11 W (pat) 2/17  - 11. Senat (Techn.Beschw.)
Karar Dilini Çevir:

ECLI:DE:BPatG:2017:141217B11Wpat2.17.0


BUNDESPATENTGERICHT



11 W (pat) 2/17
_______________
(Aktenzeichen)



Verkündet am
14. Dezember 2017





B E S C H L U S S

In der Beschwerdesache









betreffend die Patentanmeldung 10 2008 064 707.1

hat der 11. Senat (Technischer Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf
die mündliche Verhandlung vom 14. Dezember 2017 unter Mitwirkung des
Vorsitzenden Richters Dr.-Ing. Höchst sowie der Richter v. Zglinitzki,
Dipl.-Ing. Wiegele und Dr.-Ing. Schwenke

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beschlossen:

Auf die Beschwerde wird der Beschluss der Prüfungsstelle für
Klasse A47F des Deutschen Patent- und Markenamts vom
23. Juni 2015 aufgehoben und das Patent DE 10 2008 064 707
mit den Patentansprüchen 1 und 2 und der Beschreibung vom
14. Dezember 2017 sowie den aus den ursprünglich eingereichten
Fig. 1 bis 7 bestehenden Zeichnungen erteilt.


G r ü n d e

I.

Mit Beschluss vom 23. Juni 2015 hat die Prüfungsstelle für Klasse A47F des
Deutschen Patent- und Markenamtes die am 10. August 2010 eingereichte Patent-
anmeldung 10 2008 064 707.1 (Teilanmeldung aus 10 2008 010 586.4 im Folgen-
den ursprüngliche Anmeldung genannt) mit der Bezeichnung

„Tür für Warenpräsentationsmöbel“

mit der Begründung zurückgewiesen, der Gegenstand des Anspruchs 1 beruhe
nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit. Die Prüfungsstelle stützt ihre Entscheidung
auf die Druckschrift

D5 EP 0 386 342 A1.

Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde der Anmelderin.

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Sie beantragt,

den angefochtenen Beschluss des Patentamts aufzuheben und
das Patent mit den Patentansprüchen 1 und 2 und der Beschrei-
bung vom 14. Dezember 2017 sowie den Fig. 1 bis 7 der ur-
sprünglich eingereichten Zeichnungen zu erteilen.

Mit diesem Antrag richtet sich das Patentbegehren auf ein

„Warenpräsentationsmöbel mit Türen“.

Der Patentanspruch 1 hat in gegliederter Fassung folgenden Wortlaut:

1 Warenpräsentationsmöbel zur Präsentation von Kühl- oder Gefrierwaren mit
2 einer vertikalen Zugangsöffnung zum Warenraum, der in vertikal übereinan-
der geordnete Fächer unterteilt ist, wobei
3 die dem Kunden zugängliche Frontseite des Warenraumes mit transparen-
ten, horizontal beweglichen Türen (1) verschließbar ist, wobei
4 an den Türen (1) Drehbolzen (6, 62) angeordnet sind, um die die Türen (1)
schwenkbar sind, dadurch gekennzeichnet, dass
5 der obere Drehbolzen (6) schwimmend in einer Lagerbuchse (61) an einem
Deckenrahmen (63) des Warenpräsentationsmöbels in Vertikalrichtung frei
beweglich gelagert ist, so dass der Abstand der Türoberkante (10’) zum De-
ckenrahmen (63) des Warenpräsentationsmöbels einstellbar ist, wobei
6 die Tür (1) zwei voneinander beabstandete Scheiben (11, 12) aufweist und
7 die Drehbolzen (6, 62) jeweils an einem Verstärkungsstück (2) befestigt sind,
7.1 das zwischen die Scheiben (11, 12) der Tür (1) eingesetzt und mit den Schei-
ben (11, 12) verschraubt oder verklebt ist.

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Wegen des Wortlauts des geltenden nachgeordneten Anspruchs 2 und weiterer
Einzelheiten des Vorbringens der Beschwerdeführerin wird auf die Akten verwie-
sen.

Als weiterer Stand der Technik sind im Rechercheverfahren von der Prüfungsstelle
die Druckschriften

D1 DE 200 02 922 U1,
D2 US 6,609,350 B1,
D3 US 4,416,086 und
D4 US 4,940,297

ermittelt worden.

In der einleitenden Beschreibung sind darüber hinaus die Druckschriften

D6 US 5,879,070 A
D7 EP 0 657 708 A1 und
D8 WO 2006/101874 A1

als Stand der Technik angegeben.


II.

Die zulässige Beschwerde ist nunmehr begründet.

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A.

Die Patentanmeldung betrifft ein Warenpräsentationsmöbel mit Türen zur Prä-
sentation von Kühl- oder Gefrierwaren mit einer vertikalen Zugangsöffnung zum
Warenraum, der in vertikal übereinander angeordnete Fächer unterteilt und die
dem Kunden zugängliche Frontseite des Warenraumes mit transparenten, hori-
zontal beweglichen Türen verschließbar ist.

In der Beschreibung wird erläutert, Warenpräsentationsmöbel seien als Kühl- oder
Gefrierregale bekannt. Um Kälteverluste zu verhindern sei es bekannt, diese mit
Rollos für die Nachtzeit zu schließen oder mit Glastüren zu versehen, um auch am
Tage den Kälteverlust zu verhindern. Bei den bekannten Warenpräsentationsmö-
beln bestünden die Türen aus einem massiven Rahmen, der eine lsolierglas-
scheibe einfasse (US 5,879,070 (D6); EP 0 657 708 A1 (D7);
WO 2006/101374 A1 (D8)). An diesem Rahmen seien die für die Bewegung der
Türen erforderlichen Elemente befestigt, durch die die Tür getragen werde und mit
dem Warenpräsentationsmöbel verbunden sei. Der Rahmen sei mit Angeln verse-
hen, die wiederum an einem massiven Gestellrahmen des Warenpräsentations-
möbels angebracht seien. Diese Bauweise sei nicht nur sehr aufwendig, sondern
schränke auch den Einblick in das Warenpräsentationsmöbel und seine Fächer
stark ein. Derartige Rahmen wirkten sich auch nachteilig als Kältebrücken aus, so
dass die Rahmen wie auch die Scheiben beschlügen, was die Durchsicht für den
Kunden noch mehr behindere.

Man habe deshalb auch schon versucht, diese Nachteile durch rahmenlose Glas-
türen zu beheben. Eine solche rahmenlose Tür sei durch die US 4,940,297 (D4)
bekannt, bei welcher die Rahmenfunktion durch eine Trägerscheibe übernommen
werde, an welcher Angeln und Klinken befestigt seien. Bei dieser Ausführung sei
auch auf Zwischenstützen zur Befestigung der Türen bei der Rahmenkonstruktion
des Kühlmöbels verzichtet worden. Die Schwenktüren seien mit Drehbolzen
jeweils im Decken- und Bodenrahmen des Kühlmöbels gelagert, so dass der Zu-
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gang und die Einsicht in den Kühlraum nicht durch Zwischenstützen behindert
seien. Da, wie bei den offenen Kühlregalen, die Regalfächer nur an der Rückseite
des Kühlmöbels befestigt seien und freitragend nach vorn ragten, komme es durch
die ausgelegte Warenlast zu Absenkungen des Deckenrahmens des Kühlmöbels.
Bei offenen Kühlmöbeln spiele das keine große Rolle. Jedoch habe sich gezeigt,
dass bei Nachrüstung oder auch bei einer Konstruktion, wie z. B. in der
US 4,940,297 (D4), sich der Tragrahmen durch die Last der Waren absenke und
auf den Türen aufliege, was zu einer Bewegungshemmung der Türen führe.

Es solle daher die Aufgabe gelöst werden, diesen Nachteil zu beheben, und zwar
ohne eine Verstärkung des Rahmens vorzunehmen oder Zwischenstützen einzu-
bauen.

Als den mit der Lösung dieser Aufgabe betrauten Fachmann ist ein Absolvent
einer Fachhochschule der Fachrichtung Maschinenbau mit einer mehrjährigen
Erfahrung in der Konstruktion und Entwicklung von Kühlmöbeln anzusehen.


B.


1. Das Patentbegehren ist zulässig.

Der nunmehr auf ein Warenpräsentationsmöbel gerichtete geltende Anspruch 1
basiert auf dem Anspruch 13 der Anspruchsfassung in der ursprünglichen Anmel-
dung. Auch die weiteren im geltenden Anspruch 1 enthaltenen Merkmale sind der
ursprünglichen Anmeldung, dort in den Absätzen [0009], [0011] und [0012] sowie
dem Anspruch 11, zu entnehmen.

Der rückbezogene Anspruch 2 findet ebenfalls eine ausreichende Stütze in dem
Anspruch 12 der ursprünglichen Anmeldung.
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2. Die zweifelsohne gewerblich anwendbare Vorrichtung nach Anspruch 1 ist
neu.

Die Druckschrift D4 betrifft ein Warenpräsentationsmöbel zur Präsentation von
Kühl- oder Gefrierwaren, vgl. die Sp. 1, Z. 8 bis 12 (Merkmal 1). Das Möbel weist
an seiner dem Kunden zugänglichen Frontseite Zugangsöffnungen zum Waren-
raum auf, vgl. die Fig. 1. Diese Zugangsöffnungen sind aus transparenten, hori-
zontal beweglichen Türen (doors 26) gebildet, die verschließbar sind. Dem Fach-
mann erschließt es sich unmittelbar und eindeutig, dass ein derartig ausgebildeter
Warenraum in vertikal übereinander geordnete Fächer unterteilt sein kann (Merk-
male 2 und 3). Wie weiter den Fig. 3, 4, 6 und 8 sowie der Sp. 5, Z. 47 bis 68 zu
entnehmen ist, sind an den Türen 26 Drehbolzen (hinge pins 81, 83) angeordnet,
um die die Türen 26 schwenkbar sind (Merkmal 4). Der obere Drehbolzen (upper
hinge pin 83) bzw. der untere Drehbolzen (lower hinge pin 81) sind in Buchsen
(bushings 136 bzw. 126) eines jeweiligen Gegenlagers (hinge bracket 128, 112)
aufgenommen und durch Kugellager (ball bearings 134 bzw. 124) gelagert (Teil-
merkmal 5). Die Türen 26 weisen in dem einsehbaren Teil des Gefrierfachs (com-
partement 92) zumindest zwei Scheiben 38 und 42 auf, vgl. die Fig. 5, 6a und 6b
(Merkmal 6). Die Verbindung der Türen 26 mit den Drehbolzen 83 und 81 wird in
der Spalte 4, Z. 24 bis 30 beschrieben und in den Figuren 6a und 6b gezeigt.
Demgemäß bestehen die Türen 26 an ihrem oberen und unteren Ende aus einer
einzelnen Scheibe (outer glass panel 38). Die Scheibe ist an der oberen und unte-
ren Ecke in die Nut einer U-förmigen Schiene (metal rail 76, 78) eingelegt, wobei
der obere bzw. der untere Drehbolzen 83 bzw. 81 in der entsprechenden Schiene
aufgenommen ist.

Jedoch offenbart die Druckschrift D4 nicht, dass der obere Drehbolzen schwim-
mend in Vertikalrichtung frei beweglich gelagert ist und die Drehbolzen jeweils an
einem Verstärkungsstück befestigt sind, das zwischen die Scheiben der Tür einge-
setzt und mit den Scheiben verschraubt oder verklebt ist (Merkmale 7 und 7.1).

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Die Druckschriften D3 sowie D6 bis D8 offenbaren ebenfalls Warenpräsentati-
onsmöbel zur Präsentation von Kühl- oder Gefrierwaren. Zur Verbesserung der
Isolation sind die Türen dieser Möbel aus mehreren beabstandeten Scheiben auf-
gebaut, die in einem Rahmen getragen werden. Die Drehbolzen zum Verschwen-
ken der Türen sind jeweils in den Rahmen der Türen angeordnet (vgl. in Druck-
schrift D3, Fig. 2, in D6, Sp. 4, Z. 21 bis 24, in D7, Fig. 6 sowie in D8, Absatz
[0024] und Fig. 3). Diese Druckschriften offenbaren somit ebenfalls nicht die Merk-
male 7 und 7.1.

Auch der weitere berücksichtigte Stand der Technik nimmt den Gegenstand des
geltenden Patentanspruchs 1 nicht vorweg. So offenbaren die Druckschriften D1,
D2 und D5 schon kein Warenpräsentationsmöbel.


3. Der Gegenstand des geltenden Anspruchs 1 beruht auch auf einer erfinde-
rischen Tätigkeit.

Als geeigneter Ausgangspunkt zur Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit ist die
Druckschrift D4 anzusehen. Diese offenbart ein Warenpräsentationsmöbel zur
Präsentation von Kühl- oder Gefrierwaren mit horizontal beweglichen Türen. Die
Türen sind – wie zur Neuheit ausgeführt – durch Drehbolzen schwenkbar gelagert.
Die Scheibe 38 jeder Tür 26 wird hierzu an der oberen und unteren Ecke durch die
Nut einer U-förmigen Metallschiene 76, 78 gehalten, vgl. die Sp. 4, Z. 24 bis 30,
sowie Fig. 6 und 6a. Die an den Metallschienen 76, 78 angeordneten Drehbol-
zen 81, 83 sind, wie in Sp. 5, Z. 47 bis 68 beschrieben, in Gegenlagern 128, 112
aufgenommen. Die Gegenlager 128, 112 umfassen dabei jeweils eine Buch-
se 136, 126 und ein Kugellager 134, 124 in denen die Drehbolzen gelagert sind.

Ausgehend von diesem Stand der Technik, mag es zwar durchaus nahegelegt
sein, dass der Fachmann die Lagerung der Drehbolzen so ausführt, dass der
obere Drehbolzen schwimmend und in Vertikalrichtung frei beweglich gelagert ist.
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Die an die Lagerung einer Welle gestellten Anforderungen, diese zu führen und
die auftretenden Kräfte in die Konstruktion einzuleiten, sind dem Fachmann
bekannt. Er wird daher die auftretenden, in Vertikalrichtung wirkenden Kräfte durch
ein Festlager in das untere Gegenlager 112 ableiten. Damit die Lagerung statisch
bestimmt ist, wird er das obere Lager als Los-Lager und somit die Lagerung
schwimmend, in Vertikalrichtung des Kühlmöbels gesehen, frei beweglich ausfüh-
ren.

Ein Anlass, abweichend von der in der Druckschrift D4 beschriebenen Verbindung
von lediglich einer Scheibe 38 in der Nut einer U-förmigen Metallschiene 76, 78 in
der unteren und oberen Ecke der Tür 26 abzuweichen, um stattdessen zwei
Scheiben beabstandet vorzusehen, zwischen denen ein Verbindungsstück einge-
setzt ist, ist nicht gegeben. Vielmehr stellt die in der Druckschrift D4 offenbarte
technische Lehre darauf ab, zur Isolation des Warenraums die Tür nur in dem Be-
reich mit mehreren beabstandeten Scheiben auszuführen, in dem der Warenraum
auch tatsächlich zugänglich und die Isolation somit notwendig ist. In den zur obe-
ren oder unteren Ecke hin gerichteten Bereichen des Warenpräsentationsmöbels
ist diese Isolation erkennbar nicht nötig, vgl. die Fig. 5, 6a und 6b.
Der Fachmann hat somit ausgehend von der Druckschrift D4 keine Veranlassung
die dort offenbarte Türverbindung entsprechend den Merkmalen 7 und 7. 1 des
geltenden Anspruchs 1 auszuführen.

Auch die Warenpräsentationsmöbel wie in den Druckschriften D3, sowie D6 bis
D8 offenbart, geben dem Fachmann keine Veranlassung zu einer derartigen Aus-
gestaltung. Die Drehbolzen gemäß dieser Druckschriften sind immer in dem Rah-
men angeordnet, der um die zueinander beabstandeten Scheiben verläuft. Ein
Hinweis darauf, anstelle des Rahmens ein Verbindungsstück zwischen den Schei-
ben anzuordnen, ist dort nicht zu entnehmen.

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Die weiteren Druckschriften D1, D2 und D5 offenbaren schon keine Warenprä-
sentationsmöbel zur Präsentation von Kühl- oder Gefrierwaren, sondern Türen
allgemein. Selbst unter der Annahme, dass der Fachmann auch diese Türen in
Betracht ziehen würde, könnten diese den Gegenstand des Anspruchs 1 nicht
nahelegen. Lediglich die Druckschrift D2 offenbart eine Glastür, die aus zwei zuei-
nander beabstandeten Glasscheiben besteht, vgl. die D2, Fig. 3 bis 10. Zwar
offenbart die Druckschrift D2 auch verschiedene Ausgestaltungen zur Anordnung
von Verbindungsstücken in den Ecken der Türen. Jedoch sind diese nicht zwi-
schen den beiden Glasscheiben angeordnet, sondern entweder um die Glasschei-
ben herum, vgl. die Fig. 5, 9 und 10, oder das Verbindungsstück ist anstelle eines
ausgesparten Stücks einer der Glasscheiben eingesetzt, vgl. die Fig. 3 und 4
sowie 6 bis 8.

Nach alledem beruht der Gegenstand des geltenden Anspruchs 1 somit auch auf
einer erfinderischen Tätigkeit.

Mit dem Patentanspruch 1 ist auch der darauf rückbezogene Patentanspruch 2
bestandsfähig.

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III.

Rechtsmittelbelehrung

Dieser Beschluss kann mit der Rechtsbeschwerde nur dann angefochten werden,
wenn einer der in § 100 Absatz 3 PatG aufgeführten Mängel des Verfahrens ge-
rügt wird. Die Rechtsbeschwerde ist innerhalb eines Monats nach Zustellung die-
ses Beschlusses beim Bundesgerichtshof, Herrenstraße 45 a, 76133 Karlsruhe,
durch einen beim Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt als Bevollmäch-
tigten schriftlich einzulegen.


Dr. Höchst v. Zglinitzki Wiegele Dr. Schwenke


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