdruckseite gebildet ist (D5,
Fig. 3: gebildete Kante jeweils zwischen Spitze und Grund des „saw tooth-shaped
strip 9“) einen durchgängigen neuen Profil-Hinterkanten-Bereich im Sinne des
Merkmals M5_H2 aus. Dabei ist dieser Bereich des „strip 9“ zwar gezähnt oder
gewellt, da alternativ als Sinus ausgebildet (s. D5, Anspruch 10), bildet aber
zwischen Spitze und Grund dieser Zahnung/Wellung ebenfalls den geforder-
ten - durchgängigen - neuen Profil-Hinterkanten-Bereich aus.

Damit ist auch der Gegenstand nach Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 2 gegenüber
dem Stand der Technik nach D5 nicht neu und somit nicht patentfähig.

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5.3) Zur Patentfähigkeit des Anspruchs 1 nach Hilfsantrag II

Wie bereits zum Gegenstand nach Anspruch 1 gemäß Hauptantrag angegeben,
zeigt die Entgegenhaltung D5 eine Profil-Hinterkanten-Kappe (D5: „strip 9“)(Merk-
mal M0_HII) mit den Merkmalen Merkmal M0a_HII und M0b_HII (vgl.
Ausführungen zu M0_HA, M0a_HA und M0b_HA), nämlich für Rotorblätter
unterschiedlicher Größe und/oder Form, welche eine ursprüngliche Profil-kante
beinhalten.
Aufgrund der Darstellung in der Fig. 3 der D5 eignet sich dortiger „strip 9“ auch bei
hinsichtlich ihrer Größe und/oder Form voneinander verschiedenen Rotorblättern,
wenn in diese lediglich eine entsprechende Nut eingebracht ist/wird („slightly
chamfered“) (vgl. D5, Sp 1, Z. 55), was der Anspruch mit umfasst (s. o.).
Damit ist der in der D5, Fig. 3, offenbarte „strip“ geeignet, mit einer Vielzahl
unterschiedlich großer und/oder geformter ursprünglicher Profil-Hinterkanten-
Bereiche von Blättern zusammenpassen und daran angebracht zu werden
(Merkmal M1_HII).

Zu den Merkmalen M2_HII („so dass der Körper die ursprünglichen Profil-
Hinterkanten-Bereiche (46) der Blätter zumindest teilweise bedeckt“) und M3_HII
(„wobei der Körper einen Körperkantenbereich (54) zum Bilden eines neuen Profil-
Hinterkanten-Bereichs der Blätter aufweist, wenn der Körper an den Blättern
angebracht ist“) siehe obige Ausführungen (auch D5, Fig. 3) zu den gleich-
lautenden Merkmalen M2_HA und M3_HA.

Im Merkmal M4_HII („wobei der Körper (52) ein Polymer umfasst, eine Dicke
zwischen ungefähr 1 mm und ungefähr 100 mm aufweist, und/oder ein Elastizi-
täts-Modul zwischen ungefähr 0,5 GPa und ungefähr 5 GPa aufweist.“) sind für die
Ausführung des Körpers die jeweiligen Eigenschaften Material (Polymer), Dicke
(1 mm bis 100 mm) und E-Modul (ca. 0,5 - ca. 5 GPa) in „und/oder“-Kombination
aufgeführt. Die D5 zeigt mit dem dortigen „strip 9“ einen Körper auf, für den die D5
in dortigem Anspruch 8 eine Dicke der Kante von kleiner als 4 mm angibt („the
- 15 -
edge thickness of the teeth is smaller than 4 mm“) und der somit ebenfalls die
zweite Alternative des Merkmals M4_HII (Dicke) erfüllt.

Damit ist auch der Gegenstand nach Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag II durch die
D5 neuheitsschädlich vorweggenommen.


5.4) Zur Patentfähigkeit des Anspruchs 1 nach Hilfsantrag III

Der Gegenstand nach Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag III unterscheidet sich
von dem Gegenstand nach Hilfsantrag II, dass er auf eine Mehrzahl von Ro-
torblättern gerichtet ist anstelle auf eine Profil-Hinterkanten-Kappe.

Dieser Gegenstand mag neu sein, er ist aber zumindest nicht erfinderisch
gegenüber der D5, Fig. 3, in Verbindung mit Fachwissen.

Denn zwar ist in der D5 die dortige Profil-Hinterkanten-Kappe („D5, Fig. 3:
„strip 9“) nur für ein Rotorblatt dargestellt. Jedoch ist es für den Fachmann
naheliegend, diesen „strip 9“ - aus wirtschaftlichen Gründen - möglichst unver-
ändert auch bei anderen Rotorblättern und damit einer Mehrzahl von Rotorblättern
mit anderer Geometrie (Größe, Form) einzusetzen (Merkmal M0_HIII). Die
Ausführung des Streifens nach D5, Fig. 3, gibt auch keinen Hinweis, dass dieser
bei anderen Rotorblättern, also jeweils einem Körper mit einem Profil-
Vorderkantenbereich und einem ursprünglichen Profil-Hinterkanten-Bereich (Merk-
mal M1_HIII) gesondert angepasst werden müsste, zumal er den Flügel auch nur
teilweise bedecken muss. Lediglich die Nutbreite ist ggf. je nach Rotorblatttiefe
entsprechend anzupassen (in Anlehnung an D5, Anspruch 6 bzw. Sp. 2, Z. 11-19).
Ansonsten entsprechen die Merkmale M2_HIII bis M5_HIII des Gegenstands nach
Anspruch 1, Hilfsantrag III, den Merkmalen M1_ HII bis M4_HII des Gegenstands
nach Hilfsantrag II. Diese gehen mit dem „strip 9“ aus der D5 hervor (s. o.).

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In naheliegender Zusammenschau des aus der D5 bekannten „strip 9“ in
Verbindung mit dem Wissen und Können des Fachmanns beruht daher der
Gegenstand nach Anspruch 1 nach Hilfsantrag III nicht auf erfinderischer Tätigkeit.


5.5) Zur Patentfähigkeit des Anspruchs 1 nach Hilfsantrag IV

Der Gegenstand nach Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag IV ist auf ein entspre-
chendes Verfahren zum Nachrüsten einer Mehrzahl von bezüglich ihrer Größe
und/oder Form unterschiedlicher Rotorblätter mit einer Profil-Hinterkanten-Kappe
mit Merkmalen, wie sie auch schon in den Merkmalen M1_HII bis M4_HII bzw.
M2_HIII bis M5_HIII aufgeführt sind, und weiter einem Befestigen der jeweiligen
Kappe an jedem Rotorblatt gerichtet.

Auch dieses Nachrüstverfahren mag zwar neu sein, es beruht jedoch nicht auf
erfinderischer Tätigkeit.
Denn die D5 hebt ausdrücklich hervor, dass von Rotorblättern im Betrieb der
Windturbinen eine Lärmbelästigung ausgeht (D5, Sp. 1; Z. 4-6). Durch ungleich-
förmige Ausbildung der Rotorblatthinterkante über wenigstens einem Teil des
Rotorblattes könne aber die Lärmerzeugung reduziert werden (D5, Sp. 1, Z. 8-12).

Unabhängig davon, ob die D5 Nachrüstlösungen für bestehende Rotorblätter oder
Aufsätze für unfertige Rotorblätter in der Produktion aufzeigt, liegt es im
Griffbereich des Fachmanns, nicht nur Rotorblätter in der Produktion mit den in
der D5 als vorteilhaft angegebenen Hinterkanten auszurüsten, sondern aus wirt-
schaftlichen Gründen auch für bestehende Rotorblätter Nachrüstlösungen
vorzusehen.
Dabei empfehlen sich Lösungen, die sich ohne größeren Aufwand aufbringen
lassen, wie die in der D5, Fig. 3, dargestellte Lösung.
Wie bereits oben zu Hilfsantrag III ausgeführt, eignet sich der aus der D5
bekannte „strip 9“ für unterschiedliche Blattformen, da dieser Streifen bei iden-
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tischer „chamfer“ (Rille) in ansonsten unterschiedliche Rotorblätter (s. u.) einge-
setzt werden kann.

Wie bereits oben zum Hilfsantrag II zu den Merkmalen M1_HII bis M4_HII
aufgeführt, zeigt der „strip 9“ in der D5 die Merkmale M3_HIV bis M6_HIV.

Führt der Fachmann in naheliegender Weise einen entsprechenden Nach-
rüstvorgang mit einem solchen „strip“ (mit den Merkmalen M3_HIV bis M6_HIV)
an bestehenden Rotorblättern durch, ergibt sich dadurch ein Verfahren mit genau
den (weiteren) Merkmalen M1_HIV, M2_HIV, M7_HIV.
Denn der „strip 9“ nach der D5 eignet sich aufgrund seiner universellen Form und
der Vorgabe, dass nur ein Teilbereich des ursprünglichen Profil-Hinterkanten-
Bereichs bedeckt sein muss (vgl. Merkmal M4_HIV), für Rotorblätter mit unter-
schiedlicher Form, zumindest für Rotorblätter die nicht groß voneinander abwei-
chen. Wie stark die Rotorblätter im Sinne des Merkmals M0_HIV oder M3_HIV
voneinander abweichen dürfen oder müssen, ist in der PS an keiner Stelle
spezifiziert, so dass auch geringe Abweichungen hierunter fallen. Für solche
Abweichungen ist der strip 9, der im Sinne des Patents als Profil-Hinterkanten-
Kappe anzusehen ist, jedenfalls geeignet. Auch ist es für den Fachmann nahe-
liegend, ihn bei solchen Abweichungen ohne Modifikationen einzusetzen.

Unabhängig davon, ob in der ursprünglichen Anmeldung und in der Patentschrift
das Bereitstellen einer Mehrzahl von Rotorblättern unterschiedlicher Größe
und/oder Form offenbart ist, liegt es für den Fachmann nahe, bei einer Nach-
rüstung mit einem solchen „Strip 9“ nach D5 aus wirtschaftlichen Gründen gleich
an einer Mehrzahl von unterschiedlichen Rotoren den aus der D5 bekannten Strip
9 an jedem dieser Rotorblätter zu befestigen. Damit bedeckt der „strip 9“ den
ursprünglichen Profil-Hinterkanten-Bereich der Rotorblätter zumindest teilweise
(Merkmal M8_HIV), wie auch Fig. 1 der D5 zeigt. Deswegen beruht der
Gegenstand nach Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag IV ebenfalls nicht auf erfin-
derischer Tätigkeit.
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6) Zu den Unteransprüchen

Die weiteren, rückbezogenen Ansprüche sämtlicher Anträge sind echte, unselb-
ständige Unteransprüche, die mit dem jeweiligen Hauptanspruch fallen.


III. Rechtsmittelbelehrung

Gegen diesen Beschluss ist das Rechtsmittel der Rechtsbeschwerde gegeben,
wenn gerügt wird, dass

1. das beschließende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war,
2. bei dem Beschluss ein Richter mitgewirkt hat, der von der Ausübung des
Richteramtes kraft Gesetzes ausgeschlossen oder wegen Besorgnis der
Befangenheit mit Erfolg abgelehnt war,
3. einem Beteiligten das rechtliche Gehör versagt war,
4. ein Beteiligter im Verfahren nicht nach Vorschrift des Gesetzes vertreten
war, sofern er nicht der Führung des Verfahrens ausdrücklich oder
stillschweigend zugestimmt hat,
5. der Beschluss aufgrund einer mündlichen Verhandlung ergangen ist, bei
der die Vorschriften über die Öffentlichkeit des Verfahrens verletzt worden
sind, oder
6. der Beschluss nicht mit Gründen versehen ist.

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Die Rechtsbeschwerde ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlus-
ses durch einen beim Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt zu unter-
zeichnen und beim Bundesgerichtshof, Herrenstraße 45a, 76133 Karlsruhe, einzu-
reichen. Die Frist ist nur gewahrt, wenn die Rechtsbeschwerde vor Fristablauf
beim Bundesgerichtshof eingeht. Die Frist kann nicht verlängert werden.

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