11 W (pat) 28/12  - 11. Senat (Techn.Beschw.)
Karar Dilini Çevir:

BPatG 154
05.11

BUNDESPATENTGERICHT



11 W (pat) 28/12
_______________
(Aktenzeichen)



Verkündet am
12. Januar 2017





B E S C H L U S S

In der Beschwerdesache



- 2 -
betreffend das Patent 101 12 691

hat der 11. Senat (Technischer Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf
die mündliche Verhandlung vom 12. Januar 2017 unter Mitwirkung des
Vorsitzenden Richters Dr.-Ing. Höchst sowie der Richter v. Zglinitzki,
Dipl.-Ing. Fetterroll und Dipl.-Ing. Wiegele

beschlossen:

Auf die Beschwerde der Patentinhaberin wird der Beschluss der
Patentabteilung 1.13 des Deutschen Patent- und Markenamts vom
5. Juli 2012 aufgehoben und das Patent DE 101 12 691 mit den
Patentansprüchen 1 bis 10 und der Beschreibung vom 12. Ja-
nuar 2017 sowie den Zeichnungen gemäß Patentschrift be-
schränkt aufrechterhalten.


G r ü n d e

I.

Gegen das am 16. März 2001 beim Deutschen Patent- und Markenamt angemel-
dete und am 7. August 2008 veröffentlichte Patent 101 12 691 mit der Bezeich-
nung

„Verfahren zum Betreiben eines Zweitakt-Großdieselmotors sowie
Zweitakt-Großdieselmotor“

ist Einspruch erhoben worden. Die Einsprechende hat geltend gemacht, der
Gegenstand des Patents sei weder neu, noch beruhe er auf einer erfinderischen
- 3 -
Tätigkeit. Ihr Vorbringen hinsichtlich der Patentfähigkeit hat sie auf die Druckschrif-
ten

D1 CIMAC: “Guidelines for the Lubrication of two-stroke crosshead diesel
engines”, Working group “Lubricants”; 30. Juni 1997
D2 J JP H3-194109 A
D2 A “Patent Abstracts of Japan” der D2
D2 E englische Übersetzung der D2
D3 J JP S64-41619 A
D3 A “Patent Abstracts of Japan” der D3 (veröff. als JP 01041619 A)
D3 E englische Übersetzung der D3
D4 Department of Industry: „Piston ring design“; Report TRD 162, 1974
D5 J JP H5-163919 A
D5 A “Patent Abstracts of Japan” der D5
D5 V englische Übersetzung der D5
D6 J JP S62-190813 U
D6 E englische Übersetzung der D6
D7 J JP S60-67711 A
D7 A “Patent Abstracts of Japan” der D7
D7 E englische Übersetzung der D7
D8 J JP S61-178510 A
D8 A “Patent Abstracts of Japan” der D8
D8 E englische Übersetzung der D8

gestützt. Im Prüfungsverfahren wurden zudem noch die Druckschriften

PV1 DE 199 02 928 C1
PV2 DE 199 63 204 A1
PV3 EP 0 930 503 A1
- 4 -
PV4 JP S54-47041 A
PV5 Bartholome, E., Biekert, E. (u. a.) (Hrsg.): Ullmanns Enzyklopädie der
technischen Chemie, 4. Auflage Weinheim, Bergstr: Verlag Chemie, 1976,
Band 11, S. 498, ISBN. 3-527-20001-8

berücksichtigt.

Die Patentinhaberin hatte ihr Patent in der erteilten Fassung und außerdem mit
neuen Ansprüchen gemäß Hilfsantrag verteidigt.

Die Patentabteilung 1.13 des Deutschen Patent- und Markenamts hat das Patent
durch Beschluss vom 5. Juli 2012 widerrufen.

Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde der Patentinhaberin.

Die Beschwerdeführerin vertritt die Auffassung, dass Widerrufsgründe nicht vorlä-
gen, und beantragt,

den angefochtenen Beschluss aufzuheben und das Patent mit den
Patentansprüchen 1 bis 10 sowie der Beschreibung vom 12. Ja-
nuar 2017 und den Zeichnungen gemäß Patentschrift beschränkt
aufrechtzuerhalten.

Die Beschwerdegegnerin und Einsprechende beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Sie macht geltend, auch die beschränkt verteidigten Patentgegenstände seien
nicht patentfähig und nicht ausführbar.

- 5 -
Der geltende Patentanspruch 1 lautet in gegliederter Fassung (Gliederungszei-
chen ergänzt):

„M 1.1 Verfahren zum Betreiben eines Zweitakt-Großdieselmotors, dessen Zylin-
dern Brennstoff und Schmiermittel zugeführt werden, das nach einmali-
gem Durchgang verbraucht ist,
M 1.2 wobei der S-Gehalt des zugeführten Brennstoffs ermittelt und in Abhängig-
keit hiervon auf die Schmiermittelzufuhr eingewirkt wird,
dadurch gekennzeichnet, dass
M 1.3 das den Zylindern zugeführte Schmiermittel aus einem Schmiermittelvor-
ratsbehälter stammt und über eine hiervon abgehende Versorgungsleitung
den Zylindern zugeführt wird,
M 1.4 wobei die jedem Zylinder zugeführte Schmiermittelmenge in Abhängigkeit
von der am Zweitakt-Großdieselmotor angreifenden Last gleichsinnig mit
dieser verändert wird,
M 1.5 und dabei die jeder Last zugeordnete Schmiermittelmenge in direkter oder
indirekter Abhängigkeit vom S-Gehalt des zugeführten Brennstoffs gleich-
sinnig mit dem S-Gehalt variiert wird,
M 1.6 und wobei die zugeführte Schmiermittelmenge unabhängig vom S-Gehalt
des zugeführten Brennstoffs und der Last unter eine Mindestmenge, die
zum Abtransport von Verunreinigungen benötigt wird, nicht abgesenkt und
M 1.7 unabhängig vom S-Gehalt des zugeführten Brennstoffs über eine Höchst-
menge, die etwa 50% über dem der jeweiligen Last zugeordneten Normal-
verbrauch liegt, nicht erhöht wird, und
M 1.8 dass der Fe-Gehalt des benutzten Schmiermittels laufend überwacht wird
und an Hand dessen der tatsächliche Verschleiß ermittelt wird, der mit
einem tolerierten Verschleiß verglichen wird, wobei im Falle einer unzuläs-
sigen Abweichung ein Alarm ausgelöst wird.“

Hieran schließen sich Unteransprüche 2 bis 5 an.

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Der geltende Patentanspruch 6 hat in gegliederter Fassung folgenden Wortlaut
(Gliederungszeichen ergänzt):

„M 6.1 Zweitakt-Großdieselmotor zur Durchführung des Verfahrens nach einem
der vorhergehenden Ansprüche mit wenigstens einem Zylinder (1), dem
eine eine Brennstoffleitung (5) enthaltende Brennstoffversorgungseinrich-
tung (3) und eine eine Versorgungsleitung (9) und eine Entsorgungslei-
tung (10) enthaltende Schmiermittelversorgungseinrichtung (7) zugeordnet
sind,
dadurch gekennzeichnet, dass
M 6.2 die Versorgungsleitung (9) von einem Schmiermittelvorratsbehälter (8)
abgeht und dass der Schmiermittelversorgungseinrichtung (7) eine Dosier-
einrichtung (11) zugeordnet ist, mittels welcher die jedem Zylinder (1)
zugeführte Schmiermittelmenge in direkter oder indirekter Abhängigkeit
vom S-Gehalt des zugeführten Brennstoffs gleichsinnig mit einer Ände-
rung des S-Gehalts variierbar ist und dass
M 6.3 die Dosiereinrichtung (11) als automatische Steuer- oder Regelungsein-
richtung ausgebildet ist, die einen programmierbaren Rechner (12) mit
Eingängen für den Ist-Werten zugeordnete Signale und Ausgängen für
wenigstens ein in der Schmiermittelversorgungsleitung (9) vor den Zylin-
dern angeordnetes Dosierorgan (13) und eine Alarmeinrichtung (25) auf-
weist,
M 6.4 wobei der Rechner (12) einen Eingang (15) für ein der an der Hubkolben-
brennkraftmaschine angreifenden Last entsprechendes Signal aufweist
und so programmiert ist, dass die der Last entsprechende Schmiermittel-
menge in Abhängigkeit vom S-Gehalt des zugeführten Brennstoffs variier-
bar ist und dass
M 6.5 die zugeführte Schmiermittelmenge unabhängig vom S-Gehalt des zuge-
führten Brennstoffs und der Last unter eine Mindestmenge, die zum Ab-
transport von Verunreinigungen benötigt wird, nicht abgesenkt und
- 7 -
M 6.6 unabhängig vom S-Gehalt des zugeführten Brennstoffs über eine Höchst-
menge, die etwa 50% über dem der jeweiligen Last zugeordneten Normal-
verbrauch liegt, nicht erhöht wird, und dass
M 6.7 in der Schmiermittelentsorgungsleitung (10) wenigstens ein Sensor (22)
vorgesehen ist, der den Fe-Gehalt des Schmiermittels erfasst und dessen
Ausgangssignal dem Rechner zugeführt wird,
M 6.8 der an Hand des Fe-Gehalts des benutzten Schmiermittels den Verschleiß
ermittelt und mit dem tolerierten Verschleiß vergleicht und im Falle einer
unzulässigen Abweichung die Alarmeinrichtung (25) aktiviert.“

Hieran schließen sich Unteransprüche 7 bis 10 an.

Wegen des Wortlauts der geltenden nachgeordneten Ansprüche 2 bis 5 sowie 7
bis 10 und weiterer Einzelheiten des Vorbringens wird auf die Akten verwiesen.


II.

Die zulässige Beschwerde ist nunmehr begründet, indem sie antragsgemäß zur
beschränkten Aufrechterhaltung des Patents führt.


A.

Die Streitpatent betrifft ein Verfahren zum Betreiben eines Zweitakt-Großdieselmo-
tors, dessen Zylindern Brennstoff und Schmiermittel zugeführt werden, das nach
einmaligem Durchgang verbraucht ist, wobei der S-Gehalt des zugeführten Brenn-
stoffs ermittelt und in Abhängigkeit hiervon auf die Schmiermittelzufuhr eingewirkt
wird, sowie einen hierfür geeigneten Zweitakt-Großdieselmotor zur Durchführung
des Verfahrens mit wenigstens einem Zylinder, dem eine eine Brennstoffleitung
enthaltende Brennstoffversorgungseinrichtung und eine eine Versorgungsleitung
- 8 -
und eine Entsorgungsleitung enthaltende Schmiermittelversorgungseinrichtung zu-
geordnet sind.

In der Beschreibung ist ausgeführt, ein derartiges Verfahren und ein derartiger
Motor seien aus der JP 01041619 A (D3A) bekannt. Diese beschreibe zwei
Schmiermitteltanks mit unterschiedlichem Gehalt an Additiven. Abhängig vom im
Betrieb der Brennkraftmaschine vorliegenden Schwefel-Gehalt des Brennstoffs,
werde eine Mischung der beiden Schmieröle hergestellt und dem Motor zugeführt.
Auch seien aus dem Stand der Technik Verfahren zur Bestimmung des Ölwechsel-
intervalls bzw. zur Ausdehnung des Ölwechselintervalls bekannt. So berechne das
in der DE 199 63 204 A1 (PV2) beschriebene System abhängig von dem Schwe-
felgehalt des Kraftstoffs und weiteren Motorparametern durch eine Steuereinheit
periodisch die Verschlechterung des Schmieröls, woraus das Zeitintervall für den
Ölwechsel abgeleitet werde. Durch die in der DE 199 02 928 C1 (PV1) offenbarten
Maßnahmen sollen die Ölwechselintervalle stark ausgedehnt werden, in dem über
einen längeren Zeitraum das Schmieröl durch Reinigung, Zugabe von Additiven
oder Austausch in einer guten Qualität gehalten werde. Auch werde in der Praxis
die den Zylindern pro Zeiteinheit zugeführte Schmiermittelmenge häufig ausge-
hend von einem innerhalb eines bestimmten Zeitraums tolerierten Durchschnitts-
verschleiß als feste Größe vorgegeben. Dies könne jedoch zu einem unnötig ho-
hen Schmiermittelverbrauch führen, der zudem als Folge zu einem Fressen des
Zylinders führen könne.

Vor diesem Hintergrund soll die zu lösende Aufgabe sein, bei einem Verfahren und
einem Motor der eingangs erwähnten Art eine vergleichsweise hohe Wirtschaft-
lichkeit und Sicherheit zu gewährleisten.

Maßgeblicher Fachmann ist ein Hochschulabsolvent der Fachrichtung Maschinen-
bau mit mehrjähriger Berufserfahrung auf dem Gebiet der Entwicklung und Kon-
struktion von Schmiermittelsystemen für Brennkraftmaschinen.

- 9 -
B.

1. Das Patentbegehren ist zulässig.

Der geltende Anspruch 1 ergibt sich aus einer Zusammenfassung der erteilten
Ansprüche 1 bis 4 sowie 8. Der nebengeordnete Anspruch 6 findet seine Stütze in
einer Zusammenfassung der erteilten Ansprüche 10 bis 12, 3 und 4 sowie 16. Die
geltenden Ansprüche 2 bis 5 gehen inhaltlich auf die erteilten Ansprüche 5 bis 7
und 9, die geltenden Ansprüche 7 bis 10 auf die erteilten Ansprüche 13 bis 15 und
17 zurück. Die erteilten Ansprüche entsprechen inhaltlich den ursprünglich einge-
reichten Ansprüchen, wobei in Anspruch 1 noch Angaben aus Abs. [0024] der
Offenlegungsschrift eingeflossen sind. Die Beschreibung entspricht der ursprüng-
lich eingereichten mit den üblichen Anpassungen an die geltende Anspruchsfas-
sung sowie Angaben zum Stand der Technik.

2. Zum Patentanspruch 1

2.1 Unter der im Patentanspruch 1 benutzten Angabe „S-Gehalt“ ist der Schwe-
felgehalt des Brennstoffs zu verstehen, wie aus dem Absatz [0011] eindeutig her-
vorgeht. Dieser kann gemäß dem Absatz [0011] durch direkte Messung in dem
zugeführten Brennstoff oder auch, wie in Absatz [0012] ausgeführt, indirekt über
einen vom Schwefelgehalt des zugeführten Brennstoffs beeinflussten, im benutz-
ten Schmiermittel feststellbaren Parameter bestimmt werden.

Bei dem in Merkmal M 1.8 beschriebenen „Fe-Gehalt“ handelt es sich, wie im
Absatz [0035] des Streitpatents ausgeführt, um den Eisengehalt im benutzten
Schmiermittel.

Die Angabe „aus einem Schmiermittelbehälter“ in Merkmal M 1.3 dient nicht nur
der Einführung des Schmiermittelbehälters im Anspruch 1. Vielmehr ist „einem“
auch als numerische Angabe zu verstehen. Denn das vorliegende Verfahren wird
- 10 -
in vorteilhafter Weise mit einer Schmiermittelart und somit auch nur mit einem (ein-
zigen) Schmiermittelbehälter durchgeführt (vgl. Abs. [0009]), im Gegensatz zu
dem in der Beschreibung genannten Stand der Technik JP 01 041619 A (PV5) bei
dem unterschiedliche Schmieröle aus zwei Behältern gemischt werden.

Die Schmiermittelmenge wird nach Anspruch 1 abhängig von zwei Parametern
zugeführt. Gemäß dem Merkmal M 1.4 wird die jedem Zylinder zugeführte
Schmiermittelmenge in Abhängigkeit von der an dem Zweitakt-Großdieselmotor
angreifenden Last gleichsinnig mit der Last verändert. Diese jeder Last zugeord-
nete Schmiermittelmenge wird zudem in Abhängigkeit vom S-Gehalt des Brenn-
stoffs variiert, und zwar, wie in Merkmal M 1.5 beschrieben, gleichsinnig mit der
Änderung des S-Gehalts. Die zuzuführende Schmiermittelmenge wird somit je-
weils gleichsinnig bei jeder Änderung eines der Parameter angepasst. Sowohl die
Last und auch der Schwefelgehalt des Brennstoffs können unabhängig voneinan-
der sowohl zunehmen oder auch abnehmen, d. h. sich gegenläufig auf die vorzu-
nehmende Änderung der zugeführten Schmiermittelmenge auswirken. Die resul-
tierende Änderung der zugeführten Schmiermittelmenge ist somit das Ergebnis
einer Überlagerung der durch die beiden Parameter jeweils ausgelösten Änderun-
gen.

2.2 Das Verfahren zum Betreiben eines Zweitakt-Großdieselmotors ist so deut-
lich und vollständig offenbart, dass ein Fachmann es ausführen kann.

Die Einsprechende ist der Auffassung, dass beanspruchte Verfahren sei nicht aus-
führbar.

Sie gehe zwar davon aus, dass der Fachmann in der Lage sei, die in Merk-
mal M 1.6 beschriebene Mindestmenge der zugeführten Schmiermittelmenge im
Rahmen des fachmännischen Handelns zu bestimmen. Andernfalls ergebe es sich
aus dem Streitpatent jedoch nicht, wie diese ermittelt bzw. bemessen werden
könne.
- 11 -
Weiter sei durch den Anspruch 1 in Merkmal M 1.4 definiert, dass die zuzufüh-
rende Schmiermittelmenge gleichsinnig mit der Last des Zweitakt-Großdieselmo-
tors verändert werde. Da jedoch der S-Gehalt des Brennstoffs als weiterer, eben-
falls zu berücksichtigendem Parameter, eine Änderung der Schmiermittelmenge
entgegen der durch die Laständerung hervorgerufenen Schmiermittelmenge be-
wirken könne, sei dem Fachmann nicht klar, wie er dies umsetzen könne, müsse
er die Zufuhr der Schmiermittelmenge nun erhöhen oder reduzieren.

Darüber hinaus wisse der Fachmann nicht, wie er die laufende Überwachung des
Fe-Gehalts im verbrauchten Schmiermittel realisieren solle. Wie der Fe-Gehalt
laufend bestimmt bzw. welcher Sensor dazu benutzt werde, sei dem Streitpatent
nicht entnehmbar. Auch seien derartige Sensoren zum Zeitpunkt der Patentanmel-
dung nicht bekannt gewesen.

Diese Argumente halten einer Überprüfung jedoch nicht stand.

Dem Fachmann ist bekannt, dass zur Sicherstellung des Betriebs eines Zweitakt-
Großdieselmotors eine Schmierung der Zylinder gewährleistet sein muss. Die Er-
mittlung einer Mindestmenge an Schmiermittel, um einen Abtransport von Verun-
reinigungen für einen vorgegebenen Großdieselmotors sicherzustellen, führt der
Fachmann im Rahmen seines Wissens und Könnens durch (vgl. z. B. D1; S. 9,
4. Abs.).

Wie schon unter 2.1 ausgeführt, ergibt sich aus den Merkmalen M 1.4 und M 1.5,
dass die zuzuführende Schmiermittelmenge bei einer Änderung der Last und auch
des Schwefelgehalts jeweils gleichsinnig mit der Änderung des jeweiligen Parame-
ters angepasst wird und die resultierende Änderung der Schmiermittelzufuhrrate
das Ergebnis einer Überlagerung ist. Auch wenn die Laständerungen und die Än-
derungen des S-Gehalts im Brennstoff gegenläufige Änderungen der Zufuhrraten
des Schmiermittels bewirken sollten, weiß der Fachmann was zu tun ist. Wie
schon im Anspruch festgehalten, wird die jeder Last zugeordnete Schmiermittel-
- 12 -
menge in Abhängigkeit vom S-Gehalt des zugeführten Brennstoffs gleichsinnig mit
dem S-Gehalt variiert. Dies ist eine unmissverständliche Anweisung, jeder Last
eine Schmiermittelmenge (entsprechend Merkmal 1.4) zuzuordnen und bei gege-
bener Last die Schmiermittelmenge mit dem S-Gehalt zu verändern.

Es trifft zu, dass in der Patentschrift ein Sensor oder ein Verfahren zum Bestim-
men eines Fe-Gehalts im verbrauchten Schmiermittel nicht beschrieben ist. Das
Streitpatent ist jedoch nicht auf solche Sensoren oder Verfahren an sich gerichtet.
Zudem waren dem Fachmann am Anmeldetag Sensoren bekannt, die eine lau-
fende Bestimmung des Fe-Gehalts ermöglichen, z. B. durch einen induktiven Sen-
sor, der die durch die ferromagnetischen Partikel im Schmiermittel induzierten
Spannungsunterschiede misst.

2.3 Das zweifelsfrei gewerblich anwendbare Verfahren nach Anspruch 1 ist
– wie auch zwischen den Beteiligten unstreitig – neu.

So sind aus keiner der im Verfahren befindlichen Druckschriften explizit die Merk-
male M 1.7 und M 1.8 bekannt, wonach

 die Schmiermittelmenge unabhängig vom S-Gehalt des zugeführten Brenn-
stoffs über eine Höchstmenge, die etwa 50% über dem der jeweiligen Last
zugeordneten Normalverbrauch liegt, nicht erhöht wird, und

 der Fe-Gehalt des benutzten Schmiermittel laufend überwacht wird und an
Hand dessen der tatsächliche Verschleiß ermittelt wird, der mit einem tole-
rierten Verschleiß verglichen wird, wobei im Falle einer unzulässigen Abwei-
chung ein Alarm ausgelöst wird.

2.4 Der Gegenstand des Anspruchs 1 beruht auch auf einer erfinderischen
Tätigkeit.

- 13 -
Zutreffend ist die Patentabteilung davon ausgegangen, dass als geeigneter Aus-
gangspunkt zur Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit die Druckschrift D1 anzu-
sehen ist.

Bei der Druckschrift D1 handelt es sich um eine Veröffentlichung des „International
Council on Combustion Engines“. Darin werden allgemein Richtlinien und Zusam-
menhänge bei der Schmierung von Zwei-Takt Dieselmotoren behandelt. Auf Sei-
te 3 sowie in den Figuren 1 und 2 wird ein Zweitakt-Großdieselmotor beschrieben
und gezeigt, dessen Zylindern Brennstoff und Schmiermittel zugegeben werden,
das nach einmaligem Durchgang verbraucht ist (vgl. Abschnitt 3.2, 1. Abs.; Merk-
mal M 1.1). Die Figur 1 zeigt weiter auch einen Schmiermittelbehälter (cylinder oil
service tank) von dem aus das Schmiermittel über eine hiervon abgehende Ver-
sorgungsleitung den Zylindern zugeführt wird (Merkmal M 1.3) und eine Variation
der jedem Zylinder zugeführten Schmiermittelmenge (manual quantity regulator),
in Abhängigkeit von der an dem Zweitakt-Großdieselmotor angreifenden Last (au-
tomatic load-dependent quantity control; Merkmal M 1.4). Die Variation findet auch
gleichsinnig statt, also bei Erhöhung der Last wird auch eine Erhöhung der
Schmiermittelmenge durchgeführt. Dieser Zusammenhang geht auch aus der
Figur 2 hervor; dort ist eine Regelstange zwischen dem „Regulator“ und dem
„Lubricator“ eingezeichnet, die eine gleichsinnige Änderung der Schmiermittel-
menge bei einer Laständerung bewirkt. Weiter geht die Druckschrift D1 in dem
Abschnitt 3.4 auf die dem Motor zugeführte Schmiermittelmenge (oil feed rates)
und auf Sicherheitsaspekte bezüglich einer Mindest- bzw. einer Höchstmenge ein.
So ist im 4. Absatz auf S. 9 ausgeführt, dass bei zu geringer Schmiermittelmenge
ein Verschleiß/Fressen stattfinden kann, wenn der Ölfilm zwischen dem Kolben-
ring und der Zylinderbuchse aufreißt. Um dieses Risiko zu vermeiden, ist ein ge-
wisser Betrag an Schmieröl nötig. Dieser Absatz beschreibt somit das Merk-
mal M 1.6, dass die Schmiermittelmenge unabhängig vom S-Gehalt und der Last
unter eine Mindestmenge nicht abgesenkt wird. Auch lehrt dieser Abschnitt 3.4,
eine übermäßige Schmiermittelzufuhr zu vermeiden. Im dritten Absatz der Seite 9
wird beschrieben, dass eine überhöhte Schmiermittelzufuhr („excessive feed rate“)
- 14 -
zu Ablagerungen auf der Innenseite des Zylinders führt. Der Fachmann entnimmt
hieraus unmittelbar, die Schmiermittelmenge nicht über eine gewisse Menge, eine
Höchstmenge, anzuheben (Teilmerkmal M 1.7).

Hiervon unterscheidet sich der Gegenstand des Anspruchs 1 darin, dass

 der S-Gehalt des zugeführten Brennstoffs ermittelt und in Abhängigkeit
hiervon auf die Schmiermittelzufuhr eingewirkt wird (Merkmal M 1.2),

 wobei die jeder Last zugeordnete Schmiermittelmenge in direkter oder
indirekter Abhängigkeit vom S-Gehalt des zugeführten Brennstoffs gleich-
sinnig mit dem S-Gehalt variiert wird (Merkmal M 1.5),

 die Höchstmenge an zugeführter Schmiermittelmenge etwa 50% über
dem der jeweiligen Last zugeordneten Normalverbrauch liegt (Teilmerk-
mal M 1.7) und

 dass der Fe-Gehalt des benutzten Schmiermittel laufend überwacht wird
und an Hand dessen der tatsächliche Verschleiß ermittelt wird, der mit
einem tolerierten Verschleiß verglichen wird, wobei im Falle einer unzuläs-
sigen Abweichung ein Alarm ausgelöst wird (Merkmal M 1.8).

Es trifft wohl zu, dass ein Teil dieser Merkmale durch die Lehre aus der Druck-
schrift D1 nahe gelegt ist.

So ist dem Abschnitt 3.4 zu entnehmen (vgl. S. 9, 5. bis 6. Absatz), dass die zuzu-
führende Schmiermittelmenge lastabhängig erfolgen solle. Es wird dazu geraten,
von der vorgeschlagenen lastabhängigen Zufuhrrate unter bestimmten Umständen
abzuweichen. Unter anderen beeinflusse der Schwefelgehalt des zugeführten
Brennstoffs die Schmierung. Durch diesen Hinweis ist der Fachmann veranlasst,
die zugeführte Schmiermittelmenge nicht nur abhängig von der Last der Brenn-
- 15 -
kraftmaschine, sondern auch abhängig von dem vorliegenden Schwefelgehalt des
Brennstoffs einzustellen (Merkmale M 1.2 und M 1.4).

Der Abschnitt 3.4 enthält auch den Hinweis (vgl. S. 9, 7. Absatz), dass bei einer
Verbrennung von Brennstoff mit höherem Schwefelgehalt mehr Säure produziert
werde, die mehr Alkalinität zur Neutralisierung erfordere. Das Neutralisieren von
sauren Komponenten ist einer der Zwecke der Zylinderschmierung (vgl. auch Ab-
schnitt 3.1, 4. Spiegelstrich). Wenn eine ausreichende Neutralisierung über die zu-
geführte Schmiermittelmenge (Abschnitt 3.4) gewährleistet werden soll, ist dies
nur möglich, sofern die Schmiermittelmenge gleichsinnig mit dem S-Gehalt des
Brennstoffs variiert wird (Merkmal 1.5).

Ausgehend von dem im dritten Absatz der S. 9 (D1) beschriebenen Problem, dass
bei zu hoher Schmiermittelmenge Ablagerungen auftreten können, wird der Fach-
mann die Schmiermittelmenge entsprechend lastabhängig begrenzen, um diese
Nachteile zu vermeiden. Darüber hinaus erhält der Fachmann durch den Ab-
satz 3.6.2 „Wear and Economics of Cylinder Lubrication“ auf den Seiten 11 und 12
der D1 einen weiteren Hinweis, die Menge an zugeführtem Schmiermittel zu be-
grenzen. Gemäß der vorliegenden Aufgabenstellung des Streitpatents wird dort,
zur Minimierung der Betriebskosten, eine Abwägung der akzeptablen Verschleiß-
rate und der Menge an zugeführtem Schmiermittel vorgeschlagen. Wenn beim
Fachmann keine Anhaltspunkte für die mengenmäßige Festlegung einer Ober-
grenze für das zuzuführende Schmiermittel bestehen sollten, wird er im Rahmen
der Auslegung des Schmiersystems spätestens anhand einer überschaubaren
Anzahl von Versuchen darauf hinarbeiten, diese Grenze zu ermitteln. Sie wird das
Ergebnis aus einem Kompromiss zwischen der Menge sein, die zu unerwünschten
Ablagerungen führt, und der Menge, bei der die Betriebskosten minimal sind. Das
Ergebnis wird motorabhängig und abhängig davon sein, welche Kosten betriebs-
wirtschaftlich angesetzt werden. Diese Überlegungen führen den Fachmann zu
einer Obergrenze, die nicht notwendigerweise bei 50% über dem der jeweiligen
- 16 -
Last zugeordneten Normalverbrauch liegt. Allerdings lässt der geltende Patentan-
spruch diesen Wert mit dem Zusatz „etwa“ auch im Ungefähren (Teilmerkmal 1.7).

Auch wenn unterstellt wird, der Fachmann lege die Höchstmenge an zugeführter
Schmiermittelmenge bei etwa 50% über dem der jeweiligen Last zugeordneten
Normalverbrauch fest, kann die Druckschrift D1 letztendlich nicht zum Streitgegen-
stand führen, denn ihr ist kein Hinweis zu entnehmen, einen tatsächlichen Ver-
schleiß durch die Messung eines Fe-Gehalts im verbrauchten Schmiermittel zu
ermitteln.

Die Druckschrift D4 geht als einzige der im Verfahren befindlichen Druckschriften
auf einen Zusammenhang zwischen Eisenpartikeln und einem auftretenden Ver-
schleiß ein, vgl. dort den Übergang von Seite 60 auf Seite 61. Explizit wird auf die
Phänomenologie eingegangen, wie Eisensulfat und Eisenpartikel von der Oberflä-
che herausgelöst werden und daraus, durch die Temperaturen in der Verbren-
nungskammer, sehr hartes Eisen(III)-oxid entsteht, das wiederum zwischen den
Reibflächen den Verschleiß erhöht. Warum nun der Fachmann ausgehend von
dieser Untersuchung zu den grundsätzlich ablaufenden Mechanismen den Eisen-
gehalt im benutzten Schmiermittel eines Zweitakt-Großdieselmotors im Betrieb be-
stimmen und daraus den tatsächlichen Verschleiß ermitteln sollte, erschließt sich
nicht. Die angeführte Textpassage behandelt lediglich allgemein einen möglichen
(„another theory“) Mechanismus für den Verschleiß an den Reibflächen. Ein Hin-
weis darauf, die Eisenpartikel und somit den Fe-Gehalt des Schmiermittels laufend
zu überwachen, kann der Fachmann nicht entnehmen. Darüber hinaus behandelt
die Druckschrift D4 die Auslegung von Kolbenringen („Piston ring design“) und
geht auch nicht weiter auf die Auslegung eines Schmiermittelkreislaufs eines Zwei-
takt-Großdieselmotors ein.

Den weiteren Druckschriften D2, D3, D5 bis D8 sowie PV1 bis PV5 ist ein Hinweis
darauf, den Fe-Gehalt eines benutzten Schmiermittels in einem Schmiermittel-
kreislauf zu überwachen ebenfalls nicht zu entnehmen.
- 17 -
2.5 Die auf den Anspruch 1 rückbezogenen Ansprüche 2 bis 5 betreffen jeweils
weitere über Selbstverständlichkeiten hinausgehende Ausführungsformen und
werden von diesem getragen.

3. Zum nebengeordneten Patentanspruch 6

3.1 Der Patentanspruch 6 beschreibt einen Zweitakt-Großdieselmotor zur
Durchführung eines Verfahrens nach einem der Ansprüche 1 bis 5. Zur Auslegung
der einzelnen Merkmale wird auf das in Abschnitt 2.1 Gesagte verwiesen.

3.2 Der zweifelsohne gewerblich anwendbare Zweitakt-Großdieselmotor nach
Anspruch 6 ist auch patentfähig.

Wie zu dem Patentanspruch 1 ausgeführt, offenbart keine der im Verfahren be-
rücksichtigten Druckschriften die Überwachung des Fe-Gehalts im benutzten
Schmiermittel oder legt diese nahe.

Daher ist auch der Zweitakt-Großdieselmotor gemäß Patentanspruch 6, der laut
den Merkmalen M 6.7 und M 6.8 wenigstens einen Sensor in der Schmiermittel-
entsorgungsleitung umfasst, der den Fe-Gehalt des Schmiermittels erfasst, aus
den gleichen Gründen, wie zum Patentanspruch 1 ausgeführt, neu und auf einer
erfinderischen Tätigkeit beruhend.

3.3 Die auf den Anspruch 6 rückbezogenen Ansprüche 7 bis 10 betreffen je-
weils weitere über Selbstverständlichkeiten hinausgehende Ausführungsformen
und werden von diesem getragen.

- 18 -
III.

Rechtsmittelbelehrung

Dieser Beschluss kann mit der Rechtsbeschwerde nur dann angefochten werden,
wenn einer der in § 100 Absatz 3 PatG aufgeführten Mängel des Verfahrens
gerügt wird. Die Rechtsbeschwerde ist innerhalb eines Monats nach Zustellung
dieses Beschlusses beim Bundesgerichtshof, Herrenstraße 45 a,
76133 Karlsruhe, durch einen beim Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsan-
walt als Bevollmächtigten schriftlich einzulegen.


Dr. Höchst v. Zglinitzki Richter am BPatG
Fetterroll kann wegen
Krankheit nicht unter-
schreiben

Dr. Höchst
Wiegele


Fa



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