11 W (pat) 8/13  - 11. Senat (Techn.Beschw.)
Karar Dilini Çevir:

BPatG 154
05.11

BUNDESPATENTGERICHT



11 W (pat) 8/13
_______________
(Aktenzeichen)



Verkündet am
16. Februar 2017





B E S C H L U S S

In der Beschwerdesache








betreffend die Patentanmeldung 10 2010 037 378.8

hat der 11. Senat (Technischer Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf
die mündliche Verhandlung vom 16. Februar 2017 unter Mitwirkung des
Vorsitzenden Richters Dr.-Ing. Höchst sowie der Richter v. Zglinitzki,
Dr.-Ing. Fritze und Dipl.-Ing. Wiegele
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beschlossen:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.


G r ü n d e

I.

Mit Beschluss vom 23. Oktober 2012 hat die Prüfungsstelle für Klasse F01D des
Deutschen Patent- und Markenamtes die am 8. März 2012 offengelegte Patentan-
meldung vom 7. September 2010 mit der Bezeichnung

„Zylinderkopf mit Turbine“

mit der Begründung zurückgewiesen, der Gegenstand des Anspruchs 1 sei nicht
neu.

Im Prüfungsverfahren wurde unter anderem die Druckschrift

D3 WO 2010/039590 A2

in Betracht gezogen.

Gegen diesen Beschluss wendet sich die Beschwerde der Anmelderin. Sie vertritt
die Ansicht, dass die Gegenstände der Ansprüche 1 nach Haupt- bzw. nach Hilfs-
antrag neu und auch erfinderisch seien.

Der Senat hat zusätzlich die Druckschrift EP 2 143 926 A1 (D5) in das Verfahren
eingeführt, woraufhin die Beschwerdeführerin am 13. Februar 2017 einen zweiten
Hilfsantrag vorgelegt hat.
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Die Beschwerdeführerin beantragt,

den angefochtenen Beschluss des Patentamts aufzuheben und
das Patent mit den Ansprüchen 1 bis 11 nach Hauptantrag vom
26. November 2012, hilfsweise das Patent mit den Patentansprü-
chen 1 bis 10 nach Hilfsantrag vom 26. November 2012, weiter
hilfsweise das Patent mit den Ansprüchen 1 bis 11 nach dem
zweiten Hilfsantrag vom 13. Februar 2017 sowie mit der Beschrei-
bung und den Zeichnungen gemäß Offenlegungsschrift zu ertei-
len.

Des Weiteren beantragt sie die Rückzahlung der Beschwerdege-
bühr.

Der Patentanspruch 1 nach Hauptantrag hat in gegliederter Fassung folgenden
Wortlaut:

1 Zylinderkopf mit Radialturbine (2), bei dem
2 - der Zylinderkopf mindestens einen Zylinder aufweist, wobei jeder Zylinder
2.1 mindestens eine Auslaßöffnung zum Abführen der Abgase aus dem
Zylinder aufweist und
2.2 sich an jede Auslaßöffnung eine Abgasleitung anschließt,
2.3 wobei die Abgasleitungen unter Ausbildung mindestens eines Abgas-
krümmers zu mindestens einer Gesamtabgasleitung zusammenfüh-
ren,
2.4 welche in einen Eintrittsbereich (4) der Radialturbine (2) mündet, der
in einen Abgas führenden Strömungskanal (5) übergeht, und
3 - die Radialturbine (2),
3.1 welche ein in einem Turbinengehäuse (3) angeordnetes und auf einer
Welle (7) drehbar gelagertes Laufrad (6) umfasst,
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4 zur Ausbildung einer Kühlung mindestens einen im Gehäuse (3) integrierten
Kühlmittelkanal (8) aufweist,
4.1 wobei der mindestens eine Kühlmittelkanal (8) sich im Gehäuse (3)
spiralförmig um die Welle (7) erstreckt,
dadurch gekennzeichnet, dass
4.2 der mindestens eine Kühlmittelkanal (8) sich umfänglich um und beab-
standet zu dem Strömungskanal (5) über einen Winkel  erstreckt mit
 ≤ 45°.

Der Patentanspruch 1 nach dem ersten Hilfsantrag hat in gegliederter Fassung fol-
genden Wortlaut:

1 Zylinderkopf mit Radialturbine (2), bei dem
2 - der Zylinderkopf mindestens einen Zylinder aufweist, wobei jeder Zylinder
2.1 mindestens eine Auslaßöffnung zum Abführen der Abgase aus dem
Zylinder aufweist und
2.2 sich an jede Auslaßöffnung eine Abgasleitung anschließt,
2.3 wobei die Abgasleitungen unter Ausbildung mindestens eines Abgas-
krümmers zu mindestens einer Gesamtabgasleitung zusammenfüh-
ren,
2.4 welche in einen Eintrittsbereich (4) der Radialturbine (2) mündet, der
in einen Abgas führenden Strömungskanal (5) übergeht, und
3 - die Radialturbine (2),
3.1 welche ein in einem Turbinengehäuse (3) angeordnetes und auf einer
Welle (7) drehbar gelagertes Laufrad (6) umfasst,
4 zur Ausbildung einer Kühlung mindestens einen im Gehäuse (3) integrierten
Kühlmittelkanal (8) aufweist,
4.1 wobei der mindestens eine Kühlmittelkanal (8) sich im Gehäuse (3)
spiralförmig um die Welle (7) erstreckt,

- 5 -
dadurch gekennzeichnet, dass
4.2 der mindestens eine Kühlmittelkanal (8) sich umfänglich um und beab-
standet zu dem Strömungskanal (5) über einen Winkel  erstreckt mit
 ≤ 45°, und
5 die Radialturbine (2) zur Ausbildung einer Kühlung einen im Gehäuse (3)
integrierten Kühlmittelkanal (8) aufweist.

Der Patentanspruch 1 nach dem zweiten Hilfsantrag hat in gegliederter Fassung
folgenden Wortlaut:

1 Zylinderkopf mit Radialturbine (2), bei dem
2 - der Zylinderkopf mindestens einen Zylinder aufweist, wobei jeder Zylinder
2.1 mindestens eine Auslaßöffnung zum Abführen der Abgase aus dem
Zylinder aufweist und
2.2 sich an jede Auslaßöffnung eine Abgasleitung anschließt,
2.3 wobei die Abgasleitungen unter Ausbildung mindestens eines Abgas-
krümmers zu mindestens einer Gesamtabgasleitung zusammenfüh-
ren,
2.4 welche in einen Eintrittsbereich (4) der Radialturbine (2) mündet, der
in einen Abgas führenden Strömungskanal (5) übergeht, und
3 - die Radialturbine (2),
3.1 welche ein in einem Turbinengehäuse (3) angeordnetes und auf einer
Welle (7) drehbar gelagertes Laufrad (6) umfasst,
4 zur Ausbildung einer Kühlung mindestens einen im Gehäuse (3) integrierten
Kühlmittelkanal (8) aufweist,
4.1 wobei der mindestens eine Kühlmittelkanal (8) sich im Gehäuse (3)
spiralförmig um die Welle (7) erstreckt,
dadurch gekennzeichnet, dass

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4.2 der mindestens eine Kühlmittelkanal (8) sich umfänglich um und beab-
standet zu dem Strömungskanal (5) über einen Winkel  erstreckt mit
 ≤ 45°, und
6 der Strömungskanal (5) abgasseitig keine Wärmeisolierung aufweist.

Wegen des Wortlauts der nach den Anträgen jeweilig geltenden nachgeordneten
Ansprüche und wegen weiterer Einzelheiten des Vorbringens wird auf die Akten
verwiesen.


II.

Die zulässige Beschwerde ist unbegründet.


1. Die Patentanmeldung betrifft einen Zylinderkopf mit Radialturbine.

a) In der Beschreibung ist ausgeführt, Brennkraftmaschinen verfügten über
einen Zylinderblock und einen Zylinderkopf, die zur Ausbildung der Zylinder an
ihren Montageseiten miteinander verbunden werden. Die Einlass- und Auslasska-
näle seien nach dem Stand der Technik zumindest teilweise im Zylinderkopf inte-
griert. Die Abgasleitungen der Auslassöffnungen der Zylinder würden innerhalb
des Zylinderkopfes zu Teilabgasleitungen zusammengeführt, die häufig wiederum
zu einer Gesamtabgasleitung zusammengefügt werden. Die Zusammenführung
von Abgasleitungen zu einer Gesamtabgasleitung bezeichne die vorliegende An-
meldung als Abgaskrümmer.

Stromabwärts des mindestens einen Krümmers würden die Abgase einer Radial-
turbine zugeführt, beispielsweise einer Turbine eines Abgasturboladers. Da der für
das thermisch hochbelastetet Turbinengehäuse verwendete Werkstoff und dessen
Verarbeitung kostenintensiv seien, sei es vorteilhaft eine Turbine bereitstellen zu
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können, die aus einem weniger kostenintensiven Werkstoff, z. B. Aluminium,
gefertigt werden könne. Um solche kostengünstigeren Werkstoffe für die Herstel-
lung der Turbine verwenden zu können, werde nach dem Stand der Technik eine
Kühlung, z. B. eine Flüssigkeitskühlung, vorgesehen, die den Einsatz thermisch
weniger belastbarer Werkstoffe ermögliche. In der Regel werde das Turbinenge-
häuse zur Ausbildung der Kühlung mit einem Kühlmittelmantel versehen.

Aufgrund der hohen spezifischen Wärmekapazität von Wasser, das üblicherweise
als Kühlmittel eingesetzt werde, könnten dem Gehäuse hohe Wärmemengen ent-
zogen werden. Die an das Kühlmittel abgegebene Wärme werde in einem Wär-
metauscher dem Kühlmittel wieder entzogen. Aufgrund der sehr beengten Platz-
verhältnisse im Front-End-Bereich und der Vielzahl an Wärmetauschern, sei die
Möglichkeit nicht gegeben, einen Wärmetauscher für die Flüssigkeitskühlung der
Turbine im Front-End-Bereich anzuordnen, um die bei Verwendung thermisch
weniger belastbarer Materialien anfallenden hohen Wärmemengen auch abführen
zu können.

b) Vor diesem Hintergrund stelle sich die Aufgabe, eine gekühlte Turbine hin-
sichtlich des gewählten Werkstoffes und der Kühlleistung zu optimieren.

c) Der mit der Lösung dieser Aufgabe betraute Fachmann ist ein Fachhoch-
schulabsolvent der Fachrichtung Maschinenbau mit einer mehrjährigen Erfahrung
in der Konstruktion und Entwicklung von Kühlsystemen für Verbrennungsmotoren
mit Abgasturboladern.

d) Einige Merkmale der vorgeschlagenen Lösung bedürfen der Erläuterung.

Merkmal 4.2 definiert den mindestens einen Kühlmittelkanal näher, in der Art, dass
er sich umfänglich zu dem Strömungskanal (des Abgases) erstreckt. Diese
Angabe lässt offen, in welcher Ebene sich der Kühlmittelkanal umfänglich erstre-
cken soll. Aus der Figur 2b und dem Absatz [0101] erschließt sich dem Fachmann
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jedoch eindeutig, dass sich der Kühlmittelkanal senkrecht zur Strömungsrichtung
des Kühlmittels umfänglich um den Strömungskanal erstreckt.

Die Beschwerdeführerin hat vorgetragen, die Angabe „der mindestens eine“ sei
als Platzhalter für eine Anzahl mehrerer Kühlmittelkanäle zu verstehen. Daraus
ergebe sich für die Erstreckung um den Strömungskanal über den Winkel  ≤ 45°
in Merkmal 4.2, dass sich die Winkelbereiche mehrerer Kühlmittelkanäle, die sich
um den Strömungskanal erstrecken, aufsummierten und diese Winkelsumme klei-
ner oder gleich 45° sein müsse. Dies lasse sich auch aus den Absätzen [0052]
und [0053] der Beschreibung entnehmen, in denen die Abhängigkeit der Winkel-
größe  vom verwendeten Werkstoff und die Vorteile des geringeren Gewichts des
Gehäuses bei entsprechend kleinerem Winkelbereich beschrieben seien.

Dieser Auslegung kann der Senat nicht beipflichten, denn aus der Beschreibung
ergibt sich vielmehr, dass die Angabe der Winkelgröße, für den Fall dass mehrere
Kühlmittelkanäle vorgesehen sind, für jeden der Kühlmittelkanäle gilt. So be-
schreibt Absatz [0026], dass erfindungsgemäß ein Kühlmittelkanal im Gehäuse
vorgesehen ist, der den Strömungswinkel in einem begrenzten Winkelbereich 
≤ 45° überstreicht. Auch in Absatz [0051], der den von der Beschwerdeführerin
zitierten Absätzen vorangestellt ist, wird eine Ausführungsform beschrieben, die
einen im Gehäuse integrierten Kühlmittelkanal aufweist. Die anschließenden Ab-
sätze können daher nur so gemeint sein, dass die dort gemachten Angaben auch
auf jeden einzelnen Kühlmittelkanal zu beziehen sind, sollten mehrere Kühlmittel-
kanäle vorgesehen werden. Auch Fig. 2b deutet darauf hin, dass mit dem Winkel 
keine Winkelsumme über den Umfang des Strömungskanals für das Abgas zu ver-
stehen ist.

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2. Zum Hauptantrag

a) Das Patentbegehren ist im beantragten Umfang zulässig; es umfasst die
am Anmeldetag ursprünglich eingereichten Ansprüche 1 bis 11.

b) Der Zylinderkopf mit Radialturbine gemäß dem Anspruch 1 ist nicht patent-
fähig, denn er beruht nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit (§§ 1 und 4 PatG).

Die Druckschrift D5 zeigt und beschreibt, vgl. die Fig. 3 sowie die Absätze [0116]
bis [0122], einen Zylinderkopf 9 mit einer Radialturbine 10. Aus der Fig. 3 i. V. m.
Fig. 2 erschließt sich dem Fachmann unmittelbar, dass dort der Zylinderkopf min-
destens einen, nämlich vier Zylinder aufweist, wobei jeder Zylinder mindestens
eine Auslassöffnung 3 zum Abführen der Abgase aus dem Zylinder aufweist und
sich an jede Auslassöffnung 3 eine Abgasleitung 4 anschließt, wobei die Abgaslei-
tungen 4 unter Ausbildung mindestens eines integrierten Abgaskrümmers zu min-
destens einer Gesamtabgasleitung 6 zusammenführen. Die Gesamtabgaslei-
tung 6 mündet in den Eintrittsbereich der Radialturbine 10. Der an die Gesamt-
abgasleitung 6 angeflanschte Eintrittsbereich der Turbine 10 geht in einen Abgas
führenden Strömungskanal über (Merkmale 1 bis 2.4). Die Radialturbine umfasst,
wie Figur 3 ebenfalls zeigt, ein in einem Turbinengehäuse 16 angeordnetes und
auf einer Welle 20 drehbar gelagertes Laufrad 19 (Merkmale 3 und 3.1). Zur Aus-
bildung einer Kühlung der Radialturbine 10 ist diese mit einem im Turbinenge-
häuse 16 integrierten Kühlmittelkanal ausgebildet, dort bezeichnet als Kühlmittel-
mantel 18. Der (mindestens eine) Kühlmittelmantel 18 wird zum einen durch das
Spiralgehäuse 17 und zum anderen durch den Fig. 3 zufolge spiralförmigen Strö-
mungskanal des Abgases geführt. Der Verlauf des Kühlmittelmantels 18 ist in die-
ser Darstellung der nach außen weisenden Kontur des Abgasströmungskanals
nachgebildet und verläuft somit im Gehäuse der Radialturbine 10 ebenfalls spiral-
förmig um deren Welle 20 (Merkmale 4 und 4.1). Die Ausdehnung des Kühlmittel-
mantels hinsichtlich seines Querschnitts senkrecht zur Strömungsrichtung des
Kühlmittels ist der Druckschrift D5 nicht zu entnehmen. Der Fachmann schließt
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aus der Bezeichnung „-mantel“ eher auf einen Kühlmittelkanal, der sich flächig und
zumindest teilweise um den zu kühlenden Strömungskanal herum erstreckt.

Die Beschwerdeführerin trägt zu dem Merkmal 4.1 vor, dieses sei unter Zuhilfe-
nahme der Beschreibung (vgl. Absatz [0097] OS der Anmeldung) so auszulegen,
dass der Kühlmittelkanal dem Strömungskanal spiralförmig bis zum Eintritt des
Abgases in das Laufrad folgt. Der in Figur 3 in der Druckschrift D5 dargestellte
Verlauf des Kühlmittelkanals entspreche dem nicht. Die Figur 3 zeige lediglich
skizzenhaft den Verlauf des Kühlmittelkanals; eine Auslegung der Figur 3 im Sinne
des Patents beruhe auf einer unzulässigen ex-post-Betrachtung der Druck-
schrift D5.

Dem kann nicht zugestimmt werden, denn maßgeblich ist der vom Anspruchswort-
laut definierte Gegenstand. Der gemäß Merkmal 4.1 vorgesehene spiralförmige
Verlauf des Kühlmittelkanals, der dem Verlauf des Abgasstroms um die Welle folgt,
ist zumindest im Längsschnitt eindeutig und ohne weiteres für einen unvoreinge-
nommenen Betrachter in der Figur 3 der Druckschrift D5 erkennbar.

Im Ergebnis offenbart die Druckschrift D5 einen Zylinderkopf mit Radialturbine mit
sämtlichen, den Oberbegriff des Patentanspruchs 1 der vorliegenden Anmeldung
bildenden Merkmalen. Darüber hinaus erfüllt die aus Druckschrift D5 bekannte
Vorrichtung zumindest bereits den Teil des kennzeichnenden Merkmals 4.2 des in
der Anmeldung beanspruchten Zylinderkopfes mit Radialturbine, wonach der min-
destens eine Kühlmittelkanal sich beabstandet zu dem Strömungskanal erstreckt.
Der Fachmann entnimmt das wiederum der Fig. 3, die den Schnitt durch eine
Trennwand skizziert, welche dort den Kühlmittelmantel 18 von dem Teil des Ab-
gaskanals 4 abgrenzt, der sich in die Turbine hinein fortsetzt.

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Der Gegenstand des Anspruchs 1 unterscheidet sich von dem Bekannten folglich
allenfalls darin, dass gemäß dem Merkmal 4.2 der mindestens eine Kühlmittel-
kanal sich umfänglich um den Strömungskanal über einen Winkel von  ≤ 45°
erstreckt.

Zur Lösung der hier bestehenden Aufgabe, eine gattungsgemäße Vorrichtung hin-
sichtlich der Turbine zu optimieren (vgl. D5, Abs. [0024]), verfügt ein Fachmann
bereits über Hintergrundwissen über deren konstruktive Auslegung in thermischer
Hinsicht insoweit, als es für den Motorbetrieb von Vorteil ist, der Turbine ein Abgas
mit möglichst hoher Abgasenthalpie zuzuführen. Dies entspricht auch dem, was
Druckschrift D5 in den Absätzen [0008] bis [0011] vermittelt. Der Fachmann wird
daher bestrebt sein, die über das Kühlmittel in dem Kühlmittelmantel abgeführte
Energie so gering wie möglich zu halten. Gleichzeitig ist einem Fachmann aber
auch bewusst, dass je nach eingesetztem Werkstoff eine gewisse Temperatur
nicht überschritten werden darf, um das Material thermisch nicht zu überlasten.
Das gilt für den Zylinderkopf und gleichermaßen für die daran angrenzenden Bau-
teile, wie das Gehäuse einer abgasbetriebenen Turbine (vgl. Abs. [0015] in D5).

Um einen Kompromiss zwischen der Arbeitsleistung der Turbine und der auftreten-
den Werkstofftemperatur zu finden, bei dem die an das Kühlmittel übertragene
Wärmemenge so gering wie möglich aber so hoch wie nötig zu halten ist, zieht der
Fachmann die weitere Druckschrift D3 heran, denn sie betrifft ebenfalls einen gat-
tungsgemäßen Zylinderkopf mit Radialturbine und befasst sich insbesondere mit
der Gestaltung des Abgasturbinengehäuses unter Berücksichtigung der thermi-
schen Gegebenheiten (Figur 1 sowie Seiten 3, Z. 17 bis S. 4, Z. 3).

Diesbezüglich lehrt Druckschrift D3, dass eine vollständige Überdeckung von Ge-
häusebereichen mittels Kühlmittelpassagen nicht notwendig und aus Kostengrün-
den und fertigungstechnischen Gründen nicht machbar sei. Stattdessen könnten
Kühlmittelpassagen selektiv in den Gehäusebereichen angewendet werden, wo es
gewünscht und kosteneffektiv ist (S. 12, Z. 3 bis 10). Illustriert werden diese Aus-
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führungen anhand der Figur 12, die Anordnungen von Kühlmittelpassagen im
Bereich des Abgasturboladergehäuses zeigt, wobei – wie es Merkmal 4.2 im An-
spruch 1 der Anmeldung vorsieht – mindestens ein Kühlmittelkanal 45 sich ersicht-
lich nicht vollständig umfänglich erstreckt, sondern lediglich über einen bestimm-
ten Winkel und beabstandet zum Strömungskanal für das Abgas.

Der Stand der Technik aus der Druckschrift D5 in der Zusammenschau mit der
Lehre aus der Druckschrift D3 nimmt somit den in der Anmeldung als Erfindung
beanspruchten Gedanken bereits soweit vorweg, dass er dem Fachmann nahe
legt, abhängig von der thermischen Belastbarkeit des gewählten Gehäusewerk-
stoffs die Anzahl sowie die Ausdehnung und Position der Kühlmittelkanäle um den
Strömungskanal so zu wählen, dass ein sicherer Betrieb der Turbine bei möglichst
geringer Wärmeabfuhr gewährleistet ist. Die konkrete Umsetzung der Lehre kann
der Fachmann vornehmen, indem er zwischen den maßgeblichen Parametern
optimiert. Das Auffinden eines definierten Winkelbereichs für die Erstreckung min-
destens eines Kühlmittelkanals um den Strömungskanal liegt insoweit im Bereich
handwerklichen Wissens und Könnens und bedarf somit keines erfinderischen
Zutuns.


3. Zum ersten Hilfsantrag

a) Der Anspruch 1 nach diesem Hilfsantrag ist zulässig, er umfasst die Merk-
male aus den ursprünglich eingereichten Ansprüche 1 und 2, die rückbezogenen
Patentansprüche 2 bis 10 entsprechen den ursprünglich eingereichten Ansprü-
chen 3 bis 11.

b) Der Zylinderkopf mit Radialturbine gemäß diesem Anspruch 1 ist gleichfalls
nicht patentfähig, denn er beruht nach wie vor nicht auf einer erfinderischen
Tätigkeit (§§ 1 und 4 PatG).

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Der Gegenstand des Anspruchs 1 nach Hilfsantrag unterscheidet sich vom
Gegenstand des Anspruchs 1 nach Hauptantrag durch die Aufnahme des Merk-
mals 5, wonach

die Radialturbine (2) zur Ausbildung einer Kühlung einen im Gehäuse (3)
integrierten Kühlmittelkanal (8) aufweist.

Nach Auffassung der Beschwerdeführerin werde dadurch zum Ausdruck gebracht,
dass nunmehr nur ein Kühlmittelkanal im Gehäuse integriert sein solle, im Sinne
von einem einzigen, als Präzisierung von Merkmal 4, laut dem auch mehrere Kühl-
mittelkanäle mit umfasst sein können.

Wie unter 2. b) dargelegt, gelangt der Fachmann durch eine Optimierung der in
der D5 beschriebenen Turbinenkühlung nach der Lehre der Druckschrift D3 be-
reits durch handwerkliches Zutun in naheliegender Weise zum Gegenstand des
Anspruchs 1 nach Hauptantrag. Wie dort beschrieben, wählt der Fachmann die
Anzahl der benötigten Kühlmittelkanäle nach Erfordernis unter anderem in Abhän-
gigkeit des Gehäusewerkstoffs. Mit zunehmender Temperaturbeständigkeit des
eingesetzten Werkstoffs reduziert der Fachmann somit auch entsprechend dem
Hinweis in Druckschrift D3 nach Kosten- und Fertigungsgesichtspunkten die An-
zahl der Kühlmittelkanäle. Dass sich fertigungstechnisch Vorteile dann ergeben,
wenn anstelle mehrerer Kühlmittelkanäle nur einer vorzusehen ist, liegt auf der
Hand.

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4. Zum zweiten Hilfsantrag

a) Der Anspruch 1 nach dem zweiten Hilfsantrag ist nicht zulässig.

Der Gegenstand des Anspruchs 1 nach zweitem Hilfsantrag unterscheidet sich
vom Gegenstand des Anspruchs 1 nach Hauptantrag durch die Aufnahme des
Merkmals 6, wonach

der Strömungskanal (5) abgasseitig keine Wärmeisolierung aufweist.

Die Beschwerdeführerin hat hierzu ausgeführt, dass es sich bei diesem Merkmal
um einen nichtoffenbarten Disclaimer handle.

Seine zusätzliche Aufnahme in den Anspruch ist hier nicht zulässig, denn die Krite-
rien, die einen nicht offenbarten Disclaimer ausnahmsweise zuließen, sind hier
nicht erfüllt. Weder ist einer gesetzlichen Ausnahme von der Patentierbarkeit
Rechnung zu tragen, noch soll die Neuheit gegenüber einer älteren Anmeldung
noch gegenüber einer zufälligen Vorwegnahme – also eine Entgegenhaltung, die
ein Fachmann bei der Lösung des der Anmeldung zugrundeliegenden Problems
nie in Betracht gezogen hätte – hergestellt werden (vgl. Schulte § 34 Rn. 147 und
149). Die Aufnahme dieses Merkmals stellt daher eine unzulässige Erweiterung
dar.


III.

Der Senat sieht keine Veranlassung, die Rückzahlung der Beschwerdegebühr
anzuordnen.

Die von der Beschwerdeführerin erst in der mündlichen Verhandlung vorgetragene
Begründung ihres Antrags, die Beschwerde hätte sich erübrigt, wenn die Druck-
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schrift D5 bereits im Verfahren vor der Prüfungsstelle des Patentamts eingeführt
worden wäre, vermag die Anordnung der Rückzahlung der Beschwerdegebühr
nicht zu rechtfertigen.

Die Prüfungsstelle des Patentamts hat eine sachgerechte begründete Entschei-
dung getroffen. Aus ihrer Sicht bedurfte es keiner weiteren Ermittlungen. Das pa-
tentgerichtliche Verfahren unterliegt jedoch ebenfalls dem Untersuchungsgrund-
satz (§ 87 Abs. 1 PatG), so dass der Senat ebenso wie die Prüfungsstelle den
Sachverhalt in erforderlichem Umfang festgestellt hat.


IV.

Rechtsmittelbelehrung

Dieser Beschluss kann mit der Rechtsbeschwerde nur dann angefochten werden,
wenn einer der in § 100 Absatz 3 PatG aufgeführten Mängel des Verfahrens
gerügt wird. Die Rechtsbeschwerde ist innerhalb eines Monats nach Zustellung
dieses Beschlusses beim Bundesgerichtshof, Herrenstraße 45 a,
76133 Karlsruhe, durch einen beim Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsan-
walt als Bevollmächtigten schriftlich einzulegen.


Dr. Höchst v. Zglinitzki Dr. Fritze Wiegele


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