12 W (pat) 1/17  - 12. Senat (Techn.Beschw.)
Karar Dilini Çevir:

ECLI:DE:BPatG:2017:301117B12Wpat1.17.0


BUNDESPATENTGERICHT




12 W (pat) 1/17
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(Aktenzeichen)



B E S C H L U S S

In der Beschwerdesache

betreffend die Patentanmeldung 10 2010 010.318.7








hat der 12. Senat (Technischer Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts am
30. November 2017 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters
Dipl.-Ing. Ganzenmüller, der Richterin Bayer sowie der Richter Dr.-Ing. Krüger und
Dipl.-Ing. Univ. Dipl.-Wirtsch.-Ing. (FH) Ausfelder

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beschlossen:

Der Beschluss der Prüfungsstelle für Klasse A45B des Deutschen
Patent- und Markenamts vom 27. Januar 2014, mit dem die
Patentanmeldung 10 2010 010 318.7 zurückgewiesen wurde, wird
aufgehoben und die Sache zur weiteren Prüfung und
Entscheidung an das Deutsche Patent- und Markenamt
zurückverwiesen.


G r ü n d e

I.

Der Beschwerdeführer ist Anmelder der am 4. März 2010 unter Inanspruchnahme
der inneren Priorität der Gebrauchsmusteranmeldung 20 2009 003 211.6 vom
5. März2009 beim Deutschen Patent- und Markenamt eingegangenen Patentan-
meldung mit der Bezeichnung „Unterarmstütze“.

Mit Beschluss vom 27. Januar 2014 hat die Prüfungsstelle für Klasse A45B des
Deutschen Patent- und Markenamts die Anmeldung zurückgewiesen und dabei
zur Begründung angegeben, der Gegenstand des Anspruchs 1 sei nicht neu. Ge-
gen diesen Beschluss richtet sich die am 27. Februar 2014 eingelegte Be-
schwerde des Anmelders.

Der Beschwerdeführer stellte mit Eingabe vom 18. November 2016 sinngemäß
den Antrag,

den Beschluss der Prüfungsstelle für A45B des Deutschen Patent-
und Markenamts vom 27. Januar 2014, mit dem die Patentanmel-
dung 10 2010 010 318.7 zurückgewiesen wurde, aufzuheben und
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der weiteren Prüfung der Patentanmeldung die folgenden Unterla-
gen zu Grunde zu legen:

Ansprüche 1 und 2, eingereicht am 18. November 2016,
Beschreibung, Seiten 1 und 2, eingereicht am 18. November 2016,
1 Blatt Zeichnungen (Figur 1 und 2) vom Anmeldetag.

Der geltende Anspruch 1 lautet:

„Unterarmgehstütze einschließend
einen Stock,
der aus einem Unterteil und einem Oberteil besteht,
einen Handgriff,
der in zwei verschiedenen Positionen
relativ zu dem Stock verstellt werden kann,
und auch eine Stütze für den Unterarm,
die aus einem Halter besteht, der oben zwei Flügel trägt,
dadurch gekennzeichnet,
dass der Handgriff umsteckbar ausgeführt ist,
wobei einer der Steckplätze zwischen dem Unterteil und dem
Oberteil und der zweite Steckplatz am freien Ende des
Oberteils eingerichtet sind.“

Der Anspruch 2 ist auf den Anspruch 1 rückbezogen.

Im Verfahren vor dem Deutschen Patent- und Markenamt ist zum Stand der Tech-
nik die folgende Druckschrift ermittelt worden:

D1) US 5,329,954 A

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Wegen des Wortlauts des Anspruchs 2 und weiterer Einzelheiten wird auf den
Akteninhalt verwiesen.

II.

1) Die zulässige Beschwerde hat insoweit Erfolg, als die Sache auf Grundlage
der nunmehr geltenden Ansprüche zur weiteren Prüfung und Entscheidung an das
Deutsche Patent- und Markenamt zurückzuverweisen war, weil der Gegenstand
des geltenden Anspruchs1 gegenüber dem bis jetzt im Verfahren befindlichen
Stand der Technik neu ist und sich für den Fachmann nicht in naheliegender
Weise aus diesem Stand der Technik ergibt.

2) Die Anmeldung betrifft eine an sich bekannte Unterarmgehstütze mit einem
Stock, der aus einem Unterteil und einem Oberteil besteht, einem Handgriff und
einer Unterarmstütze, die aus einem Halter besteht, der oben zwei Flügel trägt.

In der Beschreibungseinleitung ist als Aufgabe angegeben, eine Unterarmgeh-
stütze zu schaffen, die sowohl als Gehstütze wie auch als Stock für die Sportart
„Nordic Walking“ verwendet werden kann, siehe die geltende Beschreibung,
Seite 1, Zeilen 10 bis 12, und auch die ursprünglich eingereichte Beschreibung,
Seite 1, insb. Zeilen 17 bis 19.

Dementsprechend ist erfindungsgemäß vorgesehen, dass der Handgriff der Geh-
stütze in zwei verschiedenen Positionen relativ zu dem Stock verstellt werden
kann, und zwar gemäß dem kennzeichnenden Teil des geltenden Anspruchs 1 so,
dass der Handgriff umsteckbar ausgeführt ist, wobei einer der Steckplätze zwi-
schen dem Unterteil und dem Oberteil und der zweite Steckplatz am freien Ende
des Oberteils eingerichtet ist.

3) Als zuständiger Fachmann für die Realisierung einer solchen Unterarmgeh-
stütze kann ein technischer Produktdesigner angesehen werden. Da die Ansprü-
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che jedoch lediglich Forderungen wie „umsteckbar“ formulieren, ohne anzugeben,
wie diese technisch realisiert werden sollen, kommt auch ein Nutzer von Unter-
armgehstützen als zuständiger Fachmann im Sinne des § 4 PatG in Betracht.

4) Die geltenden Ansprüche sind zulässig. Der geltende Anspruch 1 unterschei-
det sich wie nachfolgend aufgeführt vom ursprünglichen Anspruch 1. Dabei sind
Ergänzungen unterstrichen, Streichungen durchgestrichen:

Unterarmgehstütze, einschließend
einen Stock,
der aus einem Unterteil und einem Oberteil besteht,
auf dessen Ende ein Handgriff
fast rechtwinklig zur Achse des Stockes befestigt ist,
einen Handgriff,
der in zwei verschiedenen Positionen
relativ zu dem Stock verstellt werden kann,
und auch eine Stütze für den Unterarm,
die aus einem Halter besteht, der oben zwei Flügel trägt,
dadurch gekennzeichnet,
dass der Handgriff abnehmbar umsteckbar ausgeführt ist,
und mit der Möglichkeit einer Befestigung oben der erwähnten Stütze
angeordnet ist.
wobei einer der Steckplätze zwischen dem Unterteil und dem Oberteil
und der zweite Steckplatz am freien Ende des Oberteils eingerichtet
sind.

Die gestrichene Angabe im Oberbegriff betrifft lediglich die bekannte Position des
Handgriffs bei üblichen Unterarmgehstützen. Die gestrichenen Angaben im Kenn-
zeichen sind durch die Angabe „umsteckbar“ und durch die Beschreibung des
Ortes des zweiten Steckplatzes präzisiert worden.

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Dass der Stock aus einem Oberteil und einem Unterteil besteht, ergibt sich aus
Seite 1, Zeile 25, (Oberteil 3 des Stockes 1) und Seite 2, Zeile 3, (unterer Teil des
Stockes 1) der ursprünglich eingereichten Beschreibung.

Dass der Handgriff in zwei verschiedenen Positionen relativ zu dem Stock verstellt
werden kann, dass dies durch Umstecken erfolgt und die weiteren Angaben des
kennzeichnenden Teils zu den Orten der zwei Steckplätze ergeben sich aus
Seite 1, Zeilen 26 bis 33, in Verbindung mit den Figuren 1 und 2.

Der geltende Anspruch 2 entspricht dem ursprünglichen Anspruch 3.

5) Der Gegenstand des geltenden Anspruchs 1 ist gegenüber dem bisher
ermittelten Stand der Technik D1 neu und wird durch diesen nicht nahegelegt.

Die D1, siehe insbesondere die Figuren 1, 2 und 5, offenbart eine Unterarmgeh-
stütze gemäß dem Oberbegriff des geltenden Anspruchs 1, mit
einem Stock,
der aus einem Unterteil 3 und einem Oberteil 5 besteht,
einem Handgriff 4,
der in zwei verschiedenen Positionen
relativ zu dem Stock verstellt werden kann (vergl. Fig. 1 und 2),
und auch einer Stütze 30 für den Unterarm,
die aus einem Halter besteht, der oben zwei Flügel trägt (siehe Fig. 5).

Die Umsteckbarkeit des Handgriffs und die Anordnung des zweiten Steckplatzes
gemäß dem kennzeichnenden Teil des geltenden Anspruchs 1 werden jedoch
durch die D1 nicht offenbart.

Auf diese Merkmale gibt die D1, die eine Umklappbarkeit des oberen Teils einer
Unterarmgehstütze lehrt, insbesondere um das Treppensteigen und das Aufste-
hen von einem Stuhl zu erleichtern, siehe die Spalte 1, Zeilen 29 bis 42, auch kei-
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nen Hinweis, aus dem sich eine entsprechende Gestaltung in naheliegender
Weise ergeben könnte.

6) Die Zurückverweisung erfolgt gemäß § 79 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 PatG, wonach
das Bundespatentgericht die angefochtene Entscheidung aufheben kann, ohne in
der Sache selbst zu entscheiden, wenn neue Tatsachen bekannt werden, die für
die Entscheidung wesentlich sind. Als neue Tatsache im Sinne von Nr. 3 gilt auch
eine wesentliche Änderung des Patentbegehrens, insbesondere wenn ein wesent-
lich geänderter und damit noch nicht geprüfter Patentanspruch 1 eingereicht wird
(vgl. Schulte, Patentgesetz, 10. Auflage, § 79 Rdn. 16 und 26).

Diese Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall gegeben. Denn die Angaben
zur Umsteckbarkeit des Handgriffs und zur Anordnung des zweiten Steckplatzes
gemäß dem kennzeichnenden Teil des geltenden Anspruchs 1 wurden der Be-
schreibung entnommen und waren noch nicht Gegenstand der Prüfung vor dem
deutschen Patent- und Markenamt. Deshalb hält der Senat es für geboten, zu-
nächst der Prüfungsstelle Gelegenheit zu geben, über die Patentfähigkeit des Ge-
genstandes des geltenden Anspruchs 1 gegebenenfalls im Rahmen einer weiteren
Recherche zu entscheiden.

III.

Rechtsmittelbelehrung

Gegen diesen Beschluss steht den am Beschwerdeverfahren Beteiligten das
Rechtsmittel der Rechtsbeschwerde zu. Da der Senat die Rechtsbeschwerde nicht
zugelassen hat, ist sie nur statthaft, wenn gerügt wird, dass

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1. das beschließende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war,
2. bei dem Beschluss ein Richter mitgewirkt hat, der von der Ausübung des
Richteramtes kraft Gesetzes ausgeschlossen oder wegen Besorgnis der
Befangenheit mit Erfolg abgelehnt war,
3. einem Beteiligten das rechtliche Gehör versagt war,
4. ein Beteiligter im Verfahren nicht nach Vorschrift des Gesetzes vertreten
war, sofern er nicht der Führung des Verfahrens ausdrücklich oder
stillschweigend zugestimmt hat,
5. der Beschluss aufgrund einer mündlichen Verhandlung ergangen ist, bei
der die Vorschriften über die Öffentlichkeit des Verfahrens verletzt worden
sind, oder
6. der Beschluss nicht mit Gründen versehen ist.


Die Rechtsbeschwerde ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des
Beschlusses beim Bundesgerichtshof, Herrenstr. 45 a, 76133 Karlsruhe, durch
einen beim Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt als Bevollmächtigten
schriftlich einzulegen.


Ganzenmüller Bayer Krüger Ausfelder

Pr


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