11 W (pat) 10/13  - 11. Senat (Techn.Beschw.)
Karar Dilini Çevir:

BPatG 154
05.11

BUNDESPATENTGERICHT



11 W (pat) 10/13
_______________
(Aktenzeichen)



Verkündet am
4. Mai 2017





B E S C H L U S S

In der Beschwerdesache














betreffend das Patent 10 2004 028 133
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hat der 11. Senat (Technischer Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf
die mündliche Verhandlung vom 4. Mai 2017 unter Mitwirkung des Vorsitzenden
Richters Dr.-Ing. Höchst sowie der Richter v. Zglinitzki, Dr.-Ing. Fritze und
Dipl.-Ing. Wiegele

beschlossen:

Auf die Beschwerde der Einsprechenden wird der Beschluss der
Patentabteilung 1.13 des Deutschen Patent- und Markenamts vom
19. Mai 2011 aufgehoben und das Patent DE 10 2004 028 133
widerrufen.


G r ü n d e

I.

Gegen das am 9. Juni 2004 beim Deutschen Patent- und Markenamt angemeldete
und am 1. Juni 2006 veröffentlichte Patent 10 2004 028 133 mit der Bezeichnung

„Strömungsmaschine, insbesondere Abgasturbolader“

ist Einspruch erhoben worden.

Die Patentinhaberin hat ihr Patent in der erteilten Fassung und in der Fassung mit
den in der Anhörung vom 19. Mai 2011 überreichten Hilfsanträgen 1 und 2 vertei-
digt.

Die Patentabteilung 1.13 des Deutschen Patent- und Markenamts hat am Ende
der Anhörung das Patent im Umfang des Hilfsantrags 2 beschränkt aufrechterhal-
ten.
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Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde der Einsprechenden.

Sie macht geltend, das Patent weise in der beschränkt aufrechterhaltenen Fas-
sung eine Schutzbereichserweiterung auf, Hilfsantrag 2 sei unzulässig, der Patent-
anspruch 1 nach dem Hilfsantrag 2 sei unklar und sein Gegenstand beruhe auch
nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.

Die Beschwerdeführerin und Einsprechende beantragt, den angefochtenen
Beschluss aufzuheben und das angegriffene Patent zu widerrufen sowie die
Beschwerdegebühr zurückzuzahlen.

Die Patentinhaberin hat beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.

Der geltende Patentanspruch 1 des Patents in der beschränkt aufrechterhaltenen
Fassung hat den folgenden Wortlaut (Gliederungsziffern ergänzt):

1. Strömungsmaschine
2. mit radial durchströmtem Verdichterrad (2),
3. das auf einer in einem Lagergehäuse gelagerten Welle (1) aufgenommen
und in einem Verdichtergehäuse mit einem schneckenförmigen Strömungs-
kanal angeordnet ist,
4. wobei eine Außenkontur einer Nabe des Verdichterrads (2) und eine Innen-
kontur des Verdichtergehäuses den von einer axialen Richtung in eine
radiale Richtung umgelenkten Strömungskanal ausbilden,
5. wobei das Verdichtergehäuse aus einem äußeren Spiralgehäuse (5) und
einem inneren Gehäuseeinsatzstück (6) gebildet ist,
6. wobei das äußere Spiralgehäuse (5) mittels einer starren Fixierung am
Lagergehäuse festgelegt ist, und
7. wobei das innere Gehäuseeinsatzstück (6) zwischen dem Spiralgehäu-
se (5) und dem Verdichterrad (2) angeordnet und
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8. mittels einer lösbaren flexiblen Fixierung (8) am Spiralgehäuse (5) festge-
legt ist,
dadurch gekennzeichnet, dass
8.1 die flexible sowie lösbare Fixierung (8) Elemente zur Aufnahme von Axial-
kräften und zur Aufnahme von Umfangskräften umfasst,
8.2 wobei zur Aufnahme der Axialkräfte mehrere konventionelle Kopfschrau-
ben (18) vorgesehen sind,
8.3 wobei zwischen den Schraubköpfen (13) der Kopfschrauben (18) und der
Stirnseite (9) des Gehäuseeinsatzstückes (6) Kraftabsorptionselemen-
te (19) in Form von Federelementen oder Dehnhülsen vorgesehen sind,
8.4 und zur Aufnahme der in Umfangsrichtung wirkenden Kräfte Kraftabsorp-
tionselemente (16, 17) angeordnet sind.

Wegen des Wortlauts der rückbezogenen Ansprüche 2 bis 4 sowie weiterer Ein-
zelheiten wird auf die Amts- und Gerichtsakten verwiesen.


II.

Die zulässige Beschwerde ist begründet.

Der Einspruch ist zulässig. Er ist rechtzeitig eingelegt und innerhalb der Ein-
spruchsfrist im Einzelnen substantiiert auf den Widerrufsgrund der fehlenden Pa-
tentfähigkeit, hier mangelnde erfinderischer Tätigkeit, gestützt worden.

A.

Das Streitpatent betrifft eine Strömungsmaschine, insbesondere einen Abgas-
turbolader, gemäß dem Oberbegriff des Patentanspruchs 1.
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Bei einer solchen Strömungsmaschine könne das Verdichterrad im Betrieb bers-
ten, die Trümmerteile müssten in einem Containment zurückgehalten werden. Zur
Gewährleistung der Containment Sicherheit von Strömungsmaschinen unter Ver-
zicht auf einen zusätzlichen Berstschutz außerhalb des Spiralgehäuses schlage
die EP 1 233 190 A1 (D1) vor, das Verdichtergehäuse zweiteilig aus einem äuße-
ren Spiralgehäuse und einem inneren Gehäuseeinsatzstück auszubilden. Das Spi-
ralgehäuse umfasse einen in die radiale Richtung nach außen umgelenkten
Kanalabschnitt des Strömungskanals. Das innere Gehäuseeinsatzstück sei in
radialer Richtung zwischen dem äußeren Spiralgehäuse und dem Verdichterrad
positioniert. Das Spiralgehäuse ist mit einem das innere Gehäuseeinsatzstück zu-
mindest teilweise umgebenden Innenzylinder ausgeführt, an welchem das Gehäu-
seeinsatzstück zur Ausbildung eines Hohlraums mittels einer flexiblen Fixierung
angebaut sei. Die flexible Fixierung des inneren Gehäuseeinsatzstücks am äuße-
ren Spiralgehäuse sei mittels einer Dehnschraubenfixierung in axialer Richtung
durch den Innenzylinder des Spiralgehäuses ausgeführt. Es bestehe jedoch die
Gefahr, dass die flexible Fixierung des inneren Gehäuseeinsatzstücks am äuße-
ren Spiralgehäuse während der Energieabsorption in Folge von in Umfangsrich-
tung wirkenden Kräften versagen könne.

Hiervon ausgehend besteht die Aufgabe, eine Strömungsmaschine zu schaffen,
die eine erhöhte Containment-Sicherheit aufweist.

Der für die Lösung des Problems zuständige Fachmann ist ein Ingenieur des
Maschinenbaus mit vertieften Fachkenntnissen über Strömungsmaschinen, insbe-
sondere Turbolader.

B.

Gegenstand der Beschwerde ist die beschränkt aufrechterhaltene Fassung des
Patents nach Hilfsantrag 2. Einen weiteren Antrag hat die Patentinhaberin im vor-
liegenden Beschwerdeverfahren nicht gestellt. Ihr Antrag auf Zurückweisung der
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Beschwerde und die Bezugnahme auf die gestellten Anträge kann sich nur auf
den Hilfsantrag 2 beziehen, zumal sie keine Anschlussbeschwerde eingelegt hat.

Der der beschränkten Aufrechterhaltung zugrunde liegende Hilfsantrag 2 vom
19. Mai 2011 ist unzulässig. Entgegen der Auffassung der Patentinhaberin sowie
der Patentabteilung schränkt der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hilfsan-
trag 2 den Gegenstand des erteilten Anspruchs 1 nicht weiter ein.

Der Patentinhaber kann sein Patent im Einspruchsverfahren beschränken, wie das
für das Nichtigkeitsverfahren anerkannt ist (BGHZ 21, 8 ff.). Er darf dabei aber
nicht an die Stelle der ihm erteilten patentgeschützten Erfindung eine andere set-
zen (BGH, Beschl. v. 16.01.1990 – X ZB 24/87 – Spreizdübel). Denn dadurch
wäre der erteilte Patentanspruch nicht weiter eingeschränkt. Vielmehr würde sich
der Patentschutz auf ein davon wesensverschiedenes "Aliud" beziehen, was vor
allem mit dem Gesichtspunkt der Rechtssicherheit nicht vereinbar wäre.

Der Oberbegriff des erteilten Anspruchs 1 ist gleich dem des Anspruchs 1 nach
Hilfsantrag 2.

Der Patentanspruch 1 in der erteilten Fassung enthält in seinem kennzeichnenden
Teil die Merkmale „dass die flexible sowie lösbare Fixierung (8) Elemente zur Auf-
nahme von Axialkräften und zur Aufnahme von Umfangskräften umfasst, in Form
mehrerer konventioneller Kopfschrauben (18), wobei zur Aufnahme der Axialkräfte
zwischen den Schraubköpfen (13) der Kopfschrauben (18) und der Stirnseite (9)
des Gehäuseeinsatzstückes (6) Kraftabsorptionselemente (19) in Form von Feder-
elementen oder Dehnhülsen vorgesehen sind“.

Dies ist dahingehend zu verstehen, dass die Fixierung Elemente umfasst, die so-
wohl zur Aufnahme von Axialkräften als auch von Umfangskräften geeignet sind.
Namentlich werden hierzu (konventionelle) Kopfschrauben genannt mit der Präzi-
sierung, dass die Axialkräfte von zwischen den Schraubköpfen und Gehäuseein-
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satzstück vorgesehenen Federelementen oder Dehnhülsen aufgenommen wer-
den.

Die ursprünglich eingereichte Anmeldung (vgl. die OS, dort den Anspruch 1 und
Abs. [0008] i. V. m. dem ersten Ausführungsbeispiel nach den Fig. 1 und 2 sowie
Abs. [0020] bis [0022]) geht, wie die Beschreibung des Streitpatents in der erteil-
ten Fassung (vgl. Abs. [0007] und [0019] bis [0021]), ausschließlich von Dehn-
passschrauben als geeigneten Elementen aus, die sowohl Axialkräfte als auch
Umfangskräfte aufnehmen können.

Der allgemeine Beschreibungsteil enthält zu alternativen Ausgestaltungen der
Fixierung (Strömungsmaschine) nur den Verweis auf den unabhängigen Patentan-
spruch 4, der in der erteilten Fassung des Patents jedoch nicht existiert.

In den Figuren 3 bis 8 des Streitpatents sind alternative Ausführungsformen der
Fixierung gezeigt und in den Absätzen [0022] bzw. [0023] ff. beschrieben. Nur aus
der Figur 8 geht eine Fixierung mit Kopfschrauben hervor, bei der zwischen den
Schraubköpfen der Kopfschrauben und der Stirnseite des Gehäuseeinsatzstückes
Kraftabsorptionselemente in Form von Federelementen oder Dehnhülsen vorgese-
hen sind (vgl. auch Abs.[0029] und nebengeordneter Patentanspruch 4 i. V. m. 11
und 12 der OS bzw. Abs. [0028] des Streitpatents). Zur Aufnahme der Umfangs-
kräfte sind weitere zusätzliche Kraftabsorptionselemente vorgesehen. Weder
Beschreibung noch Ansprüche der ursprünglichen Anmeldung bieten einen Anhalt
für die Annahme, der Fachmann entnehme ihr, dass die Kopfschrauben auch Um-
fangskräfte aufnehmen können und/oder sollen.

Demnach ist der erteilte Patentanspruch 1 auf einen Gegenstand gerichtet, der
keines der in der ursprünglichen Anmeldung (und auch in der Patentschrift) ge-
schilderten Ausführungsbeispiele erfasst. Vielmehr ist er auf eine Kombination der
Ausführungsbeispiele nach den Figuren 2 und 8 gerichtet, bei der es sich auch
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nicht um eine bloße Einschränkung des einen oder anderen Ausführungsbeispiels
handelt.

Im Ergebnis zu Recht hat die Patentabteilung daher angenommen, dass der Ge-
genstand der erteilten Fassung von Patentanspruch 1 über den Inhalt der Anmel-
dung in der ursprünglich eingereichten Fassung hinausgeht und das Patent in der
erteilten Fassung daher nicht bestandsfähig ist.

Durch Streichen „in Form mehrerer konventionellen Kopfschrauben“ als Definition
der Elemente zur Aufnahme von Axialkräften und zur Aufnahme von Umfangskräf-
ten und Ersetzen durch konventionelle Kopfschrauben zur Aufnahme der Axial-
kräfte (Merkmal 8.2) sowie durch zusätzliche Kraftabsorptionselemente zur Auf-
nahme der in Umfangsrichtung wirkenden Kräfte (Merkmal 8.4) ist die flexible so-
wie lösbare Fixierung gemäß dem beschränkt aufrechterhaltenen Anspruch 1 ab-
weichend von der Fixierung in der erteilten Fassung definiert. Dies mag zwar eine
in der ursprünglichen Anmeldung als zur Erfindung gehörend offenbarte Ausfüh-
rungsform darstellen, stellt jedoch keine Beschränkung des Gegenstandes des
Anspruchs 1 in der erteilten Fassung (§ 21 Abs. 2 PatG) sondern ein „Aliud“ dazu
dar. Die vorgenommene Änderung missachtet auch § 22 Abs. 1, 2. Alternative
PatG).

Die beschränkt aufrechterhaltene Fassung des Patents nach Hilfsantrag 2 vom
19. Mai 2011 ist demnach unzulässig und das Patent zu widerrufen (vgl. PatG
§ 59: Schulte, 9. Auflage, Rn. 166; Busse, 7. Auflage, Rn. 243; Benkard, Rn. 127
u. 137).

Auch beim Hilfsantrag 1 hat es sich um keine Beschränkung gehandelt, was hier
keiner weiteren Ausführungen bedarf, weil der Hilfsantrag 1 nicht Gegenstand des
Beschwerdeverfahrens ist.

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III.

Der Senat sieht keine Veranlassung, die Rückzahlung der Beschwerdegebühr an-
zuordnen.

Die Einsprechende macht geltend, im vorliegenden Fall sei das rechtliche Gehör
verletzt und somit die Rückerstattung der Beschwerdegebühr gerechtfertigt. Sie
führt hierzu aus, dass sie die unzulässige Erweiterung des Schutzbereichs auch
mit Blick auf den Anspruch 1 nach dem Hilfsantrag 2 geltend gemacht habe, sei
dem Beschluss der Patentabteilung nicht zu entnehmen. Des Weiteren rügt die
Einsprechende, ihrem Antrag, im Beschluss zu vermerken, dass die Patentinhabe-
rin die hinzugenommenen Kraftabsorptionselemente ausschließlich als „separate“
Elemente ansieht, sei nicht entsprochen worden.

Damit sind keine Gründe gegeben, die eine Rückzahlung der Beschwerdegebühr
nach § 80 Abs. 3 PatG rechtfertigen könnten. Die Rückzahlung erfolgt ausnahms-
weise nur dann, wenn es unter Berücksichtigung aller Umstände unbillig wäre, die
Gebühr einzubehalten (vgl. Benkard, PatG, 11. Aufl., § 80, Rdn. 22). Als solche
Gründe kommen insbesondere Verfahrensfehler seitens des Deutschen Patent-
und Markenamts in Betracht, die aber nur dann eine Rückzahlung der Beschwer-
degebühr begründen können, wenn sie für die Beschwerdeeinlegung ursächlich
waren. Fehlt es an der Kausalität für die Einlegung der Beschwerde, findet § 80
Abs. 3 PatG keine Anwendung (vgl. Busse, Patentgesetz, 8. Aufl., § 80, Rdn. 94).

Der Einsprechenden wurde, wie von deren Vertreter in der mündlichen Verhand-
lung bestätigt und auch ihrem Beschwerdevorbringen zu entnehmen, während der
Anhörung vor der Patentabteilung die Möglichkeit gegeben, zur Erweiterung des
Schutzbereichs des Patents in der Fassung nach Hilfsantrag 2 Stellung zu bezie-
hen. Darin, dass der Beschluss nicht alle Einzelheiten des Vorbringens der Ein-
sprechenden aus der mündlichen Verhandlung wiedergibt, ist kein die Rückzah-
lung der Beschwerdegebühr rechtfertigender, schwerwiegender Verfahrensmangel
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zu sehen. Denn auch wenn der Senat bei der Beurteilung zu einem anderen
Ergebnis gelangt als die Patentabteilung, so ist der Beschluss der Patentabteilung
nachvollziehbar und mit Gründen versehen.


IV.

Rechtsmittelbelehrung

Dieser Beschluss kann mit der Rechtsbeschwerde nur dann angefochten werden,
wenn einer der in § 100 Absatz 3 PatG aufgeführten Mängel des Verfahrens
gerügt wird. Die Rechtsbeschwerde ist innerhalb eines Monats nach Zustellung
dieses Beschlusses beim Bundesgerichtshof, Herrenstraße 45 a,
76133 Karlsruhe, durch einen beim Bundesgerichtshof zugelassenen Rechts-
anwalt als Bevollmächtigten schriftlich einzulegen.


Dr. Höchst Richter von Zglinitzki
kann wegen Krankheit
nicht unterschreiben.

Dr. Höchst
Dr. Fritze Wiegele


Ko



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